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Achter Gesang.
Die rothen Ostern.

Es kam die Zeit der ersten Frühlingsfeier,
Da mit gebroch'nem Eis die Strömung geht,
Und alles Gold auf ihren holden Freier
Verschwenderisch die junge Sonne sä't;
Da Berg und Thäler hüllt ein Nebelschleier
Tiefblauen Duft's; ihr jubelnd Frühgebet
Die Lerche singt, ins Grün die Knospen brechen,
Und »Ostern wird es« – zu einander sprechen.

Um jene Zeit stand in Liguriens Gauen,
Mit Zweigen aus dem Myrthenhain geschmückt,
Ein gothisch Lager, – ringsum Blüthen, Auen,
Paniere von der Blumen Last gedrückt.
Die Sonne stund allein im Himmelblauen,
Und wie vom schönsten Friedensfest entzückt,
War Beten ringsumher und heilig Schweigen; –
Nur Nachtigallen schlugen in den Zweigen.

Ein alter Tempel stund noch da, die Töne
Des neuen Glaubens hallten ernst und fromm,
Da knieten Ulfilas' gelockte Söhne,
Und Einer sprach zum Andern: »Bruder komm!
Daß uns das hohe Liebesmahl versöhne,
Wie segnend dort die Sonne rein erglomm!
Daß unsrem Arm der Ew'ge Kraft verleihe,
Und unsre Seelen von der Schuld befreie.«

So feierte der Gothen Volk, – indessen
Ward vor dem Kaiser Roms und im Senat
Ein Vorschlag laut, so schmählich als vermessen;
Mehr als der Muth, wog arge List im Rath:
»Wenn sorglos, aller Kampfesmüh' vergessen,
Der Gothe Festtag hält, glückt uns die That!
Wir fällen dann den Feind beim Mahl der Brode,
Das werden Ostertage – blutigrothe.«

»Niemals,« rief Stelico, »führt meine Rechte
Dazu das Schwert!« Da rief ein Mann: »ich thu's!«
Saul war es, aus alanischem Geschlechte;
»Hei!« – ruft er, schon im Bügel mit dem Fuß, –
»Wir sind gewissenlose Söldnerknechte,
Man grüßt uns nie mit einem andern Gruß.
Erlieg' ich, spreche Goth' und Römer: Amen! –
Eßt euer Lamm, ich schlacht' in eurem Namen!«

Er führet nun, ein düst'rer Makkabäer,
Die Legionen an, und als die Nacht
Sich neigt, da melden ausgesandte Späher:
»Im Lager wird der Freude nur gedacht.«
Lautlos rückt vor das Heer, und immer näher
Erschallt des Festes Lärm. »Jetzt in die Schlacht!«
In raschem Lauf, mit wildem Mordgeschreie,
Erstürmen sie die nächste Lagerreihe.

Die Feuer, die noch kaum um Lustberauschte
Aufflammten, leuchten jetzt dem Wurfgeschoß,
Dem Bogen und dem Pfeil, – der Becher tauschte
Den Wein mit Blut, – und dorthin stampft das Roß,
Wo kaum vorher des Sängers Harfe rauschte.
Der Tod bricht Augen, die der Schlummer schloß;
Manch Haupt sinkt auf die Brust erbleichend nieder,
Und taumelnd flieht des Lebens Kraft die Glieder.

Bestürzt erblickt der Gothe sich umrungen,
Voll Zornes ob der Feigen Hinterlist,
Im Augenblick ist Schild und Speer geschwungen,
Und donnernd hallt's: »Hilf, auferstandner Christ!«
Von, höchster Gluth fühlt sich ihr Herz durchdrungen,
Und Alarich mit kühnem Blick ermißt
Des Ueberfalls nur schlecht verhüllte Schwäche,
Und drängt vom Wall die Römer nach der Fläche.

Jetzt sprengt aus seiner Heerschaar der Alane,
»Ha!« ruft er aus, »es ward von uns gesagt,
Als hielten wir nicht treu zur Adlerfahne,
Doch deß hat man uns fälschlich angeklagt! –
Sieh Rom, daß ich mit meinem Leib dir bahne
Den Weg zum Sieg!« Nach diesen Worten jagt
Der Kühne in den Feind, zum Tod entschlossen,
Und fällt, und wird zerstampft von ihren Rossen.

Verwirrt vom Fall des tapfern Führers, wandte
Der Reitertrupp, der ihm gefolgt, erschreckt
Sich in die Flucht. Ihr Fliehen überrannte
Die Legion, die ihren Angriff deckt.
Schon wankt und wich auch Die, doch bald ermannte
Die Krieger hier und dort ein Ruf, und weckt
Den alten Muth; es wird das Wort vernommen:
»Steht! Stelico wird uns zu Hülfe kommen!«

Als noch des Chaos letzte Feuer brannten,
Durch die der letzte Sturm der Urwelt ging,
Wenn damals auf den Mammuthelephanten
Die Schlange schoß und ringelnd ihn umfing,
Wie sich die Flügel auseinander spannten,
Daran das Gift in schweren Tropfen hing,
Und sich das Ungethüm zur Wehre setzte,
Dumpf brüllend, stampfend, und die Hauer wetzte:

So stoßen mit Gestampf der Heere Flanken,
Und fassen sich an beiden Hörnern an,
Entrollte Fahnen, Speere sonder Wanken
Und Schwerter brechen ihre blut'ge Bahn.
Schon wich die Nacht, und ihre Schatten sanken.
Die Schlacht, die mit des Morgens erstem Nah'n
Zu ruhen schien, wird wieder angefeuert,
Und Angriff und Verteidigung erneuert.

