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26. Weltkinder

 

»Jedes dichtende Genie
Soll der Welt ein Buch nur geben,
Seine Selbstbiographie
Unter dem Titel: Die Kunst zu leben!«

 

Zunächst mietete ich eine ruhige Wohnung und überredete meine gute Rauh, welche nun nicht mehr die Wirtin, sondern die Haushälterin war, mit in die Ikstattstraße zu ziehn. Pfeifer, das treue »Faktotum« kam morgens zum Diktieren und seine Frau verrichtete im Haushalt die gröbere Arbeit. Die meiste Zeit aber befand ich mich auf Reisen. Die Zeit der Reisen in fernen Ländern kam zwar erst viele Jahre später, indes lernte ich doch schon manches sehn und bedenken, besuchte Paris und Wien und lebte zwei Sommer in Reichenhall und Berchtesgaden.

Die Gesellschaft, welche mich umgab, war nicht mehr die alte der Studenten und Literaten. Ich liebte und suchte sogenannt großes Leben und große Welt und freute mich an allen liebenswürdigen, leichten, gelösten Weltkindern. Auch das Schreiben und Dichten betrieb ich fortan, wie ich gern betonte, »nur in Verbindung mit gutem Essen« und wenn ich noch ein Ideal und einen Grundsatz gelten ließ, so waren es die, zu welchen ich am schlechtesten vorbereitet war und vielleicht auch wenig Begabung hatte: »Vollendete Meisterschaft des Genusses«. »Ich bin ein Epikuräer«, so steht in einem Brief an Klages aus dem Jahre 1897, »und doch zugleich der skeptische Ironiker. Glaube mir: Schopenhauer war ebenso. Warum denn sollten sich Buddha und Epikur, Venus und Christus nicht verbinden, ich wenigstens fühle mich als einen pessimistischen, einsamen Grübler, der doch ein Faun ist und über alles lacht.« – Die Wahrheit war: Ich stürzte damals in eine mit sinnloser Polypragmasie ausgefüllte Leere. Denn ich empfing und verschenkte Leben wahllos ohne Wertung, schrieb, ein geborener Impressionist und Anlaufsfanatiker, nur tagebuchartig, sprunghaft und für den Tag, besuchte endlos Museen, hörte endlos Vorträge, verbrachte zwei Jahre lang keinen Abend zu Hause, sondern ging in Theater, Konzerte, auf ein Fest und in die vornehmen Restaurants und gab somit nonchalant und ohne je zu rechnen Geld aus, aber selbst wenn ich. zu viel fortwarf oder verschenkte, so zahlte bald der Großvater, bald der Onkel diese und jene Schulden. Ich hatte Geliebte, deren Sein und Tun ich immer ernst und viel zu feierlich nahm. Ich schenkte der Geliebten Hund und Kätzchen, Singvögel und sogar eine Schildkröte. Jede Stunde des Tags und der Nacht war ausgefüllt und keine brachte Erfüllung. Der gepflegte junge Herr im dunklen Gehrock und weißem Schlips hatte keine Ähnlichkeit mehr mit dem überbürdeten Schüler von ehemals.

