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Vierzehntes Kapitel.

Die Mutter war ausgegangen und Sidonie allein in dem Zimmer, dessen helle und doch sanfte Beleuchtung, dessen ganze Einrichtung, so genau er sie kannte, ihm heute einen besonders wohlthuenden Eindruck machten. Mutter und Tochter besaßen Beide jenen gebildeten Geschmack, der den unnützen Modekram zurückweist, sich an das Einfache zu halten, das in seiner Schönheit und Nützlichkeit die Gewißheit besitzt, immer angenehm und zweckmäßig zu bleiben. Die Möbel, welche seit der Heirath der Frau von Werdeck nicht gewechselt worden waren, die alten englischen Kupferstiche, die ererbten großen Potspourris, die man alljährlich mit denselben Ingredienzien füllte, die zahlreichen Oel- und Miniatur-Gemälde an den Wänden und auf den Tischen, mit denen die ganze Familie portraitirt war, gaben der Einrichtung einen Stempel ruhigen Bestehens, friedlichen Waltens.

Sidonie stand vom Schreibtische auf, den Gast zu begrüßen, und räumte, während sie mit ihm sprach, einige Papiere und kleine Bücher zusammen. »Ich bin Mama's Cassirer,« sagte sie, »und habe Rechnungsabschluß gemacht für diesen Monat. Wollen Sie mir noch fünf Minuten Zeit lassen, so bin ich fertig und brauche nicht noch einmal heranzugehen.«

Es lag etwas häuslich Behagliches in der Erscheinung des Mädchens, wie es in dem schlichten Taffetkleide, die kleine gleichfarbige Schürze um die Taille geschlungen, rechnend und ordnend dasaß, während Alles um sie her Geschmack und saubere Schönheit athmete. Und die Sorglichkeit, mit der sie dazwischen sich ab und zu mit ihrem Gaste zu beschäftigen wußte, ihm das Warten zu verkürzen, machte, daß sie ihm doppelt angenehm erschien.

Als sie geendet hatte, die Geldschälchen und Bücher verschloß und ihn bat, die Säumniß zu entschuldigen, sagte Erich: »Hier in diesem Zimmer könnte ich viele Stunden warten, ohne mich zu beklagen. Es ist eines der wenigen, die für mich zu einem lieben, feststehenden Begriffe geworden sind. So wie es heute ist, so habe ich es kennen lernen, als ich, ein vierzehnjähriger Knabe, zum ersten Male mit meinen Eltern in die Residenz kam. Diese Scenen aus Hamlet, dieser Romeo an Juliens Sarge, diese Mistreß Siddons, haben sich mir damals so fest eingeprägt, daß ich die Personen der Shakespear'schen Dichtungen später immer nur in dieser Gestalt zu sehen vermochte, und so oft ich seitdem nach Berlin gekommen bin, ist es mir stets etwas höchst Wohlthuendes gewesen, hier Nichts von allen den Gegenständen zu vermissen, die mir vertraut geworden waren.«

»Ich verstehe das vollkommen,« entgegnete Sidonie, »und habe schon von vielen unserer Freunde ähnliche Aeußerungen darüber gehört. Auch kann ich mir gar nicht denken, wie ich ohne oder außer dieser Umgebung dauernd leben sollte!« Sie fuhr bei dieser Bemerkung ruhig fort an einer Stickerei zu arbeiten, die sie zur Hand genommen hatte, aber Erich fühlte sich von ihren Worten betroffen.

»Denkt denn Ihre Mutter daran, diese Wohnung zu verlassen?« fragte er.

