Joseph von Lauff
O du mein Niederrhein
Joseph von Lauff

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Vierzehntes Kapitel

Roggen- und Weizenschläge wellten sich schwer mit ihren vollgesättigten Ähren und Grannen gegen den tiefen Horizont an.

Die Fernen opalisierten. Der Rhein gab sich bleiern, gemächlich und träge, sein Gesicht so muffig wie das einer langsam dahinziehenden Treckschuit im benachbarten Holland. Dafür machten die Georginen, die sich in allen Gärten und Gärtchen angepflanzt hatten, die pläsierlichsten Augen, waren die muntersten Kostgänger unter Gottes weitem Himmelreich. Sie klatschten mit ihren bunten Farben in die Landschaft hinein, als wäre der ganze Niederrhein eine einzige, allesumfassende Bauernhochzeit gewesen. Blau, gelb und rot, geflammt und gefiedert, so blühten sie in üppigster Schönheit und erfüllten die unermeßliche Gegend mit ihrem bunten Scheinen und Leuchten... aber die Zeit der Zentifolien und Rosen war lange vorüber.

Dem Hohen und Edlen ist nur eine kurze Dauer beschieden. Nach ihren ihnen zugedachten Tagen legen sich die Königinnen nieder, um unauffällig zu sterben, und ihr Sterben ist ein Sterben in Schönheit. –

Seit dem unheilvollen Geschehen auf Borghees hatten sich drei lange Wochen dahingeschlichen. Man hörte wenig davon. Es war versickert, wie eine Kelle voll Wasser zwischen Dünensand und Strandhafer versickert, als wäre der eigenwillige und undurchdringliche Herr in Livree mit den seidenen Eskarpins durch die Gegend gegangen und hätte Schweigen geboten. Silentium sanctissimum ... mit einem Trauerflörchen zwischen den einzelnen Buchstaben. Nur war davon die Rede gewesen, Gisbert Kreuzwendedich Riswyk habe sich bald darauf nach Utrecht begeben und Hause daselbst, endlich gesonnen, sich von einem gerühmten Arzt eines hingehaltenen Leidens wegen behandeln zu lassen. Alles ... und hätte man den düsteren Herrn in Livree köpflings auf die Mütze gestellt, er wäre trotzdem der große Schweiger in einer trostlosen und steinigen Thebais geblieben. Nichts mehr. Nur der Geist Gottes schwebte über den Wassern.

Also drei lange und bange Wochen dahin! Während dieser Zeit hatte Kapitän Hemskerk viermal Bergfahrt und Talfahrt gemacht, von Rotterdam bis Mannheim hinzu, immer vollauf beschäftigt, kaum imstande, sich ein Priemchen zu genehmigen, und lag nun mit seinem Dreimaster im stillen und verlorenen Griether Hafen vor Anker.

Das brave Schiff konnte Ruhe gebrauchen. Von grundauf war es wieder rhein- und segeltüchtig zu machen. Die längeren Fahrten hatten es mehr oder weniger aus der Balance geworfen, ihm die schmucke und adrette Erscheinung genommen. Die schadhaften Stellen waren zu kalfatern, Deck und Planken zu teeren, die Kajüten zu streichen. Auch in der Takelage mankierte dieses und jenes, kurz, eine neue Aufmontierung konnte nicht schaden, und so lag denn ›Gott mit uns‹ für einige Wochen fest, um die alte zersplissene Jacke abzulegen und sich eine neue über den alten, aber noch immer kernigen Adam zu streifen. Alle Mann auf Deck und 'ran an die Rammen! Welm Driesen leitete die Arbeit, während Lambert, sein Oberkollege, ein Reserveschiff nach Nymwegen führte, um wenigstens den dringlichsten Geschäften Rechnung zu tragen.

Hemskerk gab sich der verdienten Retraite hin und hatte Muße genug, sich mit den vergangenen Dingen und den unliebsamen Geschehnissen auf Haus Borghees auseinander zu setzen.

»Blexem! Das fehlte mir gerade, ausgerechnet diese verfluchte Geschichte. Den Deubel auch! 'ne Portion davon hat die Fahrt über Bord geholt, aber 'n gut Stück ist im Fuchseisen hängen geblieben. Wie hieß das doch? Ja, so: Das werden die nächsten Tage und Wochen erbringen. Hat sich was mit den nächsten Tagen und Wochen!«

Der Kapitän spuckte aus.

