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Drittes Buch.

Erster Gesang.
Klodwig und die Franken.

Erschrecklich ist das Meer, das schauervolle,
Mit falschen Augen blickt's den Himmel an,
Als ob es tückisch ihn verschlingen wolle,
Das Meer ist selber ein Leviathan;
Die Blüthen seiner unfruchtbaren Scholle
Sind Schaum, und seine Seele der Orkan,
Doch wird sein wild und schrankenlos Gefluthe
Beherrscht nur von der Freiheit und dem Muthe.

Es kam ein Volk, dem Meere schien's entsprossen,
So furchtlos und so schrecklich und so kühn
Den Rhein herauf durch Gallien ausgegossen,
Wie Sturmfluth über Fels und nackte Dün',
Das Stierhaupt statt des Helms, auf hohen Rossen,
Mit hellen Augen, die von Kriegslust sprühn,
Ihr höchster Stolz, ein langes Haar zu tragen,
Und eine Streitaxt, um den Feind zu schlagen.

So ziehen sie heran, vor ihrem Namen
Erbebte schon seit lang das Römerreich,
Denn immer war, wohin sie siegreich kamen,
Der Schrecken ihr Geleit, da sie zugleich
Besitz vom Land und von den Leuten nahmen,
Und beide trafen mit demselben Streich. –
Jetzt jauchzen sie, sie sehen sich beschieden
Das alte Land, das Gallien der Druiden.

Wie ungeheuer dehnen sich die Forste,
Wie dicht verschlungen ihrer Wipfel Zier,
Da hauset noch im himmelhohen Horste
Der Adler nimmersatte Raubbegier,
Da pfercht der Keuler mit der grimmen Borste,
Und an der Tanne schürft das Elennthier
Und riesig stehn auch da uralte Eichen,
An denen Zweig' und Wurzeln sich erreichen.

Da durch bricht jetzt – ist's Jagd, ist's eins der Feste
Des alten Roms – ein Luperkalienzug.
Das Cymbal weckt den Raben aus dem Neste,
Die Flöte scheucht der Eule schweren Flug. –
Im Ernst der Waldnacht welche bunten Gäste?
Beim Trotz der Waffen, die da jeder trug,
Wild flatternd Haar und los Gewand und Springen,
Und Tanz und Lustgesang und Kränzeschwingen.

So zieht in sein erobert Land, so reitet
Der König Childerich einher, sein Gang
Ist blutig, aber überall begleitet
Von Schwank und Mummenschanz und Hörnerklang;
Indeß er Brand und Raub umher verbreitet,
Geht nach Gelag und Liebeslust sein Hang,
Und nicht nur gilt's den Töchtern der Besiegten,
Auch denen seiner Franken, die sich schmiegten.

»Halt! König, halt! für deine Lust' entweihe
Die Sklavin eines Römers, du Tyrann,
Nicht eines Franken Tochter, oder freie,
Und nimm sie dir zum Weib!« Es rief's ein Mann,
Und riß ein Mädchen aus des Zuges Reihe.
»Wer wagt sich das in meinem Königsbann?« –
Rief Childerich, »ah du! mein Schwertgenosse,
Mein Freund? Hinweg, zurück aus meinem Trosse!«

Er ruft's und droht, doch jener hält umschlungen
Die Schwester fest und kühn an sich gedrückt,
Und hundert Freunde sind ihm beigesprungen;
Auf Childerich ist jedes Schwert gezückt,
Die Furcht ist weg, die alles sonst bezwungen,
Das Königsansehn, das ihn sonst geschmückt,
Er fühlt's beschämt; Verführer, Lüstling wettert
Ein Fluch ihm nach, der vollends ihn zerschmettert.

Und Nachts darauf in banger Flüchtlingsscheue
Irrt durch den Wald dahin der stolze Mann;
Ist's Furcht, die ihn so bleich macht oder Reue,
Wankt so sein Fuß verstrickt in Acht und Bann?
Er flieht und steht, und lauscht und flieht aufs Neue,
Und greift ans Schwert, das ihn nicht schützen kann;
Verrätherisch noch schmückt, er denkt's erschrocken,
Ein Goldreif ihn und wallend Haar in Locken.

Ermüdet sinkt er hin, und tiefer nachtet
Der Wald umher. Da durch's Gebüsche bricht
Ein Mann hervor, der schmerzlich ihn betrachtet,
Und als er aufspringt, ruhig zu ihm spricht:
»Ich bin's, ich, den so wenig du geachtet,
Daß du verletzt an ihm die Freundespflicht,
Du raubtest mir die Schwester, sie zu schwächen;
Doch dich jetzt retten will ich, nicht mich rächen.

Aus Furcht, daß dich die Wüthenden erschlügen,
Bewirkt' ich deine Flucht, ja flieh' und nimm
Von diesem Ring – ich brach ihn ohne Trügen –
Die Hälfte. Sühn' ich deiner Franken Grimm,
Send' ich, daß beide sich zusammenfügen,
Die andre dir, dann steht es nicht mehr schlimm,
Dann kehr' zurück!« Sprach's Winomad, der Treue,
Und Childerich fuhr auf in bittrer Reue.

»O!« rief er aus, und hielt in Schmerz verloren
Des Freundes Hand mit seiner Hand gefaßt;
»O über euch, ihr Tage eines Thoren,
Jetzt seh' ich's ein, ich ward mit Recht gehaßt!
Leb wohl und halte mir, was du geschworen;
Ich gehe nun, um als ein trüber Gast,
Wohin ich kommen mag, abseits zu stehen,
Auf jeden Glücklichen mit Neid zu sehen.« –

In Thüringen saß damals auf dem Throne
Ein grauer König und sein jung Gemahl,
Sie hätte gern hinweggeschenkt die Krone,
Als sie zuerst den Fremdling sah beim Mahl,
Doch Childerich sann nicht nach anderm Lohne,
Und dacht', als sie kredenzte den Pokal,
Nur darauf, wie es sich zu Hause wende,
Und Elend und Verbannung nähm' ein Ende.

