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Dritter Gesang.
Götterdämmerung.

Mit Huld empfing der Herr der halben Erde
Den Neffen Gratians, und tief bewegt
Von Mitleid schwur er, daß sein Recht ihm werde.
»Mein Schwert, zu frühe hatt' ich's weggelegt,«
Rief laut und mit erhobener Geberde
Der Kaiser aus, und dann von Zorn erregt:
»Doch nichts mehr sei, es fortan aufzuhalten
Auf blut'ger Bahn, und nach Gebühr zu schalten.

Der Feind, in übermüthiger Verhöhnung
Der Worte, die der Herr auf Erden sprach,
Stößt uns zurück und spottet der Versöhnung.
Der Hydra Haupt, das Constantin zerbrach,
Steigt immer wieder auf zu blut'ger Krönung;
Doch enden wird auch dieß in blut'ger Schmach;
Dann aber sei es dem Olymp geschworen;
Sein Gipfel wankt, die Götter sind verloren.«

Auf seinen Wink erhebt sich rings zum Streite
Das ganze Morgenland, ein Heer, genug
Die Welt zu fesseln. Das zum Kampf bereite
Bewegt sich ohne weiteren Verzug
Den Alpen zu. An Valentinians Seite
Ist Audogar, und beide sind im Zug
Der Gothen, die zugleich in Eisenschienen
Als Reiter und als Bogenschützen dienen.

»Mein Fürst,« sprach Audogar, »uns beide rüstet
Der Antrieb edler Rache, dich der Thron,
Auf den, sich dir zum Trotz ein Räuber brüstet –
Mir wird der liebsten Seele Dank zum Lohn.
Denk' ich's, wornach sein schnöder Wunsch gelüstet,
Dann kocht mein Blut.« »Geduld, das Dunkel schon
Umfängt die Welt mit täuschenden Gestalten,«
Sprach Valentinian, »hier laß uns halten.«

Es war die Ebne, wo sie sich befanden,
Das Feld, wo Constantin schon einst gesiegt!
Es schien, als wären wieder auferstanden,
Die dort aus gleichem Anlaß sich bekriegt.
Rasch zog die Nacht dahin, die Schatten schwanden,
Und eh' das Frühroth auf den Bergen liegt,
Ist Audogar schon in die Niederungen
Mit seinen Gothenreitern eingedrungen.

Kaum, daß den Feind sie zu Gesicht bekommen,
Es stand die Sonne schon in voller Gluth,
So sprengen sie, von Kampfbegier entglommen,
Die Rosse, die noch dampften, in die Fluth.
Der wilde Strom wird ungesäumt durchschwommen,
Und ohne Aufhalt stürmt ihr wilder Muth,
Nicht abgekühlt vom eis'gen Wellenbade,
Die Höhn der jenseits liegenden Gestade.

Das Vorspiel war's, es trafen auf dem Platze
Von Stund' zu Stunde neue Truppen ein,
Numider dort, hier wie zum Gegensatze
Alanen – Gallier dort vom Rhein –
Hier Perser. Stierhorn dort, hier Tigertatze.
So dringen sie heran mit wildem Schrein,
Verschiedner Kampfart, aber gleich an Hitze –
Die einen Felsen und die andern Blitze.

Die Gallier fliehn, sie fliehn auf allen Wegen,
Nach kurzer, aber mörderischer Schlacht
War Cauracus dem Gegenheer erlegen,
Obwohl er stund in großer Uebermacht.
Durchs Streitgewühl, nur einem Ziel entgegen
Stürmt Audogar, und darauf nur bedacht,
Im Feindeszelt die Schwester aufzufinden,
Und jenen selbst im Kampf zu überwinden.

Schon hat er ihn erblickt, ist durchs Gedränge
Der Fliehenden, trotz manchem Wurfgeschoß
Ihm nachgedrungen bis auf Speereslänge,
Da schwingt sich Jener auf sein Partherroß,
Er winkt, und zwischen Wachen und Gepränge
Folgt eine Sänfte – Audogar, vom Troß
Umringt, sieht, die er sucht, doch ihm entgegen
Dräun ringsher Waffen und der Pfeile Regen.

Er wurde nach der Schlacht voll schweren Wunden,
Und von der Feinde Leichen schier bedeckt,
Beim Zelte der Besiegten aufgefunden,
In seinen Waffen leblos hingestreckt;
Zu Valentinian gebracht, verbunden,
Und noch einmal dem Licht zurückerweckt,
Ward kaum der Tod von ihm noch abgewendet –
Erst spät, und als der Krieg schon längst geendet.