Seit jenem verhängnisvollen Abend wurden ihm die Stunden vergällt und die Nächte zu Nächten, die er am liebsten den räudigsten Hunden vor Zähne und Lefzen geworfen hätte. Seine besten Kappesplantagen waren verhagelt, seine schönsten Zukunftspläne in die Wicken gegangen. Wie konnte es nur die Menschenmöglichkeit sein, auf solche Zicken zu kommen, die Fundamente für ein sauber aufzurichtendes Menschenleben über den Hausen zu werfen! Herr Jeses nochmal! Und Reiner erst ... von Jakobine gar nicht zu sprechen! Beide stumm wie die Binsen im morastigen Sumpfwasser. Selbst Michel Virgilis hatte beim nächsten Begegnen die Schultern gezuckt und langatmig dargetan: »Meine Spezialität, solche fiesen Überraschungen auf den Proppen zu setzen. In diesem Kasus jedoch – da ist vorderhand gar nichts aufzustellen. Höchstens abwarten und 'ne Bouteille Schwart Water verzehren.« » Merci für die gütige Belehrung. Aber um das zu kapieren, brauche ich nicht in Emmerich am Krantor vorzusprechen. Doch nichts für ungut, Michel,« und mit hochrotem Kopf war Hemskerk an Bord gegangen, um sich und seinem verärgerten Zustand drei Wochen hintereinander die frischen Rheinbisen um die Ohren spielen zu lassen, drei Wochen hindurch ... und saß nun in seinem Anwesen am Fenster, in seinem properen Hause zu Grieth, wo alles so blitzte und blinkte wie in seiner besten Achterkajüte, Streusand auf dem Riemenboden und Schildereien an den Wänden, die von Adam und Eva und den Freuden des Paradieses erzählten.

Hemdärmelig, in Velvethose und Velvetweste, eine Kalkpfeife zwischen den Zähnen, sah er auf den Rhein hinaus, der breitfüßig vorüberschwaderte. Stundenlang konnte der Alte diesem langsamen Marschieren in seinen Mußestunden nachgehen. Aber heute nicht so wie an anderen Ruhetagen. Ihm fehlte die Beschaulichkeit, die Kommodität einer ausgleichenden und durchgeistigten Sammlung. Nach seiner Rückkehr erinnerte er sich aufs neue des schönen Gleichnisses von dem Kamel und der Grasnarbe, und mußte nun sehen: dieses ausverschämte Biest von Kamel hatte die propere Decke ratzekahl übergefressen. Nichts mehr, reineweg nichts mehr! Und dieses Gleichnis saugte sich bei ihm fest mit den halbkreisförmigen Muskelfasern eines unersättlichen Pferdeegels.

»Sackerment noch mal! Da soll einer noch die bekömmliche Retraite aufbringen können! Gottverdammich, ich nicht. Die verfahrene Pläsiertour nach Borghees kommt mir immer dazwischen ... und der süffige Yquem ... und der unheimliche und schmachtleibige Kerl mit der Totenvisage. – Holla, Hemskerk, was soll's denn?!«

Er rief sich selber an, um festzustellen: bist du noch auf Fahrt begriffen, oder aber ankerst du auf stunds wieder in Grieth, sitzt auf deinem eigenen Grund und Boden am Fenster und bläst 'ne gehörige Portion Oldenkott Rippchentabak-Feinschnitt über den Tabakkasten?

Es stimmte schon. Aber das mit dem Tabakkasten ...

Er dachte nicht dran.

Mit grimmiger Forschheit stieß er vielmehr ein Wölkchen nach dem andern gegen die Scheiben, willens das Glas zu durchbrechen, um so den prächtigen Spätsommermorgen zu vergasen und diesig zu machen.

Nichts wollte er sehen, kein Spierchen, nicht soviel wie das Schwarze unter seinem Daumennagel.

Es gelang ihm nur schlecht. Der Rhein, wenn auch stumpfsinnig, schob sich mit hellen Reflexen unaufhaltsam seines Weges dahin. Breitkastige Steamer prusteten zu Berg und zu Tal. Von drüben, jenseits des Stromes, stakelte eine Windmühle mit ihren Flügeln und Segeln herüber, salutierten kanadische Pappeln, stieg ein silbergrauer Reiher auf, der sich schaukelnden Fluges den unermeßlichen Wiesen des Binnenlandes zuwandte.

»Blexem!«

Der Kapitän sammelte sich. Hierauf drehte er den Kopf auf die Seite, die hellen Lichter scharf auf die Türe gerichtet.

»Na, endlich!«

Jakobine war ins Zimmer getreten, bot ihrem Vater die Tageszeit, legte ihr geklöppeltes Spitzenhäubchen ab und ihr Gebetbuch daneben.

»Mein Frühstück habe ich soloalleine genossen,« klang es ihr unwillig zu, »und du weißt doch: wenn ich die Planken und die Konnossemente hinter mir habe, will ich mich in meiner totalen Bequemlichkeit fühlen. Ich laß mir gefallen: saure Wochen da draußen, die gehören zu 'ner richtigen Kaptänsmontierung, aber hier binnen ... ohne 'n gewisses Assortimang kann ich mich auf die Dauer nicht wohl befinden.«

»Vater,« erklärte sie ruhig, »heute ist Mutters Sterbetag. Da bin ich bei ihr gewesen ... in der Seelenmesse.«

»Ja, aber mein Kind ...« und Hemskerk legte seine Pfeife beiseite. Groß und starr waren seine Augen auf Jakobine gerichtet.

