Joseph von Lauff
O du mein Niederrhein
Joseph von Lauff

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Zehntes Kapitel

In Huisberden läuteten die Glocken.

Dann verstummten sie wieder, um sich für den Abgesang vorzubereiten.

Ihre Stimmen waren nicht besonders sonore Stimmen, kamen nicht aus gesättigtem Magen heraus. Wie ganz anders die Glocken in den Nachbargemeinden! Bei diesen ging es dröhnender, nachhaltiger, selbstgefälliger zu, denn schon ein altes Sprichwort besagt: Je fetter und mastiger die Äcker, je breiter die hingeklatschten Kuhfladen, um so fetter und breiter das Läuten, und da diese Kirchspiele mit solchen opulenten Dingen aufwarten konnten, ließen sich auch die Glocken nicht lumpen, taten mit, was das Zeug halten wollte. Vornehmlich an Sonn- und Feiertagen. Dann stolzierten sie als wohlbeleibte Matronen über Land, in ehernen Reifröcken, reichlich ausgestattet mit Emblemen und sonstigen Zeichen, wackelten und schwenkten mit ihren däftigen Krinolinen wie die Bäuerinnen mit ihren Brokatröcken in den Kirmestenten und sangen dabei mit dem Behagen angemästeter Domschweizer, als gälte es, ihren Bauernstolz und ihre Wohlhabenheit bis weit in die benachbarten Kreise und Grafschaften hineinzutragen: » Dominus vobiscum et cum spiritu tuo!«

Ach, und die Glocken von Huisberden! Die Gegend war nicht so reichlich bestellt. Nur Heideland und Waldbestände, aber köstlich in seiner Anmut und Eigenart. So auch die Glocken – schlichte, beschauliche, herzinnige Glocken! Und wenn auch von Zeit zu Zeit ein mageres ›Äppel-päppel‹ mit unterlief – siehe: man wähnte dennoch, in das ewige Licht des Paradieses zu schreiten. Tore und Pforten öffnen sich. Golden rieselt es von den Stufen des neuen Jerusalems. Ein purpurner Vorhang scheitelt sich sacht auseinander, Posaunen ertönen, und Gott, der Herr, der mit Dornen Gekrönte, der ans Kreuz Geschlagene, der Unerforschliche und Allbarmherzige, der Erlöser der Menschheit, thront in der unermeßlichen Halle, umgeben von seinen Cherubim und Seraphim, dreitausend zur Rechten, dreitausend zur Linken... und sein Anblick ist Vergebung der Sünden, sein Lächeln Glückseligkeiten und himmlische Wonnen für ewige Jahre.

Und alles dieses durch das schlichte, beschauliche, wenn auch etwas dürftige Lauten der Glocken von Huisberden.

Besonders heute.

O, wie sie sangen! Fromm und einfach, herzensfroh und innig und doch jubilierend, aus gütigen Engelchören heraus, daß man den Herrn durch die Felder schreiten sah, die Saaten segnend, die Ähren streichelnd, den Lerchen zusprechend und dem die Pfade bereitend, der heute kommen sollte, um im hiesigen Kirchspiel seine Jungfernmesse zu halten, seine Jungfernpredigt von der Kanzel zu sprechen, am geweihten Tische das erste Opfer zu bringen, auf daß das Wort sich erfülle: » Eritis sicut Deus, scientes bonum et malum.« Er kam nicht wie Nikodemus bei der Nacht, sondern bei vollem Maienlicht, in heller Tagwacht, im hehren Geleucht von Myriaden Blüten und Blumen, die alle Wiesen und Dämme mit bunten Farben umkleideten. So kam er: ein gerechter Hirte, ein Mehrer der Liebe und Arbeit, ein unentwegter Wardein für Wahrheit und Treue, einer der nicht mit grauer Maske herumging, sondern leuchtenden Hauptes, der kein neues Morgenrot mit irren Lichtern suchte, sondern das alte, gute, treuherzige Morgenrot, das einst über Deutschland gestanden. Benedicite, qui venit in nomine Domini!

