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Dritter Gesang.
Die Gottesgeißel.

Es schläft im Wald, im finstren Tannengrunde
Ein tief geheimes Grau'n – wie riesig streckt
Das Elenn dort aus seinem Felsenschlunde
Sein schaufligtes Geweih. Der Sturmwind weckt
Den Ur auf und die Wölf' und wilden Hunde.
Aus alten Stämmen längst von Moos bedeckt,
Aus grauen Aesten schaut's im Föhrenhaine
Wie todter Enakssöhn' versteint Gebeine.

Was murmelst du, Waldbach, aus dunklen Bahnen,
Was murmelst du so vor dich hin im Gehn?
Der Dinge Keim, der Zeit geheimes Mahnen?
Es lag ein Schwert, das Niemand noch gesehn
Im Urforst – nur die Pfeile des Alanen,
Die Wölfe nur, die um den Hügel spähn,
Die Eber, die den Eichbaum unterwühlen,
Die Hirsche, die den Durst am Felsquell kühlen.

Die wußten drum; es lag im Haidenraine,
Hier schürten Hirten einst ein Feuer an,
Da fanden sie das Schwert, und sprach der Eine:
Wem bringen wir's? und als sie um sich sah'n,
Saß hinter ihnen hoch zu Roß im Haine,
Ein Jäger mit dem Speer und Eberzahn,
Er trug ein Bärenklaunfell, Büffelhorne
Am Helm, und um den Harnisch Eisendorne.

Woher, begann er zu den beiden Hirten,
Habt ihr das Schwert? Sie sagten ihm: »es kam,
Als sich von unsrer Heerde zwei verirrten,
Das eine wund am Fuß zurück und lahm;
Wir suchten nach dem Grund davon, entwirrten
Das Dickicht, das uns erst die Spur benahm,
Und sieh! versteckt im Felsengrunde fanden
Das Schwert wir, nimm's nun du zu deinen Handen.«

Er schwang das Schwert, die Hirten aber schreckte
Sein finstrer Blick, sie sagten: ist das Kain?
Deß bloßer Blick schon solche Furcht erweckte?
Denn durch den Wald schoß hell ein Wetterschein.
Daß Luchs und Wolf sich scheu davor versteckte.
Und als er ritt in seine Lager ein,
Schrei'n Hunnen und Gudrungen und Gepiden,
Seht Wodans Schwert, dem Attila beschieden!

»Herr! wer soll sterben?« schrie'n die tausend Horden
Und schwangen ihre Lanzen, und da sprach
Der Sohn des Mundzuck, »Alles dürft ihr morden,
Die Erde legt für eure Weide brach!
Laßt uns heranziehn wie der Sturm aus Norden,
Ich bin die Geißel Gottes – folget nach!
Ich will euch führen an den Quell der Sonne,
Wo dann ihr schlürfen sollt vom Kelch der Wonne!«

Und auf der Ebne, wo vor alten Zeiten
Der Gothen Herrscher umgekommen war,
Ließ Attila sein Siegeszelt umreiten;
Er war der Gott, sein Schwert war der Altar,
Um über alle Länder auszubreiten
Den Schrecken seiner Macht und Heeresschaar;
Sein Annahn fühlten bald im Flammenbrande
Die Städt' und Burgen an dem Donaustrande.

Ein Heer von fünfmalhunderttausend Kriegern,
Die Fürsten Ardarich und Walamir
Gehorchten ihm, dem Sieger über Siegern,
Dem Unersättlichen an Ländergier.
Ein Helmschmuck mit dem Fell von Panthertigern
Umschloß ihr Haupt und Gold des Köchers Zier,
Es funkelt ihr gestählter Schild, die Lanze,
Das Reitzeug und ihr Schwert im hellsten Glanze.

Doch sein Schmuck war kein Prunk im Wehrgehänge,
Noch Zier in Waffen, weder Gold beim Mahl,
Noch Gold in Worten, sondern rauhe Strenge
Und unerbittlich Recht, sein Platz kein Saal,
Ein Baum, und um ihn her das Volksgedränge,
Hier stund er und erwog, ein falscher Strahl
Im Licht der ew'gen Gnade, die Geschicke
Der Völker unter ihm mit stolzem Blicke.

Die Fürsten kriegerischer Stämme bogen
Ihr Haupt vor ihm, sie wurden schreckenbleich
Vor seiner Stirne Wolken, sie vollzogen
Beim ersten Zeichen seines Zorns sogleich
Und ohne Murren sein Geheiß wie Wogen
Beim Wehn des Sturms. – Schon sah der Griechen Reich
Den Chersones bedroht, Illyrien offen
Und Thracien von dem Wetterschlag betroffen.

Europa lag, sein Ostgebiet, sein Norden
Vom Pontus offen bis zur Adria
Dem eingedrungnen Schwarm der Asierhorden.
Jetzt schien für Geiserich der Zeitpunkt nah,
In dem er seine Plane reif geworden
Und eine Mithand zur Vollbringung sah;
»Der Steppen Herr verbünde seine Heere,
Dem Könige des Landes und der Meere!

Hervor aus deinem Zelte, laß uns jagen,
Gewaltiger! vereinigt werden wir
Mit unsrem Haupt bis an die Sterne ragen,
Würgengel komm heran, zertritt mit mir
Die Mauern und die Thürme, die sie tragen!
Zertritt mit mir in Staub, damit Gethier
Und Jäger wieder frei wie Wind und Welle
Die Welt durchstreife mit des Windes Schnelle.