In der Lebewelt Münchens geisterte eine gespenstige Pagode: der Herzog in Baiern, Bruder der Kaiserin von Österreich, ein ursprünglich reichbegabter Mann, der durch die vollkommene Öde eines pflichtlosen Herrenlebens ausgehöhlt dalag wie ein See, in dem vor Zeiten schöne Fischlein gespielt hatten, aber in dessen Grundschlamm ein schläfriger Krake alles heitere Leben auffraß, so daß bald das ganze Gewässer zum stehenden Sumpf wurde, darinnen nichts mehr lebte als ein ungeheurer Drache: träge brütende Brunst. Bei einem Feste redete dieser unheimliche Gast mich an, wie er alle ihn fesselnde Jugend als Ausfüllsel in seine Leere zog, ich sollte ihn besuchen und Gedichte vorlesen. Der unheimliche Mann trug auf müden Schultern einen Totenschädel mit versunkenen Augen und wenn er sprach, dann kamen die Worte aus weiter Ferne. Nichts ging ihm nahe und doch besaß er eine unpersönliche Empfänglichkeit für Dichtung, Musik, fantastische Landschaft, seltsame Menschen, edle Pferde und schöne Frauen. König Ludwig, sein romantischer Vetter, war eine Feuerseele gewesen: er aber kannte nur Launen wie eine Katze, die nach einer Minute vergißt, womit sie soeben gespielt hat. Um diesen freudlosen verglühten Götzen flatterte Münchens holdeste Jugend; Pagen, Kadetten, junge Offiziere, Theaterdämchen, Tanzmädchen, Sterne des Sports und der zirzensischen Künste. In diesem Kreise lernte ich einen Jüngling kennen, den ich geliebt habe wie eine herrliche Flamme, die schön auflodert und jäh verlöscht. Ernst Reinhold von Stobäus war ein Muttersöhnchen wie Milch und Blut, so seelebezaubernd, daß die Jünglinge ihm zujauchzten, die Frauen um ihn härmten und litten. Er war schön wie der junge Baidur mit dunkelblauen Augen und lichtem Gelock und man konnte keinen beglückteren Liebling des Lebens denken, aber wenn er sehr froh war, dann sagte er: »Jetzt möchte ich sterben.«

Wenn ich Stobäus den Spiegel vorhielt, dann pflegte er zu sagen: »Ich habe mir das Leben nicht gewählt und bin nicht verantwortlich für das Elend der Welt; ich will ein paar glückliche Jahre haben und dann freiwillig enden.«

Er war in der königlichen Pagerie erzogen und für eine vornehme Laufbahn bestimmt, aber hatte schon als Leutnant so viel tolle Streiche ausgeführt, daß man schließlich den Unverbesserlichen aus der Armee entlassen mußte. Das aber war ihm recht. Seine schöne Mutter, in zweiter Ehe mit einem mächtigen Großindustriellen verheiratet, versah ihn so reichlich mit Geld, daß er seine Extravaganzen nicht aufzugeben brauchte. Er wohnte Ecke Sonnen- und Landwehrstraße und wenn ich das Treiben in seinen Räumen sah, dann erschienen mir die heidnischen Träume von Klages und Schuler wie Erlasse des Kaisers Julian, der auf dem Tintenwege den Kult des Dionysos erneuern wollte. Stobäus hatte guten Geschmack für Bücher und Künste aber lebte nur dem Abenteuer, dessen Mittelpunkt immer die Frau war; dennoch schien dies spielerische Leben nur Zufall zu sein, denn der flammende Jüngling hätte eben so wohl ein glänzender Offizier oder mutiger Kapitän werden können. Man konnte ihn begeistern für jede edle Tat oder tolle Fahrt. Es steckte in ihm der Stoff zu einem Freiheitskämpfer oder Landsknecht oder Räuberhauptmann. Nur in das bürgerliche Gleichmaß hätte man nie ihn einfügen können. In ihm brannte Leben, das sich ausblühn muß, aber er wußte nicht wohin mit seinen Kräften.

Wir beide waren wie die helle und die dunkle Seite am selben Blatte und wie ich gern ihn behütet hätte, so dankte er mir mit letztem Vertraun. Eines Nachts wollten wir von einem Maskenball im Opernhause aufbrechen, als ein Schwärm Mädchen uns bedrängte, noch zu bleiben. Stobäus aber schob sie in seinen Wagen und lud die helle Schar zur Fortsetzung des Festes in seine Wohnung, wo alsbald ein Gelage anhub, währenddes der Gastgeber ein Dämchen nach dem andern in sein Schlafgemach geleitete. Als am nächsten Tag ich ihn fragte, wie es möglich sei, daß alle Frauen ihm gleichweis willkommen wären, da antwortete er ernst: »Es war keine darunter, die mir gefallen hätte, aber da ich nun mal eine genommen hatte, so mußte ich auch die andern nehmen; es wäre unritterlich gewesen, wenn ich eine bevorzugte.« Die Mädchen gehörten zur sogenannt guten Gesellschaft, waren wohlbehütet und unnahbar, aber waren bereit für dies strahlende Flittchen Juchhe die törichste Torheit zu begehn. – In einer Sommernacht lud er eine Schar junger Burschen und Mädchen in die Wiesen am Aumeister. Es wurden Laufspiele gespielt und schließlich, als der Mond über den Büschen hing, ein Holzfeuer entzündet. Plötzlich begann Stobäus sich zu entkleiden, nackt über die Wiese zu jagen und das Feuer zu umspringen als ausgelassener Faun, und alsbald folgte dieser und jene, bis Busch und Tannicht widerhallten vom Gelächter und Geschrei nackter Nymphen und Satyrn. Bei solchen Anlässen fühlte ich zutiefst meine Fremdheit, die Fremdheit des Geistes unter den Weltkindern. Und doch hätte ich alles tiefere Wissen gern hingegeben, um so froh und schön zu sein, wie das geliebte Sorgenkind.