Seit einigen Tagen hate Klemens Auwater das Sakrament der Priesterweihe empfangen. In dem wundersamen Dome zu Münster, vor dessen Portal unter den Linden der Wiedertäuferkönig vor vielen Jahren das Zepter führte, leider aber auf den absonderlichen Einfall geriet, seinem königlichen Gemahl, der schönen Elisabeth Wandscherer, höchsteigenhändig den Kopf vor die Füße zu legen, nachdem er sie zuvor höflichst ersucht hatte, aus dem linken Pantoffel zu tanzen, war ihm das heilige Salböl geflossen, hatte ihn das › Accipe spiritum sanctum‹ würdig gemacht, das Wort zu lehren, das große unerfaßliche Geheimnis der Eucharistie den Menschenherzen zu übermitteln.

O, daß ich tausend Zungen hätte...! Die hohe Feier ging vor sich. Die Orgel brauste herauf, wie wenn im Reichswald die alten Eichen zu rauschen begännen, als würde in laulicher Frühlingsnacht ein uraltes, gewaltiges Gebet über die Erde getragen: »Lobet und preiset den Allmächtigen und dienet der Wahrhaftigkeit,« und es nahm seinen Weg ... und zog über die westfälische Heide ... und jubelte dem Rhein zu ... und ging bei Dornick und Emmerich über den Strom ... ins Binnenland hinein und immer so fort. Und da begannen in Huisberden die schlichten, beschaulichen und herzinnigen Glocken zu läuten. O, daß ich tausend Zungen hätte ...!

Schon in aller Herrgottsfrühe war in der ganzen Umgebung rege Bewegung.

Huisberden prangte im Festschmuck. Geschlagene Maien bekränzten die Straßen. Kalmus und Buchsbaum waren zu Teppichen ausgestreut. Das ganze Dorf feierte mit. Von allen Giebeln wehten die Fahnentücher in kirchlichen, päpstlichen und den alten glorreichen Farben. Ein erquickender Weihrauch kam von den Feldern herüber. Faulbaum und Heckenrosen blühten, der Roggen dampfte, Salbei und Unserer Lieben Frauen Bettstroh boten alles auf, die köstlichsten Narden und Spezereien über die weite Gegend auszuspreiten.

Das ganze Dorf war auf den Beinen. Jedereins strebte dem Försterhause zu, von wo der junge Kleriker eingeholt werden sollte, sein hohes Amt zu betätigen.

Hier hatten sich bereits die Freunde des Primizianten und alle, die dem Hause Auwater verwandt und zugetan waren, eingefunden, von nah und fern, von diesseits und jenseits des Rheines, denn einer Primiz beizuwohnen ist Gottestun, erleichtert Herz und Nieren und bringt irdischen und überirdischen Segen.

Selbstverständlich waren Kapitän Hemskerk und Jakobine erschienen. Ersterer in voller Montur, mit granatrotem Pontakgesicht und in gehobener Feststimmung, letztere, als hätte der Schöpfer sie in seiner besten Geberlaune hingestellt, sie als Maienkönigin über den Niederrhein und seine unermeßlichen Wunder zu setzen. Auch Michel Virgilis Tappert war da, als Künstler, mit Castorhut und funkelnagelneuem Samtjackett, in dessen Knopfloch eine frühzeitige Noisetterose pmngte, an deren zarten Blütenblättern noch drei morgenfrische Tautröpfchen funkelten. Die ›Noisetterose‹ gab er nicht zu. Er behauptete, sie wäre aus Pästum in seinen Garten übergeführt und dort weitergezüchtet worden, denn Künstler und ähnliche Leute könnten sich nur mit Rosen aus Pästum befassen. »Meine Spezialität. Nicht anders zu machen,« und so war er denn mit dieser einzigartigen Rose erschienen, aufgemacht wie der Wurzelkönig Daucus carota, von dem E. T. A. Hoffmann, der Gespenster-Hoffmann, gar verwunderliche Dinge erzählt, und somit geeignet, ganz Huisberden durch seine grandiose Erscheinung auf den Kopf zu stellen. Aber die Rose tat es allein nicht. Sie mußte noch eine Begleiterin haben, ein schmückendes Etwas. Dieses besorgte Düweke Brinkmann. Auch sie war in aller Form geladen, denn ohne Düweke wäre Michel Virgilis Tappert niemals aus seinem Dachsbau gekrochen. Ihre für gewöhnlich krallen und herausfordernden Äugelchen erinnerten an die Augen der sanften Turteltauben, die das Hohelied Salomonis so anziehend machen, ihr Benehmen an das schlichte Auftreten einer barmherzigen Schwester. So verstand sie es, sich würdig der Primizfeier anzupassen, als hätte sie zeit ihres Lebens die Lilien in einem Klostergärtchen behütet, wobei sie noch Gelegenheit fand, mit ihrem Züngelchen wie ein Miezekätzchen zu schleckern, allen ein angenehmes Wörtchen zu sagen. Selbst von Haus Borghees war einer erschienen. Nicht Gisbert Kreuzwendedich selber. Der joviale Rüben- und Knollenbaron hatte zu seinem größten Leidwesen ein Geschäft in Holland abzuschließen, das ihn alljährlich um diese Zeit nach Nymwegen führte. Aber sein Vertreter war da. Auf Geheiß des gnädigen Herrn überreichte er dem jungen Kleriker die Symbole von Glaube, Hoffnung und Liebe in einem sinnigen Arrangement von seltenen und köstlichen Gardenien.