Doch seinen Herrschern lieh der Sieg nun Flügel,
Nachdem enthauptet hinsank der Tyrann;
Mit Valentinian die sieben Hügel
Begrüßte Theodosius, das Gespann,
Die Pferde des Triumphs am goldnen Zügel.
Bewundernd sah das Römervolk den Mann,
Der ähnlich einem hehren Jovisbilde
Das Scepter hielt mit Ernst und hoher Milde.

Umrauscht von Millionen Jubelrufen;
Wie groß erschien er hier und wie geneigt!
Er hielt am Aufgang jener Marmorstufen,
Worauf man in die Burg des Kaisers steigt,
Wo rings, was ihre Heldensöhne schufen,
Die Tiberstadt voll Mutterstolzes zeigt,
Da stellt sich Roms Senat vor seine Schritte,
Und ruft ihn an mit ehrfurchtsvoller Bitte:

»Gib deinem Rom zurück die alten Laren,
Im Heilig-Alten wurzelt Staatenwohl,
Nie wankte Rom, so lang in tausend Jahren
Die Siegesgöttin mit dem Weltsymbol
Die Stadt geschützt vor Feinden und Barbaren.
Laß wiederum ihr Bild vom Capitol,
Beschwingt den Erdkreis unter ihren Füßen,
Dein Rom und dein erhabnes Volk begrüßen.

Wir flehn dich in des Vaterlandes Namen;
Gib uns den alten Götterdienst zurück,
Den deinem Volk mißrathne Fürsten nahmen;
Du selbst dein kaiserliches Haupt, o schmück'
Mit diesem Kranz, mit diesem Band des Flamen,
Triumphe Cäsar, Friede, Sieg und Glück!
Aus dieser Schale wie August gepflogen
Gieß du den Weihtrank, Herr, und sei gewogen!«

Es sah mit einem Blick voll tiefer Trauer
Der Kaiser auf und sprach; »Steht das bei mir?
Roms Schicksal ruht und seine ew'ge Dauer
Allein bei Gott. Das Kreuz? Da seht es hier!«
Und als er's sprach, aus dunkler Kirchenmauer
Trat mit dem hochgeschwungnen Kreuzpanier
Ein Christenzug heran, und aus der Menge
Begann ein Priester mit gemessner Strenge.

»Dem Banner treu, zu dem du einst geschworen,
Des Reichs und dein Heil steht allein bei dem,
Der als das Heil der ganzen Welt geboren,
Ein Höh'res trägt als jedes Diadem,
Zum Schirm der Kirche schwing dein Schwert, den Thoren
Und ihrem Dienst ein blitzend Anathem.
Und wie du stets sie schlugst, sieg' und zerstampfe
Die Letzten noch in einem letzten Kampfe!

Der Herr ist's, der die Störrigen zertrümmert,
Die Allmacht ist des Zürnenden Vollzug.
Durch ihn senkt Zions Tochter schwer bekümmert
Ihr bleiches Antlitz auf den Aschenkrug,
Durch ihn fiel Babylon, einst glanzumschimmert,
Er ist es, der die Morgenlande schlug,
Der niederwarf die Monarchie des Cyrus,
In Staub Assyrien und in Meerfluth Tyrus.

Er wird auch dich und deine Macht zermalmen,
Wenn nicht in Ehrfurcht ihn dein Herz bekennt,
Der über Gräber geht mit Siegespalmen,
Und den der Abgrund mit Entsetzen nennt.
Du siehst die großen Scheiterhaufen qualmen
Um eine morsche Welt, die niederbrennt,
Aus ihrer Fäulniß innerstem Zerwürfniß
Ringt sich empor ein neues Gottbedürfniß.

