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Zweiter Gesang.
König Geiserich.

Es heißt, da Godigisels Söhne, beide
Zur Raubfahrt von der Römer Gold verführt,
Ihm zugesagt und ihm geschworen Eide,
Ward Zwietracht unter ihnen angeschürt,
Sie stritten um die Gaben und Geschmeide,
Und Gontharich, zuerst vom Volk erkürt,
Sprach habsuchtvoll; »Des Königs sind im Grunde
Gebiet wie Leute, Beute, Zöll' und Funde.«

»Es fällt,« sprach Geiserich, »in gleiche Theile;
Du bist der Herrscher, ich der ältre Sohn.« –
»Nun,« sagte Gontharich, »es hat nicht Eile,
Such' Fährleut' unterdeß um guten Lohn,
Kauf Schiffe, sorg' um Ruder und um Seile,
Und sag' dem Volk, daß sich um meinen Thron
Versammle, wer den Speer vermag zu schwingen,
Das kannst du thun indeß, du kannst mir dingen.«

»Dem jüngern soll der ältere Bruder dienen,«
Sprach Geiserich, und zog in Unmuth fort –
Und ins Gebirg und zu den wilden Bienen
Und zu den Hirten der Gestüte; dort
An die, die seinem Plane günstig schienen,
Erließ er nun zuerst des Königs Wort,
Und hieß die Forste lichten auf den Hügeln,
Und hieß die Fohlen auf der Weide zügeln.

Wenn Nachts um's Feuer sich die Hirten setzten,
So trat er oftmals unter sie, allein
Und mit den Mienen eines Tiefverletzten.
Er warf manch Wort in ihre Reden ein
Und trank auch zu – dem Ersten wie dem Letzten;
So wurden bald die Herzen Aller sein,
Sie schwuren ihm die Treue hoch und theuer,
Er sollt' ihr König sein durch Blut und Feuer.

»Ja,« rief er aus, »ja glaubet was ich sage,
Ich zaudre nicht, wohin ihr wollt, zu ziehn –
Ihr seht die Küsten Afrikas, ich wage
Mit euch, dahin zu segeln. Auf! Ich bin
Kein Zaudrer wie mein Bruder. Hört, ich klage:
Es lebt, ihr wißt es, eine Königin
Aus unsrem Stamm an Afrikas Gestaden,
Gefangne deß, der uns dahin geladen.

Sie zu befrein aus jenes Römers Ketten,
Die Tochter unsres Volks, und sie vielleicht
Vom aufgedrungnen Ehebund zu retten,
Ist unsre Pflicht. Der Tapfren Waffe reicht
Durch Fluth und Sund und schreckt von seinen Betten
Den Schuld'gen auf, daß sein Gesicht erbleicht!«
Er sprach's und hieß die nun ihm Treugewordnen
Zur Fahrt im Stillen alles anzuordnen.

Er ritt auch bald die Pferde nach dem Strande
Und in die hohe See; »bald werd' ich auch
Ein Fohlen lenken mit dem Seil am Bande,
Deß Muth der Wind ist und von Holz der Bauch,
Den Fuß in Händen stößt man ab vom Lande,
So ist es bei den Schiffern in Gebrauch.«
Und fragte Gontharich; »Wo weilt mein Bruder?
So hieß es: »Drauß am Meer, er fertigt Ruder.

Und Steine wirft er schleudernd in die Wogen,
Der Thor, als woll' er eine Brücke bau'n. –
Er sagt, er zieh' auf einem Regenbogen
Vor dir ins Land, wo Milch und Honig thaun.
Der Weg sei leicht.« »Da hat er sich betrogen,
Ihm bleibt nichts übrig, als uns nachzuschaun,«
Hohnlachte Gontharich, »ich laß ihn binden;
Wer Trotz mir beut, soll meinen Zorn empfinden.«

Als Geiserich gehört was ihn bedrohe,
So brannt' er auf dem höchsten Gipfel an
Ein eilig Feuer; als die helle Lohe
Gen Himmel schlug, warf einen Eichenspan
Ein jeder Hirt, indem's nun Zeit war hohe,
Daß die am Meerstrand auch das Zeichen sahn,
Ins Berggewässer, daß es drunten mahne,
Und färbten roth mit Stierblut eine Fahne.

Als Jene sahn die Scheiter niederwogen
Im Schaum des brausenden Guadalquivir,
So griffen sie zu Lanze, Schwert und Bogen,
Und rückten an voll Muth und Kampfbegier.
So kommt ein Feuer in der Nacht geflogen,
Und leuchtet dort und plötzlich glüht es hier,
Und fällt in Steine auseinandersprühend
Aus hoher Luft wie Wetterleuchten glühend. –

Das jenseits liegende Gestad umhüllte
Noch frühe Dämm'rung; hart am Berge lag
Das Lager Gontharichs, die Mannschaft füllte
In Scheffel Korn, in Schläuche Wein; der Tag
Erschien, und horch! des Aufruhrs Stimme brüllte,
Und an der Krieger Schild ein Donnerschlag
Erweckte Gontharich; »was ist geschehen?
Wer heißt die Schiffe unter Segel gehen?