»Dann allerdings. Das exküsiert. Nimm's nicht verübel. Aber die letzten Wochen machten mich dösig, und wären nicht die munteren West- und Ostbrisen gewesen, das Kielwasser hätte mich übergeschluckt, um mir das Vergessen zu bringen. Aber lassen wir das. Bleiben wir in 'ner nüchternen und kalten Verfassung, wie sie die jetzigen Dinge erfordern. Ganz richtig. Heute ist der Sterbetag deiner seligen Mutter, mein Döchting. Ich bete nicht gerne, nur in äußersten Notfällen, aber wenn ich an Mutter denke, dann ist es mir so, als müßte ich sie ans Herz nehmen und immerzu hersagen: Vater unser, der du bist in den Himmeln. Noch jetzt lege ich ihr allzeit die Hand unter die Füße, um ihr die Arbeit leichter zu machen, noch jeden Abend betaste ich das Kissen nebenan, ob ihr liebes Gesicht noch da ist, und dann schieb' ich ihr ganz sacht und so ganz heimlicherweise den Mund auf die Lippen, um ihr 'ne angenehme und gesegnete Ruhe zu wünschen. Das ist zwischen Mutter und mir immer so Mode gewesen, gewissermaßen ein Überkömmnis aus seligen Zeiten heraus, und sie hat's hingenommen wie 'n Kommunionskind sein Myrtenkränzchen am Weißen Sonntag. Aber fort damit,« und er nahm wieder seine Gaudaer Pfeife auf, »olle Kaptäns und ausrangierte Taukränze sollen sich nicht mit der Wehleidigkeit befassen. Das gibt bloß unnösele Kerle, die nicht mehr kumpabel sind, 'nem richtigen Weibsbild die Wahrheit zu sagen. Also Schluß! Und ich möchte nur fragen ...«

Er warf einen langen Blick auf das Zifferblatt der Kastenuhr.

»Es geht schon auf Zehne.«

»Ich weiß,« gab sie lächelnd zurück, »und weiß auch, was du sagen willst. Nach der Messe bin ich am Hafen gewesen, um mich so 'n bißchen umzusehen.«

»So, und wie geht denn die Arbeit?«

»Welm ist bei vollem Betrieb und meinte, binnen zwei bis drei Wochen könnte das Steuer umgelegt werden.«

»Kann ich gebrauchen, denn in spätestens drei Wochen muß ich nach Mannheim und wieder retour.«

»Sagte mir Welm schon, und bei dieser Gelegenheit ... kurz, ich habe mir die Kurasch genommen, über und unter den Planken bis in die Kielräume hinein meine Kenntnisse aufzufrischen... die Wanten und das sonstige Takelwerk zu betrachten... den Steuerkasten zu mustern. Dabei hab' ich lang in Überlegung gestanden und mir schließlich die Frage vorgelegt: Warum bist denn du nicht ebensogut wie die Mannsleute befähigt, an Bord zu befehligen und ein Schiff von Mannheim über Duisburg-Ruhrort noch Rotterdam zu führen?«

»Was – du?!«

»Selbstverständlich – ja ich.«

»Nanu!« rief der Alte und dachte für sich: »Da steckt irgendeine Falle zwischen den Holzbeigen, oder sollte wahrhaftig...«

Er rückte die straffen Brauen zusammen, spionierte an seiner Tochter herum, als müsse er sie bis auf die Nieren durchleuchten, um schließlich lauthalsig auszubrechen: »Du in 'ner Teerjacke und den Südwester übergezogen? 'n Frauenzimmer in kommandierender Stellung auf Deck, mit richtiggehenden Ankerknöppen an den Ärmelstauchen? So 'ne Rarität möchte ich sehen. Ja, möchte ich sehen. Da könnte unsereins letzten Endes 'n Kutschpferd am Schwanz aufschirren. Indessen warum nicht? Denn wenn man so alles in Überlegung nimmt: wir können Arbeit gebrauchen, und jeden, der will, der nicht mit dem Maulwerk, sondern aus dem richtigen Handgelenk heraus sich zur Arbeit erbietet, soll man nicht in den Narrenkasten unterbringen. Hallo!« und seine kratzige Stimme schwoll an, »wir und Deutschland sind nicht mehr der reiche Schlemmer aus dem Evangelienbuch, sondern der arme Mann im Lande Uz, zu dem nur noch die räudigen Hunde kamen, um ihm die Schwären vom armseligen Kadaver abzulecken. All right! Mit den Schüssen von Serajewo hat's angefangen. Diese Schüsse knallten in die letzten Kapitel hinein: Vae victis! Wir müssen wieder Sonne haben, warme, werktätige Sonne, Estimierung vor uns selbst und Heldenverehrung. So nur geht's weiter. Wir haben handfeste Mannskerle und tüchtige Weiber so nötig wie die täglichen Brotschnitten, denn mit der heutigen Gesellschaft ist verflucht wenig Staat zu machen. Die denkt höchstens an Zigaretten, lange Seidenstrümpfe und sich die Faulheit prämieren zu lassen. Äh was!«

Er sah scharf auf die Seite.

