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Dritter Gesang.
Die Eiche von Ravenna.

An Inseln bist du reich, an wundervollen,
O heilig Meer, an Felsengrotten auch!
Doch ganz scheint dir der Pinienwald entquollen,
Womit Ravenna schmückt dein Zauberhauch;
Da rauscht's in luft'gen Höh'n wie Wogenrollen,
Das Sonnenlicht umspielt den Rosenstrauch,
Wie Perlen schön, und reicher noch und bunter,
Blüht als Mosaik Wiesenschmuck darunter.

Zuweilen rauscht's von eines Raben Schwingen,
Lacerten huschen an dem Weg vorbei,
Und wilde Rosse tummeln sich und springen,
Und schau'n dich an, und schnauben stolz und frei.
Ja hier ist etwas, das den Schmerz bezwingen,
Das Unglück lindern kann, wie groß es sei;
Den Herzen, welche schwer gelitten hatten,
Entweicht der Gram in dieser Bäume Schatten.

Weit draußen ruhn vergangner Größe Spuren,
Und fernher nur dringt noch ein Wiederhall
Der Schlachten, die dereinst vorüberfuhren
Um Mauern, bald sich neigend zum Verfall.
Hier blühn in unversehrtem Schmuck die Fluren,
Hier singt im Lorbeerbusch die Nachtigall,
Und in dem Ernst der hohen Wipfel walten
Allein der Dichtung heilige Gestalten.

Das mahnt an eine Zeit, die auch so eigen,
So wunderbar war, zart zugleich und wild,
Nach heißem Kampf ein andachtsvolles Schweigen,
Ein Frühroth über nächtlichem Gefild,
Wo kühne Bauten aus der Erde steigen,
Und draußen reitet mit dem blanken Schild
Der Wächter um, der Schirmer der Bedrohten,
Der Frieden schafft für Römer wie für Gothen.

Verwirklicht schien ein früher Traum zu werden,
Die alte Zeit Saturns, die goldne Zeit,
Die Unschuld schien zurückgekehrt auf Erden,
Die Herzenstreu', der Sitten Ehrbarkeit.
Von Sorgen sah'n, von Mühen und Beschwerden
Auf einmal sich die Sterblichen befreit,
Begonnen hatte nach des Krieges Tosen
Ein Hirtenleben bei Schalmei und Rosen.

Der Haß war an der Spitze abgebrochen,
Und doch dadurch die Stärke nicht erschlafft,
Der Friede – um Geschenke angesprochen
Vom Bettler Krieg, der Alles weggerafft –
Vertheilte über zwei gebrochnen Jochen
An Sieger und Besiegte Beider Kraft,
Und gab dem Haupt den Arm, der ihm noch fehlte
Indem er eins durch's andere beseelte.

Doch dieser Löwe, der so zahm schien, ruhte
Auf seinen Tatzen nur, und diese Zeit,
So golden, war doch eine goldne Ruthe,
Und eisig dieser Blüthen Herrlichkeit.
Denn wann erlebte je die Welt das Gute
In unverkümmerter Vollkommenheit?
Es läßt den größten Gegensatz gewahren,
Wo sich's am höchsten scheint zu offenbaren. –

»Wenn ein Erobrer sich befaßt mit Frieden,
Und Völker, die sich haßten, ausgesöhnt,
Dann wird das leiseste Geräusch vermieden,
Das noch aus alter Zeit herübertönt,
Dann hüte sich, wer still und abgeschieden
Zu sorglos schon der Ruhe sich gewöhnt,
Das ist die Zeit, wo Lämmer Bäche trüben,
Die Zeit, ein stoisch' Ende einzuüben.«

Mit diesem Wort empfing nach langen Jahren
Den Freund, seitdem sie sich nicht wiedersahn,
Sein Cassiodor. »Ich kenne die Gefahren
Wovon du sprichst, doch ich denk' nicht daran
Mich irgend vor Tyrannenwuth zu wahren,«
Erwiederte Boëthius. »Meine Bahn
Ist wie die seine, pfeilgerad' – er sehe,
Die Freiheit scheue nicht des Herrschers Nähe.

Albinus ist verklagt als Hochverräther,
Gut! So vertheidigt ihn Boëthius,
Und so, als hörten ihn noch Roma's Väter.« –
»Ein König hört dich – und mit dem Verdruß,
Den jeder Herrscher früher oder später,
Wenn der Gedanke kühn wird, fühlen muß,«
Versetzte Cassiodor. »Kannst du vergessen:
Die Milde mit Besiegten ist gemessen.«

»Wie?« rief Boëthius schmerzlich aus, »genügen
Kann ein Verdacht, und über Gut und Blut
Dürft' wie ein Nero jener Mann verfügen,
Der, wenn auch großgesinnt und mild und gut,
Doch ein Barbar nur ist? Wenn wir's ertrügen,
Wir spornten selbst der Fremden Uebermuth,
Wir lösten selbst den Zauber von dem Bande,
Das ihre Wildheit bannt und unsre Schande.

Wir sahen uns besiegt, doch wir gedachten
An Cannä's Tag, und schwiegen; einen Theil
Von unsern Aeckern nahm man uns, wir brachten
Das Opfer – schlimmer war des Rugiers Beil –
Sie nahmen uns die Waffen, und verlachten
Als schwächlich uns, doch wissen wir, das Heil
Der Welt ruht nicht nur in des Armes Stärke,
Sie selbst bewundern Geist und Geisteswerke.