Das große Reich auf alten Ruhm gegründet,
Das noch in Erz und Marmor seine Macht,
Und durch Gesetze noch der Welt verkündet,
Es stürz' und werd' der Erde gleich gemacht.
Wenn sich die Steppe mit dem Meer verbündet,
Die Oede sich vereinigt mit der Nacht,
Dann bleiben mächtig nur noch zwei Gewalten,
Wir beide, die mit Schwert und Feuer schalten.«

So schrieb es Geiserich in Runenstäbe
Und gab es seinen Abgesandten mit,
Und daß er auch zugleich ein Sinnbild gebe,
Und durch ein Zeichen sag', wer für ihn stritt,
Und wer mit ihm ein gleiches Ziel erstrebe,
So sann er lang darüber nach und schritt
Sogleich ans Werk, nachdem ihm ein Erspüren
Genug bedeutend schien es auszuführen.

Er ließ des Atlas höchste Ceder schlagen,
Den stärksten Ast als Keule zubehau'n,
Und diese ward alsdann umhergetragen
Von Land zu Land in allen Nordlandgau'n,
Und jeder König, um damit zu sagen,
Daß er dem großen Bündniß wolle trau'n,
Schlug einen Eisenstift ein, daß von Spitzen
Die Keule strotzte wie von starren Blitzen.

So kam die Waffe bald zum fernen Osten,
Und Attila ward durch der Botschaft Sinn,
Daß ihm, so viel als Dorne daran sproßten,
So viele Völker folgen würden, inn'.
Wer nicht will, rief er, soll die Geißel kosten,
Und gab das Zeichen zu des Kriegs Beginn,
Indem er Botschaft nach Byzanz beordert
Und unerschwingliche Tribute fordert.

Und nicht genug, an ihn zurückzugeben
Befiehlt er aller Ueberläufer Zahl,
Die flüchtig sich ins Griechenreich begeben,
Um sie am Kreuz mit ausgesuchter Qual
Für ihre Flucht zu strafen an dem Leben.
Zuletzt auch heischt er, daß kein Römerpfahl
Soweit als südwärts von dem Donaustrande
Sein Markstein ragt, sich zeigen dürf' im Lande.

Byzanziums Burg betrat sein Abgesandter,
Orest mit Edekon; Orestes, zwar
Ein Römer von Geburt und einst Verbannter,
War Kanzler Attilas, dagegen war
Dem Krieg und Kriegszeug Edekon verwandter,
Ein Fürst von einer eignen Völkerschaar,
Aus Attila's germanischen Vasallen,
Der erste, hochgeehrt von ihm vor Allen.

Orest mit jeder Hof- und feinen Sitte
Wie mit Barbarenbrauch gleich wohl vertraut,
Verstund zu fordern in der Form der Bitte,
Mit Flüstern anfangs und am Ende laut.
Er blickte spähend aus bei jedem Schritte,
Und grüßte stets; doch schlank und hoch gebaut,
Schritt Edekon, und schien bald mit Verachten
Bald mit Bewundrung alles zu betrachten.

Nachdem sie was der Hunnenfürst beschlossen
In einem Brief dem Kaiser überreicht,
Und sich entfernt, ersah man aus verdrossen
Gesenkten Blicken seinen Inhalt leicht.
Ein Schatten lag um alles ausgegossen,
Ein Bild der Furcht, die jeden nun beschleicht,
Wie trauernd sah'n die schattigen Platanen
Um des Palastes dunkle Steinaltanen.

Der Kaiser von Byzanz, den Astrologen
An seiner Seite, blickte vom Palast
Hinab auf der Propontis blaue Wogen:
»Mein letzter Stern am Himmel ist erblaßt.«
Er sprach's zu dem, der ihn noch nie betrogen.
Und hatte bebend seine Hand gefaßt
Chrysaphius, der Erste seines Rathes,
Sein Günstling und der Lenker seines Staates.

Chrysaphius, der mächtige Vollbringer
Der Plane seines Herrn, sein ewger Fluch,
Sein Auskunftschafter, Späher, Hinterbringer,
Ein Mumienbild, ein wandelnd Leichentuch,
Er küßt des Herrschers Hand, erhebt den Finger
Und spricht: »das Herz ist mir ein offnes Buch,
Du willst, erhaben über Erdenschwächen,
Die Schmach verleugnen, die du nicht kannst rächen.

Doch wenn es Niemand wagt ihn anzufallen,
Der uns erwürgt bis auf den letzten Hauch,
Als wären wir das Lamm in seinen Krallen,
Und hülfe nicht ein Gott den Schwachen auch –
So wag es ich, und wie einst in den Hallen
Des Belsazar die Flammenschrift, so tauch'
Auch ihm sich bald beim lästerlichen Mahle
Der Tod in seine weingefüllte Schaale.«

Ein Pochen an der Thür gebot ihm Schweigen,
Und Edekon betrat den Marmorsaal,
Man hatte ihn, um allen Glanz zu zeigen,
Geladen heut zum überreichen Mahl.
Sein Staunen scheint bei jedem Schritt zu steigen,
»Ha welche Pracht! Wie wenn im Sonnenstrahl
In allen Farben prunkt die Pfauenschwinge,
Welch stolzer Reichthum, welche seltne Dinge!«

Er kann, um sein Entzücken auszusprechen,
Nicht Worte finden, doch er sagt genug,
Die Seele des Chrysaphius zu bestechen,
Der zu ihm tritt und lächelt: »wärst du klug,
Es sollte dir bei uns an nichts gebrechen.
Vertrau dem Glücke, das zu uns dich trug,
Du kannst dann auch in marmornen Palästen
Vergnügt wie wir sein bei Gelag und Gästen.«

»So wahr ich lebe, das wird nie geschehen,«
Rief Attila's Vasall, »und auch so lang
Mein Herr lebt wird er das nicht zugestehen,
Doch wer ihn gar verläßt, verdient den Strang.«
Chrysaphius frug: »doch ein und auszugehen
Bei Attila gestattet dir dein Rang?«
»Ja,« rief der Hunne, »wann ich will, und immer
Wenn mich die Wache trifft vor seinem Zimmer.«