Zur Seite ritt er ihr in mancher Stunde,
Und höchstens daß er eine Blume brach,
Und ihr sie gab, jedoch mit stummem Munde,
Auch wenn sie ihm ein Wort des Dankes sprach,
Denn Andres lag in seines Herzens Grunde;
Der Weichling ward ein Tapfrer nach und nach,
Ein Edler ward aus einem harten Dränger,
Ein Eifriger aus einem Müßiggänger.

Im achten Jahr war's, daß er außer Landes,
Da schrieb von Haus ihm sein getreuer Mann,
Wohl eingedenk des alten Treuepfandes,
Daß sich von ihm gelöst des Hasses Bann;
»Vorüber ist die Zeit des Widerstandes,
Hier ist, woraus dein Blick erschauen kann,
Daß ich besänftigt hab' den Zorn der Deinen,
Die Stücke Goldes werden sich vereinen.«

Und wirklich, weil indeß das Volk verziehen,
So ward ihm, als er wieder heimgekehrt,
Sein Reich und seine Würde neu verliehen.
Er herrschte mit dem Freund nun hochgeehrt,
Man sah sie beide vor dem Heere ziehen,
Sie wohnten beide an demselben Heerd,
An einem Tisch, aus einem Becher tranken
Die beiden heil'gen Könige der Franken.

Sie sprachen Recht, und saßen zu Gerichte
Auf zweien Thronen unter einem Baum,
Und eines Tages spät beim Dämmerlichte
Trat in des Königs Hallen, in den Raum
Vor seines Hauses Thoren eine schlichte
Und arm Gekleidete, und kennbar kaum,
Und bleiche Lippen sprachen mit Ermatten:
»Ich bin's, der Tod zerriß das Band der Gatten.

Ich bin's, o Childerich,« und staunend fragte
Der König, als er sie erkannte, »sprich!
Wie kommt's, daß Thürings Königin es wagte
So weit allein zu gehn, was führte dich
Aus solcher Ferne her zu uns?« Sie sagte:
»Weil ich geliebt dich habe, Childerich,
Und noch dich liebe – meine Thränen werben,
Laß mich bei dir nun leben oder sterben.«

Auf dieses Wort schlug hoch in Liebesfeuer
Sein Herz empor, so bot er ihr die Hand –
»Weißt du, warum du mir so lieb und theuer,
Und kennst du,« sprach sie, »auch das Zauberband?
Weißt du, daß einst ein Meeresungeheuer
Die Mutter deines Vaters überwand? –
So lang die Wogen auf und niedergehen
Wird dir kein Weib auf Erden widerstehen.«

Dann nach der Hochzeit sprach sie: »Nicht berühre
Mich eher, als der Strahl des Morgens tagt,
Und du geschritten bist vor unsre Thüre,
Und was du draußen sahest, mir gesagt.«
»Du scheinst,« sprach Childerich, »so viel ich spüre,
Von jenen Frauen, die man Künft'ges fragt?« –
Er sah sie groß an, schritt dann durch die Pforte
Und kam erstaunt zurück mit diesem Worte:

»Ich schaute vor der Thür' in Sternenhelle
Gewaltige Thiere wandeln, grimme Leu'n,
Und wilde Pardel, auch Einhörner schnelle,
Und ihrer Kraft und Schönheit sich erfreu'n.« –
»Geh!« sagte sie, »noch einmal vor die Schwelle,
Und was du jetzt sahst, laß dich nicht gereu'n;
Dein Erstgeborner wird so stark auf Erden
Und mächtig, wie ein Leu und Einhorn werden.«

Er ging, und dießmal sah er Wölf' und Bären.
»Was die bedeuten,« sprach sie, »werd' ich dir,
Sobald es tagt, und eher nicht erklären.
Geh noch einmal und was du sahst, sag mir.« –
»Ich muß dir's,« sagte Childerich, »gewähren.«
Und dießmal sah er Hunde und Gethier
Von klein'rer Art und Gattung, die sich bissen
Und gegenseitig sich vor Wuth zerrissen.

Es war ein Anblick, der sein Herz erschreckte,
Er trat zurück, und fand im Schlafgemach
Die Königin entschlummert – doch er weckte
Sie nicht, eh hell hervor der Morgen brach.
Da hielt sie ihn umfangen, und entdeckte
Die Deutung des Gesichts, indem sie sprach:
»Die Wölf' und Bären sind von deinem Sohne
Die Söhn', und die sind Räuber fremder Throne.

Dann kommt ein niedriges Geschlecht, und feige
Und schlechte Sprossen trägt der Stamm zuletzt,
Die kleinen Thiere sind das Volk, die Zweige,
Das ihr zum Tödten aufeinanderhetzt,
Und das sich so zerfleischt.« – »O schweige, schweige!«
Rief Childerich, und eilte tiefentsetzt
Von ihr hinweg, und suchte bald in Kriegen
Den Eindruck dieser Grau'nnacht zu besiegen. –

Sein Söhnchen Klodwig lag noch in der Wiege,
Als man zu Soissons gesenkt ins Grab
Den Leichnam Childerichs nach manchem Siege,
Im Panzerkleid, und um den Lanzenstab
Die Fahne, die der König trug im Kriege.
Und all sein Gold gab man ihm mit hinab.
In seinen Waffen und mit Opfergaben
Ward eingemauert sein Gebein begraben.