Vergeblich, daß vom Wahnsinn hingeschlachtet,
Die Hekatombe zum Olymp gebrüllt,
Der Himmel blieb, die Seele blieb umnachtet,
Der Abgrund, den kein Opferrauch verhüllt,
Aus dem die Menschheit um Erlösung schmachtet,
Der Schlund des Todes blieb unausgefüllt,
Nur Christus hebt aus Knechtschaft zur Befreiung,
Aus tiefster Schuld zur ewigen Verzeihung!«

Den Segen gibt der Priester jetzt den Seinen,
Sie knien, aufs Neue tönt ihr Hochgesang,
Doch auch die Heiden sieht man sich vereinen,
Aus ihrer Mitte tritt mit festem Gang
Ein Mann, gehüllt in goldverbrämte Leinen,
Um dessen Haupt sich eine Binde schlang.
Gen Himmel blickend und die Hände ringend,
Beginnt er, seines Herrschers Knie umschlingend:

»Wohlan, kann Flehen nicht dein Ohr erreichen,
Blick' auf, o Herr, siehst du die Wolke dort,
Die dunkel zieht daher? Ein lautres Zeichen
Wird bald uns werden, Jovis Donnerwort.
Erhör' uns Mächtiger, daß die erbleichen,
Die deinen Willen läugnen, höchster Hort!«
Der Heide ruft's, und sieh, im hellen Brande
Zuckt Blitz an Blitz hervor am Himmelsrande.

»Es blitzt! Er winkt noch, Jupiter ist Sieger!«
Rief froh die Heidenschaar, und drang heran
Um Theodosius und seinen Schwieger,
Den Kaiser Valentinian. Da sahn,
Die ihn zunächst umgaben, seine Krieger
Ein Jungfraunbild sich ehrerbietig nahn
Im weißen Schleier, schimmernden Sandalen,
Und keusch umweht von seltner Schönheit Strahlen.

Wer ist sie? ging von Mund zu Mund die Frage,
Und aller Auge war von ihr entflammt.
Da hieß es bald, es geht von ihr die Sage,
Sie soll, germanischem Geschlecht entstammt,
Als Cauracus nach seiner Niederlage
Mit all den Seinen ward zum Tod verdammt,
Geflüchtet sein mit seinen beiden Knaben,
Und seine Gattin mit gerettet haben.

Des Herrschers Blick umwölkte sich, doch zagte
Der Jungfrau hohe Seele nicht, sie trat
Vor allem Volk in Demuth vor und sagte;
»Es leben, zitternd wegen Hochverrath,
In deinem Reich noch tödtlich Angeklagte;
Beweis, o Herr, durch eine große That,
Daß Christus im Verzeihn lebt und Versöhnen,
Und nicht, wie Zeus, nur in des Donners Dröhnen.«

»Wer hat,« rief Theodosius mit Strenge,
»Wer hat gestellt dieß Kind vor mein Gebot?«
Da hob ihr Haupt sie stolzer vor der Menge«
Auf ihre Wange flog ein höhres Roth.
»Ich selbst,« begann sie mitten durchs Gedränge
Zu flehn; »Laß dir genügen, daß dem Tod
Dein Feind anheim fiel, der Empörer! Schone
Der Wittwe, Herr, verzeihe seinem Sohne!«

»Wie?« rief der Kaiser heftig, »nicht vollzogen
Ist ihre Strafe noch, und welch ein Recht
Hat dich, mein Mitleid anzuflehn, bewogen?«
»Ich bin aus alemannischem Geschlecht,«
Erwiederte die Maid, »und ward erzogen
In Christi Wort; welch Urtheil ihr auch sprecht,
Ich bin nur seiner Lehre, die zu lieben,
Die Böses uns gethan, getreu geblieben.

Denn Cauracus, der zweimal mich entrissen
Dem Glück und Frieden, erst dem Vaterland,
Dann dem Asyl, das mich, du sollst es wissen,
Dem Hause des Ausonius verband … – «
»Ausonius?« rief freudig hingerissen
Der Kaiser Valentinian, »man fand –
Nicht wahr? in einer Höhle dich verborgen,
Und für die Wittwe des Empörers sorgen?«

»Es ist so,« sprach sie, »über all die Seinen
Ward, als er fiel, verhängt das Blutgericht.«
»Und du erhieltst ihr Leben mit dem deinen?«
Frug Valentinian. »Ich hielt's für Pflicht;
Muß ich auch ungehorsam hier erscheinen,
Doch,« rief sie laut, »wich meine Hoffnung nicht,
Du werdest deines Feindes Weib und Kindern
Verzeihn, o Herr, und ihren Jammer lindern.«