»Wohl,« flüsterte Chrysaphius, »kannst du schweigen?
Dann will ich, wie man leicht und mühelos
Zu vielem Golde kommt, den Weg dir zeigen;
Viel Dinge ruhen in der Zukunft Schooß,
Doch das muß man allein und ohne Zeugen
Besprechen.« – Basiliskenblicke schoß
Sein funkelnd Aug, er sprach: »Wir sehn uns wieder,
Dann mehr! Nun komm, laß dich zum Mahle nieder.«

Es sollten bald, so ward nun hier beschlossen,
Auch von dem Griechenhof ins Hunnenreich
Gesandte gehn und zu den Tischgenossen
Sprach leis Chrysaphius: »mit Euch zugleich.«
Den Edekon, der stumm blieb und verschlossen,
Versucht er noch in später Nacht, da bleich
Hereinschien in den Saal die Morgenröthe,
Daß er mit Gift den Hunnenherrscher tödte.

Er wähnte sich den Fremden leicht gewonnen,
In dessen Herz er, wie er glaubte, las
Und gab ihm Tags darauf an dreißig Tonnen
Des reinsten Golds und Gift in einem Glas,
Das kaum genommen, macht das Blut geronnen,
Und tödtet schon das Zehntel eines Aß.
So sollt' er nun zurück ins Lager reiten
Und ihn Gesandte von Byzanz begleiten.

Als Erster für die Botschaft ward erkoren
Ein edler Herr, mit Namen Maximin,
Sein Dolmetsch, einer wie dazu geboren,
Hieß Bigila, der schlau genug erschien
Geheim zu halten was man sich beschworen,
Doch jener hatte noch von dem um ihn
Entsponnenen Verrath kein Wort erfahren,
Und nochmals sprach Chrysaphius zum Barbaren:

»Ist es geschehn und ist er eine Leiche,
Und ist erlediget der Hunnenthron,
So eil' so schnell du kannst davon, erreiche
Das Griechenreich, und dein sei reichster Lohn.«
Was ihn durchfuhr bei so verruchtem Streiche,
Mit keinem Wort verrieth es Edekon,
Er bat die Hälfte Gold zurückzulegen,
»Damit wir,« sprach er, »nicht Verdacht erregen.«

Nicht, daß er einen Augenblick nur schwanke,
Verrieth sein trotzig finsteres Gesicht,
Er wog mit einem vornehm kalten Danke
In seiner Hand das goldene Gewicht,
Und ging, und als er in dem Hof die Ranke
Des Thors durchschritt, fiel ihm ins Aug ein Licht,
Es schien aus einer Wölbung hoch im Erker
Und eine Stimme klang aus einem Kerker.

»Wie habt ihr um die Jugend mich bestohlen
Und mich aus eures Glückes Weg geräumt!
Obwohl zu mir, als wolle sie mich holen,
Empor die Woge der Propontis schäumt,
Sie netzt nur um den Thurm, den Fels, den hohlen.
Dem sie den Fuß mit weißer Welle säumt,
Zu Hero kam der Jüngling durch die Fluthen,
Zu mir die Taube nur mit ihren Bruten!«

Durchs Laubwerk eines dicht verschlungnen Astes
Sah Edekon, das Kerkerzimmer war
In einem nahen Flügel des Palastes,
Ein eng Gemach, am Fenster ein Altar.
Der feste Schritt des ungestümen Gastes
Erbebte nicht vor Wächtern und Gefahr,
Er fand, daß ein gewölbter Gang zur Thüre
Und zum Gemach, woher das Lied drang, führe.

Ein Tritt zerbrach der Thüre Schloß und Schrauben;
»Wer bist du,« frug er staunend und trat ein,
»Du bleiche Lilie, weißeste der Tauben?«
Die Antwort war: »Du trittst hier kühn herein,
Das durfte sich sonst Niemand noch erlauben,
Denn ewig soll ich hier vereinsamt sein –
Du stolzer Fremdling wagtest zu betreten
Die Stelle, wo wir um Erlösung beten.

Im Purpur ward Honoria geboren,
Die Schwester Valentinians steht vor dir,
Doch Glück und Leben ist für mich verloren,
Im Kleid der Nonne büß' und bet' ich hier.«
»Und ich,« sprach Edekon, »ich bin erkoren
Von Attila an diesen Hof, bei mir
Ist seine Macht vertreten, doch entschuldigt
Mich nichts, daß ich dir nicht gleich gehuldigt.«

Voll Anstand beugte der Barbar zum Staube
Sein stolzes Knie und sprach: »Verzeihe mir – «
Und sie: »Du meinst es gut, so viel ich glaube,
Wohlan denn, Fremdling, ich verzeihe dir!
Und siehe, daß ich dir sogar erlaube
Mich auf die Hand zu küssen. Die Begier
Nach Rache tobt in mir und kein Versöhnen,
Doch bald soll laut mein Hülferuf ertönen.

Laß deinen König diesen Ring empfangen,
Sag ihm, mein Herz bewohne den Smaragd,
Er möge mich als seine Braut verlangen,
Ich will ihm dienstbar sein wie eine Magd,
Denn hier sind Ottern nur um mich und Schlangen,
Ich werde fliehn, sobald mein Morgen tagt,
Dem Hunnen lieber will ich angehören
Als hier dem Gift, womit sie mich zerstören.