Sie selbst, sie beugten ihre stolzen Kniee,
Und beteten den Gott der Schwachen an,
So blieb uns doch ein Trost, wir sagten: siehe,
Es sind doch wir die Lenker ihrer Bahn;
Verwandelt ward die nagende Harpye
Kraft unsrer Bildungsmacht in einen Schwan,
Der Räuber am vergänglichen Besitze
In einen Knecht und Träger unsrer Blitze.

Und edel war Theodorich, er reichte
Nach Höherem bedürftig uns die Hand,
Der Anblick unsrer tiefen Schmach erweichte
Des Siegers Stolz, und seine Seele fand,
Daß unsre Freundschaft ihm zum Ruhm gereichte,
So überwand er selbst den Widerstand
Der trotz'gen Gothen, und von ihm beschieden,
Blüht Kunst und Wissenschaft und reift den Frieden.

Nun, seit es anders, dürfen wir erblassen
Vor seinem Zorn? Wenn wir die Würde noch,
Die letzte Waffe, uns entreißen lassen,
So tragen wir für alle Zeit das Joch;
Er mag uns scheu'n, belächeln oder hassen,
Er fühl', daß ihm und seinem Volke noch,
Noch viel zum Stolze eines Römers fehle,
Ja, daß uns innwohnt eine größre Seele.«

»Ich,« sagte Cassiodor darauf, »ich scheine
Ihm nur zu dienen, und ich lenk' ihn' ganz,
Ich folg' ihm gern, sein Wille ist der meine.
Jetzt eil' ich, sein Gesandter, in den Glanz
Der Stadt des Constantin, um dort das Eine
Und Andre noch zu schlichten mit Byzanz.
Vertheid'ge Jenes Schuld, sei klug, und lade
Sie nicht auf dich, vertrau' des Königs Gnade!«

Boëthius bot lächelnd nun zum Scheiden
Die Hand dem Freund, und blieb allein noch lang
Versunken in Gedanken: »Von uns Beiden
Gehst du, der Klüg're, hoch an Amt und Rang,
Der Sonne zu; ich – könnt' ich es vermeiden! –
Ich folg' nur ihr, wie mir, zum Untergang.
Doch sei's, vor keinem Worte will ich scheuen,
Es soll, wer mich nicht hören will, bereuen.«

Geräusch von Waffen und Gestampf von Rossen
Erweckt' ihn, und an ihm vorüber sprengt
Der Gothenkönig, welchen dicht geschlossen
Ein reiches Jagdgefolge bunt umdrängt.
Die Jahre hatten, die seitdem verflossen,
Sein dunkles Haar mit lichtem Grau durchmengt,
Doch flog noch immer in die Fern und Nähe
Sein Feuerblick mit eines Adlers Spähe.

Sein Wuchs war gleich erhaben als gedrungen,
Und wie aus Tannen ragt ein Fels im Thal,
So überragt' er Alle, hell erklungen
War um ihn her der Hörner froh Signal.
Der stolze Hengst, auf den er sich geschwungen,
Bäumt sich voll Feuer, Gold und blanker Stahl
Bedeckt den Harnisch, der ihn schmückt, zur Seite
Und hinter ihm drängt sich sein Jagdgeleite.

Man sieht die Jüngeren der Jagdgenossen,
Die Einen mit dem Eisenspeer bewehrt,
Die Anderen mit Netzen und Geschossen,
Und Allem, was zur hoben Jagd gehört.
Ihm rechts, vom Witwenschleier noch umflossen,
Kommt jetzt Amalasuntha, hochgeehrt
Als seine liebste Tochter, reich Geschmeide
Ziert ihre Stirn', und prangt auf ihrem Kleide.

Den Falken trägt ihr Edelknab' und breite
Wurfspeer', den Pfeil und Köcher hält ihr Mohr.
Der jungen Wittwe Eutarichs Geleite
Ist einerseits ein junger Mädchenchor,
Ein Trupp Gewaffneter zur andern Seite.
Sie sieht mit Lächeln, wie bald nach, bald vor,
Der Andern Rosse, knirschend in den Zäumen,
Ihr eignes Pferd umtanzen und beschäumen.

Ein Rehfell, einst ein Ruhbett der Dryaden,
Hängt als die Decke um ihr Pferd herab,
Um ihre Schultern weht am Silberfaden
Die Chlamys leicht, sie reitet keck im Trab;
Ein purpurner Kothurn umschließt die Waden,
Sie scheint Diana mit dem Thyrsusstab,
Und eine Goldagraff' mit breiter Schließe
Schmückt ihre Brust, gleich einem goldnen Vließe.

Gedräng des Volks umgibt mit frohem Rufe
Den Zug von Straß' zu Straße bis zum Thor,
Die Neugier drängt sich zu bis an die Hufe,
Wer aber reich und mächtig, stellt sich vor,
Und zitternd an der Kirchthür' grauer Stufe
Hält noch der Bettler seine Hand empor –
Der Schiffsherr, Fischer, Käufer, Landmann – Alles
Freut sich des bunten Zugs, des muntren Schalles.