Sie sprachs, und ringsum sah das Volk mit Schweigen
Auf Theodosius erwartungsvoll;
Und eine Taube flog aus Lorbeerzweigen
Auf seinen Harnisch. Lauter Zuruf scholl
Im Kreis um ihn, man sah das Haupt ihn neigen,
Und über seine stolzen Lippen quoll
Der Gnade Wort, empor schwang sich die Taube,
Und Alles rief: »Es siegt der Christenglaube!«

»Ein Heide war auch ich und bis zur Stunde,«
Rief Arbogast, der Frankenfürst, er war
Des Kaisers Feldherr. »Ja, es gehn zu Grunde
Die Götter durch ein Kind, und ihr Altar
Versinkt.« Nicht sah den Hohn auf seinem Munde
Des Herrschers Blick, indem er, sein gewahr,
Ihm zurief; »Gut! schwör' ab dem Gott der Heiden,
Und sieh nun, welchen Rang du wirst bekleiden.

Dieß Siegel nimm, und an den Tempelthoren
Für alle Zeit schließ' jeden Eingang ab,
Die Götter, von der Finsterniß geboren
Und Ausgeburt der Hölle, gehn zu Grab.«
Verstummend neigten sich die Senatoren,
Doch Palmen schwingend, mit Gejauchz' umgab
Das Volk die Kaiser, die nun, müd von Siegen
Und ernst in sich gekehrt, die Burg bestiegen.

»Weh' dem,« rief mit verwünschungsvollen Worten
Der Jovispriester, »der es wagen kann,
Und sich vergreift an diesen heil'gen Pforten!«
Zum Altar seines Gottes trat er dann;
»Ich hör' sie nahn, sie sind es, die Cohorten,
Wir weichen nicht!« Doch schon erschienen, Mann
An Mann gedrängt, des Arbogast Soldaten,
Und griffen rasch nach Hammer, Axt und Spaten.

Das Bild des Lenkers menschlicher Geschicke,
Hoch stund es da und ragte stolz empor;
Jetzt brachten die Soldaten Fackeln, Stricke
Und Beil und Leitern aus dem Hof hervor.
Der Kühnste glomm hinan, im Augenblicke
Ergriff und schleuderte ihn bis ans Thor
Des Priesters Arm, und jauchzend drang das Heulen
Des Heidenvolks durch Vorhof und durch Säulen.

Die hohen Wölbungen und dunklen Gange
Des heiligen Gebäudes dröhnten nach,
Und fürchterlich durchhauten Echoklänge
Das alte unterirdische Gemach;
Und was man dort bewahrt zu Festgepränge,
Und jede Statue, die man zerbrach,
Wird Waff und Wurfgeschoß, die Tempelwächter
Und Augurn kämpfen und die Opferschlächter.

Die Pauken schmetterten, die Kupferbecken,
Und bei der donnernden Posaunen Klang
Verkündete zum letztenmal den Schrecken
Des Priesters fürchterlicher Klaggesang:
»Weh' Frevler euch! Mit Nacht wird sich bedecken.
Mit ew'ger Finsterniß der Sterne Gang,
Sobald das Bild ihr stürzt, und Chaos werden
Wird, was am Himmel ist und was auf Erden.«

»Du lügst wie deine Götzen und Orakel!«
Rief der erzürnte Krieger, raffte sich
Vom Boden auf und schlug beim Brand der Fackel
Des Gottes Stirne mit der Axt: »Zerbrich!
Gib Raum dem Dienste ohne Blut und Makel,
Verstumm' auf alle Zeiten!« – »Hüte dich!«
Rief durch den Mund des Götzen eine Stimme,
Und der entsetzt hielt ein in seinem Grimme.

Verwundert starrt das Volk in bangem Schweigen;
Doch plötzlich drängt ein Christ die Menge fort
Und ruft: »Ich will euch den Betrüger zeigen,
Die Statue ist hohl, der Priester dort
Spricht durch ein Rohr und, wie dem Götzen eigen,
Tönt wieder aus dem Innern jedes Wort.«
Kaum hat er's ausgesprochen, da durchzittert
Ein zweiter Schlag das Haupt, es wankt zersplittert.

Es wankt und stürzt in seinen Fugen allen
Zertrümmert über den Altar herein;
Da jubelt's: »Seht, er ist in Staub zerfallen,
Der Abgott; nichts auf Erden ist mehr sein!«
Nun knien die Gläubigen, und im Verhallen
Der Weheklagen hört man noch allein
Des Opfrers Fluchen, und mit einem Eide,
Dem Orcus heilig, stürzt ins Schwert der Heide.