Das schlug ein wie eine doppelt und dreifach geladene Pulverpetarde.

Nein, dieser Baron!

Alle erstaunten sich.

Michel Virgilis riß seine eingeknallten Rehposten auf, als sähe er in eine Zauberlaterne.

»Tiro, tiro!« lachte er über die duftige Spende hin, »nicht bloß anbacken kann er, nicht nur zwei Doubletten beim ersten Debouchieren auf sein Konto buchen ... auch das noch! Christus noch mal! Auch so 'ne heilige Aufmachung wird auf Borghees lebendig?! Allerhand Achtung. Ich für meine Person wäre nicht auf solchen ingeniösen Einfall gekommen. Niemals, jamais! Euer Hoch- und Wohlgeboren haben sich selbst übertroffen. Bravo, und hoch soll er leben!«

»Jawoll,« hieb Hemskerk in die nämliche Kerbe, »hoch soll er leben.«

Die Stimmung im Försterhause belebte sich. Nur noch wenige Minuten – und dem Aufbruch zur Kirche stand nichts mehr im Wege.

Alle warteten noch auf das Zeichen von Severin Stappers, der an der Gartenpforte des hochwürdigen Herrn Jakobus Johannes Aegidius Hommersum harrte, dem es oblag, den jungen Primizianten unter solennem Geleit an den Altar des Herrn zu führen.

Er hielt wie ein Abgesandter des Himmelreiches seinen Posten inne, im Bratenrock, den rostigen Zylinder auf dem rostigen Haarschopf, die schattenlosen Augen bald auf die Dorfstraße und das Forsthaus, bald auf die nahegelegene Kirche gerichtet. Er verkörperte die lästerliche Würde, den Medaillenstab in der Linken, seinen Erlöser und Heiland als Leitstern vor Augen. Nichts mangelte. Unter dem Schirm und Schutz dieses Mannes blieb die Kirche im Dorf, schlichen sich Knechte und Mägde nicht strumpfig auf den Heuboden, wurde die Weihnachtssau regelrichtig und ohne zu mogeln ausgekegelt, kam die Orgel niemals ins Stammeln, stand der alleinseligmachende Glaube so fest und stramm auf den Beinen wie der Reitergeneral Friedrich Wilhelm von Seydlitz auf dem Marktplatz seiner benachbarten Vaterstadt. Sein Weizen blühte. Er hatte ordentlich Schwung unter der Weste. Die ganze liebe Gotteswelt lachte ihm in ihrer letzten Maienpracht zu. Von seinem rostigen Zylinder büschelte das Licht wie die feurigen Zungen in den Pfingsttagen, wo die heiligen Apostel hellhörig und sprachgewaltig wie Salomo wurden.

O gesegneter Tag der Primiz und der Weihe!

Seit ungezählten Jahren war Huisberden dessen nicht mehr kundig geworden.

Das altehrwürdige, packende und erschütternde › Accipe spiritum sanctum‹ strömte wie Manna hernieder, erfüllte Himmel und Erde, betaute Gerechte und Ungerechte, pflanzte Wunder neben Wunder, als wären sie so billig wie die Blumen des Feldes ... und als die Glocken zum zweitenmal zu läuten anhuben, das › Accipe spiritum sanctum‹ über die Gläubigen hinschauerte, tat Mutter Auwater einen tiefen Seufzer und sah ihren Sohn an, der mit dem heutigen Tage gesonnen war, die Welt und ihre Anfechtungen hinter sich zu lassen, lediglich seinem Heiland die Ehre zu geben, als streitbarer Soldat Christi mit seiner Kirche zu leben, mit seiner Kirche zu fallen, genau nach den Worten: »Die Barmherzigkeit mit der Seele ist die Seele der Barmherzigkeiten.«

Erhobenen Hauptes, im weißen Chorhemd, die golddurchwirkte Stola umgelegt, das Birett zwischen den Händen, die bleifarbige Tonsur auf dem Hinterkopf, so stand er inmitten des bekränzten Zimmers. Ein grünes Myrtenzweiglein umzirkte die Schläfen.