Entging dem Blick des Königs die Gestalt
Des Römers, der an einer Mauerecke
Gelehnet stund, von dichtem Staub umwallt?
Vorüber sprengt an ihm der Gothenrecke,
Fort in den Pinienhain. Das Hüfthorn schallt,
Der Wurfspeer saust, und über Busch und Hecke
Verfolgt den Hirsch die Jagd, bis Mittag bald
Zur Ruhe winkt in Mitte von dem Wald.

Hier streckt man sich zum Schlummer oder Mahle
Auf Decken, über Moos gebreitet, aus,
Und Diener füllen reiche Weinpokale,
Dort wölbt zum Dach sich eines lichten Bau's
Der Zweige Grün, und in dem Sonnenstrahle
Dazwischen sprühn die Funken hellen Thau's,
Von fernher wechselt mit dem Hörnerklange
Ein Nymphenchor in lieblichem Gesange.

Den Ruheplatz zu seiner Mahlzeit hatten
Die Diener für Theodorich gewählt
Am Fuß des Eichbaums, unter dem im Schatten
Einst Armins Sohn geruht – so ward erzählt –
Auch ließ ihn hier der Kaiser Roms bestatten,
Den Fechter und Gefangnen. Losgeschält
War hier für Runenschrift ein Stück der Rinde,
Daß einst die Nachwelt dieses Grab noch finde.

Hier hatte früh schon beim Vorüberzuge
Nach Rom der Deutschen Heerbann Halt gemacht,
Und Opfer hatten Heruler und Ruge
Dem Sohne des Cheruskers dargebracht,
Und ihre Priester hatten zu dem Fluge
Der Raben aufgeblickt; vom Schmerz entfacht
Um sein Geschick, war hier im Laut des Norden
Der Schwur der Rache oft erneuert worden.

Doch frohen Muths und gütig hub zu sprechen
Der König an: »Man sieht hier zauberhaft
Das Sonnenlicht durch's Grün der Zweige brechen,
Es ist als schlief's in dieses Dunkels Haft.
Jetzt da wir bei dem Klang der Hörner zechen,
Gemahnt mich's, wie ich einst in Jugendkraft
Den Ur gejagt, und durch die Alpenklüfte
In Höhlen drang, der Drachen Felsengrüfte.

Das war auf unserm Zug durch jenes rauhe
Und öde Bergland, eh' man kommt ans Meer,
Entgegen warf uns wildes Volk Verhaue,
Und stritt von Höh'n herab mit meinem Heer,
In jenen Höhlen aber barg das schlaue
Sein vieles Gold, ich hob mit meinem Speer
Die Drachenhaut davon, und nahm die Beute,
Den reichen Schatz für mich und meine Leute.

Oft hörten wir das fliehende Getappe
Des wilden Volks bei Nacht im Wald, am Strom,
Oft war mir auch, in seiner Nebelkappe
Am Felsrand sitzen sähe ich den Gnom,
Und scheu und schaudernd bäumte sich mein Rappe.
Doch solche Dinge sind wohl nur Phantom,
Und jeden Glauben an die Welt der Heiden
Gebeut das Wort des Christenthums zu meiden.«

»Doch hab' ich selbst, daß Götter sind, erfahren,«
Sprach Vitigis, der bei dem König stund.
»Wie?« rief Theodorich, »die Unnahbaren,
Die sahest du? Wie das geschah, gib kund!«
Der Gaugraf sprach: »Es war in jenen Jahren
Nach Odoakers Sturz, als wir von Grund
Und Boden seines Reichs Besitz genommen,
Da waren wir einst in ein Thal gekommen.

Wir hatten scharf den Tag hindurch geritten
Und hielten Rast; schon drang die Nacht herauf,
Da liefen Diener auf uns zu mit Bitten;
Zu plündern droh' ein wilder Rugierhauf
Das Landgut ihres Herrn. ›Wenn wir das litten,
Das wäre Schmach,‹ rief ich, ›führ' uns hinauf
Nach eurer Villa, und kein Höllendrache
Soll sich ihr nahn, so lang als ich halt' Wache.‹

Wir kamen aus dem Wald, und bald zum Rande
Des Hügels, über dem die Villa lag,
Auf einmal stieß auf uns die Rugierbande,
Doch statt zum Kampfe, kam es zum Vertrag.
Bedroher und Beschützer – o der Schande!
Beschlossen hier zu theilen den Ertrag
Der Plündrung und des Raubs. Mein Widerrathen
Verhallte vor der Gier nach Uebelthaten.

Da schlich ich mich auf einem Nebenpfade,
Zu warnen, nach der Villa hin. Ich ging
Hinein durch Garten, Atrium, Arkade,
Doch sah ich niemand, der mich da empfing.
Jetzt hört' ich Lyraklang, mir war, als lade
Ein Himmelsruf mich ein, um Säulen hing
Ein Vorhang; als ich ihn zurückgeschoben,
Wie ward mir, war ich zum Olymp erhoben?

Auf Polstern lagerten in schöner Runde
Die herrlichsten Gestalten, Aetherglanz
In ihrem Blick, und Lächeln auf dem Munde,
Um ihre hohen Stirnen Band und Kranz.
Ich sprach, sie hörten meine bange Kunde,
Doch störte nicht ein Wink den Reigentanz,
Den um die Tafel holde Grazien schlangen,
Wobei sie wunderbare Rhythmen sangen.