Eine stramme Rauchwolke rannte gegen die Fensterscheiben.

»Ja, man kann immer nicht wissen. Also warum nicht? Du bist willig und schaffig genug und mußt dereinstmals dein eigenes Erbe in Verwaltung nehmen. Jeder ist sich selber der nächste. Also mein Döchting – dein Anerbieten, wollen's man im Auge behalten; auf stunds jedoch...« und über sein wetterhartes Gesicht riffelten sich Schrammen und Runzeln. »Jakobine, ich habe mit dir eine ernstes Wörtchen zu reden, denn 'ne Kegelkugel, die man in der Hand hat, soll man nicht erst am nächsten Morgen auf die Rollerbahn setzen.«

»Mit anderen Worten,« versetzte sie ruhig, »ich habe mich auf eine kleine Auseinandersetzung gefaßt zu machen.«

»Wenn du so meinst: allerdings – ja, und ich bitte dich hiermit, dir's kommod zu machen.«

Mit seiner Pfeife deutete er auf einen Sessel.

»Nicht nötig,« winkte sie ab, »ich liebe es, ernsten Gesprächen auch ernst zu begegnen, und das kann für mich nicht im Sitzen geschehen.«

»Wie du willst,« gab er knarzig zurück, indem er die Beine übereinander schlug und interessiert seine Schuhe betrachtete.

»Jakobine,« also begann er, »an gewisse Dinge rührt man nicht gerne, wie man 'nen guten Rheinkahn, der seinen ordentlichen Gang hat, von wegen kleiner Mankemangs nicht groß belästigt. Man steckt sie halt ein und nimmt's dem Schiffbaumeister nicht weiter verübel. Aber verstehe mich richtig: natürlich alles mit Ausmaß, denn wenn die Äppel überreif werden oder gar den Wurm ansetzen, dann allerdings, dann müssen sie vom Appelbaume herunter.«

Sie zuckte die Schultern und hielt ihm ein kaum wahrnehmbares Lächeln entgegen.

»Weshalb dieses Lachen?« fragte er unwillig.

»Weil ich nicht weiß, wo das alles hinaus soll.«

»Da hat's doch kein langes Fragen vonnöten.«

»Warum nicht?«

»Wir sind noch in Gegenrechnung, Mamsell. Daran läßt sich nicht schüttern. Das langanstehende Konto wird heute beglichen. Bisher mankierten Zeit und Gelegenheit. Jetzt liegen sie mir auf dem flachen Handteller.«

Ihr Stolz kam wieder zum Vorschein. Um die Mundecken zuckte es auf. In den Tiefen ihrer grundlosen Augensterne zog es bitter herauf.

»Ich hoffe zu Gott, du willst doch die Geschehnisse auf Borghees nicht wieder heranziehen.«

»Lasse mich ausreden – du. Wo ich hinaus will, das mußt du schon mir überlassen. Die Affäre ist diese,« und er nahm eine Portion Luft in den Windfang, um dann weiter zu sprechen. »Ungefähr drei lange und geschlagene Wochen habe ich auf dem Wasser gelegen. Erbärmliche und lelke Tage für mich! denn ich hatte die infamsten Gedanken an Bord, du weißt ja: solche, die einem die Luft abdrehen. Verdammich! Diese Biester gingen mich an wie hungrige Ratzen den ausgelassenen Talg angehen... und jetzt, wo ich retour bin, spitzt du so pläsierlich das Mundwerk, als würden dahier nur die angenehmsten Flötentöne gepfiffen. Alles geht seinen regulären Gang, kein Hahn federt seine Hennen, kein Huhn spektakelt auf den beschmissenen Sitzstangen, kein Kalb macht umsonst den Hals lang, weil der Jud Mutter und Euter abführte, und ich müßte doch annehmen... Nee, hier ist alles schon in der zuständigen Balance, drückt sich in 'ne angenehme Ecke hinein und läßt Gottes Wasser über Gottes Ackerwirtschaft dahinlaufen. Christus!« und er schlug auf das Fenstersims: »Mach' deine Sach', hau' zu, wenn auch etwelche Späne dabei herumkarriolen. Das ist allzeit mein Honnör und meine Devise gewesen. Immer schlank geradeaus, und drum sollte ich meinen: Wie steht's nun um dich? Ich denke dabei natürlich an Reiner. Da muß sich doch irgendwo 'ne Bussole oder 'n Kompaß herauspellen lassen, um wieder richtiges Wasser unter die Schiffsplanken zu kriegen. Also wie ist es damit?«

Sie zuckte die Achseln.

Ihr Antlitz war wie das einer Toten.