Wer wagt's und mag sich wider mich erheben,
Ist's meines Bruders Ungestüm und Haß?
Er bleibt zurück, mein Wort hab' ich gegeben,
Und eh' ich mich von meinem Worte laß,
Eh' brech' die Welt ein!« »Nun so gilt's dein Leben,«
Rief Geiserich und sprang von Zorne blaß
Auf Gonthar zu – der rief: »Empörer nieder!«
Empörer! klang's von tausend Stimmen wieder.

»Ich bin ein Fürst wie du, lern' vor mir zittern,«
Rief Geiserich und hob das Schwert und da
Gleich zweien sich begegnenden Gewittern
Bekämpften sich die Könige, man sah
Das Mal des Kain blutroth an beiden Rittern,
In beider Augen Mord, und es geschah,
Daß Gontharich die Waffe ward entwunden,
Und ihm die Hand von Geiserich gebunden.

»Laß los, es gilt noch einmal eine Wette,«
Rief Gonthar aus, »und wenn ich die verlier',
So bin ich dein, und trage deine Kette,
Dann magst du fordern, was du willst, von mir.
Schwimm mit mir über aus dem Wogenbette,
Und wer zuerst das Land erreicht, ist hier
Und drüben Herrscher!« »Gelt es denn, ich schwimme,«
Sprach Geiserich – »kühl's mich von meinem Grimme.«

Hierauf zu Rosse stiegen sie und eilen
NAME="PA461">Beseliget von racheschwangrer Gluth
Ans Meer von allem Volk umringt und theilen
Mit starkem Arm der Wogen wilde Fluth –
Bewaffnet nur mit Schilden und mit Beilen,
Den Schild, auf dem die Brust des Schwimmers ruht,
Das Beil gehalten im Geheg der Zähne,
Umspült von Fluth des Hauptes Lockenmähne.

Erkennbar leuchtet schon im Morgenschimmer
Das nahe Land, und als es bald erreicht,
Da athmen tiefer auf die beiden Schwimmer;
Doch Gontharich, dem schon die Kraft entweicht,
Erringt mit Müh' die nächste Klippe. »Nimmer
Daß so der Sieg von einer Seite weicht –
Das Land! – Der kleinste Vogel mit den Schwingen,
Ein Pfeil, die Stimme kann hinüberdringen.«

Den Fels umklammernd ringt er im Versinken
Sich nochmals auf, haut mit dem Beil die Hand
Vom Arm und schleudert sterbend mit der Linken
Die todte Rechte blutig an das Land –
»Ein Pfand, ein Faustpfand! Bruder, siehst du's winken!«
Und Geiserich blickt um, und übermannt
Von Schmerz und Reue fühlt sein Herz Erbarmen,
Und hält den Sterbenden mit seinen Armen.

Doch drüben an Hispaniens brauner Düne,
Wo schon das Volk der Abfahrt harrend saß,
Kam Geiserich geschwommen. – »Hüne!«
Rief's ihm entgegen; doch er sprach; »Laßt das!
Den Kindern Gonthars geb' ich einst die Sühne,
Weil ich mich über ihn zu stehn vermaß.« –
Da bauten dem Gestorbenen die Seinen
Ein Grab und auf das Grab ein Kreuz aus Steinen.

Sie trugen seinen Leichnam von den Fähren,
Und sangen ihm am Meer den Grabgesang,
Um ihren todten Helden zu verklären,
Der ein Gebiet im Sterben noch errang.
Wenn seine Augen noch lebendig wären,
So könnt' er schauen weit das Meer entlang,
Und sähe drüben seines Volkes Wiegen,
Und säh' es kämpfen und im Kampfe siegen.

Und von den Bergen unter Waffenklirren,
Als ob ein Rachegeist sie aufbeschied,
Mit Weib und Kind, Gespann und Roßgeschirren
Drang Alles vor zum heil'gen Fluthgebiet,
Wie hoch im Norden oft das laute Schwirren
Der Schwäne bei des Sturmes wildem Lied,
Die mit den Schwingen in die Welle fassen,
Und sich im Land aus Felsen niederlassen.

Und Geiserich so klug zugleich als strenge,
Befahl am Tage nach der Ueberfahrt
Die Zählung seiner ganzen Volksmenge,
Die nun, nach Kriegsgenossenschaft geschaart,
Ein großes Heer schien an der Meeresenge,
Und rückwärts hatte nichts die Noth bewahrt,
Als in den Städten Hunger und Besatzung,
Und auf den Feldern kaum der Vögel Atzung.

Gekommen war indeß nach Rom die Kunde,
Daß Afrika Vandalenhülf' erbat,
Nun widerstritten mit beredtem Munde
Des Bonifacius Freunde den Verrath;
Unmöglich, sagten sie, lag je im Grunde
So treuer Seele solch' vermess'ne That,
Mit Unrecht wird ein edler Mann beschuldigt,
Der immer noch der Tugend nur gehuldigt.