Zu der Schar tanzender Weltkinder gehörten auch Franziska Reventlow und Frida Uhl, geschiedene Frau August Strindbergs, die von Strindberg ein Kind hatte und ein zweites Kind von Wedekind. Diese beiden schwebten stets in Geldverlegenheit. Als es ihnen sehr schlecht ging, mietete Stobäus in der Landwehrstraße einen Laden, darin morgens die Gräfin im Dirndelkleide Milch ausschenkte; es wurde bald »guter Ton«, sich bei ihr einer Milchkur zu unterziehn.

Eine dunkle Figur im München jener Tage war der Freiherr Schrenk-Notzing, ein Nervenarzt, der durch reiche Heirat zu großem Besitz gekommen, sich okkulten und spiritistischen Studien zuwandte, ohne doch wirklich gewissenhaft und zuverlässig zu arbeiten. Er spielte den Mäzen für hoffnungsvolle Jugend, vorzugsweise aber für Jugend weiblichen Geschlechts, welches Mäzenatentum damit anhub, daß bei der Notleidenden eine Anfrage einlief, ob sie geneigt sei, für den Freiherrn Übersetzungen anzufertigen. Ließ die Bedürftige sich darauf ein, dann hieß er sie Sexualliteratur aus dem Englischen oder Französischen übersetzen, schickte ein gutes Honorar und erschien endlich in Person, um auf dem applanierten Boden Sturm zu laufen. So war es Franziska Reventlow ergangen, so Frida Uhl. Aber der Freiherr ahnte nicht, daß beide vor einander kein Geheimnis kannten. Nach langem Zögern lud Frau Strindberg Herrn von Schrenk zum Tee und dieser, in der Erwartung nun erhört zu sein, erscheint im Gehrock mit dem Blumenstrauß. Kaum aber hat er Platz genommen so tönt die Klingel und Frank Wedekind steht im Flur. Die scheinbar überraschte Frida flüstert: »Gehn Sie schnell auf die Toilette, daß er Sie nicht sieht.« Aber nachdem der Freiherr sich einriegelte, klingelte es abermals und Franziska Reventlow steht im Flur. Und dann erscheinen immer neue Besucher und bald will der eine, bald der andere auf die Toilette, findet sie verschlossen, rüttelt und flucht. So wurde der arme Geisterseher in Schrecken gesetzt bis sich Frau Strindberg erbarmte und ihn entwischen ließ. – Stobäus begann zu kränkeln; sein schöner Leib wurde hinfällig, ohne daß es den Ärzten gelang, eine Ursache des Siechtums zu finden. Nach dem Tode aber stellte die Sektion fest, daß fortschreitende Syphilis der Eingeweide ihn vernichtet hatte.