Ich will ihm, wenn er Mord befiehlt, zunicken,
Wenn er vom Blut der Städteplündrung trieft,
Entgegengehn und goldne Blumen sticken
In seines Pferdes Zügel; so vertieft
In eure Sprache sollt ihr mich erblicken,
Daß wenn ihr Wächter vor dem Zelte schlieft,
Ich wach sein will, um Runen noch zu lernen
Und seine Siege lesen in den Sternen.«

»O!« rief der Hunnenheld, indem er schicklich
Sein Haupt verneigte; »reich an Gold
Ist dieses Haus und doch seid ihr nicht glücklich.
Verrath steht überall in eurem Sold.«
Doch rasch sich ändernd, rief er augenblicklich:
»Nur du erscheinst mir über Alles hold,
Es trifft sich gut, daß ich dein Bote werde.
Leb' wohl! zur Reise stehn bereit die Pferde.«

Er schied und gieng zurück zu seinen Scythen;
Des andern Morgens frühe noch vor Tag
Erschienen auch in ihren Reisehüten
Geschenke tragend, Rollen und Vertrag,
Die Griechen voll von goldnen Anerbieten
Mit freundlichem Gesicht, doch sichtbar lag
Bekümmerniß in ihres Herzens Grunde,
Denn ewig dräut der Schuld die Rachestunde.

Und sieh, nicht lang darnach, am Himmel brannte
Ein mächtiger Komet, sein Wiederschein
War aus dem Meer und von den Ufern wandte
Die Flamme der Verwüstung Glut darein,
Da trat, als eben ihre Segel spannte
Die Flotte Geiserichs, vor ihn allein
Ein Mann von Attila gesandt, es ragte
Ein Pfeil aus seinem Köcher und er sagte:

»Den Pfeil des Todes, König der Vandalen!
Schickt Attila; so sicher wie sein Flug
Sei dein Vertraun auf ihn, der Sonne Strahlen
Verdunkelt seiner Völker Heereszug;
Die Griechen eilten, ihm Tribut zu zahlen,
Doch ihm sind ihre Schätze nicht genug,
Vereint mit dir gedenkt er umzuändern
Die Macht und den Bestand in allen Ländern.«

»Ha!« rief der König »sieh nun und erzähle!
Folg mir!« Er nahm den Hunnen bei der Hand
Und führt' ihn erst durch hohe Waffensäle,
Wo Schilde hiengen, Kolben, Stahlgewand,
Und zahllos Schwerter, Beil' und Eisenpfähle
Und nahm ihn dann mit sich zum Meeresstrand,
Zum Marstall, auf den Tummelplatz, die Werfte
Und in die Schmieden, wo man goß und schärfte.

Zu tummeln schien im Hafen keck und munter
Ein Volk des Nereus sich, ein hell Geschlecht,
Meermänner schienen sie und tauchten unter,
Und andre spielten nach ein Seegefecht.
Zu Nacht im Hof der Burg ward während bunter
Und rauschender Musik beim Mahl gezecht,
Und während drauß in leuchtendem Gedränge
Die Schiffe fuhren, hallten Schlachtgesänge.

Zur offnen Brüstung einer Zinne treten
Hieß Geiserich den Hunnen, wies ihm dann
Hinaus zum mächtig strahlenden Kometen,
Und sprach: »du siehst, in jeder Nacht gewann
Mehr Raum der Stern, den anderen Planeten
Voran an Glanz und Lauf! und aber dann,
Wenn im Zenith er sein wird, sei's das Zeichen
Für uns, daß ich und dein Herr uns erreichen.

Dann lege seinen Rossen er die Zäume
Und Sättel um, ich laß zu gleicher Zeit
Die Anker ausziehn und die Segelbäume,
Und nordwärts will ich mit der Schnelligkeit
Des Windes, wenn er peitscht die weißen Schäume.
Versäume nichts, sag wie du mich bereit
Und kampfgerüstet sahst, und sag, ich eile,
Auf daß ich Sieg und Beute mit ihm theile.«

Indem nun dieß vor Attila zu bringen
Sein Bote durch die weiten Länder flog,
Indeß kam auch nach wohlvollbrachten Dingen
Die griechische Gesandtschaft heim und bog
Durchs Burgthor unter Gruß und Tücherschwingen,
Und wie sie vor den Thron des Kaisers zog,
Mit ihrer Stirn den Staub der Erde streifend,
Begann nun Maximin das Wort ergreifend.

»Erhabner Herr! o da nun deine Gnade
Uns wieder strahlt, wie reich sind wir belohnt!
Beglückt, wer an der Bildung Herd die Pfade
Der Sitte wandelt und beim Rechte wohnt,
Denn elend lebt und kläglich der Nomade,
Von keines Elementes Wuth verschont,
Der Noth und jeder Willkür preisgegeben,
Sein Tag ist Nacht und ohne Werth sein Leben!

Berichten werd' ich Alles nun des Wahren,
Wie du befahlst, dein treuer Argonaut.
Vernimm vom Hochmuth trotziger Barbaren,
Und wie man in der Steppe wohnt und baut.
Vernimm was wir erduldet und erfahren,
Seit wir zuletzt dein Antlitz, Herr! geschaut,
Seit Abschied wir von deiner Hauptstadt nahmen,
Und an die Grenze deines Reiches kamen.

In Sardika und in Naissus kannten
Wir kaum noch unsre Städte, so verheert
Und öde wie sie waren; in verbrannten
Kapellen lagen bleich und abgezehrt
Verwundete und Kranke, schaudernd wandten
Wir uns hinweg, und kamen unverwehrt
Am Margus an, um dessen Ufer lagen
Die Knochen derer, die das Schwert erschlagen.

In Felsenhöhlen, in der Wildniß Schatten,
Wohin die Menschen aus der Städte Roth,
Und vor den Gräueln sich geflüchtet hatten,
Erlagen Tausende dem Hungertod,
Die Mütter und die Kinder und die Gatten.
Den Anblick schrecklicher Verwüstung bot
Mit jeder Stunde sich dem Aug in wildern
Und immer fürchterlichern Schreckensbildern.

