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Sechzehntes Kapitel.

Friedrich hatte versprochen den Scheidenden bis zu der ersten Station zu begleiten, bis zu welcher der Wagen seines Vaters ihn bringen sollte. In der schönsten Sommerfrühe brachen sie auf. Die Sonne funkelte ihnen entgegen, als sie das Thor verließen und in's Freie blickten, aber ihre Herzen waren beklommen und sie sprachen wenig. Wie sie dann die kleine Schenke erreichten, in der sie sich zuerst gesehen hatten, erinnerte Georg den Freund an ihr damaliges Begegnen.

»Ich habe mich selbst schon daran mit einer eigenthümlichen Empfindung erinnert;« antwortete ihm Friedrich. »Es war einer der bittersten Tage meines Lebens! Die Zeit ist vorüber gegangen, der wilde Schmerz, welcher mich damals bewegte, hat sich in Trauer aufgelöst. Ich bin ruhig geworden, indeß eine rechte Freude habe ich nie wieder gekannt.«

Georg sprach ihm seine Verwunderung darüber aus, und fragte dann plötzlich: »Sage mir offen, liebst Du Helene denn noch immer, obschon sie Dir seit so langen Jahren verloren ist?«

Friedrich schwieg eine Weile, dann sprach er: »Ja! ich liebe sie noch! – Das mag Dir sonderbar scheinen, und doch ist es so. Ich müßte ja ein Thor sein, hegte ich noch Wünsche und Hoffnungen in Bezug auf sie! das ist Alles längst begraben, aber – –«

»Aber?« fragte der Andere.

»Sie ist für mich so unvergleichlich, sie steht so einzig in meiner Erinnerung da, daß ich, so oft ich an Liebe, an Ehe denke, immer an Helene denken muß, und daß kein anderes Weib mir jemals einen lebhaften Eindruck zu machen vermocht hat!«

»Und Du hast also nicht vor, Dich einmal zu verheirathen?«

Friedrich sah ernsthaft vor sich hin. »Daran habe ich sogar oft gedacht und besonders seit in mir der Plan feststeht, auf's Land zu gehen. Indeß ich müßte mir wirklich eine Frau suchen, wie man eine Magd auswählt. Von allen Mädchen, die ich kenne, zieht mich keines an. Sie sind eben Alle nicht Helene!«

In diesem Augenblicke hatten sie einen Zug junger Handwerksgesellen überholt, die singend einem Fortwandernden das Geleite gaben.

Es war ein kräftiger schlanker Gesell, und so munter er auch in das Wanderlied mit einstimmte, so konnte man ihm doch an den Augen ansehen, daß er geweint hatte.

»Werft Euren Ranzen in den Wagen!« rief Georg ihm zu, nachdem er dem Kutscher zu halten befohlen; »bis zur nächsten Station kann ich ihn mit mir nehmen!«

Solches Vorschlages ungewohnt, stutzten die Gesellen, und der Wanderer schien nicht zu wissen, was er aus der Sache machen sollte. Georg merkte das.

»Das Herz kann ich Euch nicht leicht machen,« rief er, »aber den Rücken frei für eine Stunde! Ich habe heut' früh auch Abschied genommen und weiß, wie's thut! Also wollt Ihr oder wollt Ihr nicht?«

Die Gesellen sahen sich unter einander an und lachten. Das Behaben des jungen Mannes gefiel ihnen sichtlich, dennoch zögerte der Angeredete und sagte endlich: »Schönen Dank, Herr! ich kann's wohl selber tragen! aber schönen Dank!« Dann trat er zurück, die Genossen umringten ihn wieder, Georg rief ärgerlich: »Fahr zu!« und die Gesellen sangen hinter ihnen her ihr fröhliches:

»Es und es und es,

Es ist ein harter Schluß!

Daß und daß und daß.

Ich aus dem Städtchen muß!

Was Liebliches kaum halt' ich dort

Mir angeschafft, da mußt' ich fort

Und muß den Schatz verlieren,

Marschiren!«

Georg war verstimmt, sein Freund merkte es und lächelte.