Manch' Jahr verging. In schmuckem Jagdgewande
Ritt Klodwig einst im Forst auf Eberwild,
Da kam er bis zum Grenzstein seiner Lande,
Bis zu der Römer Mark. Ein reich Gefild
Voll Rebenhöh'n an eines Flusses Strande
Lag da vor ihm, der Freude lachend Bild,
Belebt vom Schwarm der Winzer in den Gängen,
Voll von Gejauchz und munteren Gesängen.

Er hält erstaunt, er hemmt des Pferdes Zügel,
Indeß von seiner Meute fortgehetzt,
Durch Heck' und Zaun in Heerden und Geflügel
Der Eber einbricht, seine Hauer wetzt,
Aufrast und einstürmt in die Traubenhügel,
Und Alles bald in Grau'n und Schrecken setzt.
Die Bütten stürzt das Unthier, die von Trauben
Geschwellten Kufen um, voll Wuth und Schnauben.

Den schwachen Stab vom Epheulaub umwunden
Schwingt, doch umsonst, der Winzer; erst dem Stahl
Von Klodwigs Speer erliegt, und seinen Hunden,
Das Ungethüm. Doch da mit einemmal
Ist Klodwig, eh' er sich's vermerkt, umwunden,
Gebunden vom Gerank und – »Du bezahl!«
Heißt's um ihn her, »Du Jäger bist verpflichtet
Zu büßen, was die Jagd uns angerichtet.«

Vergeblich ringt der Held sich loszumachen,
Vergeblich ist es, daß er zürnt und droht,
Die braunen Männer halten ihn, und lachen
Und spotten seines Grimms und seiner Noth.
Die stärksten Zwei aus ihrer Schaar bewachen
Den Festgebund'nen, nur das Angebot,
Als Lösegeld sein Hüfthorn darzugeben,
Befreit ihn endlich von der Haft der Reben.

Und Klodwig, nicht vergaß er dieser Bande –
Er bot dem Volk der Franken seinen Gruß,
Er sprach: »Es wohnen Römer noch im Lande,
Als deren Herrscher gilt Syagrius –
Wir wollen streiten! Ist's nicht eine Schande,
Für mich und euch, daß den ich dulden muß?
Den Sohn des Römers, dem ihr damals fröhntet,
Eh ihr mit meinem Vater euch versöhntet.«

Er ließ dem Römerherrn durch Boten sagen:
»Mein Schwert gibt mir ein Recht auf neues Gut,
Syagrius! wir Franken überragen
Euch Römer weit an Körperkraft und Muth,
Wenn ihr es waget euch mit uns zu schlagen,
So rüstet euch, es geht an euer Blut!«
»Gut,« gab Syagrius zur Antwort, »reitet,
Sobald und wo ihr wollet, kommt und streitet!«

Syagrius nahm seinen Helm und schöpft' die Welle
Vom Bache, der durch's Römerlager floß,
Und sprach sodann, indem er auf der Stelle
Das Wasser wieder auf den Boden goß:
»Das geb' ich euch! trinkt aber nicht zu schnelle!
Am Körper und an Durst, da seid ihr groß;
Auf's Haupt euch schleudern will ich Schwert und Feuer,
Und wär't ihr auch noch größ're Ungeheuer.«

Schon hob die Streitaxt Einer von den Franken,
Als sein Begleiter in den Arm ihm fiel
Und ausrief: »Halt doch ein, und laß ihn zanken,
Uns unterwerfen dünkt ihn leichtes Spiel.«
Doch ohne einen Augenblick zu wanken,
Bestimmte nun Syagrius das Ziel:
»So wisset, daß ich euch begegnen werde,
Wo eure Streitaxt zeichnen wird die Erde.«

»Ihr habt gebaut, getafelt und getrunken,«
Sprach Jener drauf, »im Land, das ihr geerbt,
Ihr hattet Gold genug, damit zu prunken;
Mit Purpur auch war euer Kleid gefärbt,
Die Mauern eurer Burgen sind gesunken,
Es ist die Zeit gekommen, daß ihr sterbt!
Seht her da, dahin schleudr' ich,« rief der Starke,
»Das ist der Eber und der Bären Marke!« –

Wie nun die Boten sich hinwegbegaben,
Bewaffnete Syagrius den letzten Rest
Des Römerheers; die Rollen zu vergraben
Befahl er dann, und gab ein Abschiedsfest,
Wo Freunde sich die letzten Küsse gaben,
Und Pylades umarmte den Orest,
Fern von dem Tempel Jupiters, und ferne
Von Roma's Burg und unter Galliens Sterne!

Die Gräser auf den Wällen am Castelle
Bewegten sich im Hauch der Sonnenluft,
Und Thor und Hall' erleuchtet eine Helle,
Wie beim Begräbnisse die Leichengruft;
Denn dort auch ist bekränzt die finstre Schwelle,
Und um den Tod strömt Glanz und Weihrauchduft –
Die Römerritter tafelten im Kreise,
Das Haupt, den Schild bekränzt nach alter Weise.

Syagrius, nachdem den Abendreichen
Von Rom schon längst kein Herrscher mehr gebot,
Sah nun der letzten jener Trümmerleichen
Das Ende kommen, das so oft gedroht!
»O könnten eines Siegers Herz erweichen
Die holden Musen, die er weiht dem Tod,
Die Saiten und die Lauten, die zertreten,
Verhallen unter angsterfülltem Beten.