Sie riefen freundlich mir zu nahn, und boten
Mit hoher Anmuth, sanfter Würde mir
Von ihrem Feuerwein, von ihren Broden:
›Flieht,‹ rief ich, ›rettet euch!‹ Sie sagten: ›Wir?‹
Indem sie scherzend mit dem Finger drohten,
Als wären sie allein, und herrschten hier;
Schon aber füllte jetzt mit lautem Schalle
Der wüthenden Gefährten Lärm die Halle.

Sie stürmten ein, verhöhnend alle Sitte,
Die Mädchen kosend, die sie sich geraubt;
Nun aber hob der an des Tisches Mitte,
Der Götterkönig, sein ambrosisch Haupt,
Und sieh, da nahn, erst mit gemessnem Schritte,
Dann wild und wilder, Satyrn, rebumlaubt,
Die Stäbe schwingend, fordern sie zum Kampfe
Die Plündrer auf mit ehernem Gestampfe.

Von hier, von dort, aus jeder Ecke springen
Gestalten vor. Die freche Räuberschaar,
Erschrocken erst, beginnt nun einzudringen,
Und schon färbt Blut den Estrich, Schlangenhaar
Steigt auf, und Fackeln sieht man schwingen
Die Weiber, die des Orkus Nacht gebar;
Betäubt, entsetzt weicht Alles jetzt den Flammen,
Und drängt sich, taumelt, flieht, und stürzt zusammen.

Wer niedersank, wer fortgezerrt, gebunden
Sich sah zum Wald, zur Schlucht hinabgeschleift,
Ward vom Gerank des Epheus dort umwunden,
Wie zum versteinerten Gebild. ›Ergreift, ergreift!‹
Rief's durch die Schlucht, dann scholl Gebell von Hunden,
Und durch die Lüfte kam herangeschweift
In langem Zug ein Heer mit Speer und Bogen
Auf Pferden, die mit Sturmeshufen flogen.

In dem, der Allen ritt voraus, erkannte
Mein Auge dich, wenn mich kein Scheinbild trog,
Dich Herr. Ha! wie um dich die Lohe brannte,
Dein Rappe schnaubend durch die Lüfte flog;
So sah ich's – ja,« schloß Vitigis. Da wandte
Theodorich sein Haupt nach ihm. »Ich zog,«
Begann er drauf, »vor manchem wilden Heere,
Und durch die Luft hin sausten meine Speere.

Ich möchte wohl, anstatt im Todesschlafe,
Statt Moder bleiben bis zum Auferstehn –
Gilt's frommen Seelen gleich als eine Strafe –
Doch ewig jagen mit der Stürme Wehn.
Der abgeschiedne Schatten ist der Sklave
Der hier begangnen, irdischen Vergehn;
Dem Feigen Ruh', mir aber Krieg und Jagen
Auch nach dem Tod, und alles kühne Wagen.«

Da seufzte tief auf Vitigis: »Ach zöge,
Mein König,« sprach er, »doch dein Heldengeist
Noch vor dem Volk, wie vordem, wieder flöge
Das Schlachtenbanner, das dich sonst umkreist',
Jetzt klagt man, daß ein Römer mehr vermöge
Als hundert deiner Gothen; ja, es heißt,
Du wollest ganz uns für gering erachten,
Und dich allein als Römerherrn betrachten.

Der Stolz, daß wir die Sieger sind im Lande,
Dieß Hochgefühl ist längst in uns erdrückt,
Wir werden überall gezähmt durch Bande,
Und die Besiegten stehen da, geschmückt
Mit Ehr' und Huld, und lassen uns die Schande.
Beständig ist nur gegen uns gezückt
Das Schwert der Strafe; Gunst theilst du in Menge
Den Römern aus, für uns hast du nur Strenge.«

Theodorich erwiderte: »Bedenke,
Wie arm der Heiland auf der Erde ging,
Und seine Priester tragen Goldgehenke.
Vergaßet ihr, wie viel mein Volk empfing
Von diesem Land Italien zum Geschenke?
Wenn ich das Schlachtschwert von der Seite hing,
So war es darum, weil ich's oft geschwungen,
Und Alles, was ich wollte, nun errungen.

Ihr legt auf Marmor eure Bärenhäute,
Ihr trinkt aus Gold den Wein; ihr jagt und hetzt
In Lorbeerwäldern, wollt ihr noch mehr Beute?
Ich hab' der Siegeswuth ein Ziel gesetzt,
Ich will, daß Rom, so wie es einst sich freute,
Auch wieder fröhlich sei und glücklich jetzt,
Und daß der Sieger des Besiegten schone,
Und Beide seien gleich vor meinem Throne.«

»Der Schlange,« rief der Gaugraf aus, »mißtraue,
Die Römer hassen uns, Theodorich!
Bei diesem Baum, wo ewig niederthaue
Das Blut Thumelicos, beschwör' ich dich!«
»Ach,« sprach Theodorich, »ich kenn' die Schlaue
So gut wie du, doch scheut die Arge mich,
Und würde gegen mich die Schlange klagen,
Ich dürft' ihr nicht Gerechtigkeit versagen!«

Indem er's sprach, vernahm man einen Schrei,
In seine Arme sank die Tochter blutend,
Und Alles sprang und drang bestürzt herbei,
Man sah vom Arm die rothe Welle fluthend.
Und sieh' da, einen Römer brachten Zwei
Durch's Dickicht her, als Mörder ihn vermuthend,
Und Andre einen Dolch, der, wie es schien,
Geschleudert ward, und nach dem König hin.