»Weshalb lachst Du?«

»Weil Du Dir ein Reisekostüm zurecht machst!«

»Was heißt das?«

»Du fühlst Dich von den Banden, die Dich bisher drückten, plötzlich befreit, bist nun ganz sicher, nicht mehr von irgend einem Commando zu leiden, und setzest Dich gleich bei Deinem ersten Schritte in die neue Welt als Verkünder der Brüderlichkeit und Gleichheit zurecht, und zwar ganz als Cavalier!«

»Von Dir begreife ich diesen Spott nicht, Friedrich!«

»Und doch müßte er Dir grade von mir, da Du mein äußeres und mein inneres Leben kennst, sehr erklärlich scheinen. Weshalb soll man sich von dem ersten Besten beglücken lassen, wenn man es nicht nöthig hat?«

»Gestehe wenigstens, daß die arbeitenden Stände mißtrauisch sind!«

»Das hat mir Erich auch einmal gesagt, als ich mich weigerte von den Deinen für meinen kranken Vater Unterstützung anzunehmen; aber Ihr seid in einem vollkommenen Irrthum. Der Handwerker, den sein Ränzel drückt, wird es nicht ablehnen, wenn ein Anderer, der neben ihm hergeht, ihn fragt: ›Kann ich helfen?‹ Kein Armer weigert sich von seinem armen Nachbar Beistand zu empfangen, denn unter ihnen herrscht die Gegenseitigkeit, die, ohne gleich den Dank abtragen zu wollen, sicher ist, früher oder später den geleisteten Dienst vergelten zu können. Ihr aber behandelt, wenn Ihr gut gelaunt seid und großmüthige Anwandlungen habt, den Arbeitenden als einen Bettler, der froh sein muß, die Gabe Eurer Willkür zu empfangen, und so beleidigt Ihr, statt wohlzuthun!«

Georg fühlte, daß der Freund Recht habe. »Das ist die verdammte aristokratische Erziehung,« sagte er ärgerlich, »von der sich unser eins, von der sich selbst ein Mirabeau nicht los zu machen wußte! Es ist das alte: ›Mirabeau, deputé, Marchand de draps et puls Marquis!‹ das man ihm als ein Zeichen der Freisinnigkeit ausgelegt hat und das mir immer als eine seiner aristokratischsten Aeußerungen erschienen ist. Unsere Erziehung ist unser Unglück, aber ich werde und muß sie besiegen lernen! Du hast Recht!«

»Du hast es auch leichter in unserer Zeit, als man es damals hatte, und glaube mir, Du wirst in Dir viel an richtiger Werthschätzung der Menschen gewinnen, wenn Du nur erst in Deinen äußeren Gewohnheiten, in Deiner Sprache und in Deinem Verkehr mit ihnen die üble Gewohnheit ablegst, die Standesunterschiede zu bezeichnen.«

»Thue ich das jemals?« fragte Georg.

»Durchgehend thust Du es, thun es die Meisten unter uns. Wer giebt Dir das Recht, einen Arbeiter mit ›Ihr‹ oder ›Du‹ anzusprechen, da er Dich ›Sie‹ nennen muß? Wie kommst Du dazu, ihm die Anrede ›mein Herr‹ zu versagen, die Du Jedem gewährst, der einen Frack und keine Jacke trägt? Und würdest Du schließlich einem vorübergehenden Studenten oder einem fremden Manne in unserer Kleidung dasselbe Anerbieten wie diesem Gesellen zu machen gewagt haben? Würde nicht Jeder von uns Deinen Vorschlag, in jener Weise gethan, eben so zurückgewiesen haben?«

Georg räumte das ein, und Friedrich fügte hinzu: »Verlaß Dich darauf, wärst Du dem Gesellen zu Fuße begegnet, hättest Du mit ihm, als mit Deines Gleichen eine Unterhaltung angeknüpft und ihm dann gelegentlich angeboten, sein Ränzel ein Ende zu tragen – oder wärst Du allein im Wagen gewesen und hättest ihm gesagt: ›Steigen Sie ein, Zwei zusammen sind besser daran, als Einer allein!‹ er würde das Alles dankbar angenommen und schnell und herzlich Zutrauen zu Dir gefaßt haben!«