So ward mit Unerbittlichkeit dem einen
Und neuen Himmelsdienst sein Recht gezollt.
O, welch ein Scheusal sah man jetzt erscheinen!
Verfolgung heißt's; erst trat es weißbewollt,
Im Demuthkleid hervor, und schien zu weinen,
Bald aber kam es, sein Panier entrollt,
Zu Roß einher; aus Kreuz und Dulderkrone
Ward Schwert und Feuer, und so stieg's zum Throne.

Und auf der Stelle wurde die Entscheidung
Verkündigt: »Hört ihr Römer und vernehmt,
Enthalte jeder sich und bei Vermeidung
Der Strafe, welche Gut und Blut vervehmt,
Von Opfern, götzendienerischer Kleidung,
Und wahret euch, auf daß ihr Umgang nehmt
Vom Schätzegraben, vom Dämonenanruf
Am Dreiweg über Gräbern, und vor Hahnruf!«

Doch Arbogast, gelehnt auf seine Lanze,
Sah lächelnd nur und mit Verwundrung an
Den Priester, der noch mit dem Opferkranze
Vor ihm als Leiche lag. »Nur Wahn um Wahn
Tauscht stets die Menschheit ein, das ist das Ganze.
Die Furcht ist Alles; heute heißt sie Pan,
Und morgen Christus. Gilt es? Wodans Pferden
Soll einst noch dieser Raum geheiligt werden.«

Es war auf einer von den Tempelwänden
Ein römischer Triumphzug angebracht,
Darauf Germanen mit gebundnen Händen;
Er sah das Bild und sprach; »Wie wär's, gebt Acht,
Wenn wir im Gegentheil die Römer bänden?
Vielleicht geschieht es, eh' sie dran gedacht.«
Und wilder sah man ihn von Stund an werden,
Und trotziger in Worten und Geberden.

»Nehmt,« hörte man ihn zu den Seinen sagen,
»Nehmt, was ihr wollt!« Da ward genug
Des Goldes aus dem Tempel fortgetragen,
Gewandung, Dreifuß, Urne, Henkelkrug.
»Ich nahm's,« sprach Arbogast, als laute Klagen
Zum Herrscher drangen, der ihn darum frug,
»Ich nahm es für den Sold, den ihr uns schuldig,
Sonst werden meine Franken ungeduldig.«

»Doch ich verbiete fortan solch Verfahren,«
Rief ihm der Kaiser zu, und er verwies
Dem stolzen Mann sein trotziges Gebühren;
Und als er nochmals ihn erscheinen hieß,
Und da Senat und Hof versammelt waren:
»Barbar,« begann er, »hör' und achte dieß;
Der Staat hat ein Haupt nur, und keins daneben
Und keins darüber soll sich je erheben.«

Als Arbogast, mehr finster und verschlossen
Als überrascht und reuig, schwieg, so fuhr
Der Kaiser fort: »Und Bündniß abgeschlossen
Hast du, trotz deinem uns gegebnen Schwur,
Mit unsrem Feind, mit deinen Stammgenossen,
Den Frankenfürsten, ja, gesteh' es nur,
Um aufzupflanzen – kund sind eure Plane,
Am Rhein einst eine meuterische Fahne.«

Ein Lachen war die Antwort; doch mit Dräuen
Sprang Valentinian empor und sprach;
»Dein Lachen soll, o Franke, dich gereuen!
Der Ehr' und Würden, die du trugst – mit Schmach
Entsetz' ich dich als einen Ungetreuen!«
Doch Arbogast rief ihm verhöhnend nach;
»Durch dich nicht hab' ich die Gewalt bekommen,
Sie wird mir auch nicht von dir abgenommen!«

Da war nicht Einer in des Hofes Kreise,
Der nicht erglüht' von Scham und Zornesgluth,
Doch trat ein Mann hervor und klopfte leise
Dem Franken auf die Schulter: »Gut, o gut!
Ich seh' an dir die ächte Nordlandsweise,
Hätt' einer nur der Römer solchen Muth! –
Gestatte mir, mich deinen Freund zu nennen,
Wie sehr ich's bin, du sollst es bald erkennen.«

Es war Eugen, aus niedrem Stand erhoben
Zum Kanzler Valentinians, gewohnt
Zu hassen, zu verschweigen, auch zu loben,
Je nach dem Preis, und oft darum verhöhnt.
Noch mächtig mit dem Heidenthum verwoben,
Und mit der neuen Ordnung unversöhnt,
Dieß war der Mann, der jetzt dem schlauen Franken
Entgegen kam mit lauernden Gedanken.