Und von Agintheus, der die Grenzwachschaaren
Befehligt, wurden hier uns zugetheilt
Die Letzten, die noch auszuliefern waren.
Nachdem wir eine kurze Zeit verweilt,
Geleiteten die Führer der Barbaren
In Thäler, die der Donaustrom durcheilt,
Den Strom durchfuhr aus Kähnen die Gesandtschaft,
Und kam in eine weithin ebne Landschaft.

Es wimmelte an diesem Strand von Kähnen,
Weil, hieß es, Attila ins Grenzgebiet
Oft jagen kommt, doch war es leicht zu wähnen,
Daß sich sein wahrer Geist damit verrieth.
Denn Krieg liegt hinter allen seinen Plänen,
Die Hunnen sagten, wenn er hieher zieht,
So birscht er mondenlang durch diese Haine
Auf Büffel, Bären, Hirsch und wilde Schweine.

Gigantisch wälzte sich das Nebelgrauen
Das undurchdringlich Wald und Flur umfing,
Kaum hie und da ein Wipfel war zu schauen,
Der sein bereift Gezweig herunterhing.
Man wußte nicht ob noch im Himmelblauen
Die Sonne stund, ob eine Zeit verging.
Es brausten Ströme durch verhüllte Klüfte
Und Wolken jagten vor sich her die Lüfte.

Wie anders als die Nebel sich zertheilten,
Und sich erhebend über Fels und Au
Zerfließend an den Höh'n hinuntereilten!
Die goldne Sonne schien durchs reine Blau,
Wie liebend ihre Strahlen rings verweilten!
Wie ließ ihr Glanz, erhöhter noch im Thau,
Das rothe Laub der Buchen und der Birken
Mit sanftem Reiz aus Aug und Seele wirken!

Hier schlugen unser Zelt wir aus im Felde,
Und Edekon verließ uns jetzt und sprach,
Daß er dem König unsre Ankunft melde,
Wir möchten ruhig warten; kurz darnach
Erscholl ein Pferdgetrappel und in Bälde
Erschien ein Hunnentrupp im Zeltgemach;
Sie sagten, daß sie hergeritten kämen,
Uns in des Königs Lager mitzunehmen.

Des andern Tags, es war die neunte Stunde,
Erblickten wir das Lager Attila's,
Doch als wir hier auf einem Hügelrunde
Das Zelt errichten wollten;:›Lasset das!‹
Schrien zwei uns zu aus einer Reiterrunde.
›Wenn in der Niedrung sich den Platz erlas
Der König selbst, habt ihr es nicht gesehen –
Wie dürftet ihr mit eurem höher stehen.‹

Als wir gethan, was diese Hunnen sagten,
Da kamen seine Großen bald herbei,
Orestes, Edekon und Scotta fragten,
Was unsrer Botschaft Grund und Inhalt sei.
Wie wohl wir uns und heftig nun beklagten,
Ob solch noch nie erhörter Plackerei;
Doch ließen sie nicht ab in uns zu dringen,
Als galt' es ein Geständniß zu erzwingen.

Wir dürfen uns dem König nur erklären,
Und ein Vermitteln weder dort noch da
Durch Zwischenträger irgend wie gewähren –
So sprach ich, und nun hieß es, Attila
Befehle der Gesandtschaft, auf den Fähren
Des Wegs zu ziehn, den man sie kommen sah,
Wofern sie nichts mehr sonst berichten müßte,
Als was er selbst durch Edekon schon wüßte.

Als wir nun sahn, es sollt' so übel enden,
So schickten wir uns an nach Haus zu ziehn.
Wir wollen uns an jemand andern wenden,
Sprach Bigila, der noch voll Gleichmuth schien,
Wir müssen klüger sein, wir müssen blenden,
Anstatt, als wären wir in Furcht, entfliehn –
Versuchen wir's, durch goldene Versprechen,
In Attila's Gezelt uns Bahn zu brechen.

Und so geschah's; es sollte bald gelingen;
Der Hunne Scotta bot sich willig an,
Er wolle uns sogleich zum König bringen,
Bestieg sein Roß, und wie gesagt, gethan;
Von jeher hatte Gold die schnellsten Schwingen.
Wir kamen vor, der Führer ging voran,
Nachdem wir durch die Menge der Barbaren,
Die Wache hielten, durchgeschritten waren.

Wir traten ein und blieben wenig Schritte
Vor Attila in Ehrerbietung stehn –
Dann trat ich vor, und sprach zu ihm mit Sitte
›Mein Kaiser wünscht dir Heil und Wohlergehn‹
Und Attila: ›Das ist auch meine Bitte‹ –
Sobald er aber Bigila gesehn,
Begann er, ihn mit Worten anzufahren
Und keinerlei Beleidigung zu sparen.

Er rief: ›Wie wagst du vor mich herzutreten,
Da du doch weißt, daß ich wie früher schon
Gesandtschaft jeder Art so lang verbeten,
So lang – wer jemals meinem Land entflohn,
Vom Stamm der Hunnen oder Massageten
So lang noch Einer fern von meinem Thron
Sich bei den Griechen aufhält, denn noch Viele,
Die auszuliefern, haben dort Asyle.‹

Als ihm entgegnet ward, die wir bekamen,
Sind hier und alle, ließ er alsogleich
Von einer Tafel lesen deren Namen,
Die noch geheim zurück in deinem Reich,
Und die in unsrem Heer noch Dienste nahmen.
Dann setzte er hinzu – ›wär' nicht um Euch
Die Achtung, die wir vor Gesandten tragen,
Der würde mir sogleich ans Kreuz geschlagen.