Etwas Herbes und doch Hoheitsvolles und Gütiges ging von ihm aus. Er erinnerte an seinen Bruder, nur nicht so streng in der Linienführung. Sein Antlitz war wie das eines Streiters, sein Herz wie das eines Samariters. Er und der Nazarener waren eins. Er spürte seine zwingende Nähe. Sein Odem war bei ihm, stärkte ihn, machte ihn froh und freudig in Gott, und seine Seele war die eines glücklichen Kindes.

Accipe spiritum sanctum ...!

»Klemens, mein Klemens!« und die weiße, zutunliche Frau mit dem Paradiesapfelgesichtchen spreitete die Arme und legte sie glückselig um den Hals ihres Sohnes.

»Klemens, mein Liebling, nun ist endlich deine Stunde gekommen. Dein Wunsch ist erfüllt. Die goldenen Tore wollen sich für dich öffnen. Wache, arbeite und diene. Auch dein Vater wachte, arbeitete und diente. Er diente seinem überirdischen und irdischen König. Er ließ sich dabei nicht unterkriegen, denn er fand darin die Aufgabe seines Daseins, die Anwartschaft auf reichliche Freuden nach seinem Hinscheiden. Gehe hin und tue ein Gleiches, und noch über das Grab hinaus wird deine Mutter dich segnen.«

Die kleine Frau weinte still an der Brust des Gesalbten.

Kein Auge war trocken geblieben.

»Donnerkiel noch mal!« sagte Michel Virgilis, »daraufhin möchte ich eine Bouteille Langkork verzehren,« und er hätte auch Düweke Brinkmann beordert, das Verlangte nebst Glas und Pfropfenzieher herbeizuschaffen, hätte in diesem Augenblick nicht Herr Severin Stappers mit seinem Medaillenstab ein bedeutsames Zeichen gegeben.

»Sie kommen, sie kommen!« rief er über den blühenden Garten, nahm Paradestellung ein, um den ehrwürdigen und hochbejahrten Pastor und Ehrendomherrn Jakobus Johannes Aegidius Hommersum, der in einem Bausch von weißgekleideten Jungfern erschien, dem Försterhause zuzuführen.

Gleich darauf erhoben sich selige und glückverheißende Stimmen, nur solche von Frauen und Mädchen. Sie sangen:

»Maria, Maienkönigin,
Dich will der Mai begrüßen.
O segne ihn mit holdem Sinn
Und uns zu deinen Füßen.
Maria, dir befehlen wir,
Was grünt und blüht auf Erden.
O laß es eine Himmelszier
In Gottes Garten werden.«

Die Männer setzten ein. Das Lied zog dahin wie von den Schwingen Gabriels getragen, des Erzengels unter den Engeln, die da Wache halten zur Rechten des Herrn... und ließ vergessen, was das deutsche Volk alles durchlitten, erhob sich aber zu einer dringlichen Mahnung, sich auf sich selbst zu besinnen, das Unkraut vom Weizen zu säubern, der glorreichen alten Zeit und dem unbekannten Soldaten die Ehre zu geben.

Himmel und Erde feierten. Eine weiße Taube schwebte hernieder.

Severin Stappers begab sich mit seinem rostigen Schopf und seinem rostigen Zylinder an die Spitze des Zuges, ganz Würde und Selbstverleugnung, lediglich der Träger eines hohen und heiligen Gedankens. Nichts Weltliches bedrängte ihn. Um ihn bewegte es sich nur noch in seraphischen Bildern. Seine schattenlosen Augen nahmen einen seltsamen Glanz an. Mit dem Medaillenstab schlug er eine getragene Volte. Da blühte die große silberne Medaille im Morgenlicht auf, als wäre die Muttergottes mit ihrer Hand darüber hingeglitten. Ave Maria! und siehe: unter Absingung der weiteren Strophen setzte sich der Zug in Bewegung, triumphierte über geschnittenen Buchsbaum und Kalmus, durch Maien- und Ehrenpforten dem reichgeschmückten Kirchlein entgegen.