Es werden Waffen, die zu Boden liegen
Und Waffen Todter wieder aufgerafft;
Schon sieht man wieder Pfeil auf Pfeile fliegen,
Zur Kolbe wird des Speers zerbrochner Schaft;
Die Fahne weht, auf's neu dem Staub entstiegen,
Und der Verwundete fühlt neue Kraft.
Die Fliehenden ergänzen ihre Reihe,
Mit frischem Muth, mit stärk'rem Schlachtgeschreie.

Wo vor ihm her die Adlerbanner fliegen,
Ist Stelico, er sprach: »Es ist fürwahr
Auch Rom ein leeres Grab, aus dem gestiegen
Der Heiland, und es dünkt mir sonderbar:
Daß ich dabei noch wachen soll und siegen.«
Doch schon erblitzt sein Schwert, und Schaar an Schaar
Erblickt er schon im Kampf, und aller Orten
Ruft ihn die Feldherrnpflicht zu That und Worten.

Da mitten in dem Treffen ziehn die Gothen,
Und stolz und langsam von des Tages Glück,
In ihre Lager sich mit ihren Todten,
Und fort, und bis zur Adria zurück.
Wie hocherfreut sieht Rom die Siegesboten!
Honorius selbst, mit freudetrunknem Blick,
Die Pferde des Triumphs am weißen Zügel,
Begrüßt mit Stelico die sieben Hügel.

»O Rom!« – war seine Rede – »alle Sorgen,
Die dich bedrückt, entfernten wir von dir;
Du bist nun wieder eine Welt; – die Morgen
Gehören wieder uns, – der Sieg ist hier!
Nicht mehr die Furcht, die uns so lang verborgen
Und niederhielt. Nun aber siegten wir:
Rom wagt es endlich wieder zu genießen,
Die Thore seiner Burgen aufzuschließen!«

»Heil Retter!« gab zur Antwort in dem Schweigen
Der Säulen des Triumphs, die Tiberstadt.
Es sprach's die graue Vorzeit, mit dem Zeigen
Der abgebrochnen Hand; und jedes Blatt
Des Lorbeerbaums in den entweihten Zweigen
Sprach's flüsternd nach, der Schmeichelreden satt,
Womit man längst nach schmacherkauftem Frieden
Den Sieger pries, der klug die Schlacht vermieden.

Im Traum von solchem Glück verflossen Tage
Voll frohem Lärm bei Fest und Fröhlichkeit,
Die Dämmerung sank über Festgelage,
Und hüllte den Palast in Dunkelheit.
Der Themis ehern Bild mit Schwert und Wage,
Und eines Herkules im Löwenstreit,
Erhob sich an des Thores hohem Bogen,
Die Hallen tönten laut von Menschenwogen.

Und in die Gärten brachte man Trophäen,
Gefangne Gothen führte man durchs Thor;
Sie schreiten stumm, und ihre Blicke spähen
Mit finstrem Trotz entlang den Corridor.
Aus dem Gewühl der gaffenden Pygmäen,
Wie ragen sie gewaltig hoch empor!
So schreiten sie vorbei dem Marmorsaale,
Wo Stelico noch saß beim Siegesmahle.

Allmählig hatten von den Gästen alle,
Die letzten sich entfernt, ein matter Schein
Der Candelaber fiel noch in die Halle,
An seiner Tafel saß der Held allein.
Da war's, als ob ein Helm, ein Panzer falle
Aus den Trophä'n, und sieh' da – hochherein
Ragt jetzt ein Haupt und ragen Schultern, breite
Von Einem, der aus Banden sich befreite.

Es war von den Gefangnen, von den Riesen
Ein Gothe, der den Namen Sarus trug;
Er trat auf einen Schild und sprach: »Von diesen
Trotzt meinen Hieben keiner stark genug.«
»Du hast's,« fuhr Stelico empor, »bewiesen. –
Was willst du?« »Daß uns Römerwaffe schlug,«
Rief jener, »wähnt die Welt!« »Und Zeugen,«
Sprach Stelico, »seid ihr, – ihr müßt euch beugen.«

»Hast du,« fuhr der Barbar nun fort, – »vergessen
Ein Volk, das dich als kleines Kind gehegt?
Wir haben einst denselben Weg durchmessen,
Und mit einander manchen Feind erlegt.
Ich bin an deiner Lagerstatt gesessen,
Und hab' in deinen Wunden dich gepflegt;
Nun seh' ich dich im Schmuck der Römerkrieger,
Im höchsten Glück, als unsres Volks Besieger.«

Und Stelico entgegnet: »Ich verlache
Wie damals noch des Ruhmes Eitelkeit,
Doch knüpft' ich mein Geschick an Rom, das schwache,
Weil Dankbarkeit und Ehrfurcht mir gebeut.
Dir will ich anvertrauen meine Wache,
Mich zu beschützen sei dein Arm bereit.
Bedenke, daß ein Stein, wie jäh er rolle,
Zuletzt gehemmt sich sieht durch eine Scholle.«

Da schwang aus den Trophä'n ein Schwert der Gothe:
»Warum denn, statt Gefangne hier zu sein,
Bedecken wir die Wahlstatt nicht als Todte!
Nur dir ergaben wir uns, dir allein!«
»Wie denn, erschien ich euch ein Gnadenbote?«
Frug Stelico, – »noch war der Sieg nicht mein,
Als ich erstaunt, nicht kann ich es verhehlen,
Den Alarich zum Rückzug sah befehlen.