»Auch mir noch konnte kein Verdacht genügen;
In meiner Seele,« sprach Placidia, »stund
Die Wahrheit fest, die nicht mich wird betrügen,
Er ist getreu in seines Herzens Grund!
Geht hin zu ihm; forscht, welch ein Netz von Lügen
Ihn uns entfremdet hat und gebt es kund!
Daß sein nicht länger dieses Reich entbehre,
Bringt ihn zurück der Tugend und der Ehre.«

Sobald hierauf Carthago's Graf vernommen,
Daß fälschlicher Verdacht ihn angeklagt,
Und daß er allzu rasch in Zorn erglommen,
So warf er sich zur Erd' und rief: »Es tagt!
O schrecklich Licht! – Es ist zu weit gekommen,
Die Schuld verfällt, ich hab' zu viel gewagt.
O welch ein Scheusal bin ich, ich Verräther,
Ist Judas neben mir ein Missethäter?«

Sein Schicksal nahte sich mit raschem Schritte,
Denn Geiserich zog an in großer Hast,
Da brachten Truppen einst in ihrer Mitte
Gefang'ne Mauren in den Kriegspalast,
Und ihrer Einen – »Sag' mir, Edomite,«
Frug Bonifacius, äußerlich gefaßt,
Sahst du die Feinde nah vor unsern Thoren?« –
»Noch ist die Stadt,« sprach jener, »nicht verloren.«

Betroffen von der plötzlichen Entdeckung,
Wie nah schon das Gebiet der Feind beschritt,
Ward ihm zu Muth, als dräng' schon zur Vollstreckung
Ein Todesurtheil, das er stumm erlitt,
Dann sprang er aus, verstärkte die Bedeckung
Der Thürme Thor und Mauern und umritt
Die Stadt bei Tag und Nacht, Befehl ertheilend;
Und Boten langten an und gingen eilend.

»Geh!« rief er Einem dieser, »und die Gnade
Des Himmels sei mit dir, zu Geiserich,
Geh hin und sag', er kehre heim an sein Gestade.
Und daß ich ihn darum beschwöre, sprich!« –
Als dieß der Bote meldete; »O Schade!
Zu spät,« sprach Geiserich. – »Hält jener mich
Für einen der gedungenen Vasallen,
Die man bald ruft, bald wegschickt nach Gefallen?

Setzt' ich ans Land hier achtzigtausend Nackte?
Ihr denkt die Bettler schickt man wieder fort?
Treulose Griechen seht, wo das gezackte
Geklipp die Brandung schlägt, bei meinem Wort,
Wie wenn ich euch nun bei der Ferse packte,
Und spießte, daß euch Mark und Bein verdorrt?
Geht, meldet dem, der euch gesandt, ich werde
Nicht weichen mehr von diesem Theil der Erde!« –

»Kelch voller Bitterkeit, den mir geboten
Des Himmels Prüfung, doch ich trink' dich leer!«
Rief Bonifacius aus, als seine Boten
Die Nachricht brachten: »Auf! die Waffen her,
Und mache das Gewicht von tausend Todten
Die Schaale, die emporstieg, wieder schwer.
Versuchen wir's, den Nacken zu zerbrechen
Dem Thier, das sich heranwälzt, uns zu stechen.«

Und nun, wo einst versiegt war Scipio's Thräne,
Stieg wieder Kriegsvolk auf, und kühn erhob
Den vom gestreiften Felle der Hyäne
Bedeckten Helm die Faust, es stampft' und schnob
Der Wüste Roß und schüttelte die Mähne,
Im Sand, der unter seinem Huf zerstob.
Die Tuba klang – durchs Thor in Waffenstrahlen
Zog auf das Heer entgegen den Vandalen.

»Aus! Mauritania mit der Palmenkrone,
Siehst du den Falken, der am Meerstrand beizt?
Den Fremden dulde nicht in deiner Zone,
Der raubbegierig seine Flügel spreizt! –
Stecht Scorpione, rüste dich Sidone!
Phönizier! Pun'! Hat je ihr Schooß gegeizt?
Schwirrt gift'ge Pfeile, eilet sie zu retten,
Brecht aus! Brecht oder traget ewig Ketten.«

Nach einem Tag, deß Gluth gen Himmel rauchte,
Als in des Meeres purpurdunkle Nacht
Der Gott des Lichts die Fackel untertauchte,
Drang durchs Gebirg das Tosen einer Schlacht,
Und ein Geheul, das in die Luft verhauchte.
Der Löwe von Numidien war erwacht,
Und schlich der Stätte zu, woher das Aechzen
Erweckte seines Durstes blutig Lechzen.

Vor Hippo's Mauern ward die Schlacht geschlagen,
Ein heißer Sturmwind aus der Wüste trieb
Gluthwolken auf – die Römer unterlagen,
Und Geiserich mit seiner Streitaxt hieb
Den Ast vom Oelbaum, »lasset uns sie jagen
Wie Juda schlug den Syrer Sanherib?« –
Ein Pfeil! da scheut sein Roß und stürzt zur Stelle,
Und Roß und Reiter deckt des Sandes Welle.

Vorüber braust sein Heer im Siegesgrimme,
Spät wüthet noch der Kampf um Hippo's Thor,
Die Nacht bricht ein, und horch die Donnerstimme
Des Königes der Wüste dringt empor –
Gazelle flieh', gestreiftes Reh erklimme
Die Höh'n, er stürzt in einem Sprung hervor,
Wirft auf die Beute sich mit einem Satze;
In das gestürzte Pferd schlägt seine Tatze.

Hoch schnaubt es auf und mit der Angst der Schwachen
Versucht's sich zu erheben, unbeschützt
Von Geiserich, der jetzt im Auferwachen
Aus Schmerzbetäubung, auf den Arm gestützt
Zum Dolche greift; er stößt ihn durch den Rachen
Dem Löwen in die Brust, von Blut besprützt,
Das nun hervorquillt wie die Fluth des Niger,
Und alle Mordlust ausströmt auf den Sieger.