»Vater, ich weiß nichts.«

»So so! Also du weißt nichts? Es gibt Frauengesichter, die sind wie Schwalbennester vermauert. Die geben nichts her und wenn sie ins Gras beißen sollten. Da muß ich wohl deutlicher werden. Nochmals gesagt: ich spreche von Reiner.«

»Vater, ich weiß nichts von ihm.«

»Hat also auch gar nicht geschrieben?«

»Keine Sterbenssilbe.«

»Und du...?«

»Ich schreiben? Wozu denn? Was soll ich denn ändern? Ich kann nicht Reiners Seele durchleuchten, und wenn ich es könnte, ich wäre zu stolz, auch nur einen brennenden Span zu erheben. Überhaupt: ich bin nicht gesonnen, mir darüber Gedanken zu machen.«

»Aber ich mache mir welche.«

Hemskerks Worte fielen wie harte Kieselsteine zu Boden.

»Ja, ich mache mir welche, denn was da alles jung wurde... da drüben... bei brennenden Kerzen... so Mann gegen Mann... um deinetwillen auf Leben und Sterben... Ich höre die Schüsse noch, als wären sie auf mein eigenes Fleisch und Blut, auf meine Tochter gerichtet. Verdammich!« und ein scharfes Räuchlein stellte sich aufwärts, »über so was, sollte ich meinen, kann sich einer schon den Schädel zerbrechen, denn bei Licht besehen: Reiner ist stumm, der Knollen- und Rübenbaron hat sich nach Holland verzogen und wir – wir sitzen in Grieth wie die leibhaftigen Ölgötzen und lassen das Garnknäuel über den Boden laufen, um damit wie die Miezekatzen herumzuspielen.«

Er lachte auf. Seine Kehle wurde ihm trocken. Mit Mittel- und Zeigefinger schliff er um Kragen und Bartfräse.

»Wir befinden uns schon in 'ner amüsanten Komödie, mein Herzensdöchting. Die geht mir nachgerade bis ans Halszäpfchen, und wenn bis dato der unheimliche Markör mit der Leichenbittervisage auch verpaßte, Laut zu geben, alles im brackigen Wasser verquiemte – wir müssen uns selber gegenüber als honorig erweisen, denn zwischen Reiner und uns muß sich doch eine gewisse Klarheit ergeben. Den Kavalier laß ich ganz außer Betracht, denn er hat mir gar nichts zu sagen, aber das mit Reiner ist in Ordnung zu bringen. Ich will doch wissen, wer die Stirn aufbrachte, mir die beste Kalfaterung aus den besten Planken herauszupolken. Entweder so oder so – einer von euch, entweder du oder Reiner, muß doch Farbe bekennen, sonst kommt man sich vor wie 'n Lellbeck, dem sie 'nen brennenden Zigarrenstummel verkehrt ins Maulwerk praktizieren. Um das zu erleben, dafür brauche ich mich nicht als Kaptän Hemskerk zu bezeichnen. Schiff und Papiere sind bei mir allzeit in Ordnung. Genau so wird diese Sache geregelt. Also wie ist das? Meine Zeit ist bemessen, und die Hinhalterei ist mir so allmählich über geworden.«

»Vater...!«

Mit beiden Händen scheitelte Jakobine ihr schwarzblaues Haar auf die Seite. Ein leichter Schauer rüttelte an ihren Schultern, pflanzte sich fort und verstarb an den festen Linien ihrer jungen Brüste. Dann sagte sie ruhig: »Ich bitte dich... das Schweigen um mich münzte ich aus zu einem versöhnlichen Schweigen der Vorsehung. Und nun kommst du, dieses Schweigen auseinanderzureißen. Ich habe meine Gründe dafür, mich still zu verhalten. Ich vergebe mich nicht und habe mich niemals vergeben. Es steht mir nicht an, das Gold, das ich unter meiner grauen Bluse trage, feilzubieten. Wer es haben will, hat mich aufzusuchen. Nicht umgekehrt. Ist er entgegengesetzter Meinung – ich kann es nicht ändern. Es ist mir gleich, was die Leute über mich sagen. Meine Wege sind meine Wege, meine Taten die meinen. Ich bin keinem Rechenschaft schuldig. Alle Kraft, die mir innewohnt, will ich für die schlimmste Stunde aufsparen, und ich spare sie auf, so wahr ich in diesem Augenblick meiner seligen Mutter gedenke. Dieserhalb: ich rühre keinen Finger um Reiner.«

»Also – du rührst keinen Finger um Reiner? Auch eine Antwort, und weiter: du bist keinem Rechenschaft schuldig, auch mir nicht, und hast dich niemals vergeben? Gut, nehmen wir an, obgleich ich so in meinem Unterbewußtsein empfinde: es hat auf Borghees 'ne Stunde gegeben... Aber nehmen wir an, denn 'ner Tochter vom Kaptän Hemskerk und ihrem Wort hat man Rechnung zu tragen, und so denke ich denn...« und seine Stimme wurde herb und grantig: »Du bist 'ne Art von Königin... 'ne Königin Himmels und der Erden... und du stehst auf 'ner Frühlingswiese voller Himmelschlüsselchen... und deine Hände sind rein, und deine Taten sind ebenfalls rein und deine Gedanken so lauter wie die besagten Himmelschlüsselchen auf der Frühlingswiese...«

»Vater, hör' auf!« rief sie heftig.