Ich staunt' ob diesem, wie ob jenem Zeichen
Von einer unerklärten Furcht. Fürwahr,
Daß uns sobald die tapfren Gothen weichen,
Das war ich nicht gewöhnt!« »Auch würd' uns gar
Zur Schmach nicht, was ich sagen kann, gereichen;
Wenn du mich hören wolltest.« »Wunderbar!«
Rief Stelico, »doch da nun schon die Säle
Das Morgengraun erhellt, wohlan – erzähle!«

»Nachdem,« – hub Sarus an, »von uns erkoren,
Die Königswürde Alarich gewann,
Und Istrien dem Griechen ging verloren,
Da hieß er auch Illyriens Tyrann.
Der Friede kam, der Friede ward beschworen,
Und bald darauf erschien in unserm Bann,
Ein andrer Gothenstamm mit seinen Frauen,
Und ward uns eingereiht in allen Gauen.

Athaulf, ihr Herzog, ward von uns empfangen
Mit vieler Feste lautem Zeitvertreib,
Denn mit ihm kam im Schmuck und stolzen Prangen,
Die ihm Verwandte war, ein schönes Weib.
Von ihrem Reiz ward Alarich gefangen,
Vom süßen Blick, vom minniglichen Leib. –
Die Hochzeit ward gefeiert, Krongepränge
Dabei, und Chorschall griechischer Gesänge.

Von nun an, statt dem Volke zu gewinnen
Der neuen Heimath Sich'rung und Bebau,
War auf Erobrung nur bedacht des Königs Sinnen,
Gespornt vom Uebermuth der stolzen Frau.
Zu öd erschienen ihr die grauen Zinnen
Der Gothenburg, die Berge rings zu rauh,
Und so beschloß man Krieg euch anzukünden,
Und über Rom ein eignes Reich zu gründen.

Es nahten sich die weißgelockten Alten
Des ganzen Volks, in Luchs- und Bärenhaut
Gekleidete, um mit ihm Rath zu halten,
Bedeckt von Narben und im Krieg ergraut.
Es stützen sich die wankenden Gestalten
Auf ihrer Speere Schaft, und als nun laut
Sich Alarich erklärt, da schütteln jene
Das Haupt, und sie verwerfen seine Pläne.

Ihr Aeltester begann: ›In langen Jahren,
Der Jugend Locken sind seitdem gebleicht,
Seit wir zuerst die Donau überfahren,
Was haben Tausende von uns erreicht,
Als daß sie ruhn im Grab, die tapfern Schaaren,
Wo nur der Nachtwind durch die Föhren streicht,
Wo nur der Rabe mit den dunklen Flügeln
Die Wache hält auf ihren Waffenhügeln!?

Uns Andre durch des Krieges Wechselfälle
Gehärtet, sengte fremde Sonnengluth.
Wie oft beneidet' ich an Trift und Quelle
Des Aelplers Hütte, die auf Felsen ruht,
Des Pflügers Haus, des Siedlers stille Zelle!
Doch wir, dem Schiffer gleich auf hoher Fluth,
Sind fort und fort im Kampfgedräng gezogen,
Verwandelt ward ob uns der Himmelsbogen.

Und nun, da uns ein Wohnsitz wird, gemahnend
Der alten Erde, die uns heilig ist,
Jetzt rufst, verhängnißvolle Wege bahnend,
Zu neuem Kriege du!‹ ›Weil ihr nicht wißt,‹
Rief Alarich, ›daß mir im Innern ahnend
Der Väter Geist, der meine Bahn ermißt,
Mir ruft und immer ruft; ihr werdet siegen,
Dem Gothen mußt' Athen, – wird Rom erliegen!‹

Was half's, ihn alter Eide da zu mahnen!?
Er will nicht König nur, will Herrscher sein. –
Ich aber kenne, spricht man von Germanen,
Nur Freie. Darum bin ich euer, dein,
Und folge Roms, und folge deinen Fahnen;
Denn leichter fremdem Dienst den Arm zu leihn
Erträgt das Herz, als eine Knechtschaft loben
Von unsren Eignen, die wir selbst erhoben.

Doch sie, die ihn beherrschte, Fredegunde,
Die seinem Stolz beständig Nahrung bot,
Gab sich in jener Nacht die Todeswunde
Als ihr uns überfiel't, denn; – ›es sei todt
Der König‹ – drang ins Lager eine Kunde,
Und daß, durch seinen Fall bestürzt, aus Noth
Das Gothenheer den Römern sich ergeben,
So wollte sie die Schmach nicht überleben.