Als nach der Schlacht sein Volk ihm beigesprungen,
Und ihm emporhalf, war der Fuß ihm ab
Vom jähen Sturz, und Blut quoll aus den Lungen.
So hoben sie ihn auf wie aus dem Grab,
Und unter ihm lag Afrika bezwungen.
Die Wüste todtenstille Nacht umgab
Den ernsten Augenblick, und in der Ferne
Der Himmel über dem Gebirg voll Sterne.

Um Hippo rings war Alles überwunden,
Sie selbst bei Tag und Nacht vom Feind bedroht,
Kaum daß noch Wall und Mauern widerstunden,
Man sah den Hunger und die Feuersnoth
Und furchtbar weit umher aus viele Stunden
Aus Fäulniß auferstanden neuen Tod;
Qualm der Verwesung aus den Leichenresten
Aus Brunnen selbst und Quellen stiegen Pesten.

Gebeugt von Alter, krank an Seelenwunden
Starb Hippo's Bischof, ungebeugt an Muth,
Und um sein Krankenbett in Thränen stunden
Der Kirche Streiter, kühn, wie wenn in Gluth
Cypressen stehn, er hatte sie verbunden
Und angefacht ihr letztes Römerblut,
Und bis zum letzten Augenblick im Scheiden
Gebetet, reich an Trost und stark im Leiden.

Die Jünger trugen dann mit stiller Klage
Den Leichnam ihres Heiligen zur Gruft,
Die Rosen auf dem Marmorsarkophage
Ergoßen lang hernach noch süßen Duft –
Noch lang hernach; noch bis zu jenem Tage,
Da blitzend durch die gluthbewegte Luft
Der Heerzug Geiserichs herankam, reitend
Zum Ansturm auf Carthago sich bereitend.

Voll Trauer sah im Meer ein Segel schweben
Die Wittwe Gonthars: »Söhne, seid ihr wach?
Was sitzt ihr müßig und verträumt das Leben?
Das Erbe, das euch Geiserich versprach,
Wann wird er kommen, um es uns zu geben?«
«O bald,« klang's hinter ihr – und höhnisch nach;
»Der König Geiserich wird sich beeilen,
Mit deinen Knaben Reich und Thron zu theilen.«

Sie sah sich um und rief, »du da? es lastet
Auf dir die Schuld von Gonthars Tod, es sind
Zwar stumm die Zeugen, doch unangetastet,
Die Wimmler in der Fluth.« »Dein Haß ist blind,«
Sprach Geiserich, »mein armer Bruder rastet
Von allen Erdenmühn.« »Uns nahm der Wind
Auch dein Versprechen,« fuhr sie fort. »Ich sage,
Gedulde dich,« versetzt' er, »still die Klage.«

»O daß,« rief Gonthars Weib, »an dir das Erbe,
Das du von meinen Söhnen raubtest, zehr'!
O daß der Weinstock, wo du hinkommst, sterbe,
Daß Berge stürzen über dich ins Meer! –
Dein Sohn und deines Sohns Geschlecht verderbe,
Und euch vertilgen soll der Feinde Heer!«
Und auf vom Boden schoß sie gleich der Schlange,
Und traf mit einem Stein auf seine Wange.

Da sprühten seine Blicke Zorn und Flammen,
Die Wache seiner Mauren sprang hervor,
Und ihre Hände banden sie zusammen,
Und stachen ihr mit einem Pfeil durchs Ohr.
»O rief sie aus, so mög' dich Gott verdammen,
Du Bluthund! – »Führet sie hinaus durchs Thor!«
Befahl er jetzt – »ihr habsuchttollen Weiber,
Daß euch das Wasser geh' an eure Leiber! – «

Wo der Awissuga Gewässer fließen,
Ward Gonthars Weib versenkt ins Wellengrab,
Und nach ihr ihre Kinder. – Weiter ließen
Indeß von Hippo die Belagrer ab;
Die Römer durch ein Heer verstärkt, beschließen
Mit Aspar, den Byzanz als Führer gab,
In einer zweiten Schlacht ihr Glück zu wagen,
Als Flammen rings schon um Carthago schlagen.

Das Babylon der Sahara, die Quelle
Des Reichthums für die Völker Afrikas,
Carthago glich einst in der Sonnenhelle
Dem goldnen Berg, auf welchem Belus saß,
Assyriens Gott; von ihm aus auf die Welle
Floß jedes Glück, der jedes Segel maß,
Und jedes Frachtschiff wog nach Raum und Tonne;
Hoch glänzte Roms verhaßte Nebensonne.

Das Gold im Gurt schritt mächtig der Assyrer,
Mit breiter Binde sein erfahr'nes Haupt
Vielfach umhüllt, und dorther kam ein Tyrer,
Der an der Nordsee Bernstein aufgeklaubt,
Ein Lastthier seines Götzen, Opferführer
Zu seines Molochs Altar; aufgeschraubt
Aus Schiffen wurden Waaren, in den Höfen
Verruchter Tempel rauchten Flammenöfen.