Ich will nicht dulden, daß noch Blut versprühen
Die eig'nen Knechte wider sich und mich,
Und auch euch Griechen kann es wenig nützen,
Bei euch zu haben, wer von mir entwich,
Denn welche Städte, welche Burg beschützen,
Und welche Mauer werden die, die ich,
Der ich hier Herr bin, anwies, zu zerstören
Und eher nicht, als ich will, aufzuhören.‹

Nachdem wir so von ihm beschieden worden,
Verweilten wir mit Bangen noch den Tag,
Dann giengs in andre Gegenden nach Norden
Mit Attilas Gefolge; nahe lag
Ein Dorf, in dem der Herrscher aller Horden
Mit einer Hunnenmaid die Hochzeit pflag,
Und niemand durfte sich dem Orte nahen,
So lang die Festlichkeiten dort geschahen.

Aus andern Wegen setzten wir die Reise
Bis in die Nacht hin fort, dann hielt man, nahm
Sich Obdach, buck das Brod, trank Meth im Kreise,
Und gab dem Schlaf sich hin; auf einmal kam
Ein Ungewitter und in solcher Weise,
Daß uns der Sturm Gezelt und Polster nahm,
Und alles in die Sümpfe trieb, der Regen,
Der Wind, die Nacht lag schwarz auf allen Wegen.

Indem wir suchend hier und dorthin irrten,
Und laut uns zuschrien, wenn wir etwas sahn.
Erwachten in dem nahen Ort die Hirten
Und leuchteten mit angebranntem Spahn.
Wir baten nun, uns gütig zu bewirthen,
Und diese nahmen unsrer Noth sich an;
Man lud uns ein zum Herd heranzukommen,
Aus welchem Schilf und trocknes Reisig glommen.

Der Ort, in den so seltsam wir geriethen,
Gehörte einer von des Bleda Frau'n.
Sie brachte Speis' und Trank und was die Scythen
Als Ehrbezeugung pflegen anzuschau'n,
Es wurde jedem Gast das Anerbieten,
Sich Nachts mit einer Schönen zu vertrau'n.
Wir speisten, dankten für das Mahl und lehnten
Das Andre ab, wornach wir uns nicht sehnten.

Kaum daß der Morgen röthete die Buchen,
So eilten wir vom Lager aufzustehn,
Wir brachten einen ganzen Tag mit Suchen
Nach unsern Sachen zu, und nun beim Gehn
Beschenkte uns mit Silberzeug und Kuchen,
Die Wirthin noch, und sprach: Auf Wiedersehn!
Wir hatten aufgesattelt, ritten weiter,
Und trafen bald auf fernere Begleiter.

So holten wir, nachdem wir manche Meilen
Zurückgelegt, den Zug des Königs ein.
In einem Dorfe hieß man uns verweilen,
Auf einmal schlug an unser Ohr Latein.
Wir sahen auf uns zu vier Römer eilen,
Gesandte Roms, nicht sollten wir allein
Den Uebermuth, die Härte des Barbaren
Und seine Habsucht, seinen Stolz erfahren.

Nun wurden Klagen ausgetauscht, und Frage
Um dies und das gestellt, und jede gieng
Zuletzt auf die hinaus um unsre Lage,
Warum ein Gott es über uns verhieng,
Daß unser Staat, der über Alles rage,
Der im Entstehn die Stärke schon empfing,
Wo Recht und Ordnung Jedem seines gönne,
Nicht diesen Hunnen überwinden könne? –

Wir fanden bald mit unsern Reis'genossen
Ein großes Dorf, und als wir das erzielt,
Des Königs Häuser, hölzern, pfahlumschlossen,
Umthürmt ringsum und innen schön gedielt.
Die Hunnen saßen noch auf ihren Rossen,
Ein Zug von Jungfrau'n, weißgekleidet, hielt
Die Hände ringend vor dem König, singend
Und Schleier über ihre Häupter schwingend.

Die Mädchen sangen eine Scythenweise,
Und als wir seiner Diener Haus genaht,
Trat dessen Frau hervor und brachte Speise
Und Wein, indem den Attila sie bat
Den Dank zu nehmen, den Willkomm der Reise,
Der einen Zug nun aus dem Becher that;
Ein Schenktisch ward von den dazu Bestallten
Ihm, der zu Pferde saß, emporgehalten.

Für uns nur, in den Fest- und Ruhetagen,
Die nun erfolgten, gab es keine Rast,
Geschenke tragen und uns anzufragen,
Und vor den Thoren stehn uns selbst zur Last,
Das ward zu unsrem größten Mißbehagen
Uns Tag für Tag zu Theil; allein gefaßt
Ertrugen wir's, und mit dem Stolz des Muthes,
Der sich bewußt ist eines höhern Gutes.

In Mitte von Umzäunungen umgeben,
Lag Cercas, seiner Gattin hölzern Haus,
Mit Brettern, Balken und gebognen Stäben
Vielfach durchbrochen, sah es kunstreich aus;
Die Fürstin lag auf schönen Polstern, neben
Und ihr g'enüber Mädchen ihres Gaus,
Beschäftigt Kleidern Farben einzuloden,
Bedeckt mit wollnen Decken war der Boden.

Beim Anblick unsrer Gaben, Seide
Und Schmuck und Naschwerk brachten wir ihr dar,
Erhellte sich von einem Blitz der Freude
Der Hunnenfürstin dunkles Augenpaar.
Als wir dann schieden, sahn wir durchs Gebäude
Den Attila sich nahn, von einer Schaar
Des Volks umringt, nach alter Sitt' und Strenge
Gericht zu halten vor der ganzen Menge.

Und als wir Abends unser Zelt betraten
So ließ er uns zu einem reichen Mahl,
Das um die neunte Stunde stattfand, laden.
Wir traten alsobald in einen Saal,
Und fanden hier die Schenken in den Gaden,
Die reichten den gefüllten Weinpokal;
Wir leerten ihn aufs Wohl des Herrn, dann schweigend
Zu Tafel ein'ge Schritte höher steigend.