Enträthselt ist dir nun, wodurch bewogen
Im Sieg den Rückzug Alarich befahl;
Dem Baume gleich, den Blüthenschmuck gebogen,
Und dann zerschmettert hat des Blitzes Strahl.
Er hat sein Heer vor euch zurückgezogen,
Doch zweifle nicht, er bricht ein zweitesmal,
Und wie der Löwe, der verwundet worden,
Noch wüthender hervor aus jenem Norden.«

»Wird ihn sein Unglück nicht vielmehr versöhnen,«
Sprach Stelico, »und eine Warnung sein,
Nicht länger blindem Ehrgeiz mehr zu fröhnen,
Und Völker ihrem Untergang zu weihn?
Schwer lag mein Arm auf euch, euch tapfern Söhnen,
Und jetzt, da ihr besiegt seid, seid ihr mein,
Als wär's mein Loos, der Schirm zu sein von Allen,
Die sich entfremdet sind und abgefallen!«

»Wer so an seinen Siegen leidet, hüte
Das Herz in seiner Brust,« – sprach neben ihm
Serena, deren Blick voll Stolzes glühte.
Sie sagte: »Du, der wie die Cherubim
Mit Waffen schlugst den Feind und auch durch Güte,
Herr, daß ich mich nicht überheb' und rühm',
Warum an diesem Tag, so freudetrunken,
Erblick ich dich in Schwermuth hingesunken?!

O welch ein Schmerz mag deine Stirn umdüstern! –
Und weißt du, was von dir begehrt die Stadt?
Ein Fest im Cirkus, denn nach Spielen lüstern
Ist stets das Volk, des Blutes noch nicht satt.
Und weißt du, daß man dich, und nicht mit Flüstern
Der Schonung mit dem Feind beschuldigt hat!
Sprich, werden die gefangnen Gothen sterben!?
Muß nicht ihr Blut des Cirkus Boden färben?«

»Was,« sagte Stelico, »mich anzuklagen
Erkühnt man sich!? O sie sind blind genug.
Man wagt es jetzt schon, da der Siegeswagen
Mich noch soeben durch den Jubel trug!
Allein ich fühl' das alte Herz noch schlagen,
Es regt sich noch in mir der Sehnsucht Zug.
Daß die Gefangnen noch zu todt sich hauen,
Nein! solch ein Schauspiel soll man nicht mehr schauen!

Mein erstes Licht war mir der Glanz des Schwertes,
Und Vater oder Mutter kannt' ich nie;
Mein Bett war auf dem Sattel eines Pferdes,
Ich lächelte, wenn wimmernd' Elend schrie.
Ich kannte keinen Maßstab andern Werthes,
Als den die Waffe jedem Mann verlieh; –
Beim Pferdgestampf, wenn Schild und Speer erklungen,
Hat mich in Schlaf das Schlachtgeschrei gesungen.

Ich kam zu Hof, noch unbekannt im Trosse,
Ein Dienstmann, wie die tausend Andern auch,
Doch kühn wie ich, war keiner auf dem Rosse,
Und so gewandt in jedem Kriegsgebrauch.
Da sah dein Vater mich, des Himmels Sprosse,
Dem angehört mein letzter Lebenshauch;
Er sah mich auf der Jagd, bei den Trabanten,
Wie stark den Bogen meine Arme spannten.

Ich hatte bald die steilsten Höhn errungen,
Ich zitterte vor keinerlei Gefahr,
Nach tausendfach erprobten Läuterungen
Ward deine Hand mein Siegspreis am Altar;
Ich hielt mit dir ein endlos Glück umschlungen.
Getreu bis in den Tod bleibt der Barbar,
Doch nie geschieht's; bei Himmel, Höll' und Erde,
Daß ich des Gothenvolks Vertilger werde.«

So sprachen sie; die Nacht darauf noch reiste
Zu seinem Heere Stelico. Es war
Nicht lang darnach, da fand er sich im Geiste
Auf fernen Höhn, und eine Todtenbahr
Stund da, um die das Feuer lechzend kreiste;
Darüber lag in Schönheit wunderbar
Ein Frauenbild, gekrönt, und bleich erhellte
Das Mondlicht fernhin viele Kriegsgezelte.

Und eine Stimme klang wie Windeswehen
An Stelico's Erinnerung und sprach:
»Du hast des Nordens Königin gesehen,
Im Schmerz um sie ertrug ich selbst die Schmach,
Vor euch als ein Besiegter dazustehen;
Doch jauchzet nicht, bald folgt die Rache nach;
Ich werde dennoch Rom und seine blauen,
Wie Himmel leuchtende Gebirge schauen!«

Es drängten aber aus der Heimathquelle,
Wie aus getroffner Ader strömt das Blut,
Germaniens Völker vor, und jede Welle –
Ein mächtig Heer – erwuchs zur wilden Fluth;
Und jede trieb die andre von der Stelle.
Vor Allen zogen stolz in Siegesmuth
Ostgothen her, dann Rugier, mit Burgunden,
Der Sueven Heerschaar, nie noch überwunden.

Mit Weib und Kindern folgten dann Vandalen,
Und Radagast ihr Lenker, der den Schwur,
Den er gelobt, nun hoffte heimzuzahlen.
Vernichten nicht die Heere will er nur,
Nein auch die Mauern, Namen und Annalen
Des Römervolks bis auf die letzte Spur,
Um das Gedächtniß aller Schmach und Schmerzen,
Mit einemmal auf ewig auszumerzen.

Denn als es ruchbar ward im weiten Norden,
Es sei durch List und jähen Ueberfall
Ein großes Gothenheer vernichtet worden,
So regte sich aufs Neue Waffenschall:
»Ich will in ihrem Nest die Schlangen morden,«
Rief Radagast, und drang, den Felsenwall
Der Alpen übersteigend, in die Apenninen,
Zu stürmen Rom, zu stürzen seine Zinnen.