Es würde ein verkehrtes Bild geben, wenn ich sagen wollte, daß ich in diesen Jahren nichts arbeitete. In Wahrheit war ich immer beschäftigt und was Quantität betrifft, so habe ich später kaum je wieder so viel gelesen, gehört, gesehn, experimentiert, Kollegs besucht; aber alles geschah ohne Ziel, ohne Disziplin und ohne Freude. Ich versuchte bald dies, bald das, begann bei meinem Onkel Malunterricht zu nehmen oder spielte gar mit dem Gedanken, Dramaturg oder Regisseur zu werden. Viele Zeit und Kraft verwendete ich an ein ungefüges Werk, dem ich den pompösen Titel gab: »Das Ende Roms«. Anregung und Material dazu verschaffte mir die zufällige Bekanntschaft mit einem wunderlichen Lebensspieler. Er hieß Gabriel Jogand-Pages, mit Schriftstellernamen Leo Taxil. Zwanzig Jahre später habe ich in den ersten Auflagen von »Geschichte als Sinngebung des Sinnlosen« dem Andenken dieses Mannes einen Abschnitt gewidmet. Einige Sätze daraus mögen hier wiederholt werden:

»Leo Taxil hatte bei Gelegenheit seiner Bekehrung vom Freidenker und Freimaurer zum Katholiken, 1880 sich auf Gnade und Ungnade der Kirche ausgeliefert. Er hatte sich dem päpstlichen Nuntius Msgr. di Rende zu Füßen geworfen und begehrte in ein Kloster aufgenommen zu werden. An ein Jesuitenkloster verwiesen, hatte er sich dort den strengsten Exerzitien unterworfen, seiner Vergangenheit abgeschworen und gebeichtet. Seine Beichte gipfelte in der ausgeklügelten Selbstbezichtigung eines unentdeckt gebliebenen Giftmordes, dessen erfundene, aber glaubwürdig ausgesprochene Einzelheiten er in voller Seelenzerknirschung seinen Beichtvätern anvertraute, womit sein plötzlicher Seelenumschwung besonders gut motiviert erschien. Die Jesuiten wähnten eines so schwer belasteten Mannes sicher zu sein. Nachdem er die ihm auferlegten Pönitenzen bestanden hatte, glaubte man, ihn als kirchlichen Publizisten gegen die Freimaurer und Freidenker, deren Gesellschaften er genau kannte, klug benutzen zu können. Die Jesuiten wünschten, daß das Herz der Jungfrau von Orleans möchte gefunden werden. Taxil, den man zwar für einen fanatisch aufgeregten aber auch leichtgläubigen und ehrlich fanatischen Menschen hielt, schien die geeignete Persönlichkeit, um bei der Entdeckung der unschätzbaren Reliquie dienlich zu sein. Er verhieß denn auch jeden gewünschten Dienst. Aber er fühlte, daß die Komödie auf dem Höhepunkt stehe und daß ihre Fortsetzung auf die Dauer seine Glaubwürdigkeit erschüttern könne. So ging er daran, den Bovist mit möglichst großem Geräusch zum Platzen zu bringen. November 1896 wurde auf sein Betreiben ein großer Antifreimaurerkongreß nach Trient zusammengerufen. Dieses neue Trientinische Konzil wurde von der gesamten katholischen Welt beschickt. Berühmte Kanzelredner, Theologen, Ordensgeistliche, Missionäre erschienen; auch jener Spezialforscher über Satanismus und die berühmt gewordene Diana Vaughan. Leo Taxil selber fungierte nach Zahl der Teilnehmer als Präsident des Kongresses. Er schickte mir bald nach den Tagen von Trient ein Gruppenlichtbild, welches ihn inmitten der höchsten Würdenträger der Kirche als Vorsitzenden des Kongresses zeigt. Dazu schrieb er: ›Beachten Sie bitte, daß alle Personen auf dem Bilde ein ernstes Gesicht machen, nur ich bin der einzige, welcher lacht.‹ Kurze Zeit nach diesem Kongresse trat der mächtige Mann mit dem guten biederen vertrauenerweckenden Vatergesicht mit der Enthüllung des Schwindels an die Öffentlichkeit. Er bat in Paris die Spitzen der französischen Schriftstellerwelt, Politik und Kirche zu einem scheinbar harmlosen Meeting in einem Pariser Theater zusammen. Vor den Erschienenen trat er, 19. April 1897, zu grenzenloser Überraschung der uneingeweihten Kleriker mit der lachenden Enthüllung hervor, daß er immer noch wie in der Jugend Freidenker und Kirchenfeind sei und lediglich ein zehn Jahre lang dauerndes Spiel mit dem Aberglauben und dem Fanatismus der Menschen gespielt habe ... Ich habe den Mann gekannt und einige Jahre mit ihm Verbindung unterhalten. Daher glaube ich zu wissen, daß weder Eitelkeit, Ruhmsucht, Geldgier noch auch ein Fanatismus für Aufklärung und Freigeisterei die Triebfeder seines Handelns war. Er gehörte, geborener Gascogner, zu den bewundernswert überlegenen Leuten, die an Spott und Spiel ein wahrhaft künstlerisches Vergnügen haben. Das ist ein Stück Dichtertum, frei von jedem Pathos, außer von einem gewissen Pathos des Witzes.«