»Die Schätze,« fuhr er fort, als hinter beiden
Die Pforte sich in seinem Hause schloß,
»Was da noch ist an Münzen und Geschmeiden,
Du sollst es haben, knüpfest du dein Loos
An unsres an, an das der letzten Heiden,
Noch sind wir mächtig, unsre Zahl ist groß,
Und siegen wir, so weihen wir als Sieger
Das Diadem dem ersten unsrer Krieger.«

»Was hält mich ab,« rief Arbogast, »zu nehmen,
Mir selbst zu nehmen, was ihr mir versprecht,
Den Wunsch zwar kann ich, doch den Zorn nicht zähmen,
Den herben Zorn, bis daß ich mich gerächt –
So rechnet denn auf mich, ruft eure Schemen,
Die Götter, an. Mein eigenes Geschlecht
Rühmt sich, es sei von Odins Stamm entsprossen;
Wohlan denn, unser Bündniß ist geschlossen!«

In seinem Schlafgemach erwürgt gefunden
Ward eines Tages Valentinian,
Und Arbogast nahm schon nach wenig Stunden,
Nur aber nicht für sich, den Purpur an;
Er ließ ihn dem Eugen, der ihm gewunden
Das Todesnetz, und beide, da sie sahn,
Daß Ostroms Herr den Rächer werde machen,
Beschließen einen Weltkrieg anzufachen.

Sie fanden sich im Rhonethal zusammen,
In dunklem Eichwald; rauher Herbstwind blies,
Und West und Norden glomm in Spätrothflammen.
»Der Himmel glüht, ein Zeichen ist mir dieß,
Daß unser Werk die Götter nicht verdammen,«
Sprach Arbogast, »denn seht, weil uns verließ
Die Sommerszeit, so ist, erstarrt im Norden,
Zeus' Donnerkeil der Hammer Thors geworden.

Ich heb' ihn auf, zertrümmert sei der Friede!«
Er rief's, und aus dem Haine trat hervor
Hier der Augur und dorther der Druide.
Vereinigt riefen sie zu Zeus und Thor
Verschiednen Laut in gleichem Racheliede;
Als stieg im Westen noch einmal empor
Das Licht des Heidenthums vom Celtenlande
Bis zu des Atlas Fuß im Wüstensande.

Und aller Orten gab in diesen Reichen
Sich eine mächtige Bewegung kund,
Man sah sie alle sich die Hände reichen,
Die noch vor Göttern und Orakelmund
In Scheu sich beugten, Feind dem Kreuzeszeichen,
Und Feind dem alten und dem neuen Bund;
Die noch dem Rabenflug, der Windsbraut lauschten,
Und sich beim Mahl in Opferblut berauschten.

Sah Rom gestürzt die heidnischen Altäre,
So stieg dafür des Nordens Göttermacht,
In rauhen Wintern schnob die kalte Sphäre,
Und blitzte mitten durch den Schnee der Nacht,
Als ob die Riesenwelt entfesselt wäre,
Und hätte von der Kette losgemacht
Den Fenrirswolf, von dem es hieß, er werde
Zuletzt verschlingen Sonne, Mond und Erde.

Statt Garben, dargebracht von Jungfraunhänden
Im Frühlingsjahr in stiller Morgenruh,
Scholl nächtig jetzt Gesang bei Feuerbränden,
Und nach der Jagd auf Ur und Elennkuh
Empfing der Kessel Bauch die schwarzen Spenden,
Vom Eberwild und Pferdeblut dazu,
Und Arme, darin eingetaucht, erhoben
Die Waffen, wenn noch sterbend jene schnoben.

Der Wodanspriester schritt im Eichenhaine
Zum heil'gen See, der in der Tiefe lag,
Und schleuderte den Pfeil vom Opfersteine
Hinunter in die Fluth, daß sich der Tag
Verfinstere und Wodans Zorn erscheine,
Weil vor dem Kreuz ein Theil des Volkes lag;
Es weihte, daß ein großes Opfer falle,
Der Priester seinem Gott die Christen alle.