Wie viele Stürme Radagast auch wagte,
Der Wall der Legionen stund zu fest,
Und die zurückgeschlagnen Kämpfer nagte
Der Hunger aus in ödem Felsennest;
Und wenn die Sonne sank und wenn es tagte,
Fand ihre Opferzahl vermehrt die Pest;
Dem Hunger folgend mit Harpyenflügeln,
Thürmt sie den Apennin mit Leichenhügeln.

Die Städte dort, auf hoher Felsenspitze,
Die Meierhöfe, sonst von Heerden voll,
Der Senatoren reiche Grundbesitze,
Wo Wein und Oel im Ueberflusse quoll,
Sie lagen öde jetzt und brach; die Hitze
Versengte jeden Halm, und Zoll um Zoll
Bezeichneten nur Leichen auf den Wegen,
Es sei die Streitkraft Radagasts erlegen.

Auf dieß verwehrt, die Höhn hinanzudringen,
Den Römern nirgends mehr ein Widerstand;
Kein Wacheruf ihr Nahn zu hinterbringen,
Kein Pfeilschuß rührt sich in dem öden Land;
Nur hie und da erhebt die dunklen Schwingen
Ein Adler über eine Felsenwand;
Der einz'ge Wächter noch, verscheucht vom Fraße,
Den ihm die Pest gestreut im reichsten Maße.

Sie fanden, als die Thore sie besetzten,
Auf die sie sonst nur scheu hinangesehn,
Den grimmen Radagast mit seinen Letzten,
Am öden Herd der Waffenschmiede stehn,
Wo keine Wellen mehr die Stahle netzten,
Die Gluth entfachte keines Odems Wehn. –
Als Stelico ihm bot des Friedens Grüße,
Warf ihm das Schwert der König vor die Füße.

»Es ist zu stumpf geworden, o die Scharte
Wetzt keine Zeit mehr aus; hätt' ich's geahnt,
Als meine Hand auf jener Felsenwarte
Dein Schicksal hielt!« »Wir hatten dich gemahnt;
Verfolge nicht die römische Standarte,«
Rief Stelico, »doch hätt' ich mir gebahnt,
Auch dir zum Trotz, den Weg durch jene Schlünde,
Gewiß, daß ich den Kampf mit dir bestünde!«

Der halbentseelte Mann war eng gebunden,
Er sah auf Stelico und seufzte tief;
»Da lieg' ich nun, ein Wild vor deinen Hunden!«
Doch Stelico, die Bande lösend, rief;
»Ich hab' als einen Löwen dich gefunden,
Der müd und krank in seiner Höhle schlief,
Und Niemand wag' es Hand an dich zu legen! –
Ich werde dein wie eines Bruders pflegen.«

Er übergab ihn seiner treuen Wache
Und sprach: »Das wisset, wer sich unterfängt
Und ihn beleidigt, fühle meine Rache! –
Ich schwör' dir's; wer mich auch darum bedrängt,
Dein Haupt ist sicher unter meinem Dache;
Wenn uns in Rom Honorius empfängt,
So wird an seinem Thron es Niemand wagen,
Um meines Schwurs vor ihm mich anzuklagen.«

So sprach der Held; doch seine Feinde logen:
»Honorius, dein Thron und dein Altar
Wird insgeheim den Gothen vorgewogen;
Weit mächtiger als du, herrscht ein Barbar;
Er hat nun Unterhandlung selbst gepflogen
Mit Radagast, dem Räuber, – ja sogar
Den Alarich aufs Neue herbeschworen,
Der schon besiegt erschien und schon verloren.

Die Ruhe seiner eisernen Geberde
Lügt Demuth, deren größter Feind er ist,
Wenn er besorgt, daß er verrathen werde.
So viele Zolle seine Lanze mißt,
So viele Teufel ruft er aus der Erde,
Denn Heide ist er noch und nicht ein Christ;
Entsprossen dem Geschlechte der Vandalen,
Muß seinen Sold die Hölle ihm bezahlen.«

Und zürnend hörte man den Fürsten sprechen;
»Hat ihm so viel der Gothe zugesagt,
Daß er's gewagt die Treue mir zu brechen?
In keinem Unglück noch hat Rom gezagt,
Und immer noch verstund es sich zu rächen;
Und dessen Strafe glaubt ihr, blieb vertagt!
Er lebe noch, doch morgen, wenn wir wollen.
Muß uns sein Haupt vor unsre Füße rollen!«

Den Schmeichlern war die Rede nicht entgangen.
In einem Thurm Ravenna's ward sofort
Zuerst der grimme Radagast gefangen,
Zum Trotz dem ihm so hoch beschwornen Wort;
Es nagten bald an ihm des Kerkers Schlangen
Und dann erwürgten ihn die Henker dort.
Entrüstet hörte Stelico sein Ende,
Schwang sich aufs Pferd und ritt ans Meergelände.