»Wie kommen Sie darauf, lieber Erich?«

»Weil Sie es sagen!«

»O, bewahre! diese Wohnung ist ja historisch mit Mama verwachsen!« rief Sidonie. »Mich däucht, nur eine förmliche Weltumwälzung könnte sie aus derselben vertreiben. Denn Sie wissen es ja, Mama und ich sind höchst conservativ!«

»Und bin ich es denn nicht?« fragte Erich. »Sagt Ihnen meine Vorliebe für dieses Zimmer nicht, wie theuer und ehrwürdig das Dauernde mir ist? – Es liegt auch etwas Bannendes, ein wunderbar poetischer Zauber in allem naturwüchsig Gewordenen. So oft ich in einen jener Säle getreten bin, in denen Veränderungslust und Prunksucht alljährig das Neueste und Kostbarste vereinen, in denen Alles, vom Kronleuchter bis zum Teppich, nach dem eben herrschenden Modestyl von einem Decorateur zusammengestellt ist, hat mich ein Unbehagen überfallen, wie man es in einem Eisenbahnhofe, in einem Hotel empfindet. Die ganze Leerheit, das Nomadenhafte, Zerfahrene, des jetzigen Lebens traten mir dann vor die Seele. Ich habe mich gewundert, wenn man nicht auch die alten Familienportraits beseitigt hatte, weil sie nicht nach der Mode angezogen waren. Jedesmal habe ich aus solcher Umgebung an dieses Zimmer zurück denken müssen, und mich gefreut, daß hier Alles so unverändert ist, daß hier noch Ihr lockiges Kindergesicht von den Wänden wie damals herab sieht, daß selbst noch das Glasschränkchen mit Ihren Wachspuppen in der Ecke steht!«

Er hatte mit großer Wärme gesprochen, Sidonie ihm mit stiller Freude zugehört. »Und doch soll Ihre Wohnung im neuesten Geschmack eingerichtet sein!« fuhr sie nun plötzlich heraus.

»Wer sagt Ihnen das?« fragte er schnell.

»Mein Mädchen, das Ihnen heute die Bücher von Mama zurückgebracht hat!« antwortete sie, und Beide errötheten vor einander.

Der Gedanke, daß jene Dienerin Regine gesehen, daß sie sowohl von ihr als von der Wohnung dem Fräulein gesprochen haben könne, drängte sich Erich quälend auf. Ein Gefühl zorniger Befangenheit kam über ihn. Er hätte Sidonie um Vergebung bitten, und sie doch tadeln mögen, daß sie den Berichten einer Kammerjungfer ihr Ohr geliehen hatte. Aber das fühlte er immer klarer, ihr Mißfallen war ihm schmerzlich, ihre Zustimmung ein Genuß, um ihrer Einfachheit und Wahrheit willen. Je deutlicher er sich dessen bewußt ward, um so schwerer fiel es ihm auf's Herz, daß Sidonie davon gesprochen, wie hart es ihr sein würde, die ihr theuere Umgebung entbehren zu müssen. Sie konnte das nicht absichtslos gesagt haben. Es mußte sich um eine Bewerbung handeln, der zu folgen sie geneigt war, weil sie ihm mißtraute. Diese Möglichkeit verstimmte ihn.

Er ward zerstreut und schweigsam, und seine Gedrücktheit hatte sich auch Sidonien mitgetheilt, als bald darauf die Mutter mit ihrem Bruder, einem pensionirten Generale, aus einer Vorlesung nach Hause kam.

Weder die Mittheilungen der Einen, noch die unwandelbare Heiterkeit und Derbheit des Andern, zogen Erich von seinem Grübeln ab. Er konnte die Vorstellung von der wahrscheinlichen Verheirathung Sidoniens nicht los werden, die Empfindung nicht unterdrücken, daß er in diesem Mädchen eine ihm zusagende Lebensgefährtin durch seine eigene Schuld verlieren werde. Vergebens zwang er sich zur Unterhaltung, er war und blieb auffallend zerstreut, so daß Sidonie ihn endlich fragte, woran er denke?

»An die grillenhaften Wege unseres Lebens, auf denen wir uns von dem Guten entfernen, welches das Schicksal uns bestimmt zu haben scheint!«

Das Fräulein sah ihn betroffen an. »Wie kommen Sie darauf? Davon war ja nicht die Rede!« meinte sie.