Belebt schon von dem fröhlichsten Gewühle
Erblickten um die Tische wir gereiht
Zu beiden Seiten aufgestellt die Stühle,
Und in der Mitte war ein Thron bereit.
Hier saß auf bärenfellbedecktem Pfühle
Er selbst und höher etlich Schritte weit
Gieng zu der Schlafstatt eine kleine Stiege,
Behängt mit Teppichen, Trophä'n der Siege.

Der Mundschenk trug zum Attila den Becher,
Er trank des nächsten Gastes Wohl, der nun
Aufstund und trank; auch ließ es sonst kein Zecher,
Als bis er's andern zugebracht, beruhn.
Nach jedem Gang kam neuer Wein, der Sprecher
Trank zu, und jeder mußt' ein Gleiches thun.
Er sorgte, daß vor Gold die Gäste säßen,
Er selbst doch aß und trank aus Holzgesäßen.

Zur Rechten ihm zu sitzen galt am meisten,
Hier saßen seine Feldherrn und hierauf
Auch seine beiden Söhne, diese speisten
Ein wenig tiefer; aber im Verlauf
Des Mahles und so lang die Becher kreisten,
Schlug auch der Aelt're nie die Augen auf,
Die Blicke schüchtern auf die Erde senkend,
Aufmerksamkeit allein dem Vater schenkend.

Man wurde froh, die hellen Fackeln brannten,
Zwei Hunnen traten auf, besangen Sieg
Und Schlachtenruhm, entflammten und ermannten
Der Hörer Herz, und manche Thräne stieg
Ins Aug der Greise und der Anverwandten.
Der König saß in sich gekehrt und schwieg,
Indem er seinen Irnack an sich drückte
Und sich zum Kind liebkosend niederbückte.

Er sah mit sanften Augen auf sein süßes
Geliebtes Kind voll stiller Zärtlichkeit;
Ein Hunne sprach zu uns: ›Wißt Römer, dieses
Gilt Alles, denn es ist ihm prophezeit,
Es werd' die Sonne seines Paradieses,
Durch Irnack werde sein Geschlecht erneut,
Das völlig sonst zu Grunde gehen würde,
Auf diesem Kind ruht seiner Seele Bürde.‹

So zechte man, und mancher hob zum Munde
Den Goldpokal und stellt' ihn wieder hin;
Auch hörten wir ein Lied von Hildegunde,
Von ihrer Flucht und Liebe, und mir schien,
Es warten viele nur auf eine Stunde,
Um auch dem Hunnenkönig zu entfliehn,
Denn ein Gewaltiger ist stark an Willen,
Doch stärker ist die Furcht vor ihm im Stillen.

Spät Nachts erst war das Fest vorbei; am Morgen,
Berief uns nochmals Attila: ›Bedenkt,
Ich hab' euch meinen Willen nicht verborgen,
Ihr wollt – und die Gefahr ist abgelenkt –
Wo nicht, so seid um euer Reich in Sorgen!‹
Damit entließ er uns und reich beschenkt,
Nach Ablauf dreier Tage ritten wieder
Auf unsrem Weg wir nach der Donau nieder.

Und wie wir so in unsrem schweren Leide
Heimzogen, sahen wir bald da bald dort
Ans Kreuz Geschlag'ne hängen auf der Heide,
Und ritten durch die stumme Gegend fort.
Denn nirgends weder Heerde auf der Weide,
Nur alles öd, verbrannt und ausgedorrt –
Die Ströme nur mit Murmeln unterbrachen
Des Elends und des Krieges stumme Sprachen.

Dem Menschenherzen gab ein Gott die Thräne,
Der Wolf, wenn ihn der Winter hungrig macht,
Hat nichts als sein Geheul und seine Zähne,
Der dürre Schakal heult die ganze Nacht,
Der Tiger brüllt, die lechzende Hyäne
Verfolgt den Heerzug bis zum Tag der Schlacht,
Wohl kann ihr Aug von Wuth und Gierde leuchten.
Doch nie mit einer Thräne sich befeuchten.

Wie sehr verschieden von dem stolzen Prunken,
Das wir verlassen, war es um uns her,
Dort ward gelacht, gejubelt und getrunken,
Und hier lag Alles öd und menschenleer.
Die finstre Nacht war stumm hereingesunken
Und es erschien der Sterne bleiches Heer –
Es sah uns still und trauernd auf den Rossen,
Er sprach's und schwieg, und stille Thränen flossen.« – –

Doch welch ein Staunen Maximin erfaßte,
Als neben ihn sich stellte vor den Thron
Orest, der schon den Augenblick erpaßte,
Und mit dem ausbedungnen Mörderlohn
Zu Theodosius sprach: »Der dir verhaßte,
Dir sagen läßt des Mundzuk tapfrer Sohn,
Hier ist das Gold, dem Edekon gegeben,
Damit er trachten sollt' nach meinem Leben.

Du stammst gleich Attila von einem reichen
Und einem edlen Vater ab, jedoch
An Muth kannst du dich nicht mit ihm vergleichen,
Dem du Tribut zahlst, denn du trägst sein Joch,
Im Stillen mußt du stets vor ihm erbleichen,
Und strebst ihm heimlich nach dem Leben noch.«
Die Hand am Schwert und auf Chrysaphius zeigend,
Entfernte sich Orest, sich stolz verneigend.

Mit Wehmuth und mit Zittern und Erröthen
Sprang Theodosius empor und sprach:
»Erniedrigt werden, die sich selbst erhöhten,
Doch wer sich selbst erniedrigt, büßt's mit Schmach.
Chrysaphius erfahre, dich zu tödten
Verlangt der Hunnenkönig, doch ich brach
Noch über dich den Stab nicht,« und da kniete
Chrysaphius hin und sprach: »Mich heischt der Scythe?