Der junge Baron gab dem Sprechenden die Hand. »Du bist Deines Vaters Sohn,« sagte er, »und wohl Dir, daß Du's bleiben darfst in seinem Sinne. Ich muß aufhören der Sohn meines Vaters zu sein, soll's Etwas werden mit mir!«

»England und vor allem Amerika werden Dir dazu verhelfen!« meinte Friedrich, und sie saßen dann schweigend bei einander, bis Georg nach einer Weile anhob: »Du sagst, Du wollest auf's Land! Denkst Du die Universitätscarriere also aufzugeben?«

»Ja, und zwar sobald als möglich! Ich fange an mich mehr und mehr nach einer freien praktischen Wirksamkeit zu sehnen. Die Erfahrungen der letzten Zeit haben mich belehrt, wohin man mit der geistigen Unterordnung unter eine Autorität in religiösen Dingen gelangen, wohin es mit jenem egoistischen Streben nach einseitiger Selbstvollendung kommen kann. Auf der andern Seite ist meine einzige, praktische Thätigkeit als Hülfslehrer in der Schule gänzlich unfrei. Ich bin sclavisch an einen Lehrplan gebunden, der mir, namentlich in Bezug auf den Religionsunterricht, falsch erscheint. Welche Bedeutung haben für zehn- bis vierzehnjährige Kinder die mosaischen Gebote oder die Dogmen und Mysterien des Christenthums? Und eine moralische Einwirkung auf die Knaben habe ich in meiner Stellung nicht!«

»Aber Deine Collegia, Dein Dociren machten Dir doch Freude! Du hofftest viel davon!«

»Sie machten mir Freude, ich hoffte viel davon! das ist wahr, allein – mir fehlt der Glaube!«

»Der Glaube?« wiederholte Georg.

»Der Glaube an die Unfehlbarkeit meines Wissens,« berichtete der junge Docent. »Mit aller meiner Arbeit, mit der Redlichkeit meines Forschens komme ich nur immer mehr dahin, mich unfertig zu fühlen. Zweifelnd und im Kampfe mit mir selbst, ist es mir aber unerträglich, mich als unfehlbare Weisheit hinzustellen und Orakel zu verkünden, wo ich selbst mich nur von Räthseln, von unvereinbaren Widersprüchen befangen finde, und tausendmal habe ich den Wunsch des Faust in mir wiederholt: ›daß ich nicht mehr mit saurem Schweiß zu sagen brauche, was ich nicht weiß!‹«

»So lehre Deine Zweifel!« fiel ihm Georg in's Wort, »sie sind ja fruchtbar!«

»Hätte ich sie überwunden, wäre ich durch sie zur Klarheit gelangt, ich würde eine Lebenserfüllung darin finden, Anderen den gleichen Weg zu zeigen. Der in der Irre Suchende darf sich aber nicht zum Führer aufwerfen, ohne gewissenlos zu handeln,« wendete Friedrich ein.

»Und was wird sich in diesem Deinem Empfinden auf dem Lande, was als Prediger ändern, wo Du ja auch als Lehrer aufzutreten hast?«

»Ich werde jedenfalls die Möglichkeit finden, Etwas zu nützen, auf die Moral und auf das Wohlbefinden der Pfarrkinder einzuwirken, wenn ich auch an mir noch zu arbeiten habe, um zur Ruhe zu gelangen.«

»Warum sprachst Du aber nie mit mir davon?«

»Ich mußte erst mit mir selbst zu einem Abschluß kommen. Mein Ehrgeiz, die Lust mir einen Namen zu machen, Ansehen zu gewinnen, die Welt zu sehen, waren sehr mächtig in mir. Ich hatte sie zu bekämpfen, um zur Entsagung zu gelangen. – Jetzt ist das geschehen!«

»Was soll das heißen?« fragte Georg.