Er fühlt selbst mit dem Leben kein Bedauern,
Das doch das Edelste der Güter scheint,
Wie dürften wir um Stein und Bilder trauern? –
Geht Höheres zu Grund und unbeweint,
Warum nicht auch der Marmor in den Mauern,
In den des Bildners Seele sich versteint,
Wer weiß die Zukunft, die das Schwert zertrümmert,
Die Hoffnung all, die ungeahnt verkümmert?« –

Der römische Patrizier – der dem Frieden
Und seinen Künsten nur gelebt – sein Glück,
Die Götter hatten es zu schau'n gemieden,
Es sank – und er erlag dem Weltgeschick.
In einer Schlacht ward Galliens Loos entschieden,
Syagrius floh aus dem Kampf zurück,
Ward überliefert, und nach wenig Tagen
Beim Siegesmahl von Klodwigs Hand erschlagen.

So fiel im Gallierland die letzte Krone
Des Römerthums und seiner Kaisermacht.
Vom Rhein zum Meer, von Rheims bis an die Rhone,
War Mord und Plünderung, und Raub und Schlacht;
Und daß er keines Briefs noch Blutes schone,
Betheuerte der Frankenfürst; die Pracht
Der Vorzeit und die neuen Tempel sanken
In Schutt und Asche vor dem Beil der Franken.

Und einst, als in erstrittner Beuten Mitte
Ein Trinkkrug von besondrer Pracht sich fand,
Da kamen Kirchenboten mit der Bitte
Um den geraubten heil'gen Gegenstand;
Und Klodwig sprach: »Es ist der Franken Sitte,
Daß keinen Vorzug hat des Königs Hand;
Nicht mir allein gehört die Beute, Allen,
Und wem durch's Loos sein Antheil zugefallen.

Doch kommt nach Suessonä, dort wo die Beute
Vertheilt wird werden.« Und er ließ
Hier angelangt die Vase bringen: »Heute
Gebt, Franken, mir zu meinem Theil noch dieß!«
Und Alle neigten sich, nur Einen freute
Die Theilung nicht, und mit der Streitaxt stieß
Der Ungeberdige in vollem Grimme
An das Gefäß, und sprach mit lauter Stimme:

»Die Beute da hab' ich für mich genommen,
Und sag': was dir nicht zufällt durch das Loos,
Davon, o König, sollst du nichts bekommen,
Ich bin von niedriger Geburt, allein so groß
Und stark wie du.« – »Es soll dir das nicht frommen!«
Sprach Klodwig, und die Gluth des Zornes schoß
Sein Blick auf den Verwegnen, doch die Wunde
Verschloß er noch in seine Brust zur Stunde.

Er gab die Stücke nun den Abgesandten;
Nach einem Jahr, als um ihn her sein Heer
In Waffen stund, und als die Schilde brannten
Im Sonnenglühn wie Wellen auf dem Meer,
Da nahm er Jenes wahr, des ihm Bekannten,
Sah seine Waffen an und sprach: »Dein Speer
Und deine Waffen taugen nichts, nicht Einer
Hat solche schlechte! Bube, du gemeiner!«

Und dessen Streitaxt, der nun schweigend grollte,
Entriß er ihm und warf sie weg, und als
Der Kriegsmann nach der Wehr sich bücken wollte,
Durchhieb er ihm das Haupt bis auf den Hals,
So daß der Leichnam auf die Erde rollte:
»So!« rief er aus, »jetzt hast du jedenfalls
Dein Theil – wie du gethan, ist dir geschehen!«
Und hieß die Andern auseinandergehen.

Nach diesem Heerschautag zur Dämmerstunde
Betrat ein Sänger Klodwigs Burg; er sang:
»Du stolzer Held, merk auf, vernimm die Kunde:
Ein Geier hält in seinem grimmen Fang
Ein zartes Lamm, der mächtige Burgunde.«
»Das sagst du mir,« rief Klodwig aus, und sprang
Vom Hochsitz auf. »Erkläre dich mir freier,
Sag an, wer ist das Lamm, wer ist der Geier?«

»Es blüht wohl im Burgundenland die schöne
Klotild, von ihrem Oheim streng bewacht,«
Fuhr jener fort und schlug die vollsten Töne;
»Denn dort einst herrschten in vereinter Macht
Nach Gundeuchs Tode seine beiden Söhne,
Doch Gundobad, vom Bösen angefacht,
Erschlug den Bruder, und dem Kind des Todten
Ist jede Freiheit, Licht und Luft verboten.«

»Zur Jagd!« rief Klodwig aus, »auf diesen Geier!
Wir reiten nach Burgund, tret ich dann hin
Vor Gundobad, ein ungebetner Freier,
Sag ich, daß ich der Franken König bin;
Mich abzuweisen scheut er sich; den Schleier
Von seiner That gedenk' ich wegzuziehn.«
Er sprach es, und sogleich mit Roß und Hunden
Ward aufgebrochen nach dem Land Burgunden.

Und dort geschah's indeß, es ward Klotilde
Vom Ohm gesehen, wie sie Gut und Hab'
An ihres Vaters Lehnsleut, seine Schilde,
Und unter Thränen Schwert und Ring vergab.
»Seht,« höhnte Gundobad, »die Engelsmilde,
Sie hofft, die Leute fallen von mir ab;
An unsre Mannen gibt sie Ring und Spange;
Geb Acht, ich mach' dich schadlos, fromme Schlange!

Auch eine Christin bist du, Hindin warte,
Ich bringe dich wohin, wo du genug
Dich kannst kastei'n.« Er hob sie nun, der Harte,
Zu sich auf's Roß, ritt von der Burg im Flug
Mit ihr waldein, und ließ die Schreckerstarrte
Im dichten Forst von seines Sattels Bug,
Ohnmächtig wie sie war, im schnellsten Reiten
Allein und hülflos auf die Erde gleiten.