Sie trat einen Schritt zurück und warf ihren Kopf in den Nacken.

Hoheit umgab sie.

In der Raschheit ihrer Bewegung hatte sich ihre schwere Flechtenkrone gelöst. Sie rieselte nieder. In dem dunklen Vlies erschien ihr bleiches Gesicht wie eine weiße Medaille.

»Vater, lasse solches beiwege. Ich denke nicht dran. Deine Worte stoßen mich nur in eine immer tiefere Wirrnis hinein. Ich stehe nicht auf einer Frühlingswiese mit Himmelschlüsselchen. Was soll das mit der Königin Himmels und der Erden? Ich bin keine solche, sondern ein sterbliches Weib, genau so wie die anderen sterblichen Weiber. Ich habe deren Gebresten und Hoffärtigkeiten. Wenigstens die Neigung dazu. Aber ich besitze doch immer die Kraft und den Willen, meine Hände rein, meine Taten unbefleckt und meine Gedanken lauter zu halten, denn ich bin eine Hemskerk und damit gesonnen, als eine geborene Hemskerk zu leben und als eine geborene Hemskerk zu sterben.«

»Gottverdammich, dann kapiere ich nicht...«

Der Kapitän knickte zusammen. Gleich darauf stand er wieder breitbeinig vor Jakobine, die Pfeife in der Linken, den mit Feuer überlaufenen Kopf fest und eisern auf den Schultern. »Nee, Jakobine, dann kapiere ich nicht... Bist du wirklich 'ne Hemskerk von so kapitalen Darbietungen, wie du dich anofferierst, dann muß ich sagen...« und er hob sich schwer in den Schuhen, »wo nimmt Reiner denn die Kurasch her, sich so als den Ausverschämten und Hinterhältigen hinzustellen und sich so großartig aufzuspielen?! Oder aber ... an jenem dreimal verfluchtigen Abend, damals, als die Geschichte passierte... Ich meine um deinetwegen und mit Rücksicht auf deine ewige Seligkeit... da – Jakobine...«

Er packte ihre Hand und schraubte sie wie in einem eisernen Schraubstock. Dabei sah er ihr starr in die Augen. »Du – bist du da nicht so 'n bißchen aus der Navigation geraten, soll heißen, war im Momang, als der andere die freche Attacke vollführte, dein Sinnenwerk ganz soloalleine auf Reiner und seiner alleinseligmachenden Liebe eingestellt? Oder mein Döchting...«

Sie tat einen Schrei, als wäre sie in den tiefsten Kern ihres Lebens getroffen.

»Vater, du setzt mir die Pistole aufs Herz.«

»Mamsell, ich kann's nicht mehr ändern,« und der Schraubstock begann fester zu schrauben. »Hier gilt nur noch: kannst du Gottes Auge betrachten, oder kannst du es nicht mehr betrachten? Möglich,« und er holte tief Atem, »daß ich meiner kapiteinischen Tochter mal kavaliermäßige Flöhe in die Ohrmuscheln praktizierte. Immer schon möglich. Das kann ich noch heute verantworten und als voll estimieren, denn es stand mir zu, Staat und Parade mit dir in den Grafschaften zu machen. Indessen jedoch, wo du deinem eigenen Gusto nachgingst, ich dazu schließlich Ja und Amen gesagt hab' – natürlich, da war dieses Ja und Amen für mich so gut wie in der Kirche gesprochen. Und somit: ich will Klarheit besitzen, soll heißen: war die Attacke dir so gänzlich zuwider, oder lief da so 'ne kleine Neigung mit unter? Jakobine, ich warte.«

Der Schraubstock löste sich langsam.

»Du – die Attacke des andern... vor dem nackten Bilde der Gräfin...«

Der ganze Mann erstarrte.

Seine Stimme kam ins Flackern.

»Jakobine, ich warte.«

»Worauf wartest du, Vater?!«

»Lief da 'ne kleine Neigung mit unter, oder lief keine mit unter? Das ist es. Gib Antwort.«

Sie trat wieder vor. Ihr Gesicht war wie das der Gottesmutter am Fuße des Kreuzes geworden. Ein solches Gesicht weist zum Kalvarienberg.

»Vater, ich stehe vor Gott und meinem Gewissen. Du fragst mich, und du bist für mich Richter und Anwalt in einer Person. Ich habe dir Antwort zu geben und tu' es mit freier Stirn und offenen Sinnen. Ich will nichts verheimlichen und habe nichts zu verheimlichen. Dafür ist Gott mein Zeuge. Er ist bei mir, wo ich dir sage: Ja, Vater, für zwei Herzschläge hindurch wurde ich aus dem Senkel geworfen.«

Er prallte zurück.