Verband ward angelegt, aus Aest' und Zweigen
Ward eine Bahr' gefügt; die Jagd, die froh
Am Morgen ausgezogen, kam in Schweigen
Und Trauer heim. »Seht,« sprach der König, »so,
So lohnt Italien mir! O diese feigen
Verschwörer! Doch, ich weiß es, irgendwo
Wird Meuchelmord als heil'ge Pflicht betheuert,
Und laut zu solchen Thaten angefeuert.

So wird es mir gedankt, daß Recht und Friede,
Daß Wohlfahrt blüht und Sicherheit im Land!
Zwar sollt' ich's wissen, vor des Zeus Aegide
Erbeben die Gestürzten, doch die Hand
Ist stets darauf, daß heimlich sie was schmiede.«
»Der Bösewicht,« sprach Vitigis, »gestand,
Daß Senatoren, redefert'ge Zungen,
Zu dieser Unthat seine Faust gedungen.«

»Wohl,« sprach Theodorich, »durch kranke Glieder
Muß ein gesunder Leib zu Grunde gehn,
Weil ich es bin, der ihre Städte wieder
Aus Asche hieß zu altem Glanz erstehn,
Daher ihr Haß. Es drückt die Menschen nieder,
Wenn größrem Dank sie sich verpflichtet sehn,
Als ihr Gefühl erträgt. Das spornt nur grimmer
Die schwarzen Seelen, macht sie nur noch schlimmer.

Doch dießmal ist der Anschlag nicht gelungen,
Dem Himmel Dank, die Wunde wird geheilt.«
Der König sprach's, und hatte sich bezwungen,
Er schreitet zum Gerichtssaal, und ertheilt
Befehl und Rath, von Schaaren Volks umrungen.
Die Thüren öffnen sich, und wen ereilt
Sein erster Blick? Boëthius, der mit Mienen
Voll Schmerzes als Vertheidiger erschienen.

Die Beiden sahn sich an, wie wenn zwei Gegner
Noch zögern mit dem Anbeginn der Schlacht,
Erwägend, wer von Beiden überlegner.
Da schlich ein Freund sich zu Boëthius sacht,
Und flüsterte ihm zu: »Hab' Acht, Verwegner!
Es ward ein Mordversuch auf ihn vollbracht,
Er ist auf uns erzürnt, und du willst's wagen,
Ein Wort noch für Albinus hier zu sagen?«

Boëthius stund auf und sprach: »Nur Worte
Hab' ich für den, der hier um Hochverrath
Beschuldigt ist, für den des Kerkers Pforte
Sich öffnen soll, erst wenn der Tod ihm naht.
Doch sprech' ich's aus, es hör's auch die Cohorte
Der schmählichen Verleumder, seine That
Ist meine; gilt er schuldig, so sind alle
Wir Römer sämmtlich in dem gleichen Falle.

Doch wo sind Zeugen, wo der Schuld Beweise?
Wo zum Verbrechen, sprecht, nur ein Versuch?
Er schrieb ein Buch, ein Buch sagt ihr, zum Preise
Der Republik, und sandte dieses Buch
Dem Kaiser von Byzanz, und ihm, dem Greise,
Wird daraus ein Verbrechen? Welch ein Fluch
Auf Manneswürde! Nein, ihr müßt gestehen,
Und wär' es so, es wäre kein Vergehen.

Er sann, die Freiheit wieder herzustellen,
Ha! wer hegt nicht den gleichen Wunsch, wem pocht
Das Herz nicht laut, wer fühlt's nicht zornig schwellen
Bei dem Gedanken; ja, wir sind gejocht;
Allein den Muth der Freiheit, den zu fällen
Hat doch der fremde Sieger nicht vermocht!
Noch macht nicht das Gefühl der Schmach so mürbe,
Daß man nicht, statt zu dulden, lieber stürbe.

Ja, Gothenkönig, schmiede tausend Ketten!
Laß alle Kerker öffnen, jede Hand
Entwaffnen, keine rühr' sich mehr, zu retten
Das arme, das erdrückte Vaterland,
Nein! höchstens sich ein Grab darin zu betten!
Doch nie wird ganz der leise Widerstand,
Der überall emporblitzt, nie auf Erden
Wird aller Freiheitssinn vernichtet werden!«

Theodorich fuhr auf: »Zu viel, Beredter,
Zu viel hast du gesagt; war ich ein Thor
Und hört' nicht, daß ihr über mich schriet Zeter!
Ich hab' auf euch vertraut, doch ich verlor –
Seitdem ihr hofft, daß eurer Freiheit Retter
Ein Meuchelmörder sei. Bringt ihn hervor!
Deß That Boëthius, und deine Reden stehen
In seltnem Einklang, mußt du's nicht gestehen?«

Boëthius sprach kein Wort, er blickte düstern
Und starr auf den Gebundnen todtenblaß,
Und über seine Lippe kam ein Flüstern:
»Es ist mein Bruder, ach!« Er sah den Haß
Der Gothen nach dem Blut des Jünglings lüstern,
Und sprach: »Ja, ich bin schuldig, Herr, erlaß
Dem Kind die Strafe; die den Dolch geschwungen,
Die Faust war nur von mir dazu gedungen.«

»So büß' im Kerker du für ihn, ich gebe
Den Knaben frei!« Der König sprach's; um ihn
Erhoben tausend Schwerter sich, »es lebe
Der König!« und die Gothen alle schrien:
»Der König lebe! Auf! für ihn erhebe
Der Gothe stets die Waffen!« Jetzt erschien
Amalasuntha, bleich, den Arm in Schlingen,
Und jubelnd wieder schwangen sie die Klingen.