Ein Blick nach ihr zurück schien ihm genug,
Um ihn zu überzeugen, daß sie balde
Des Todes sei. Sie aber, als sie schlug
Die Augen wieder auf und sich im Walde
Allein fand, dankte freudig Gott; sie frug
Die Luft, die Zweig', die Sonn', die grüne Halde:
»Bin ich bei euch, und frei?« Und überall
Gab Antwort ihr der muntern Vögel Schall.

Wie leuchtet still, indeß sie fürder schreitet,
Vom Lockengold umwallt ihr Angesicht,
Das eine Glorie ringsumher verbreitet,
In Waldesnacht ein eignes, mildes Licht!
Da horch, da schallt, von Höh'n zu Höh'n verbreitet,
Der Hörner Klang, und durch Gebüsche bricht
Ein Reitertrupp, voran der Jugendschlanke
Im Jagdgewande, Klodwig ist's, der Franke.

Wie Klodwig vor ihr stund, kaum aufzuschauen
Erkühnte sich die liebliche Klotild –
Wie aus dem Berg die Woge von den blauen
Gekrönten Gletschern, die ihr strahlend Bild
Hernieder in die klare Welle thauen,
Nun voller Sehnsucht hinwogt durchs Gefild,
Dem Meer sich in die Arme wirft voll Wonne,
Und denkt: »Bin ich bei dir jetzt, stolze Sonne!«

Doch keine Rede kam auf seine Frage:
»Wer bist du Kind?« von ihrem Mund; sie glitt
Verstummt zur Erde nieder. »Komm, du Zage,«
Rief Klodwig und befahl, daß man sie mit
Auf einer Bahr' von grünen Zweigen trage.
Er selbst eilt rasch voran in schnellem Ritt,
Und wird im Schlosse Gundobads mit Prangen
Und Festschall von dem greisen Ohm empfangen.

Ein Schenktisch ward auf nahem Söllerrunde
Den Beiden hingestellt, und bald darnach
Hub Klodwig an: »Wo weilt dein Kind, Burgunde?
Laß uns Klotilden schaun!« Der Oheim sprach:
»Denk nicht an die, seit früher Morgenstunde
Verließ die Unheilvolle ihr Gemach;
Denn eine Christin ist sie, bei den Frommen
Hat sie vielleicht ein Bruder aufgenommen.«

»Ha!« lachte Klodwig, »nun denn bei den Hufen
Der Pferde Wodans, solch ein Weib werd' nie
Als Königin der Franken angerufen,
Die je das Ohr den Christusdienern lieh!«
Kaum war das Wort entflohn, da ward die Stufen
Zur Burg Klotild heraufgetragen. – »Die?
Ist's die?« rief Klodwig. Gundobad erblaßte;
»Ja,« brach er aus, »du siehst sie, die Verhaßte!«

Aufsprang der Frankenfürst, stieß mit dem Fuße
Den Feuerbrand und rief: »Nein, diese Maid
Ist nicht geschaffen für die Reu' und Buße;
Ließ ich von ihr, das wäre Freja leid!«
Er stieg hinab, bot ihr die Hand zum Gruße
Und sprach: »An Wodan bindet mich ein Eid;
Kein Christenkind zu frei'n hab' ich geschworen,
Doch du warst vor dem Schwur mir schon erkoren.

Ich frei' um dich, und hoch will ich dich halten,
Die Königin der Franken sollst du sein;
Die Götter, die in allen Dingen walten,
Sie ruf' ich, unser Bündniß einzuweihn!«
Darauf begann mit bangem Händefalten
Klotilde: »Herr! So willst du mich befrei'n
Von dem dort, der den Vater mir getödtet,
Sein Bügel ist von meinem Blut geröthet!«

Sie sprach's, und wie ein Blut am Rosendorne
Wetteifert mit dem Kelch, so schoß ein Strahl
Der Röthe jetzt in hochentflammtem Zorne
Auf ihre Wangen, und mit einemmal
Schien sie verwandelt, eine grimme Norne,
Wie erzumgürtet, eingehüllt in Stahl,
Die Locken wogten um sie her wie Wellen,
Die Lippen schien ein stolzer Haß zu schwellen.

Der graue Mörder bebt, er sinkt gebrochen
Zum Söllersims vor Klodwigs grimmem Blick,
Der ruft: »Zu deutlich hat die Schuld gesprochen,
Her, meine Knechte, greift ihn beim Genick
Und schleppt ihn fort, und hängt ihn bei den Jochen
An Odins Baum, um seinen Hals den Strick!« –
Er spricht's – schon soll's geschehn, denn Jenes Mannen
Scheint jäher Schreck und starre Furcht zu bannen –

Da rief Klotilde: »Haltet! meine Sache
Ist dessen Strafe; der, den er erschlug –
Mein Vater war es, mein sei auch die Rache,
Und mit dem Tod büßt dieser nicht genug!
Er leb' in Nacht des Kerkers, und erwache
Zu neuer Qual mit jedem Tag, der Flug
Der Stunde sei für ihn der Flug der Raben –
Er lebe, lebend aber schon begraben!«

»Dir sei willfahrt,« rief Klodwig, und hernieder
Ward ins Gefängniß Gundobad gebracht,
Doch während oben Schall der Hochzeitlieder
Und Fackelschein durchleuchtete die Nacht,
Da horch, da von der Thür des Kerkers wieder
Hob eines Engels Hand die Riegel sacht,
Und vier Vermummte brachten den Befreiten
Nach einem Kloster fort im schnellsten Reiten.