Er mußte sich am Fensterkreuz halten.

»Was – aus dem Senkel geworfen?!«

»Ja,« versetzte sie wie im Angesicht des Ewigen, »zwei Herzschläge hindurch war mir wirbelsinnig zu Kopf... dachte ich Ungereimtes... war Reiner gelöscht in meinem Gedächtnis, um dann wieder mein und mein Alles zu werden.«

Mit ihrer schmalen Hand machte sie eine kurze Bewegung und ließ diese schmale Hand wieder unauffällig sinken.

Ihr halbgeöffneter Mund erinnerte an eine kleine blutende Wunde.

»Vater, das mußte ich sagen. Auch in seiner höchsten und heiligsten Liebe – auch da hat die Vorsehung dem Weibe eine schwache Stunde zugesprochen, wenn auch nur eine Stunde, kaum nach Sekunden zu zählen und dünn wie ein Seidenfaden.«

Der Alte stierte vor sich hin.

»Halt – du. Kein Wort mehr.«

Seine Stimme kroch näher: »Also doch! Bloß zwei kurze Herzschläge hindurch, kaum nach Sekunden zu zählen und dünn wie ein Seidenfaden... und nicht in Worten und Taten, sondern bloß in Gedanken. Das klingt so, als wäre ein allbarmherziges Bluttüchlein über die dumme Sache gefallen, so 'n allbarmherziges Bluttüchlein, das alles hinwegnimmt. Aber es bleibt doch 'ne Wunde zurück, die beiden Herzschläge bleiben zurück, und weiß Gott, Jakobine, ich bin kein Mann der Ausnahmen und der Absonderlichkeiten – aber Gottverdammich noch mal! wenn ich diese Herzschläge auf die Wage lege und das Gewicht ablese, dann bist du nach menschlicher Berechnung, wenn auch bloß in Gedanken, abwegig gewesen und durch Sünde gegangen.«

Sie lächelte nur. Aber es war ein eisiges Lächeln.

Ihre Brust zeigte kaum eine Bewegung. Unser Herr und Erlöser auf dem kalten Stein konnte sich nicht ruhiger geben.

»Gut,« sagte sie tonlos, »so bin ich denn durch Sünde gegangen, um dann zu bereuen und wieder ein Kind des Lichtes zu werden.«

Der Alte glaubte, nicht richtig gehört zu haben.

»Blexem! Das klingt ja so wie 'ne Botschaft vom Erzengel Gabriel mit 'nem richtig gehenden Lilienstengel,« und über sein Gesicht lief eine bleierne Färbung: »Ich will dir was sagen.«

Er trat vor sie hin, starrte in ein bleiches Gesicht, spuckte scharf auf die Seite, um dreimal hintereinander die Dielen nach Länge und Breite zu durchmessen. Hierauf nahm er den Ofen an, klopfte auf den blanken Messingschlängelchen, die den Aufsatz umzirkten, seine Tonpfeife aus und begab sich wieder ans Fenster.

Von hier aus sah er über den trägen Rhein fort. Langsame Schiffe zogen stumm auf Emmerich zu. Lichte Sonneninselchen spielten auf dem gescheuerten und mit Sand bestreuten Boden. Mit dem Summen von Bienenflügeln hummelte es durch das totenstille Zimmer. Dann erhob sich ein Klingen wie das monotone Klingen im Schatten eines Brunnenbeckens. Plötzlich verstummte es.

Der Kapitän hatte sacht gegen die Scheiben getrommelt.

Dann wandte er sich.

Die ihm angeborene Heftigkeit brach durch, schüttete über.

»Ja, Jakobine, ich will dir was sagen,« und sein Gesicht schob sich dicht vor das ihre. »Also bloß zwei Herzschläge hindurch und nur in Gedanken... Ah du...!« und er brach seine Tonpfeife mitten entzwei und schleuderte die Stücke in eine Ecke des Zimmers. »Wir Kaptäns, wir lieben saubere Kajüten und 'nen sauberen Schiffsgang. Das ist alleweil so unter uns niederrheinischen Kaptäns die ausklamüsierte Tagesordnung gewesen, und niederrheinische Kaptäns haben toujours 'ne exakte Spurweite binnen. Und drum sage ich dir schlank- und freiweg vor die Stirne: Ich, Kaptän Hemskerk – wäre ich damals auf Borghees und vor dem Bilde der nackigen Gräfin so 'n unfreiwilliger Zeuge gewesen und hätte um diese Herzschläge gewußt – hier mit meinen zwei Fäusten, mein Döchting, ich hätte dich gewürgt und wie 'n Stück Vieh in Grund und Boden geschlagen. Verdammich, das wär' ich dir und mir gegenüber schuldig gewesen... schuldig gewesen ... schuldig gewesen.«

»Du...?!« sagte sie ruhig.