Er kam dahin, als von den Kerkerknechten
Der Leichnam Radagasts an einem Seil,
Vom Thurm ins Meer gesenkt ward. »O ihr Schlechten,«
Rief Stelico, »mit Allen, die da Theil
An diesem Morde haben, werd' ich rechten,
Und ihrer Keinem soll's gedeihn zum Heil;
Doch du, wenn gleich die Haie dich verzehren,
Dein Angedenken soll man nicht versehren!«

Er eilt, sich vor Honorius zu stellen,
Um aufzudecken der Verläumder Trug,
Sie sollen ihm auf jenen glatten Schwellen
Zu Rede stehn, mit welchem Recht und Fug
Ein Todesurtheil sie gewagt zu fällen,
Und wer es sonder Aufschub und Verzug
An jenem wunden Helden ließ vollstrecken,
Der schon geschützt war durch das Wort des Recken.

Die Gattin Stelico's, zunächst dem Throne,
Vernahm zuerst die drohende Gefahr,
Sie flüchtete mit ihrem jungen Sohne,
Und eilte zum Gemahl. »O, es ist wahr,
Sie hassen dich;« – er aber sprach; »verschone
Mit deinem Jammern mich, mir wird kein Haar
Gekrümmt durch die! – Tret' ich in ihre Mitte,
Sie zittern, hören sie nur meine Schritte.«

»Ach!« seufzte sie, und barg in ihre Locken
Ihr mildes Antlitz, »glaub' an die Gefahr!
Schon dröhnt der Berg, schon sind die Quellen trocken,
Doch stets noch lacht der Himmel hell und klar.
O zittre vor der Götter Neid!« Erschrocken
Rief Stelico; »So bin ich – ist es wahr –
Verurtheilt? Sprich, was wirst du mir entdecken;
Gestehe, löse diesen Bann der Schrecken!«

Serena sprach; »Hör' mich, mein Herr und Gatte;
Ich nahm den Schmuck für unsern Hochzeitstag
Aus einem Tempel, den die nimmer satte
Zerstörung noch verschont. Gar düster lag
Der Schutt schon um den alten Bau; ich hatte
Der erz'nen Thüre mich genaht, ein Schlag
Ans Thor zerbrach die morschen alten Siegel,
Und kreischend sprangen auf die rost'gen Riegel.

Des Tempels innrer Raum war augenscheinlich
Seit Jahren öd; mein pochend Herz durchfuhr
Ein schaurig' Graun, unnennbar bang und peinlich;
In einer Nische, halbverschlossen nur,
Stund Vesta's heilig' Bild, vor Alter bräunlich,
Geschmückt mit Edelstein und Perlenschnur;
Ich öffnete, wie hochempörte Seelen
Verströmten Gluth die funkelnden Juwelen.

Mir war's, als hört' ich eine Stimm': ›O bebe
Du Hand!‹ Da blickt' ich nieder, und es schien,
Als ob sich jetzt das schwarze Spinngewebe,
Das ihr vom Haupte hing bis zu den Knie'n,
Gleich einem Schleier vom Gesicht erhebe,
Und auf der Stirne glänzte der Rubin.
Zerfließend schien er in der Hand zu glühen,
Wie eine Knospe der Smaragd zu blühen.

›Ich nehm's dem Götzendienst; bald die Gemahlin
Des Helden, der das ew'ge Rom beschützt!‹
Ich sprach's, da rief es hinter mir: ›Vandalin!‹
Auf eines Thrones Elfenbein gestützt,
Stand da die letzte lebende Vestalin,
In Kleidern staubig schon und abgenützt;
Und als ich staunend stund in Anbetrachtung,
Begegnet mir ein Lächeln voll Verachtung.

Es öffnete die bleiche, fahle Lippe,
Ein Wesen welk, wie Blumen bar des Thau's,
Und sagte sanft: ›Ich hieß einst Aganippe,
Doch nun, o Quell des Lichtes, lösch nur aus!
Nehmt unser Gold, um Kronen für Gerippe
Damit zu fassen, füllet euer Haus
Aus unsern Truhen; aber einst nach Jahren
Wirst du der Göttermutter Zorn erfahren.‹

Von Scham und Ehrfurcht fühlt' ich mich durchdrungen,
Als die Begleitende, die Dienerin,
Das Kästchen nahm, und als ich mich bezwungen,
Folgt' ich ihr nach, doch mit betrübtem Sinn.
Noch lang hat mir's im Herzen nachgeklungen;
Unausgesprochnen Fluch bringt der Gewinn.
Mich sorgt, daß, was ich dort in Angst vernommen,
Die Zeit, da sich's erfüllt, ist nah gekommen.«

»Der Schmuck,« sprach Stelico, »war dir beschieden,
Und deine Schönheit hat ihn neu getauft,
Doch jene laß nur heimlich Ränke schmieden,
Ein Thor, wer sich darum die Haare rauft.
Ha! warf man mir nicht vor, daß ich den Frieden
Mit zweifelhafter Ehre uns erkauft?
Daß ich für meinen Sohn das Scepter suche? –
Ich wüßte wahrlich nicht zu wessen Fluche!

Ich scheute stets des Unrechts still und leises,
Doch sichres Strafgericht. Der Unterschied,
Wie gegen sonst der Herr des Erdenkreises
In jüngster Zeit mich scheuen Blickes mied,
Ist mir Beleg des gültigsten Beweises,
Daß ein Verdacht sein Herz von unsrem schied.
O daß Demüthigung der Lohn der Demuth!
Dieß, o Serena, fühlt mein Herz mit Wehmuth!