»Wahrt,« rief er, »eure Burg und Himmelszinne,
Beschützet Berg und Wald und Feld und Flur,
Ihr alten Götter! Lenket Menschensinne
Nach euch, und eurer Wirkung sichrer Spur.
Und ob ein Leichenfeld in Blut gerinne,
Den Hain, in welchem Herthas Wagen fuhr,
Das Seegestad, an dem zu ihr wir beten,
Soll nie ein Feind, ein Fremder nie betreten!«

Schon ritt auch Arbogast von Gau zu Gaue,
Vom Rheinstrom bis zum Markomannenland,
Er sandte Runen um, hielt Heeresschaue,
Und rief das Volk vom Ost- und Nordseestrand
Für seine Götter auf. Obwohl der Schlaue
An keine glaubte, seine List erfand
Doch immer wieder Grund, in Furcht zu setzen,
Den Wahn zu schüren und in Wuth zu hetzen.

»Weh,« sprach er, »wenn der Erde Kraft erstürbe,
Wenn eine Gottheit über ihr, die Macht,
Die Herrschaft in des Menschen Geist erwürbe,
Nenn unser Muth, den stets in uns entfacht
Die alten Götter, nun vermorscht und mürbe
Dahinsank, ihr Altar hinweggebracht
Aus Feld und Hain in dumpfe Tempelmauern,
Zu Grunde ging in ungeheurem Trauern.«

Ein neues, ihr Gemüth mit Schmerz ergreifend
Bewußtsein ward jetzt in den Völkern reg,
Die sorglos frei auf Höhn und Heide schweifend,
Kaum eine Zeit gekannt, die hier dem Weg
Der Ströme folgten, bald im Jagdzug streifend,
Bald mit den Heerden, oder das Geheg
Der Felder um ihr Haus bestellten, alle
Zum Kampf bereit beim ersten Waffenschalle.

Jetzt hörten sie, die ewigen Gewalten,
Die sie bisher verehrt, und die hervor
Im Meergebraus und in dem Sturm erschallten,
Die sie geschaut im Blitz, im Meteor,
Die für die höchsten Wesen sie gehalten,
Die sollten jetzt bedroht sein, bis zum Thor
Der Himmelsburg im Süd war' unbezwungen
Der Götter Feinde Schaar emporgedrungen.

Sie schwangen ihre Speere nun, und wollten
Zu Hilfe ziehn den Göttern in der Noth,
Nach Süden über Bergeshöhn, dort sollten
Noch stehn die Burgen hell im Morgenroth.
Wenn Wolken schwarz sich längs des Himmels rollten,
Und einer Schlange Bild ihr Anblick bot,
Dann mocht's wohl scheinen manchem Blick in Schrecken,
Als säh' man sich die Midgardschlange recken.

Den Wald herunter kam ein Mann geritten,
Sein Handgeld, Gold im Helm auf seinem Haupt.
Er sah bald einen Platz sich aus, inmitten
Von Bäumen, die der Wintersturm entlaubt,
Der hier in Einsamkeit und unbestritten
Schon längst dem Walde seinen Schmuck geraubt;
Doch jener hält nun still und steigt vom Pferde,
Und sieht sich um, und sondert an der Erde.

Gesträuch rings um den Fuß der Donnereiche,
Die hier den Fels mit Wurzeln riesenhaft
Umklammert hielt, erliegt von seinem Streiche,
Und eine Grube wird von ihm beschafft,
In die er einsenkt Kaisermünzen – reiche
Armbänder, Ring' und was man sonst noch rafft
Im Krieg zusammen als willkommne Beute,
Das Alles gräbt er ein, versteckt in Häute.

Es war dabei ein Theil der Tempelgüter,
Mit welchen Arbogast für seinen Zug
An sich gebracht die Einen der Gemüther,
Indeß das große Volksheer, das er klug
Durch Worte anzuziehn gewußt, erglühter
Als jene Schaar, sich mit dem Glauben trug,
Es geh' zum Kampf, den Fenrirwolf zu ketten,
Die Götter vor dem Untergang zu retten.

»Bewahre mir, daß ich ihn wiederfinde,
O Geist du,« rief er, »in des Windes Braus
Den Kriegssold bis ich wiederkehr', ich binde
Daran mein Glück, und künftig Hof und Haus.«
Er warf die Grube zu, schnitt an der Rinde
Des Eichbaums mit dem Schwert ein Merkmal aus;
Dann ritt er fort, es war nun Nacht geworden,
Den Wald hinab, vor sich den Stern im Norden.