»Ja – ich,« gab er keuchend zurück.

Sie rührte sich nicht. Nur ihr Haupt senkte sich rücklings. Der Widerschein des Fensters umgab sie mit dem warmen Glänzen des Tages. Ein hehres und doch verheerendes Lächeln umspielte die Mundwinkel, die keine Farbe mehr hatten.

Sie nahm ihr gelöstes Haar auf und schürzte es zu einem mächtigen Knoten zusammen.

»Wie du meinst,« sagte sie endlich. »Was du zu tun gedachtest, ist hart und spricht dir vieles ab. Die Mutter hatte mich verstanden. Die fehlt mir, und so muß ich mich mit deinem Richteramt abfinden. Was bleibt mir sonst übrig? Aber mit einem solchen ist es ein böses Hausen zusammen. Gut denn, in deinem Sinne: ich bin schuldig geworden, obgleich ich dir nochmals entgegenstelle: ich selber fühle mich so schuldlos wie ein Kind, das eben geboren wurde. Ich stehe vor Gott und meinem Gewissen wie im Angesichte der letzten Stunde. Und die letzte Stunde legt einem nichts Falsches auf die Zunge. Eine solche Stunde, die einem das Leben abspricht, um die Seele in ein neues zu geleiten, lügt nicht und hat niemals gelogen.«

»Jakobine...!«

Der alte Kapitän wurzelte an. Er wollte die Arme strecken, fand aber die Kraft nicht, sie von seinem starren Leibe zu heben.

»Und Reiner...?!« fragte er mit aufgerissenen Lichtern, die wie Signale bei schwerem Seegang umherirrten.

»Was er zu tun gedenkt, hat er mit sich selber auszumachen. Möge er den Pfad der Selbsterkenntnis finden. Für mich hat die Erinnerung an das Geschehen auf Borghees kein Erschrecken mehr, und wenn ich sündigte – eine solche Sünde hat sein Martyrium und seine Heiligkeit. Lassen wir das; denn müßte ich mit dieser Sünde in die Ewigkeit gehen, ich glaube, die Himmelstür täte sich auf, ohne auf mein Klopfen zu warten.«

Sie winkte ab.

»Nein, Vater, das mit Reiner ist seine eigene Sache. Er ist Mannes genug, sich und sein abwegiges Herz zu befragen. Ich rufe ihn nicht, suche seine Hand nicht, denn täte ich es, ich schämte mich im Spiegel vor meinem eigenen Angesicht, denn ich bin eine Hemskerk. Wenn Reiner was will – ich warte und bin immer zu finden, wenn es auch schwer wird, die alten Saiten wieder in ein harmonisches Klingen zu bringen. Das ist es, und ich habe nichts mehr zu sagen.«

Sie fuhr sich schwer über die Augen.

»Herzensmamsellchen, mein Döchting!«

Der Alte taumelte vor, als wäre ihm eine Überfahrung gekommen. Aber er strammte sich wieder wie ein Großer und Starker zwischen den Stacheldrähten, wo die Großen und Starken zu Hausen pflegten, und stieß die Arme zur Decke.

»Herr, du mein Gott! Ich danke dir. Ich danke dir, wie nur ein alter Rheinbär die Fassong hat, seinem lieben Herrgott zu danken. Mein Verstand steht wieder in Räson. Der wollte sich auf- und davonmachen. Hiergeblieben, du Lump. Und du... her, her – du meine kapiteinische Tochter!« und er nahm sie in seine mächtigen Arme. »Ach du, ach du...! Herzensmamsellchen!« und er riß sie an sich, als sollten sich Seelen und Körper miteinander verschweißen. »Jakobine, das da von eben...« und seine Stimme schrie auf: »Ich bin ja reineweg des Satans gewesen. Zwei Herzschläge hindurch wider Wollen und Willen und bloß in Gedanken in Sünde gestanden zu haben – das ist keine Sünde. Nee, das ist keine Sünde! Nie und niemals ist das Sünde gewesen! Und das von 'nem Vater in seiner größten Herzensbedrängnis niedergelegt und mit Blut unterfertigt, das gilt ebensoviel und wertet genau dieselbige Nummer, als hätte es der Herr Pastor in seinem Beichtstuhl von sich gegeben. Ja, Herzensmamsell, nicht du, sondern er hat zu kommen,« und sein Mund ruhte fest auf dem ihren, »und wenn's an der Zeit ist...« und er ließ von ihr ab, um ihr mit straffer Herzlichkeit und in allen Treuen zu sagen: »Mein Schiff wird sich freuen, mal unter deinem Kommando zu stehen, denn wahrhaftig in Gott: du bist eine Hemskerk. Allemann auf Deck, es lebe die kapiteinische Tochter. Hurra und Vivat!« und es war so, als käme vom Hafen her ein fröhliches Knattern von Flaggen und Segeln, ein Rufen von begeisterten Menschen herüber.


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