Jahrhunderte seit der Zerstörung Feuer
Die mächtige Phönizierin gebeugt,
Seit Rom an seine Schiffe band die Steuer,
Vergingen stumm und hatten nichts erzeugt
Als Schulen im verfallenden Gemäuer,
Mit prahlerischem Aufwand großgesäugt;
Was halfen die, wo längst schon nichts verhaßter
Als Tugend war, und süßer nichts als Laster.

Wetteifernd mit dem glühenden Zenithe,
In dem die unumwölkte Sonne stand,
Entstieg dem mörderischen Schlachtgebiete
Der Feuersäule wolkenloser Brand;
Und auf der Mauer Bonifacius kniete,
Und bat zu Gott, das Schwert in seiner Hand:
»Woll' Sieg den Deinen in der Noth verleihen,
Herr, über Jene, die dein Haus entweihen.«

Doch nimmer hielt ein Himmel dem Bedrohten,
Kein Schild die Keulen der Vandalen ab,
Sie stürzten in die Flamme wie die Todten,
Und wie die Götter wieder aus dem Grab.
»Hättst du zuvor gehorsamt den Geboten,
Mit dem zufrieden, was die Gunst dir gab,
Du würdest nicht nach Rom entfliehen müssen,
Um deiner Herrin dort den Schuh zu küssen.

Du, der du mich in übereiltem Zorne
Herbeiriefst, daß ich dir ein Helfer sei,
Vertraue nicht auf Mauern, wenn ich sporne
Mein wildes Pferd, so ist's mit dir vorbei!«
So höhnte Geiserich. Aus rauhem Horne
Erklang der Ruf zur Schlacht und durchs Geschrei
Der Stürmenden erhob er seine Stimme:
»Schließt auf, wo nicht, so bebt vor meinem Grimme!«

»Bei Marius und bei des Scipio Thaten – «
Rief der Vertheidiger Carthago's aus –
»An dich nicht, Satan, hab' ich mich verrathen!«
Und schlug den Panzer mit des Schwertes Knauf.
»Ihr Scythen und ihr römischen Soldaten,
Beflügelt eurer Pfeile sichern Lauf;
Vertreibt dieß kecke Heer, das da mit Schreien
Hervorbricht aus dem Schooß der Wüsteneien.«

Und als er's sprach, begann auf beiden Seiten
Der bittre Kampf, der Sturmlauf nach dem Wall,
Und von den Schiffen aus, die Helden schreiten
Auf Balken in der Luft und wie ein Ball
Entfleucht der Stein aus ihrer Faust; sie reiten
Verwundet noch durch Gräben und im Fall
Begräbt den Feind der Feind, und Schilde werden
Zu Brücken durch das Feuer Mann und Pferden.

Der Heerruf tönt, sie stoßen mit dem Widder
Entlaubter Cedern, einst vom Sturm durchsaust;
Die Mauer bebt, der Balken fährt in Splitter,
Und wo der Kampf am heftigsten erbraust,
Bricht unter Aexte Hieb des Thores Gitter,
Vom Schlag der Keulen in gewalt'ger Faust.
Die Säule stürzt vom Stein, der sie gegründet,
Und hoch auf loht das Laub von Erz, entzündet.

Die Schleud'rer auf den Zinnen, schwarze Tiger
Schaun bei der Fackeln Glanz aus Nacht empor,
Und spähen zielend auf die fremden Sieger,
Beschildet Volk läuft in den Breschen vor,
Bepanzert, helmumbuschte Wurfspeerkrieger,
Und neuer Angriff donnert um das Thor,
Erst Morgens früh, beim Sinken der Planeten
Ertönt der Siegsruf schmetternder Trompeten.

Nun wälzt der Kampf, die Gluth sich nach den Straßen;
In einer stund, die Himmlische genannt,
Der Tempel der Memoria, und da saßen
Nicht Götter; nein, geheimnißvoll gebannt
Belebten Stimmen, welche nichts vergaßen,
Den heil'gen Raum, und als er nun entbrannt,
Erklang's wie ein Getön von vielen Sprachen,
Die am Gewölbe jetzt verhallend brachen.

Es hallte wieder von der Aexte Streichen
Der Raum, der nur Unsterbliches empfand,
Und Schatten sprachen sich mit Flammenzeichen
Aus Wolken Rauch sich winkend mit der Hand,
Hinüberwandelnd zu den Todtenreichen;
Und während von den Rollen sich im Brand
Die Siegel lösten, schwand, was von den Jahren
Die Zeit gewollt der Zukunft aufbewahren.

Manch schwarze That, beschwert von jedem Fluche,
Verschwand auf immer jetzt, und sank hinab,
Erröthend noch im Flammenleichentuche,
Manch edle sank mit ihr ins gleiche Grab –
Des Menschengeists titanische Versuche,
Und jede Forschung, die ihm Nahrung gab;
Erfahrungen, Entwürfe, Wünsche, Klagen
Verwehten jetzt dahin aus allen Tagen.

Es kamen Feuerzungen, und es zischten
Erinnerungen überall hervor,
Und dem Gedächtnisse der Welt entwischten
Gedanken, die sie ewig nun verlor,
Die Zeit und ihre tiefen Stimmen mischten
Sich in einander als ein Geisterchor;
Hier nun traf Bonifacius zusammen
Mit Geiserich, der einzog durch die Flammen.