Mit einem Blick des Staunens und der Strenge
Betrachtete den Römer sie, der groß
Und stolz erschien, allein vor einer Menge,
Wo jedes Antlitz Zorngluth nach ihm schoß.
Sie sah wohl, daß ihn keine Furcht beenge,
Ihr Rachgefühl, ihr Hasseseifer floß
In Mitleid über; ja Bewundrung regte
Sich um den Mann, den man in Fesseln legte.

Ihr Blick war nicht dem Vitigis entgangen,
Er sah das Leid durch ihre Seele gehn,
Und sprach zum König: »Wie mir scheint, verlangen
Die Gothen seinen Tod; was soll geschehn?«
Theodorich rief aus: »Er bleibt gefangen
Für's Erste noch, ich will ihn nicht mehr sehn.
Zu tief hat dieser Mann mein Herz, mein Streben,
Zu tief gekränkt, ich kann ihm nicht vergeben.

Ich muß nun wohl vor ihm, dem ich vertraute,
Erröthend dastehn, denn ich bin ein Kind
Vor ihm, der klüglicher die Welt durchschaute,
Der besser wußte wie die Dinge sind.«
Er rief's und lachte, daß den Seinen graute,
So wild und grimmig. »Führt mich, ich bin blind,
Kommt oder laßt uns betteln, und bei Jenen,
Die reich durch uns geworden, Gold entlehnen!

Recht wollt' ich, Thor, es Allen machen,
Ich Sünder, ich vermaß mich über Gott;
Vom Hochmuth voll, vom Gift des alten Drachen,
Das mir ins Blut die Gluth der Hölle sott.
Lacht nur, lacht, daß die Todten auferwachen!
Verfallen werd' ich noch dem Kinderspott!
Doch halt, was Bess'res laßt uns ausersinnen,
Seht, jener Kirche fehlen noch die Zinnen!

Hinauf dort, wenn ich starb, bringt meine Leiche!
Setzt mich dort oben bei im Sarkophag,
Daß mich kein Hauch der Menschen mehr erreiche,
Daß ich dort hoch ob Allem ruhen mag,
Wo nur der Sturm, der Blitz mit hellem Streiche,
Mein Grab besucht, und wo am Frühlingstag
Ein Vogel sich mit leichten zarten Schwingen
Darüber setzt, um mir sein Lied zu singen!«

So sprechend trat er zu dem Tempelrund,
Und hieß die Meister eine Kuppel bauen
Aus Einem Stein, und auf den Stein den Grund
Des Sarkophags. Als aber dann das Grauen
Der Nacht die Welt umfing, und leuchtend stund
Der Mond mit Trostesglanz im Aetherblauen,
Da zum Boëthius hinunter stahl
Sich in des Kerkers Nacht sein milder Strahl.

Im Geist noch immer um den Weltgedanken,
Und bei den Sternen, die er nicht mehr sah,
Ward ihm die Feder Schwinge, die aus Schranken
Von Raum und Zeit ihn trug; wohl frug er da,
Warum allein die Menschenloose wanken,
Warum mit ihm, der doch den Göttern nah,
Die Unbeständigkeit, der Zufall schalte,
Da sonst doch überall nur Ordnung walte?

»Ich war dein Narr, Theodorich, ich prahlte
In meinem Dünkel mit dem hohen Glück,
Daß lange Zeit mich deine Gunst bestrahlte,
Doch etwas hielt ich streng in mir zurück,
Dem ich Tribut von jeder Freude zahlte,
Den nach dem Tod gewandten innern Blick,
Und endlich ist er nun so weit gedrungen,
Daß er den Kerker sieht, den er bezwungen.

Sieg' nun, Theodorich, sieg'! Deine Sünde
Schließ ganz Italien in dein Lehen ein,
Entwaffne, lösche Lichter, oder zünde
Brandfackeln an, die Welt ist dein allein.
Rom wog die Schatten, zähle du die Gründe;
Denkweihe war Roms Gang, sein Grab ist dein;
Mich, wenn ich dieser Gruft entfliehen werde,
Mich decken Söhne zu mit Heimatherde.«

Er schwieg, denn plötzlich schien ein Licht erglommen,
Und vor ihm stund, täuscht ihn kein Sinnenwahn,
Amalasuntha. »Ja, ich bin gekommen,«
Begann sie, »weil ich wissen muß – sag' an –
Ist's wahr, was wir aus deinem Mund vernommen,
Hast du die Hand gelenkt, die das gethan?
Hast du, kaum glaub' ich's, Römer! du gedungen,
Den Meuchler, der den Dolch auf uns geschwungen?«