»O!« rief Erich, »rechten Sie nicht mit mir, schelten Sie mich nicht zerstreut. Wüßten Sie, was mich beschäftigt, Sie würden Nachsicht mit mir haben.«

»Nachsicht?« wiederholte sie theilnehmend und gleichsam Erklärung fordernd.

Er antwortete nicht darauf. »Die Frauen sind beneidenswerth,« rief er, »weil ihr beschränkteres Loos sie meist vor Irrthum und Conflicten behütet.«

Aber dieser unwillkürliche Ausruf hatte mehr verrathen, als er selbst gewollt. Indessen er bereuete es nicht, obschon er sich des Vortheils, den er dadurch über Sidonie gewonnen hatte, in diesem Augenblicke nicht bewußt war.

Sidonie jedoch fühlte sich plötzlich in einem ganz veränderten Verhältnisse zu dem Freunde ihrer Mutter, zu dem Gefährten ihres täglichen Lebens. Sie war seine Vertraute geworden, er hatte ihr sein Geheimniß enthüllt, sein Leid verrathen, ihre Theilnahme begehrt. Wortlos reichte sie ihm die Hand, er hielt sie in der seinen und ließ sie dann mit schnellem Drucke los. Als er sie anblickte, schien es ihm, als füllten sich ihre Augen mit Thränen, indeß sie wendete sich schnell von ihm ab, und vermied ihn den Rest des Abends mit einer ihr ganz fremden Scheu. Das vermehrte seine Befangenheit. Auch Sidonie ward einsilbig und schweigsam, und früher als es sonst geschah, brachen Erich und der General an diesem Abend auf.

Als sich die beiden Männer auf der Straße befanden, nahm der General den Arm seines jungen Begleiters, stützte sich vertraulich auf ihn und sagte: »Was haben Sie denn heute mit dem Mädchen gehabt? Sie scheinen ja Beide ganz aus dem Häusel.«

»Ich trug allein die Schuld davon!« antwortete Jener. »Ich war verstimmt zu Frau von Werdeck gekommen, und selbst Sidoniens immer gleiche Liebenswürdigkeit vermochte den Dämon nicht zu bannen, der mich plagte!«

»Dämon!« wiederholte der General, und fügte dann lachend hinzu: »die Welt ist jetzt so gebildet geworden, daß sie sich eine ganz neue Sprache erfunden hat. Ich sehe aber nicht, daß sie wesentlich dadurch gewinnt!«

»Was meinen Sie damit?« fragte Erich befremdet.

»Ich meine – – denn einmal muß es doch grade heraus gesagt werden, und wer soll es Ihnen sagen, wenn nicht ein alter Freund Ihres Vaters, der Sie von Kindesbeinen an gekannt hat – ich meine, Sie müssen machen, daß Sie aus der Affaire heraus kommen!«

Erich fuhr zusammen. »Herr General!« rief er, »was berechtigt Sie – –«

Der General ließ ihn nicht zu Worte kommen. Er drückte Erich's Arm an sich und sagte: »Nur keine Uebereilung, Erich! Ich meine es gut mit Ihnen, und es ist ja auch die einfachste Geschichte von der Welt. Wer hat denn nicht ein Mal einen ähnlichen Handel gehabt? In meiner Jugend beim Regiment Gensd'armes sind andere Dinge vorgegangen! Wer alt werden will, mein lieber Junge! der muß jung, und um klug zu werden, muß man ein Thor gewesen sein!«

So bestürzt und verletzt Erich sich bei den ersten Worten des Generals gefühlt hatte, that es ihm im Grunde dennoch wohl, das Eis gebrochen und endlich einmal eine Unterredung über dies Verhältniß angeknüpft zu sehen. Und wie ein zaghafter Schwimmer zuletzt aus Scheu vor dem ersten Schritte sich mit zugedrückten Augen kopfüber in das Wasser stürzt, so fragte Erich: »Glauben Sie, daß Ihre Nichte um dieses Verhältniß weiß?«

»Sidonie ist ein und zwanzig Jahre und ein Frauenzimmer, lieber Erich!« antwortete der General, »und Sie haben nicht hinter dem Berge gehalten mit Ihrer Liaison. Das Mädchen war nicht unsichtbar an Ihrer Seite, weder im Theater, noch im Wagen!«

»Ich brauchte meine Freiheit!« sagte Erich, plötzlich wieder gegen den Tadel auffahrend.