Dem Rettungsziel schon nah, an seiner Seite
Marcella's bebende Gestalt, durchdrang
Das brennende Gebäu, erschöpft vom Streite,
Carthago's Gras. Der Feind drang an, es klang
Des Mauren Pfeil und traf, der Tod befreite
Ein leidend Herz, und ihre Seele schwang
Sich himmelwärts, ihr Gatte stumm vor Qualen
Blickt auf, und sieht den König der Vandalen.

»Durchstoß dieß Herz,« so ruft er vom Gewichte
Der Schuld erdrückt, »o nun ist Sterben leicht!«
Und Geiserich rief aus; »Beim Strafgerichte
Des Ew'gen, ehe dich mein Schwert erreicht,
Und eh du stehst vor seinem Angesichte,
Gestehe, ehe dieser Mund erbleicht –
War sie, die ich nun hier im Sterben sehe,
Von dir geraubt, und war sie dein in Ehe?«

»Gerettet, nicht geraubt war sie die Meine,
In Lieb und Ehe mir vereint.« »So flieh!«
Rief Geiserich »und geh nach Rom, beweine
Und räche.« »Du, dem Gott den Sieg verlieh!«
Rief Bonifacius, »laß mich. Höhnt mich, Steine!
Ich leb' und athme noch, und todt ist sie!
Ich lebe, lebe noch? Nein! ich will sterben
Und ihr Verzeihn mir durch den Tod erwerben.«

Er sprach's und hatte schon nach alter Sitte
Die Waffe gegen seine Brust gekehrt,
Da hielten mit Gewalt noch und mit Bitte
Den Tod die Seinen von ihm abgewehrt,
Sie faßten ihn am Arm und um die Mitte,
Und sprachen: »Einen Mann und Christen ehrt
Ergebung mehr als so vom Sein zu fliehen.«
»Ja,« rief er aus, »so kommt, ich werde knien.«

Carthago's letztes Bollwerk war verloren,
Bald hatte Geiserich die Stadt besetzt,
An allen Vesten, allen Thürm' und Thoren,
Er ritt zur Felsburg, die das Meer benetzt.
Die Kriegsgefangnen wurden auserkoren
Zur Sklaverei und zum Verkauf, zuletzt
Ward alles Eigenthum vertheilt vom Sieger
An seinen Sohn und seine besten Krieger.

Man sah ihn jetzt des Schlosses Hof durchreiten,
In Fesseln die Gefangnen vor ihm her,
Und Edelstein und alle Kostbarkeiten,
Und als es Mittag war und drückend schwer
Die Lust begann sich glühend auszubreiten,
Von seiner neuen Königsburg am Meer
Sah Geiserich aus Hafen, Heer und Flotte,
Und mächtig schien er sich gleich einem Gotte.

Ein Gott zu sein auf seinem goldnen Stuhle
Erschien er sich, und stieß von sich das Recht,
Und vor ihm stund, wie aus dem Höllenpfuhle
Der Wüste mordbegieriges Geschlecht;
Der lüstre Mohr, der teuflische Getule,
Sein böser Dämon bald und Folterknecht;
Die Habsucht kam, sie wußte Weg zu finden,
Um eines Helden Herz zu überwinden.

Die habbegier'ge Faust der Fluth, die Alles
Hinabzuziehn sich müht in ihren Schlund,
Die an der Veste nagt des Erdenballes,
Sie faßte seine Seele bis zum Grund.
Verlockend durchs Gebraus des Wogenschwalles
Sang von den Schätzen ihr Sirenenmund,
Von all dem Reichthum, der, in ihr versunken,
Herauszuglühn schien in demantnen Funken.

Doch nichts von dem, was einmal sie verschlungen,
Gibt sie zurück dem Licht, sie gleicht darin
Der Habsucht selbst; wen einmal die bezwungen,
Den sättigt nichts mehr, ja ihn stürzt Gewinn
In immer tiefere Verfinsterungen
Und heißern Durst. So bannte sie den Sinn
Des Königs der Vandalen, sie verzerrte
Die Welt vor ihm und schloß sein Herz in Härte.

Er nahm von Waffen, Leuten, Land und Rossen
Für sich den übergroßen Beutetheil,
Da murrten die Vandalen und beschloßen
Sich aufzulehnen, nicht zu ihrem Heil.
Mehr Blut, als sonst in Schlachten, ward vergossen
Jetzund durch Henkershand und Henkerbeil,
So daß auf Felseninseln die Verbannten
Im öden Meer sich noch begünstigt nannten.

Und Roßgestampf in Kirchhof und Kapelle,
Und auf Altären Spiel und Zechgelag,
Geklirr der Waffen, Fluchen und Gebelle,
Des Feuers Prasseln und der Aexte Schlag.
»Entheiligt sind der Kreuzgang und die Zelle,
Entehrt die Feste, Sonn- und Feiertag!«
So schrie'n Carthago's Priester; »weh' den Frommen,
Ein zweiter Pharao ist aufgekommen.

Die Pforten mächtiger Paläste gähnen,
Und hegen nichts mehr als den leeren Wind,
Und in den Kirchen seufzt es unter Thränen;
Herodes würgt im Mutterleib das Kind.
Von dir Entweiher lernen selbst Hyänen,
Die nach den Leichen nur begierig sind.
Um Gott zu loben, über uns zu weinen,
Bleibt bald kein Ort der Erde mehr den Seinen!«

Sie riefen auch, daß wer noch was besäße,
Es bergen soll im tiefsten Erdenschooß;
Sie gruben ihre heiligen Gefäße
An öden Orten ein, und daß so groß
Das Elend schien, als ob vor Gram vergäße
Die Menschheit ihrer selbst, so wurden bloß
Und unbetrauert, ohne Sang und Klagen
Die Todten zu der Ruhestatt getragen.