Voll Freud' indeß vom ganzen Volk empfangen,
Durchzog das Hochzeitpaar sein schönes Land,
Man sah geschmückt der Burgen Thürme prangen,
Von Höh'n zu Höh'n flog heller Feuerbrand.
Allein Klotildens sehnliches Verlangen,
Getraut zu sein durch ihrer Kirche Band,
Ward nicht erhört, da Klodwig, ihre Thräne
Nicht achtend, zechte bis zum Ruf der Hähne.

Ja feindlich ward er ihr, und sah gehässig
Und finster drein, als sie darauf entband.
Das Kind zu taufen bat sie unablässig.
Er sprach kein Wort, und eh ein Mond entschwand,
Lag todt das Kind. »O, das hat zuverlässig,«
Rief Klodwig jetzt, »des Priesters schwache Hand
Zu hoch gehoben; euer Gott auf Erden
Kann nichts als sterben und ein Leichnam werden.«

»Ich danke Gott,« sprach sanft die Engelgleiche,
»Daß er gewürdigt meinen Schooß, das Kind
Zu sich zu nehmen in des Himmels Reiche;
Ihr Heiden aber, an der Seele blind,
Seht nicht, daß Gott nicht wohnt im Holz der Eiche,
Und in den Thieren, die vom Bösen sind;
Doch wer im Kleid des Täuflings ist gestorben,
Der, weiß ich, hat das Himmelreich erworben.«

Es brannten sieben Kerzen um die Bahr'
Und vor dem Kreuze bei dem todten Kinde,
Und sieben vor dem kleinen Hausaltar;
Da riß die Fenster auf ein Stoß vom Winde,
Hereinflog rauschend schwer ein Rabenpaar,
Die Lichter löschten aus, das Hausgesinde
Entfloh voll Angst. »Ha,« sagte Klodwig kalt,
»Die alten Götter haben noch Gewalt.«

Als einen zweiten Sohn Klotild geboren,
Den heimlich sie zur Taufe bringen ließ,
Erkrankt' auch dieß Kind bald, und schien verloren.
»Es kann nicht anders sein, es stirbt auch dieß,
Die Taufe hat es in den Tod beschworen.
Fluch eurer Sehnsucht nach dem Paradies!«
Rief Klodwig voller Zorns, jedoch in Milde
Entgegnet ihm auf ihren Knien Klotilde:

»Hier will ich knien und beten auf der Erde,
So lang, als bis das Kind gerettet ist,
Damit noch in Erfüllung geht, es werde
Durch meine Bitten Klodowig ein Christ,
Und bet' nicht an das Schnauben wilder Pferde,
Und das Gekreuch in Luft und in Genist,
Weil nur das Wort des Lebens uns errettet,
Das alle Menschen aneinander kettet.«

Obwohl die Thränen, die zur Erde rannen,
Und das Gebet, das in den Himmel stieg,
Das Kind dem Tode wieder abgewannen,
Doch unbekehrt blieb Klodwig noch und schwieg.
Da kam die Botschaft: »Herr, die Alemannen
Sind in dein Land gebrochen; Sieg auf Sieg
Erkämpfen sie, ihr Schlachtruf heißt befreien,
Und heischt Gemeinschaft aller Ländereien.«

Das mächt'ge Volk, das aus den kühnen Schwärmen
Der Völkerschaften um den Rhein bestand,
Wo sich im Seebett seine Wogen wärmen,
Die eisig rinnen von der Gletscher Wand,
Aufjauchzend drang heran ihr wildes Lärmen;
Es waren Männer aus der Berge Land,
Und die in Lothring' und in Elsaß hausten,
Die nun durch's Feld auf ihren Rossen brausten.

»Der Franke Klodwig,« hieß ihr Aufruf, »achtet
Die Rechte der Germanen nicht, er schwächt
Die Freiheit der Gemeinen, ja er trachtet
Nach unumschränkter Herrschaft; blutig rächt
Der Alemanne. Alemannen würget, schlachtet!
Nicht lebe, wer aus Freien ward zum Knecht!«
So warfen sie von ihren Alpenwegen
Den Kriegern Klodwigs sich zum Kampf entgegen.

Zu Wodan hatten Die wie Die geschrieen,
Und jedes Heer ihm Opfer dargebracht,
Nun aber Klodwig sieht sein Volk entfliehen,
Da ruft er: »Götter, die ihr mir verspracht,
Mir werde Sieg an diesem Tag verliehen,
Mit Spenden hab' ich immer euch bedacht,
Helft siegen, seid mit uns und unsern Streichen,
Haucht Muth in unsre Rosse, gebt ein Zeichen!«

Umsonst, und nirgends hält sein Volk mehr Stand,
Da horch; »Um was Klotilde dich beschworen,
Gedenke deß,« ruft's neben ihm, »die Hand,
In der die Welt ruht, hat dich auserkoren
Zu Großem, glaub!« Und der es sprach, entschwand.
Doch bald, obwohl ihm Alles schien verloren,
Erschien für Klodwig in der höchsten Zeit
Ein Heer der Burgundionen, hilfbereit.