Schon graut durchs Dunkel ihm die Burg entgegen,
Wo Arbogast mit seinen Gästen trinkt,
Auf einmal glimmt's um ihn auf allen Wegen,
Die Bäume stehn in Brand, ihr Wipfel sinkt,
Und Pfeile sausen her im Feuerregen,
Im Rauch, durch den der Schein von Waffen blinkt.
Er, jagt davon, erreicht das Thor, die Brücken,
Und mit ihm Feinde auch, ihm hart im Rücken.

»Herbei mit Arbogast,« schrie'n zwei aus ihnen –
Der Franke Sunno war's und Markomer,
»Er will wohl Römerdank an uns verdienen,
Doch seine List betrügt uns nimmermehr!«
Und Arbogast, vom Fackelglanz beschienen,
Hört's in der Gäste Kreis und ruft: »Hieher!
Willkommen biet' ich euch in meiner Halle,
Willkommen hier beim frohen Hörnerschalle.

Füllt eure Becher, schwingt und trinkt die vollen!
Der Kaiser Roms hat uns den Wein geschenkt,
Damit wir ihm die Welt erobern sollen;
Ha, blinkt er nicht, wie lautres Gold! Gedenkt
Des Siegesmahls, das wir dann feiern wollen;
Wer ist es, der der Welt Geschicke lenkt?
Nicht wer den Purpur trägt, wir, die mit Waffen
Heut' Dem, und morgen Jenem ihn verschaffen.«

»So haben seine Reden stets gelautet,
An Rom verkauft er uns! Hört nicht sein Wort,«
Rief Sunno. – »Wenn ihr auch nicht mir vertrautet,«
Fuhr Arbogast mit stolzer Ruhe fort,
»So denkt doch, was ihr selbst mit Augen schautet,
Was unsern Göttern droht. Seht ihr es dort,
Das Schreckbild, seht in Wolken dort das Zeichen,
Vor dem die Götter, wie man sagt, erbleichen.«

Und durch das Fenster, an den Himmel zeigend,
Zu welchem von des Hains erloschnem Brand
Der Rauch empor in schwarzer Säule steigend,
Ein Kreuz erschien – »seht,« rief er, »seht, die Hand
Der Götter zeugt für mich.« Er sprach's und schweigend
Sahn Alle auf das Kreuz. Auf einmal schwand
Das Riesenbild, und durchs Gezweig der Eibe
Schien groß herein des Mondes Silberscheibe.

»Dring durch, Blick Frejas,« riefen sie und hoben
Das Trinkhorn, schwangen es zu Arbogast,
Und schwuren ihm mit Handschlag und Geloben,
Zu ziehn, wohin er führe. Er, gefaßt,
Rief aus: »Ich fordre keine stolzern Proben!
Ich seh', daß ihr Vertraun zu mir gefaßt;
Beim Haupt des Ebers! An den Dardanellen
Da sollt ihr schöpfen aus goldreichen Quellen.

Trinkt!« fuhr er fort, »da noch die Sterne blinken!«
Und als er sie nun taumeln sah, und nach
Und nach betäubt in Schlaf zu Boden sinken,
»Gut,« rief er, »daß ich noch den Sturm besprach –
Kein zweitesmal!« – Jetzt traten auf sein Winken
Alanen ein; »die,« rief er, »packt,« und stach
Den Speer durch einen der betrunknen Zecher,
»Vor allem die Zwei da, die zwei Verbrecher.«

Um Markomar und Sunno, trunken beide
Und tief betäubt, ward Band und Strick gelegt,
»Bringt sie nach Trier, sagt dem Eugen, ich neide
Um solche Kämpfer ihn; wenn gut gepflegt,
So werden sie beim Spiel die Augenweide
Des Volks im Circus sein. Doch wer sich regt
Sie zu befrein, gleichviel von welchen Fahnen,
Den bindet oder tödtet ihn, Alanen!

Gehorcht ihr? Ja. – Germanen, ja ihr händigt
Euch stets einander aus, zu Schmach und Zwang
Für jeden Herrscher, der euch knebelt, bändigt,
Und knechtet durch euch selbst! Es dauert lang,
Bis sich ein Volk versteht und sich verständigt,
Bis dahin Scepter blühet! Schleppt den Fang
In vollen Netzen ein, und hauet muthig
Den Nacken der gejochten Menschheit blutig!«


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