»Daß ich gelernt habe, mich zu bescheiden und nur nach einer nützlichen Wirksamkeit zu streben. Meine Welt, ich fühle es immer deutlicher, wird eng sein, wie die Verhältnisse, in denen ich erwuchs. Es hat mich gefördert, daß ich nach Höherem, Größerem strebte, gefördert durch schmerzliche Erfahrungen. Jetzt, da ich diesen Lebenserwerb in die mir zugewiesene Enge tragen werde, bin ich ruhig geworden und mit meiner Zukunft ausgesöhnt.«

Er sprach das sehr bestimmt, aber der Ton seiner Stimme und der Ausdruck seiner Züge waren traurig.

Sie hatten während dieser Unterhaltung die Station erreicht, und stiegen nun aus, die Schnellpost zu erwarten. Erst jetzt schien Beiden der Gedanke der bevorstehenden Trennung zu kommen, obschon ihre ganze Unterredung auf dem Wege unwillkürlich eine Vorbereitung dafür, ein letztes Aussprechen gewesen war. Beide schienen erst heute, erst in dieser Stunde zu empfinden, wie nahe sie sich standen, wie theuer sie einander waren. Schweigend gingen sie vor dem Posthause auf und nieder, den Blick immer nach der Seite zurückwendend von der die Post ankommen mußte. Endlich, als sie aus weiter Ferne ein Horn erklingen hörten, sagte Georg gepreßt: »Ich habe noch Etwas auf dem Herzen, was mich drückt und wobei Du mir helfen sollst. – Ich habe –« er unterbrach sich, suchte nach Worten und sprach dann schnell: »Auguste wird trostlos sein über meine Abreise – und sie ist sehr einsam. Kümmere Dich um sie! und sage ihr, wenn Du zurückkommst, daß ich Dich darum gebeten habe.«

»Verlaß Dich darauf, Georg!«

»Und sage ihr auch, daß ich sie für eins der besten, selbstlosesten Geschöpfe halte, die die Erde trägt. – – Sobald ich in Ruhe bin, schreibe ich Dir Alles. Stehe mir bei! Du allein kannst es. Sie hat Vertrauen zu Dir!«

Friedrich konnte sich in diese Aeußerung nicht finden, da er stets an eine heimliche Verlobung zwischen Auguste und Georg geglaubt, indeß er hatte in diesem Augenblicke keine Zeit zu fragen. Das Posthorn schmetterte näher und näher, die Pferde wurden herausgeführt, um angeschirrt zu werden. Der alte Kutscher des Barons, der die Freunde bis hieher gefahren hatte, brachte den Mantel und den Handsack seines jungen Herrn herbei. Die Post hielt. Ein Bekannter, der sich in derselben befand, bog sich heraus, Georg seine Freude darüber auszudrücken, daß sie die Reise bis zur Hauptstadt gemeinsam machen würden, und die letzten Minuten schwanden schnell und wirr dahin. Friedrich sah es, wie Georg sich in den Mantel hüllte. Er hörte, wie er mit dem Conducteur vom Wetter und von der Morgenkühle sprach, wie er auf die Frage, wohin er reise? »nach England!« antwortete, – aber es kam ihm das Alles traumhaft vor. Es that ihm weh und ließ ihn doch kalt, er wußte sich's nicht zu erklären.

Da rief der Conducteur: »Einsteigen, meine Herren!«

Friedrich fuhr zusammen. Georg fiel ihm um den Hals. »Ich liebe Dich sehr, Friedrich!« sagte er leise.

Sie umarmten sich noch einmal, dann stieg er ein. Der Schlag ward zugeworfen, der Postillon schwang die Peitsche, die Pferde zogen an, der Wagen setzte sich in Bewegung, und ein Paar Minuten darauf war er den Augen des Zurückbleibenden entschwunden.

»Wie lange werde ich das treue Gesicht nicht wieder sehen!« sagte Friedrich im Selbstgespräch und wendete sich zurück. Da stand der alte Kutscher und trocknete sich kopfschüttelnd die Augen, als wolle ihm die Abreise seines jungen Herrn nicht in den Sinn.

»Daß so'n schöner Offizier, daß unser junger Herr nun partout Kaufmann werden muß!« brummte er vor sich hin. Friedrich beachtete es nicht, und ging auf und nieder, sich zu sammeln.