Büß ich die Schuld? wahrlich nicht unvermuthet!
Doch sei dem so – verdammt was ich ersann! –
Dein Land, das Opfer, welches ewig blutet,
Deß Blut in Strömen und vergeblich rann,
Es werde noch geknechtet und geruthet,
So lang der Arm der Geißel Gottes kann.«
Der Grieche sprach's und stumm den Saal verlassend,
Entwich er rasch vor Zorn und Schreck erblassend.

Furcht und Bestürzung folgten seinem Tritte
Und alles schwieg, doch Theodosius
Bestieg sein persisch Roß, und aus dem Ritte
Zur Jagd, als aus dem Bogen schon zum Schuß
Der Pfeil gelegt war, sieh da, wenig Schritte
Vor ihm ein Kranichzug rauscht' um den Fluß,
Da scheut sein Pferd, als sie herangeflogen,
Und stürzt sich mit dem Kaiser in die Wogen.

Der Fünfzigjahre-Zeitraum war vollendet,
Der seinem Erdenloos verliehen war,
Er starb, nachdem er Gift und Gold verschwendet,
Beschämt vom Feinde, der ein Hunne war.
Ihm folgte Marcian, ein Greis und sendet,
Mit größrem Muth und trotzend der Gefahr,
Als Attila die Forderungen steigert,
Gesandtschaft, die ihm den Tribut verweigert.

Voll Zorns entgegnet Attila: »Mit Milde
Erwies ich mich bisher, doch wehe jetzt!
Weh' jedem Glück und sonnigem Gefilde,
Wenn ihr für mich nicht in Bereitschaft setzt
Die Thüren des Palastes! Mit dem Bilde
Honorias von Thränen zart benetzt,
Hat Edekon mein Herz bewegt, die Arme
Erkor zum Retter mich in ihrem Harme.«

»Sprichst du,« ward ihm erwiedert, »von Idolen?
Honoria kam nach Rom und ist vermählt.«
»So will ich,« rief er, »sie von dorther holen,
Ins Brautbett dessen, den sie selbst gewählt.
Dem Valentinian sei es anbefohlen,
Eh denn man zweimalhundert Tage zählt,
Soll sein Palast mit Kränzen überhangen,
Und offen stehn mich gastlich zu empfangen.

Als ob ich mich auf einer Jagd befände,
Sah ich mich jüngst in einem Traumgesicht,
Und jagend kam ich bis zum Meergelände;
Ein kostbar Schiff im Morgensonnenlicht
Trieb auf der Fluth, das zarte Frauenhände
Zu lenken suchten, und sie konnten nicht,
Ich sah die schönste Maid im bleichen Schrecken
Die Arme bittend mir entgegenstrecken.

Von ihrem Flehn bewegt, griff ich in Eile
Nach meinem Köcher und ich schoß vom Land
Auf jenes Schiff mit einem meiner Pfeile,
Um den ich eine Schnur aus Seide wand,
So zog ich's leicht als wie an einem Seile
Zu mir heran, das End' in meiner Hand,
Denn von den Mädchen, die den Pfeil gefunden,
War um den Mast die Seide fest gewunden.

Ich nahm sie auf, sie gieng an meiner Seite –
Die Mitgift war die Hälfte eurer Macht,
Versteht ihr mich? Gebt, oder ich erstreite
Sie mir.« Er schwieg; ein Becher ward gebracht,
Er trank Honorias Wohl und horch! die Saite
Von einer Harfe schien dadurch erwacht,
Dazu erklang ein Lied von jenem Traume,
Und von der Griechenmaid am Meeressaume. –

Im Fenstersims gelehnt in einer Ecke,
Sah Edekon in Nacht hinaus und Graun,
Das weiße Land in weiter Winterdecke
Schien plötzlich wie von Frühlingsglanz zu thau'n,
Denn an Honorien gedacht' der Recke:
»Wann, schönes Bild, werd' ich dich wieder schau'n?
Dein Blick, der mich in Kerkernacht begrüßte,
War leuchtender als alles Gold der Wüste.«

Er sprach's zu sich mit stillem Wohlgefallen.
»Grüß' ich dich einst als meines Königs Braut,
Dann soll mein Trinkspruch donnernd wiederhallen,
Denn mir zuerst hast du dein Herz vertraut.«
Mit stolzer Gluth durchflog sein Blick die Hallen.
Und ruht auf Attila; der Harfe Laut,
Der letzte Ton des Liedes war verklungen,
Und wie ein Klagruf durch den Saal gedrungen.

Die Griechen stunden stumm und voll Erbittrung
Doch drauß' in Lüften klang's als kämpf' ein Heer,
Und fern als wenn sich weithin die Erschütt'rung
Vom Grund des Hella mittheilt an das Meer.
Die Wölf und Geier spürten ihre Wittrung
Und Aufgebote brachten Pfeil und Speer
Bis hin zu Geiserich in Runenworten:
»Der Hunnen Heer rückt zu den Engelspforten!«

Wie wenn zwei mächtige Gestirne weilen
Am Himmel und in feuerheller Pracht
Einander ihre Gluth sich mitzutheilen,
Und ihren Wirkungskreis und ihre Macht
Und ihre Flammen zu vermählen eilen,
Der eine tritt von Osten in die Nacht,
Der andre kommt von Süden her, so stunden
Nun Attila und Geiserich verbunden.

Was wird dein Loos, o Rom! sein, wenn erreichen
Der Beiden Fahrten sich auf Jahr und Tag?
Zu gleicher Zeit aus ihren beiden Reichen
Erhob sich was in Zelt und Waffen lag –
Karthagos Hafen rüstet Well' und Speichen,
Von Schiff zu Schiff erklingt der Aexte Schlag,
Die Flotte Geiserichs schwimmt auf den Wogen
Und aus den Bergen zielt der Hunnenbogen.


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