»Dazu hatten Sie ein Recht, ein volles Recht, lieber Freund! Aber so ist die Jugend jetzt, so ist die Zeit!« rief der General. »Das kommt von Euren verdammten Ideen. Da schwatzt Ihr darauf los von Emancipation, von freier Liebe, bis Euch einmal ein hübsches Gesicht in den Weg läuft, und Ihr statt solchen Handel abzumachen, wie es sich gebührt, gefühlvoll an die große Glocke schlagt und die Sache au grand serieux nehmt. Zu meiner Zeit fand man ein schönes Weib auch schön, aber man machte sich keinen langen Roman und kein heroisches Bewußtsein daraus!«

»Wer thut das?« fragte Erich.

»Ihr Alle, und Sie vor Allen!« meinte der General. »Was ist's im Grunde für ein Heroismus, ein Mädchen zu unterhalten? Dazu braucht man die neuen Lehren nicht, das konnten wir auch, und wir wußten ein Ende zu machen, wenn's Zeit dazu war. Das ist oft die größte Tugend.«

»Eine Tugend?« wiederholte Erich. »Nennen Sie es eine Kunst – oder auch eine Herzenshärte, die mir fehlt!«

»Was da Herzenshärte! Man muß die Sache nur recht anfangen! Wenn man einen Vogel einmal doch nicht dauernd behalten kann, muß man ihn fliegen lassen in der Sommerzeit. Was soll aus solchem Mädchen werden? – Jetzt ist sie noch hübsch und jung, statten Sie sie aus, sehen Sie, daß sie einen honetten Mann bekommt, dann sind Sie quitt vor Gott und vor der Welt, und dann nehmen Sie sich eine Frau. Es wäre Ihrem Vater wohl zu gönnen, daß Sie wenigstens endlich eine vernünftige Heirath machten, nach den Fatalitäten mit Ihrem Bruder und mit Ihrer Schwester!«

Erich war in allen seinen Empfindungen verwundet, und fühlte sich doch waffenlos gegen den Angriff. Daß man die Familienverhältnisse seines Vaterhauses beklagenswerth, daß man sie einer ehrenhaften Neuerung bedürftig fand, ergriff und schmerzte ihn tief. Es überlief ihn kalt bei dem Gedanken, daß ein Mann zu ihm in solcher Weise von Regine sprechen, daß Jemand sie sich als den Besitz, als das Weib eines Andern denken, ihm zumuthen könne, Regine dem ersten Besten in die Arme zu werfen, der niedrig genug dächte, für Geld ihre Schande mit seinem Namen zu bedecken. Seine Eifersucht, sein Ehrgefühl flammten auf, seine Liebe entzündete sich daran.

»Wir verstehen einander nicht, Herr General!« sagte er stolz und kalt. »Ich will gern glauben, daß man solche Verhältnisse beim Regiment Gensd'armen sehr leicht abzubrechen wußte, ich aber werde ein Mädchen, das ich liebe, nicht auf entehrende Weise von mir stoßen.«

»Sie lieben sie!« rief der Baron nicht ohne Spott, »ja dann ist's etwas Anders! Wer verlangt das auch, wenn Sie sie lieben? – Nur,« fügte er nach einer kleinen Pause plötzlich in ganz verändertem Tone hinzu, »nur geben Sie dann das liebe, treffliche Kind, die Sidonie, auf. Meine Schwester hat es nicht um Sie verdient, Heidenbruck, daß Sie ihr das Lebensglück der einzigen Tochter untergraben. – Das wollte ich Ihnen zu bedenken geben, Heidenbruck! und nun gute Nacht! Gute Nacht! Hier sind wir ja nahe an Ihrer Wohnung!« damit reichte er ihm die Hand und trennte sich von Erich, der vor der Gerechtigkeit des Tadels sich verstummen fühlte.