»Packt jene Priester, geißelt sie und peinigt,
Und setzt sie aus an öden Strand,« befahl
Der König voller Zornes, »stechet, steinigt!
Zum Abgrund stürzt und schleudert sie zur Qual!
Und was sich nicht mit unsrer Ordnung einigt,
Das alles laßt gepeitscht durch Berg und Thal
Mit Bürden aufgejocht wie Lastkameele
Verlechzen dort und mit zermalmter Seele.«

Er sprachs, und ob sich tausend Herzen sträubten,
Verwünschung gegen ihn erhob die Hand;
Gelag und Lärm der Waffen übertäubten
Den Schrei des Fluchs, den letzten Widerstand.
Es hing ein riesig Schwert zu seinen Häupten,
Das nahm er, wenn der Sturmwind braust' am Strand,
Und ritt damit hinaus, und ins Gerolle
Der Fluthen warf er Worte, räthselvolle.

Und wie von einem Zauber herbesprochen,
So schien's, als kämen nach und nach vom Meer
Die Ungeheuer all herausgekrochen,
Und stellten sich um ihn, ein grausig Heer,
In Menschenleibern, Seewölf, Haie, Rochen –
So gierig – oder glichen nur so sehr
Die seiner Willensmacht Vollstrecker waren,
Den in den Meeresgrund verwiesnen Schaaren?

Sie hatten eine dreigezackte Krone,
Man wußte nicht woher, für ihn gebracht;
War's die Jugurthas, oder die vom Sohne
Des Cäsar? und es lag in ihr die Macht
Des Gluthgestirns der mittäglichen Zone,
Des Südens und des Fluthreichs Purpurnacht,
Es stunden Zeichen in den Reif, Buchstaben
Von einer längst verschollnen Schrift gegraben.

Der Länder König und den Herrn der Meere
Hieß Geiserich sich nun, und Erz und Stein
Es kund zu thun, daß ihm kein Stärker wehre,
Daß nichts mehr schränke seinen Willen ein,
Daß über seiner keines Andern Ehre
Auf Erden noch im Himmel dürfe sein;
Er schien, wie von den Engeln abzustammen,
Auch in der Abgefallnen Stolz zu flammen.

Und für Marcella ließ er hoch und prächtig
Ein Grabmal bau'n als einer Königin,
Auf einem Fels im Meer ein mitternächtig
Gewölb von schwarzem Marmor, wo Delphin
Und Thun sich tummelten, wo wild und mächtig
Der Brandung Rollen schoß am Ufer hin,
Als wär' sie Königin des Reichs gewesen
Und ihm vom Tod zur Gattin auserlesen. –

Für ein Ziel nur ans Dasein noch gebunden
Kam unterdeß sein Feind nach Rom geflohn,
Mit den in seinem Stolz erlittnen Wunden
Trat Bonifacius vor den Kaiserthron,
Der Wahn, der ihn geblendet, war verschwunden,
Und hatte nichts als seiner Untreu Lohn,
Beschämung und den Schimpf zurückgelassen,
Und seiner Gegner triumphirend Hassen.

Furchtbare Qualen fühlt er sich durchbohren,
Er eilte zu Placidien hin und sprach:
»Zermalmt mich der Gedanke zwar, verloren
Ging Afrika, aus deiner Krone brach
Das Kleinod dieses Reichs durch mich, den Thoren;
Doch etwas lindert das Gefühl der Schmach,
Daß deine Huld die Schuld vorausbezahlte,
Da sie zu hell mich vor dem Neid bestrahlte.

Nein!« fuhr er fort, »nein! heiße mich nicht beten!
Wer so wie ich sein höchstes Gut verlor,
Der findet, denn er ist zu tief getreten,
Aus seinem Abgrund keinen Weg empor,
Wenn nicht im Kampf. Ich lade meinen steten
Und unablässigen Verfolger vor,
Ich will es ihm vor Gott mit diesem Eisen,
Daß er dem Abgrund angehört, beweisen.«

Placidia gestund ihm nur mit Kummer
Die Bitte zu – ihr letztes Hoffen schwand,
Die Feinde zu versöhnen; stumm und stummer
Ward um sie her die Welt, und sie empfand
Den tiefsten Schmerz, wenn ohne Trost und Schlummer
Der frühe Morgen sie noch wachend fand,
Und sie des Cäsars, ihres Sohns gedachte,
Der unterdessen schwelgte, trank und lachte.

Der Stärke, die ein sinkend Reich erheischte,
Und jeder edleren Erregung baar,
So war er, welcher jede Hoffnung täuschte,
Womit ihn Rom begrüßt, und Jahr um Jahr
Indeß sein Volk der Krieg, die Noth zerfleischte,
Verging und brachte näher die Gefahr,
Doch Ruhm und Größe galten ihm nur Lügen,
Und Spiel und Trinklust nur war sein Vergnügen.