Geduld! es lebt in mir noch das Vertrauen;
Wenn all die Stürme bald vorüber sind,
Dann will ich eine Burg in Berge bauen,
Wo wir allein sein können, unser Kind,
Und ich und du, wo wir herunterschauen
Auf Land und Leut' und auf das Inngesind.
Frei, fern vom Hof, an Rhätiens Felsengängen,
Bei Waidwerk, Waldesluft und Becherklängen.«

Serena sprach, sich zu dem Gatten neigend:
»Ein schöner Traum! doch soll uns auch gefaßt
Das Unglück sehn;« sie schwieg, und beide schweigend
Durchschritten jetzt den dämmernden Palast.
Auf einmal in den Abendhimmel zeigend,
Rief Stelico: »Wenn jener Stern erblaßt,
Der mein Geschick an deine Liebe bindet,
Nicht eher, weiß ich, daß mein Glück entschwindet.«

Der Schall des Erzes von Ravenna's Thürmen
War in des Dunkels erstem Graun verhallt,
Zur Hofburg ging das Schilfrohr in den Stürmen,
Honorius mit Blicken mild und kalt,
Gefolgt von seinen kriechenden Gewürmen.
Mit ihm ging Theramantia, umwallt
Von ihren blonden, langgelockten Haaren,
Die Tochter des gefürchteten Barbaren.

Er hatte sie, die Zweite seiner Rosen,
Sein zweites Kind, nachdem die Grabesnacht
Marien schon umschloß, dem freudelosen,
Dem Bündniß mit Honorius dargebracht,
Und sie geweiht den gleichen Trauerloosen.
»Mein Vater kommt, er hofft« – sprach sie bedacht,
»Daß du ihn hören werdest.« »So« – erwiedert
Der Kaiser, »hat sich doch sein Stolz erniedert.« –

»Mein Herr betrachtet ihn mit großer Strenge,«
Erwiederte Thermantia, »dein Glück
Und Heil war doch auch sonst um seine Gänge;
Kein Feind blieb in Italien zurück!«
Doch stumm durchschritt Honorius die Menge,
Und sah sich um mit sorgenvollem Blick,
Und flüsternd sprach er zu dem Gruß der Väter;
»Er ist erkannt, er ist ein Hochverräter.

Hier lest! Germaniens Völker überschritten
Den Rhein nach Gallien, dieselben, hört!
Die Stelico, wie wir gewähnt, bestritten
Und ausgetilgt. Nie wurden wir bethört!«
Er schwieg. »O Herr! was wir seitdem gelitten,
Seit jedes Römerherz ein Mann empört,
Der dein Vertrauen unumschränkt besessen,
Wer spricht es aus, wer könnt' es je vergessen!«

Olympius hieß er, der das Wort gesprochen,
Des Kaisers Günstling, fromm, doch nur zum Schein,
Im Innern schwarz, von ew'gem Haß gestochen.
Er sah, daß List und Satanskunst allein,
Nachdem die Macht und Stärke war gebrochen,
Vom Fremden könn' Italien befrein.
Sein Ziel vor Augen, mußt er jetzt sich sagen,
Die Stunde sei es, eine That zu wagen.

Er fühlte wohl, Honorius verlange
Nach einem Werkzeug, das bereit für ihn,
Die Grube grüb' und ihm den Löwen fange,
Vor dem er sich so klein, so bang erschien.
Dieß that denn auch Olympius, die Schlange,
Er schürte Meuterei, schlich her und hin,
Und bringt es an die römischen Soldaten,
»Der Feldherr habe sie dem Feind verrathen.«

Rasch wächst ihr Haß, sie drängen sich in Massen
Zum Markte mit dem Ruf: »Verräthern Tod!«
Gezückten Dolchs durchströmen sie die Gassen,
Und schwingen jubelnd dann die Waffe, roth
Vom Blut der Freunde Stelico's. Gelassen,
Und erst als ihn ihr Aufruhr selbst bedroht,
Beschwichtigt sie Honorius durch Flehen,
Im Stillen froh, daß nun der Wurf geschehen.

Verfolgt ward und vervehmt, was von Germanen
Noch in dem Dienst der Römer stund, und jetzt
Begaben sich die Führer seiner Fahnen
Zu Stelico, sie baten ihn zuletzt,
Zum Schwert zu greifen und sich Weg zu bahnen;
Honorius werde nicht nur abgesetzt,
Verlangen sie, der Augenblick geböte
Sogar noch mehr, sogar daß man ihn tödte.

»Nein, nimmermehr,« rief Stelico, »dem Sohne
Des Theodosius gescheh' kein Leid!
Bewahrt' ich vor dem Feinde seine Krone,
Damit ich ihm sie gegen Recht und Eid
Jetzt selbst entriße? Nein, vor solchem Lohne
Erbebt mein Herz. Stürzt seines Hofes Neid
Mich noch so tief, nie wünscht' ich um mein Leben
Italien der Verwüstung preiszugeben.

Ich werde gehn, ich hoffe durchzudringen,
Und zu zerstreun die Arglist und den Trug.
Es ist die Hoffnung auf ein gut Gelingen,
Ein tief in meine Brust gegrabner Zug! –
Und soll es sein, muß ich für ihre Schlingen
Das Opfer sein, so sei's an mir genug!
Und besser, daß ich schuldlos für euch Alle,
Als schuldig und euch mitverderbend falle.«

Der Tapfre sprach's. – Dem Reinsten wie dem Sünder
Erscheint einmal ein Tag von größter Wahl,
Folgt dann der Mann dem höheren Verkünder,
Und achtet selbst nicht Tod und Todesqual,
So wird er seines ew'gen Ruhms Begründer.
Fast übermenschlich, jedes Erdenmal
Vertilgend, ragt er dann in reinem Lichte,
Sein eigner Richter vor der Weltgeschichte.