»Sidonie unglücklich! unglücklich gemacht durch mich!« wiederholte er gedankenvoll. »Also liebt sie mich, also wünscht die Mutter unsere Ehe! und wie würde mein Vater grade dieser Heirath sich erfreuen?«

Er dachte sich Sidonie zum ersten Male als sein Weib, als seine Hausfrau. Der ganze Zauber des eigenen Familienlebens tauchte vor ihm auf. Er mußte sich vorstellen, wie edel ihre Gestalt, wie würdevoll ihr Wesen, wie sie recht eigentlich geschaffen sei, die Ruhe, den Frieden eines Hauses zu begründen, und voll von diesen Bildern langte er in seiner Wohnung an.

Da saß Regine! – Sie fuhr zusammen, als er eintrat, und erbleichte.

»Was ist geschehen?« rief sie und sprang erschrocken auf.

»Geschehen?« wiederholte er, »wie kommst Du zu der Frage?«

»Du kommst so früh!« sagte sie noch immer angstvoll.

Erich schauerte zusammen, ein unaussprechliches Mitleid erfaßte ihn. Kein Vorwurf, keine Klage aus Reginens Munde hatten ihn je so tief bewegt. Er hatte an seine Zukunft, an Sidoniens Glück gedacht; aber sie auch, Regine auch, hatte eine Zukunft von ihm zu fordern.

Er hatte ihre Hände gefaßt und stand sprachlos vor ihr. Die Schönheit und die Wahrheit ihres Wesens ergriffen ihn mit ihrer alten Kraft. Dies Weib, das ihn geliebt, an ihn geglaubt, auf ihn gehofft seit den Tagen der Kindheit, dessen bürgerliche Ehrlosigkeit er, er allein verschuldet, das Niemand hatte auf der weiten Welt als ihn allein, das Weib sollte er verstoßen?

»Nimmermehr!« rief er aus, und zog sie mit Leidenschaft in seine Arme, aber Regine wehrte ihn mit sanfter Bewegung von sich ab.

»Regine!« fragte er, »was bedeutet das?«

»Laß mich, laß mich! ich flehe Dich darum,« antwortete sie ihm mit einem Ausdruck der Angst und Trauer, den er sich nicht zu deuten wußte. »Laß mich, Erich!«

»Und das grade jetzt, in dieser Stunde?« rief er, »jetzt, da ich meine Zukunft von mir schleuderte, um – –«

»Sprich nicht! um Gottes Willen sprich nicht weiter!« fiel sie ihm heftig in das Wort. »Du würdest es bereuen, wie Du die Vergangenheit bereust! – Und ich bin elend genug, auch ohne diese Schmach!«

Erich erstarrte vor ihren Worten, mehr noch vor dem düstern Ausdruck ihrer Stimme, ihrer Züge. Mächtig und traurig wie sie vor ihm stand, schien sie ihm fremd geworden, und doch liebte er sie in diesem Augenblicke wahrhaft. Die Verachtung, mit welcher der General von ihr gesprochen, hatte sie ihm heilig werden lassen. Er hätte sie beschützen, sie behüten mögen, aber es war ihm, als habe er die Macht dazu verloren, als bedürfte sie seines Schutzes jetzt nicht mehr.

»Sind wir denn nicht dieselben?« fragte er beklommen. »Was ist geschehen Regina! seit ich von Dir ging? was hält Dich befangen?«

Da hob sie ihre Arme mit langsamer Bewegung empor, preßte ihre Hände gegen die Stirne, und sagte tonlos: »Die Selbstverachtung, die Du mir heute aufgeladen!«

»Gott im Himmel!« rief er und riß sie an sein Herz.

»Laß mich,« wiederholte sie, »auch Dir bin ich ja ehrlos!«

Wie gelähmt sanken seine Arme herab, und Regine verließ das Zimmer.


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