Boëthius lächelte, »glaubt ihr, ich habe
Mit Summen ihn erkauft, da irrtet ihr!
Entflammt von meinen Worten schritt der Knabe
Zu solcher That; ihn spornte die Begier,
Das Vaterland zu retten; ich, so nah dem Grabe,
Sprech' Wahrheit – so nur ist die Schuld an mir,
Daß ich's war, der in ihm das Feuer hegte,
Das ihn zu dieser raschen That bewegte.«

»So dacht' ich mir's, so hab' ich dich verstanden,«
Sprach sanft Amalasuntha, »danken wir
Dem Himmel, daß wir uns im Geiste fanden.
Der Tod erwartet dich, was ist er dir?
Nur ein Erlöser aus der Erde Banden.
Das Leben, ach! was ist es künftig mir?
Leb' wohl! unmöglich ist es, dich zu retten,
Doch meine Thräne brennt auf deinen Ketten.«

Sie sah noch einmal um, und auf den Stufen
Des Kerkers blieb sie stehn. Boëthius rief:
»O Königstochter, du zum Thron berufen,
Zur Herrschaft über dieses Volk, so tief
Erniedrigt, das zu Größ'rem Götter schufen,
Erwirke du dereinst den Gnadenbrief,
Daß diese Stunde dich für ewig kröne,
Den Gnadenbrief dereinst für meine Söhne!«

Sie nickte sanft, und schwand hinweg mit leisen
Und raschen Schritten. Gleichen Tags den Tod
Erlitt Boëthius, den Tod des Weisen. –
Theodorich bereute. »Ach, als ein Despot
Mußt' ich mich an dem besten Mann erweisen!
Zur Nacht, die jetzt mich zu umfangen droht,
Dringt kein belehrend Urtheil mehr, ich höre
Mein Echo nur durch tausend Mißtonchöre.«

Und Schwermuth ging nun mit dem König schlafen,
Die Reue machte seinen Panzer schwer,
Er zuckte, wenn ihn Kinderaugen trafen,
Die Reue ging beim Jagen vor ihm her.
Sein Heer nicht, seine Flotte nicht im Hafen,
Kein Lied erfreute ihn, kein Spielball mehr.
Mit nassen Augen sah er in den Becher,
Die süßen Perlen hießen ihn Verbrecher.

Der Mundschenk und die stolzen Marschälle
Bemühten sich umsonst um seinen Muth,
Sie brachten ihm den schönsten Fisch der Welle,
Der Fisch bekam dem Könige nicht gut.
Er starrte auf den Tisch, und auf der Stelle
Bemächtigte sich seiner eine Wuth:
»Was! bringt ihr mir den Kopf des Philosophen?
Hinweg mit ihm, fort in den Feuerofen.«

Des Fisches Augen, die wie Glas erschienen,
Die weißen Kiefern mit verbißnem Zahn,
Sahn ihn beständig mit des Todten Mienen
Des Tages, und des Nachts in Träumen an.
Die Fische wurden Nixen auf Delphinen,
Die glotzend aus bewegter Welle sahn,
Sie sangen den Erkrankten, bleich und hager,
In Fieberschauer, und aufs Krankenlager.

Und eines Tags, in Schluchzen und in Klagen,
Lag im verwaisten Gothenkönigshaus
Amalasuntha bei des Vaters Schragen,
Der Leichnam wurde vom Palast heraus,
Hinauf, und in den Porphyrsarg getragen
Zur Kuppel des erhabnen Säulenbau's.
Des Nachts versuchten brausende Walküren
Den Helden aus dem Steinsarg zu entführen.

Sie hätten nach dem Spruch der Schicksalsschwestern,
Der Nornen, ihn nach Walhall gern gebracht,
Allein der Todte lag in einem festern
Und stärkern Bann – die Engel hielten Wacht.
Und Morgens bauten Schwalben an den Nestern,
Vom Steine des Gewölbes überdacht.
Amalasuntha aber saß voll Trauern
In des Palasts, ihr nicht mehr eignen Mauern.

Sie boten ihr nun nicht mehr für die Süße
Der edleren Beschäftigung Asyl.
Verschlafne Augen, taumeltrunkne Füße,
Am Tag die Armbrust, Nachts das Würfelspiel,
Das waren ihr die Spät- und Morgengrüße
Der gothischen Vasallen, Alles fiel
Und wich von ihr, und höhnte ihrer Schwächen,
Und Niemand war, der's wagte sie zu rächen.

Auch Glanz und Vorrecht ihrer Krone gingen
Zu stärkeren Beleidigern, das Ansehn wich,
Der Königin Entschluß und Wille hingen
Am Mit und Für, am Für und Wider sich.
Geschenke, die die Mächtigen empfingen,
Verdarben nur noch mehr, und bitterlich
In Thränen brach die Aermste aus und klagte,
Als Vitigis einst vor ihr stund und sagte:

»Vertraue mir, o Königin, ich biege
Die stolzen Häupter, die so trotzig drohn,
Zwar nicht von hoher Abkunft, doch im Kriege
Bewährt bin ich; vertrau' mir deinen Sohn,
Und dich, vor der ich auf den Knie'n hier liege.
Im Staube hier vor deinem Himmelsthron.
Hab' ich zu viel gewagt, um dich zu werben,
Wiss', daß ich leben will für dich und sterben.«

Amalasuntha sprach mit hoher Güte:
»Des Tapfern, und ich kenne dich als den,
Bedarf ich nicht bei Hof, geh' und behüte
Das Gränzland; nein! ich heiße dich nicht gehn
Von meinem Antlitz, nein! doch mir erblühte
Nur einmal Liebe, frage nicht für wen,
Denn er ist todt, und nie in allen Tagen
Wird dieses Herz mehr einem Andern schlagen.«

»Leb' wohl,« sprach Vitigis, sich stolz bezwingend,
Und sie bot lächelnd ihm die Hand, gefaßt,
Doch kaum in sich die Thränen niederringend,
Und ihres Herzens kummervolle Last.
Dann ihren Sohn Athalarich umschlingend,
Begann den Knaben sie mit banger Hast
Um dieß und das, was er gelernt, zu fragen,
Nicht ohne seine Trägheit anzuklagen.