Eine weitere weitläufige Arbeit erwuchs mir aus einer zweiten zufälligen Bekanntschaft mit der Mutter der jungverstorbenen Malerin Maria Bashkirtseff. Ich übersetzte Marias Tagebücher und Briefe und schrieb eine kleine Schrift zu ihrem Gedächtnis. Der Kreis der Bashkirtseff war durch den großen Erfolg der »Tagebücher« damals ähnlich aufgerüttelt wie die philiströse Gesellschaft der Angehörigen und Freunde Friedrich Nietzsches durch dessen nicht vorhergesehenen Weltruhm. Sie trieben nun mit der verstorbenen Maria einen posthumen Kult. Die Mutter hatte keinen anderen Gesprächsstoff, keinen anderen Lebensinhalt. Sie baute Maria eine maurische Grabkapelle und betete vor Marias Bildern. Ich lernte einen jungen Aristokraten kennen, der unverheiratet blieb, um sich ganz dem Gedächtnis des wunderbaren Mädchens zu widmen. Es waren gutmeinende begüterte Dilettanten, die von aller Welt umschmeichelt und angestaunt, ihre armen Herzen leer durch alle Länder trugen. Da ich in Paris reiche Verwandte hatte, so erschlossen diese Verbindungen manche Möglichkeiten, aber ich nutzte sie nicht und lebte unfroh in ewiger Hypochondrie. Ich war zu jener Zeit ein Füllen, dem der zielgebende Reiter fehlt. Um dem Großvater zu genügen versuchte ich belletristische Bücher zu schreiben. Bei einer russischen Malerin Antonie von Kempe lernte ich deren Neffen Richard Bredenbrücker kennen, welcher mit großer Begabung Bauerngeschichten schrieb. Ihm suchte ich nachzueifern mit einer Geschichte »Frische Kirschen«, die viel zu breit und zu sentimental geriet. So machte ich noch manche andere Versuche. Am besten gelang eine Jugendgeschichte »Die Freunde«, in welcher die Stadt Hannover um das Jahr 1800 den Hintergrund bildete für die Erlebnisse der beiden Freunde Karl Philipp Moritz und Karl Ludwig Iffland, in deren Gesprächen und Erlebnissen ich Klages und mich wiederfand. Aber da ich zu viel Kulturgeschichte in die bescheidene Novelle stopfte, so wurde auch sie zu breit und mußte liegen bleiben.

So wuchs aus den Jahren, in denen ich es äußerlich so gut hatte, eine immer müde Schwermut. Die Welt rundum erschien mir sinnlos. Die Menschen erbärmlich und entartet. Das Leben der Weltkinder, die ich liebte, konnte nicht mein Leben werden. Aber ich war nun wie alle andern, genoß Fleisch, Tabak und Alkohol, hatte die Ideale der Frühzeit aufgegeben, lächelte über Moral und Weltbeglückung.

Eines Nachts standen Klages und ich an einem Brunnen, aus dessen Wasser die Sterne blickten. »Was wird in dreißig Jahren sein?« Klages antwortete: »Ich werde freiwillig mein Leben enden. Und du? Du bist kein Epikureer. Du endest als buddhistischer Einsiedler.«


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