Und der sie führt, ein greiser, hochgebauter,
Ist Gundobad, der Mörder, den er glaubt
In finstrer Kerkernacht. »Bist du's, Ergrauter,«
Ruft Klodwig, »wer hat dich dem Tod geraubt?«
Und jener sprach: »Die, deren Seele lauter
Versöhnung ist, dein Weib. Sie hat mein Haupt
Befreit von Schuld durch ihr Verzeihn; sie sendet
Hieher uns, daß für dich der Sieg sich wendet.«

Da hob die Augen Klodwig mit dem Flehen
Gen Himmel auf: »Wenn ich den Sieg gewinn',
Und diese meine Feinde mag bestehen
Durch deine Wunder, Gott du meiner Königin,
So will ich glauben, und zur Taufe gehen.
Denn daß die Götter Nichts sind, werd' ich inn'.«
Und da er's sprach, ward ein Geschrei vernommen;
»Der Alemannen Fürst ist umgekommen.«

»Allmächtiger!« rief Klodwig, »du kannst Alles!«
Die Alemannen, als ihr König fiel,
Erhoben bei der Kunde seines Falles
Ein Wuthgeschrei, und stürzten wie zum Spiel
Sich in den Tod. Der Ruf des Siegesschalles
Erklang vom Feindeslager, doch ihr Ziel
War nicht Ergebung, sondern sie versetzten
Dem Feind noch Wunden Alle bis zum Letzten.

»Habt Friede,« sagte Klodwig, denn er zählte
Mit Schmerz auch seine Todten. Aber Scham
Durchdrang ihn, als zu Haus die Anvermählte
Mit einem Priester ihm entgegenkam.
»Ja,« sprach er zu dem Bischof, »ich erwählte
Den Gott, durch den die Löwen werden zahm;
Allein es würde sich mein Volk empören,
Gedächt' ich seinen Göttern abzuschwören.«

Der Bischof sprach: »Hast du noch nicht vergessen,
Wer einst zu dir um jene Vase kam,
Die deiner Krieger Beute war, und dessen,
Der sich voll Trotzes gegen dich benahm?
Der Mönch war ich, doch der, der so vermessen
Und übermüthig war, o Schmach und Scham,
Er ist das Urbild deines Volks, der Franken,
Die nicht des Königs achten, noch ihm danken.

Das macht, sie sind noch Heiden, und so roh
Wie ihre Götzen selbst, weil diese wüthig
Und grausam, deßhalb sind sie ebenso.
Denn wer den Christ nicht glaubt, ist übermüthig;
Drum red' nicht sanft mit ihnen, sondern droh',
Nur wenn sie folgen, dann erst sei du gütig.
Dann werden wir dich taufen, und nachdem
Mit Purpur schmücken und mit Diadem.

Dadurch wird hoch dein Ansehn sich erheben!
Zunächst der Heiligen bei Gottes Thron
Wird dein Thron sein, in ihren Schutz gegeben,
Und nach dem Tod wird dein der Himmelslohn!«
»Gut,« sagte Klodwig, »gut, ich werde streben
Zu thun, was du verlangst; vor Gottes Sohn
Soll fallen Wodans Hain mit seinen Eichen,
Der Opferstein soll vor dem Kreuzbild weichen.«

Zur Herbstzeit war's, an einem rauhen Abend,
Als Klodwig ritt nach Wodans heil'gem Hain,
Auf ödem Weg durch welke Blätter trabend;
Und wie er so in sich gekehrt allein,
Den Sinn in düstrer Träume Nacht begrabend,
Nun tiefer drang ins Waldesdunkel ein,
Da schwinden nach und nach der Herbstzeit Spuren,
Und frischer scheinen Bäume rings und Fluren.

Hier merkt man nichts mehr von des Jahres Gränze,
Die Eiche steht, die Buche noch im Grün,
Und ihre Stämme schmücken frische Kränze
Von Blumen, die hier überall noch blühn;
Hier halten Nachts die Elfen ihre Tänze.
Die Perlen Thaus, die funkelnd niedersprühn,
Sind von den Wolken her, auf deren Thronen
In steter Heiterkeit die Götter wohnen.

Jetzt nahte sich der König den Gehegen
Der heiligen Umfriedung, und ihm trat
Der Wodanspriester mit dem Gruß entgegen:
»Suchst, Klodwig, du der Götter Hilf und Rath?
Willst du ein Siegsdankopfer niederlegen,
Kommst du zu sühnen eine dunkle That?
Es ist, ich glaub' dein Herz durchschaut zu haben,
Auf deiner Stirn ein Schatten eingegraben.«

»Von deinen Göttern schweige, die sind todt,«
Rief Klodwig aus, »bereite dich zu hören,
Daß ich von ihnen ließ, und mein Gebot
Befiehlt, dem alten Glauben abzuschwören. –
Für einen, der mir beistand in der Noth,
Für ihn werd' ich dieß Alles hier zerstören.
Die Eiche fällt, man wird sie niederhauen,
Um einen Christentempel aufzubauen.«

»Ich wußte längst voraus, es komm' dieß Ende,«
Ward ihm darauf. »Ich sah, daß Rom, besiegt,
Die stärkste Waffe gegen uns noch wende;
Die Arglist, der auch Göttermacht erliegt.
Wir gehn nun heim. Du König, du vollende
Der Herrschsucht Werk. Wenn Alles dir sich schmiegt,
Ist Aller Wille unterjocht dem deinen,
Dann bist du Jenen recht, die uns verneinen.

Weh' über euch, ihr neuen Herrscher, euer
Erschlichner Thron bleibt nicht bei eurem Haus!
Trotz Kreuz und Chrysam wird in euch das Feuer
Der Hela wüthen; jeder Mord und Graus
Wird euch beflecken, wild're Ungeheuer,
Als Roms Tyrannen! – und so sterbt ihr aus.
Entwurzelt werdet ihr, und in den Hallen
Die Kronen werden euch vom Haupte fallen!«

Wie Meergewog schlug dumpf und dumpfer brausend,
An Klodwigs Ohr des Wodanspriesters Wort,
Und setzte sich wie Sturmgeheul, laut sausend
Von Baum zu Baum, in allen Wipfeln fort;
Dazwischen klang's wie Ach und Seufzen; tausend
Von Flammen zeigten sich bald hier bald dort,
Und huschten weiter; Seelen jener Schatten,
Die hier gehaust, den Tag beschlossen hatten.