Einst saß er beim Gelag, den Becher schwingend,
Und jubelnd schrieen: »Valentinian!«
Die Nymphen und Bacchanten ihn umringend
»Den Faun, den trunknen Faun!« Er rief: »wohlan!«
Und eine von den Schönen sanft umschlingend,
Sein Haupt zurückgelehnt, daß, die ihn sah'n,
Aufjauchzten, schien er wein- und liebetrunken
Und todesmatt in tiefen Schlaf gesunken.

Ein Epheukranz lag neben ihm zerrissen,
Und Todtenstille war, da – siehe da,
Da trat Placidia ein und an sein Kissen:
»Ich bin es deine arme Mutter ja!«
»Was willst du wieder,« rief er, »willst du wissen,
Wie hoch ich heut gespielt? Ach Hekuba,
Geh', laß mich schlafen, jeder ist ein Sklave,
Und ich gehorch dem besten Gott, dem Schlafe.«

»Wach auf mein Sohn, dein Schlaf ist arg und schändlich,
Sieh, wie die Länder dir der Feind zerstört,
Sieh, wie sich gegen dich nur allzukenntlich
Dein bleich und abgemagert Volk empört.
Wann Valentinian, wann erwachst du endlich?
Dein Ohr, verwöhnt von Schmeichelreden, hört
Unwillig nur, und kaum noch im Empfangsaal
Der Völker Wehgeschrei, der Deinen Drangsal.

Du glühst von wilden schändlichen Begieren,
Ich sehe dich verloren und erschlafft,
Ich seh' den Tod aus deinen Augen stieren.« –
»Vom ewigen Verhängniß hingerafft
Sah'n wir die Götter selbst ihr Reich verlieren,«
Rief Valentinian: »Die hohe Kraft
Des Herkules, Minervas Weisheit. Alles
Erliegt zuletzt dem Loose des Verfalles.«

»Ach,« rief Placidia, »sieh, im Klaggewande
Kam ich und bitte dich ein Mann zu sein,
Entreiß' o Sohn, entreiße dich der Schande!«
Doch Valentinian rief: »Beim Himmel, nein!
Nie fesseln mich des Ares rauhe Bande!
Mich locken Spiele, Liebesdienst und Wein;
Du bete meinetwegen und beweine,
Und sammle fein der Märtyrer Gebeine.«

»Laß dich beschwören bei der Himmelskrone,
Errette dein bedrängtes Vaterland.«
Und bittend warf sich nieder die Matrone,
Und hob zum Sohn von Thränen naß die Hand,
Als plötzlich in dem Glanz der Orione
Ein Geist in Waffen ihr zur Seite stand
Und sprach: »Ich bin Athaulf, du rufst die Todten,
Komm, Königin, schon harren dein die Gothen!«

Placidia rief: »O Himmel, hab' Erbarmen!« –
Und ihre Lippen wurden marmorbleich,
Die Sterbende umfing jetzt mit den Armen
Der Cäsar und sein Herz ward thränenreich –
Um dießmal noch und nie mehr zu erwarmen,
Verloren war für ihn der Liebe Reich;
Er küßte weinend die entseelten Glieder,
Und beugte betend auf ihr Kreuz sich nieder.

So lag er lang in stummen Todtenklagen,
Bis ihn erweckt sein tosend Volk und Heer,
Er blickt hinab und sieht vorbeigetragen
Des Grafen von Carthago Leichnam. »Wer?«
So fragt er, »wer hat diesen Mann erschlagen?«
»Im Zweikampf,« ruft man, »des Aëtius Speer,
Gott, welchem sie dem Kampf anheimgegeben,
Gott hat gerichtet über beider Leben.«

Und draußen auf dem Feld, dem blutgetränkten,
Auf dem er ihn erschlagen, stund allein
Aëtius, seinen Speer in den verschränkten
Umstählten Armen, wie ein Bild aus Stein;
Am Himmel, welchen Wolken schwarz verhängten,
Fuhr hie und da ein greller Wetterschein,
Doch greller noch durchzuckten sein Gewissen
Gedanken, die sein Innerstes zerrissen.

Er sah am Ziel des ränkevollen Strebens
Den Gegner noch durch seine Faust gefällt,
Und doch umsonst die Mühe seines Lebens.
»Das Herz um dessen Gunst ich rang, das hält
Der Tod nun fest, so lud ich denn vergebens
Vergehn und Fluch auf mich, und da die Welt
Den Sieg mir beut, um den ich lang geschlichen,
Jetzt ist auch aller Werth von ihm gewichen.

Doch halt! ein Größres gilt es anzustreben,
Es gilt ein höher Ziel als Frauengunst,
Und diese Zeit wird leichter dem vergeben,
Der Unrecht und Gewalt übt, als wer Schuld
Durch seine Schwäche ward, daß tausend Leben
Zu Grunde gehn. Nicht Demuth und Geduld,
Beharrlichkeit und Klugheit sind das Beste,
Und sollen dauern wie des Himmels Veste.

Und wenn es wahr ist, daß dein Reich uns werde,
Und du erfüllst, Herr, die verheißne Zeit,
Um über alle Völker auf der Erde
Zu trennen auf dem Thron der Herrlichkeit
Von der erlesnen die verworfne Heerde,
Dann zeig' es sich in einem letzten Streit,
In einem Weltkampf, wer vor allem Heere
Dein rechter Arm ist und die rechte Wehre.«


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