Nach jenem Tage ritt ein Trupp von Reitern
Die Straße nach Ravenna zu, die Nacht
War sommerschwül, doch keine von den heitern,
Oft hielt man an, ein Thor ward aufgemacht,
Und Stelico mit wenigen Begleitern
Ritt in ein Ort zu Hütten, strohbedacht;
Da wohnten Weib und Kinder der Barbaren,
Der Krieger, die noch ihm ergeben waren.

»Was auch geschehe,« so befahl er ihnen,
»Sie sollten ihre Männer, die das Heer
Verlassen wollen, flehen fortzudienen,
Und Keinem Einlaß geben, um so mehr,
Weil Alle schon, als sein, verdächtig schienen;
Sorgt nicht um mich, um meine Wiederkehr.
Bedenkt der Römer Uebermacht, beachtet,
Ihr würdet, wenn ihr losschlügt, hingeschlachtet!«

So ritt er fort, versöhnt mit Allem, einig
Mit seinem Innern, als um Mitternacht
Sein Zelt errichtet war und er alleinig
Und schlaflos lag, da sagt' er sich: »vollbracht
Ist bald mein Weg, wohl war er rauh und steinig –
Und doch zu welchen Höhn hatt' ich's gebracht!
Ha! könnt' ich nicht mit tausend mir Ergebnen
Noch jetzt sogar den Weg zum Thron mir ebnen.

Dreimal geschah es, daß von diesem Lande,
Das meine Heimath ward, der Feind entfloh,
Der Liebe löst' ich angeborne Bande,
Ach ward ich mein, je meiner Siege froh?
Wer kämpft, wer stürmt ins Lager? Schmach und Schande!
Man wagt sich in der Nacht an Stelico?
Wer drängt sich an mein Zelt, du Sarus, Gothe!« –
»O flieh,« rief der, »ich bin dein Todesbote.

Todt sind die Hunnen, die dich noch bewachten,
Und Alles was einst dein war, ist zerstört,
Wir Gothen können dich noch nicht verachten,
Entflieh.« Und Stelico schrie zornempört;
»O Undank! Dieß mein Lohn nach all den Schlachten! –
Doch deine Warnung hab' ich angehört;
Zu spät scheut' ich das Winseln der Hyäne,
Zu spät des tiefgekränkten Hochmuths Thräne.«

Ob Stelico noch hoffte sich zu retten?
Er floh in eine Kirche, am Altar
Sah man umher sich auf die Steine betten
Die kleine, noch ihm treugebliebne Schaar.
Und draußen dunkel rasselten die Ketten,
Und träge schlich die Nacht, der Mond nur, klar
Gewölk durchbrechend, zeigte je zuweilen
Die Särg' und Kreuze längs der Kirche Säulen.

Er aber kniete sich auf seinem Schilde
Vor Christi Bild, und wie zu ihm herab,
Vom Antlitz des Gekreuzigten, die Milde
Der höchsten Liebe Duldermuth ihm gab,
So folgte willig durch die Dorngefilde
Der Leiden, seine Seele bis zum Grab.
Nur um Serena's künftige Geschicke
Verdüsterten sich noch des Helden Blicke.

Der Tag brach an, die römischen Soldaten
Erschienen vor der Thüre. Die um ihn
Entblößten ihre Schwerter, Gnade baten
Die Mönche und der Bischof auf den Knie'n.
Da schwuren, als die Kirche sie betraten,
Die Truppenführer, Alles sei verziehn,
Er müsse, und sie zeigten ihm ein Schreiben,
Fürs Erste nur noch ihr Gefangner bleiben.

Kaum aber daß er sich in Haft begeben,
Als von Olympius ein Bote kam
Mit einem zweiten Brief, der ihm das Leben
Und jeden Hoffnungsstrahl auf Gnade nahm.
Er ward sogleich, indeß die Seinen neben
Und vor ihm Wehe schrien in wildem Gram,
Auf einen Platz geführt, wo zwischen grauen Weiden
Den Henkertod der Tapfre sollte leiden.

Von seinem Munde kam kein Laut der Klagen,
Er setzte selbst sich an den Hals das Schwert.
»Ihr werdet,« bat er, »nicht ein Grab versagen
Dem Leib, der sich so oft für euch bewehrt.«
Er fiel, nicht ruhmvoll, nicht im Kampf erschlagen –
Beschuldigt, elend, nur in sich den Werth,
Nur das Bewußtsein, recht gethan zu haben,
Und dieses wurde nicht mit ihm begraben.

In einer Kirche Mailands, auf dem Steine
Im Pfeilerdunkel auf dem Grabmal sitzt
Ein Vogel, hütend über dem Gebeine
Des Stelico, und dieser Vogel ritzt
Die Brust sich auf; darunter steht: »Es weine
Das Reich um mich, für das mein Schwert geblitzt.
In seinem Dienst lebt' ich. Für Mühn und Sorgen
Hält nun vor Undank mich die Gruft geborgen.«


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