Die Stallknechte führten die müden Pferde fort, und fegten den Platz. Die Kellnerin trug die Gläser, aus denen ein Paar der Passagiere getrunken hatten, in das Haus. Diese ruhige gleichgültige Thätigkeit hatte für Friedrich etwas Trauriges. Er wünschte den Ort zu verlassen, und da der Kutscher um eine halbe Stunde Rast für seine Thiere bat, machte sich der junge Mann zu Fuße auf den Weg, mit der Weisung, daß der Wagen ihm folgen solle.

Er mochte eine Viertelstunde gegangen sein, als er der Gesellen ansichtig wurde, deren Gesang er schon früher gehört hatte.

Die Betrübniß des Scheidenden war vorüber. Er sah heiter und wohlgemuth aus, und seine Augen schauten hell vorwärts in die Weite. Als er Friedrich erkannte, grüßte er denselben. »Glück auf den Weg!« rief dieser ihm erwiedernd zu.

»Und heile Füße, daß er's einholen kann!« entgegnete einer der Begleiter, »das Glück ist verflucht flink!« Alle lachten, und während sie rüstig fortschritten, sangen sie aus voller Kehle:

Welche Lust, aus enger Stadt

In die weite Welt hinaus marschiren!

Und zumal wer Nichts daheime hat,

Kann gewinnen Viel und Nichts verlieren.

Darum, Bruder mein,

Laß uns lustig sein!

Frisch hinaus, da draußen liegt das Glück,

Thor ist, wer zu Hause bleibt zurück!

Auf die Wanderschaft laßt uns marschiren,

Unser Glück,

Unser Glücke draußen zu probiren!

Die Melodie des Liedes war so froh und zuversichtlich keck als der Inhalt des Textes, und noch aus der Ferne hörte Friedrich bei dem Schluß der zweiten Strophe, deren Worte er nicht mehr verstehen konnte, das schallende jubelnde: »Unser Glück, unser Glücke draußen zu probiren!«

Der Ton klang so verlockend, der Morgen war so schön, die Welt so funkelnd im Sonnenlichte. Es zog ihn wie mit Gewalt hinaus, er hatte ordentlich Scheu vor der Heimkehr in die Stadt.

Alle wanderten sie fort, Alle wollten sie ihr Glück probiren, sich unbekannten Verhältnissen, dem Zufall anvertrauen, Abenteuer suchen. Er allein blieb zurück und hatte kein Abenteuer zu erwarten.

Georg und der Handwerksgeselle waren nun Beide fort, es kam ihm vor, als sei ihm auch durch das Scheiden des Letztern ein Leid geschehen. Er mußte an die erste Scene des Zauberringes denken. Es hatte ihn als Knaben immer so gerührt, wenn die Ritter singend von dannen zogen, die Zelte abgebrochen wurden, die Fackeln erloschen, und der junge Herr Ott von Trautwangen allein zurückblieb in der Dunkelheit auf der feuchten nächtigen Wiese, traurig und sehnsüchtig der verschwundenen Herrlichkeit nachschauend. Grade so war ihm zu Muthe. Er erschrak, als er den Wagen kommen sah, als ob ihn derselbe in einen Kerker führen sollte. Er hatte sich seit langer Zeit nicht so muthlos gefühlt und die Entsagung, zu der er sich zu gewöhnen strebte, war ihm lange nicht so schwer geworden, als eben jetzt. Als er in die Stadt zurückkam, dünkte sie ihm trotz des hellsten Sonnenlichtes düster. Die Straßen kamen ihm eng vor, es wollte ihm Nichts gefallen, und niedergeschlagen sagte er sich: »Es ist wohl gut, daß du die Welt nicht sehen wirst! wie solltest du mit dir fertig werden, hättest du die Freude, die Schönheit gekannt, deren bloße Ahnung dich unzufrieden und begehrensvoll macht?«

Sich zu trösten sprach er sich die Worte Platens vor:

Wer die Schönheit angeschaut mit Augen,

Ist dem Tode schon anheim gegeben,

Wird für keinen Dienst der Erde taugen!

Aber es fruchtete Nichts, seine Traurigkeit wollte nicht weichen.


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