Der alten Heiden Seelen zogen aus
Aus ihren Bäumen, lange Wanderungen:
Die Götter noch bekränzt vom Opferschmaus,
Mit Mienen, von dem tiefsten Schmerz durchdrungen.
Hier Odin selbst im Wanderhut voraus;
Dann Baldur, leuchtend in den Dämmerungen,
Die Götterfrau'n, die goldgelockumwallten,
Iduna's und der Hertha Huldgestalten.

Sie zogen fort aus ihren Buchen, Rüstern,
Aus ihren Eschen, Eichen fort, und weit
Hinweg von da; es war ein wispernd Flüstern,
Und ein sich Suchen in der Dunkelheit;
Zuweilen fuhr ein Blitzstrahl aus dem düstern
Und fahlen Herbstgewölk als Weggeleit.
So kam der Zug bis hin zum Meergestade,
Daß man zur Ueberfahrt den Schiffer lade.

Den Fährmann weckt ein Pochen an der Thüre,
Sein Haus betritt in später Stunde Wer,
Und ruft ihn, daß er heut noch überführe,
Hinüber nach dem Inselland im Meer.
Er willfahrt, und da dünkt es ihm, er spüre,
Sein Nachen werde wie von Vielen schwer,
Von vielen Menschen, die mit überfahren,
Doch keines Einz'gen kann sein Blick gewahren.

Es glänzt der Mond, um seine Silberscheibe
Fliegt nebliges Gewölk herauf, herab,
Als ob es mit am Bote weiter treibe,
Und Theil an den darein Geladnen hab!
Der Schiffer merkt, daß Nichts von einem Leibe
Da war, was seinem Fahrzeug Schwere gab,
Und schaudernd sieht er bei des Windes Säuseln
Unheimlich sich die düstre Welle kräuseln;

Daß bis zum Borde schier die Welle randet,
So tief beschwert durchfährt sein Boot die Fluth;
Und als er drüben nun am Ufer landet,
Da hört er deutlich und vernimmt es gut,
Wie laut auch um den Fels die Woge brandet,
Daß jener Fremdling mit dem grauen Hut
Die Unsichtbaren, welche mit ihm kamen,
Zu sich beruft und Jeden nennt beim Namen.

Da klangen Namen, einige so traut,
Als ob die Sonne nach den Blumen frage,
Und andre klangen groß wie Donnerlaut;
Sie waren ihm bekannt aus mancher Sage
Die Heldennamen. – Nun der Tag gegraut,
Hub sich das Boot, als ob es Nichts mehr trage,
Und während frischer Wind die Segel schwoll,
Versank das Eiland in der Fluth Geroll.

Zu Rheims jedoch im festgeschmückten Chore
Ergoß der Kerzen Glanz des Lichtes Strom
Entlang der Säulen und der Corridore,
Der Taufstein war bereitet in dem Dom,
Am Eingang der geschmückten Kirchenthore,
Durchduftet von balsamischem Arom.
Und als es auf den reichen, bunten Decken
Zur Taufe ging, zum reinen Marmorbecken,

Da blieb vor einer heiligen Standarte
Der König stehn, denn auf der Fahne hing
Ein Bild vom Leidensweg, und grimmig starrte
Sein Blick, er sah wie man den Heiland fing
Und kreuzigte, da schlug er seine harte
Stahlfaust ans Herz, daß klang der Panzerring,
Er faßte sich beim Bart, dann brach in Worte,
Was ihm die Brust schwoll, aus; »Beim höchsten Horte!

Hier seh ich ja, was ihr mir vorgelesen;
O, wär' doch ich, wie hier am Hochaltar,
Mit meinen Franken dort dabei gewesen,
Zu todt gehau'n hätt' ich die Judasschaar,
Nicht einer der Verräther wär' genesen.
Das schwör' ich euch bei meinem langen Haar.
Den Heiland hätt' mein Schwert befreit vom Sterben,
An seinen Feinden will ich Ruhm erwerben.«

Der Bischof sprach: »Den ich nun Klodwig nenne,
Du, dem vom Himmel ward der Sieg gesandt,
Sigamber, beug' den Nacken und bekenne
Den wahren Gott, bet' an, was du verbrannt,
Und was du angebetet hast, verbrenne!«
Und weiter rief er, zu dem Volk gewandt:
»Ihr Tausende, habt Theil am Heil der Seele!«
Und taufte nun, und salbte mit dem Oele.

Das war am Weihnachtsfest, am feiervollen,
Gelobten Tag der ersten Winterszeit;
Im Dunkeln heimlich glänzt ein Licht entquollen,
Noch liegt die Erde starr und tiefbeschneit,
Doch regt und rührt sich's schon, denn wieder wollen
Die Tage wachsen in der Helligkeit,
Und nun der Sonne Strahl hinabgegangen,
Erglimmt verheißungsvoll der Sterne Prangen.

Und drei Jahrhunderte nachher, da kniete
Der Franke Karl zu Rom am Hochaltar,
In eins vereinigt waren die Gebiete,
Und ein Reich und ein deutscher Kaiser war.
Der Gothen Krone, jene schöne Mythe,
Und die, aus der Vandalen Flammenhaar
Ins Meer gesunkne, waren neu gebunden,
Und hatten nun das rechte Haupt gefunden.


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