Und ängstlich wieder lauscht sie; schwere Schritte
Erschallen durch den Gang, was muß sie sehn?
Zwei Große ihres Reiches nahn, in Mitte
Des Saales bleiben sie mit Lächeln stehn:
»Amalasuntha heischt nur Römersitte
Von ihrem Sohn! So darf's nicht länger gehn!
Athalarich ist erst im achten Jahre,
Und neigt sich schon, und neigt sich schon zur Bahre.

Amalasuntha, welchem Mißgeschicke
Wird der begegnen, der beim Buch verdorrt?
Denk' an Theodorich, blick' auf, und schicke
Die müden Greise, seine Lehrer fort!
Nur Waffen reizen eines Jünglings Blicke,
Nicht weiser Rath, und ein gelehrtes Wort.«
So sprachen zu der Fürstin die Vasallen,
Und hetzten ihre Hunde durch die Hallen.

Doch sie entgegnete voll Zorns: »Beweise
Der Stärke geb' mein Sohn einst eurem Hohn;
Theodorich, ich denk' an ihn, war weise,
Ich will sein Haupt dir aufbewahren, Sohn!
Ein mächtiges Geschöpf ist die Ameise,
Sie baut sich Weihrauchhügel, Ihr, der Drohn'
Der trägen gleich an Geist, ihr starken Hummeln,
Ihr habt nur Lust an Lärm und Rossetummeln!«

Mit Strenge rief sie's, doch ihr Geist erblickte
Mit Sorge der Empörung dräuend Nah'n,
Es wich ihr Muth; die Gothenfürstin schickte
Zum Griechenkaiser, zu Justinian,
Sie bat um Hilf' und Rath. Der Grieche nickte,
Sie bot ihm ja dafür Italien an.
Schon war das Schiff für ihre Flucht gekommen,
Als sie verrathen ward, und festgenommen.

Es ist ein See in Tuscien, der Volsiner,
Ein Fels im See, und rings blühn Wiesen bunt,
Ein Thurm noch aus den Zeiten der Sabiner
Ragt auf dem Fels, die Welle braust tiefunt',
Hier festgehalten ward mit Magd und Diener
Die Gothenkönigin Amalasunth',
Und ihrer Wächter streng und rauh Gebahren
Ließ sie, was ihr bevorstund, bald gewahren.

Nicht weit davon ist auch ein Feld gelegen,
Wo Pferde weiden, und ein Fluß quillt dort,
Den Erlgebüsch' und Weidenbäum' umhegen,
Man sieht auf's Meer hinaus, und weiter fort
Auf Inseln und Gebirg; die warmen Regen
Befruchten jedes Jahr, wenn lang verdorrt
Die Weide lag, das Gras in Frühlingstagen;
Es ist ein Platz zum Zelt- und Lagerschlagen.

Die nun auf diesem Feld zusammentraten,
Die Gothen riefen aus: »Die Königin
Amalasuntha hat das Reich verrathen,
Es sei dem Vitigis fortan verliehn,
Denn Vitigis ist stark und kühn zu Thaten!«
Einmüthig laut, den Schild auf ihren Knie'n,
Vollzogen sie die Wahl. Nicht mit Frohlocken
Vernahm es Vitigis, nein, hocherschrocken.

»Ein Vorwand und ein Arm ist leicht gefunden,
An einem Haupt die Strafe zu vollziehn,
Das schon gerichtet ist, und schon umwunden,«
Sprach Vitigis: »O meine Königin,
Ich rette dich!« Und schon nach wenig Stunden
Erreicht er den Volsiner See, ihm schien,
Vom Ufer aus erblick' er auf und nieder
Das Flackern eines Lichts; erlosch es wieder? –

Es ist kein Boot da, das ihn überführe,
Er stürzt sich in die Fluth mit Wehr und Roß,
Schwimmt durch, und donnert an die Eisenthüre:
»Auf! Euer König!« Und er tritt ins Schloß,
Da lag, um ihren schönen Hals die Schnüre,
Amalasuntha todt, erwürgt, rings Troß
Und Kriegsschaar, und sie lag in Badetücher
Gehüllt, und Schriften um sie her und Bücher.

Der Thurm der Königin der Gothen
Ist längst versunken im Volsiner See,
Auf dunkler Welle wiegt sich bei den Booten
Die träge Wasserlilie, weiß wie Schnee;
Die Biene, kommt sie zu den Meliloten,
Enthaucht den Kelchen oft ein leises Weh,
In Wipfeln rauscht, und um den Rest der Mauer
Ein Klageton und eine sanfte Trauer.


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