Nicht weit vom Portal stand Engelke Stappers.

Aber wie?! In großer Aufmachung, eine leichte Mantille um die Schultern geschlagen. Sie hegte keine anderen Ambitionen, als den Zug passieren zu lassen, jeden einzelnen zu begutachten, um genügenden Unterhaltungsstoff für die nächsten Wochen zu sammeln.

Engelke konnte sich sehen lassen, denn sie gehörte zu den rassigen Frauenzimmern, von denen die Kenner behaupten: knappig wie 'ne Weichselkirsche, zählt sie zu den saftigsten Steinfrüchten, denn ihr Busen ist noch immer härtlich genug, auf ihm einem übermütigen Floh das Urteil zu sprechen und es sofort zu vollstrecken. Jedenfalls machte Engelke Stappers Figur. Sie strahlte, und sie hätte noch weiter gestrahlt, wären nicht straßauf und straßab die Rufe erklungen: »Sie kommen, sie kommen!«

Und wirklich, sie kamen.

Da erstarrte ihr Strahlen. Der weihevollen Handlung gemäß nahm sie sofort Haltung und Form an: kirchlich-würdig, aber mit einer kleinen Portion Kritik dazwischen.

»Maria, Maienkönigin...«

Die Glocken begannen lauter zu rufen, die Kirchenfahnen stärker zu schaukeln.

»Sie kommen, sie kommen!«

Als erster Severin Stappers.

Engelke nahm ihn sofort auf die Kimme, aber sie mußte sich sagen: »Gar nicht so ohne,« denn er gab sich alle Mühe, ihr als Mann Freude und Ehre zu machen, hatte sogar den herostratischen Mut, sich vermittelst seines Medaillenstabes mit einem Spontonträger des großen Königs in Parallele zu setzen. Dazu stach er mit seinen etwas mißratenen Beinen so gesinnungstüchtig daher wie ein Gefreiter des ersten Garderegiments zu Fuß auf der Potsdamer Heide.

»Brav so!«

Sie wurde ordentlich stolz unter der Bluse. Ja, sie mußte geradezu an den opulenten, federflunkerigen, wenn auch etwas abgemergelten Cochinchinahahn denken, der sie seiner Zeit an der Einfahrt des Försterhauses mit schallendem Krähen begrüßt hatte.

Ihm folgte die Kegelgesellschaft ›Gut Holz‹ mit Emblemen und fliegender Fahne.

Sie nickte.

Brave Leute und gute Gesinnung; nur mangelte ihnen noch das stramme Marschieren, die kavaliermäßige Wesenseinheit. Im übrigen machten alle einen trefflichen Eindruck. ›Gut Holz‹ konnte vor ihren Augen bestehen.

Der greise Pastor und Domherr Jakobus Johannes Aegidius Hommersum schloß sich an, ehrwürdig und am Stabe gebeugt, ihm zur Seite der Primiziant in kirchenstiller Aufmachung, von einer Wolke weißgekleideter Jungfrauen und Mädchen umgeben, die anmuteten wie schuldlose Blumen, die nur am See von Genezareth blühen.

Silentium sanctissimum.

Der Pastor loci und sein neuer Adlatus!

»Großartig – was!?« und Engelke Stappers erschauerte vor tiefster Ehrfurcht, und erschauerte nochmals beim Anblick Reiners und Jakobinens, die Mutter Auwater in ihrer Mitte führten, so wie es einem treusorgenden Sohn und einer liebefrohen Schwiegertochter geziemte. Sie mußte ihr Taschentüchelchen gegen die Augen führen, um ihre Tränen nicht offenkundig zu machen.

Dann aber wieder: ihr Herz ging auf, als sie den Kapitän Hemskerk in voller Montur und mit vergoldeten Ankerknöpfen gewahrte, als Michel Virgilis daherkam, sich Düweke Brinkmann in ihrer ganzen schlichten Einfachheit sonnte, mit ihrem Züngelchen über die Lippen schmeichelte wie ein Miezekätzchen bei der Genußlichkeit eines Milchnäpfchens. Das waren noch Leute, rank und bodenständig gewachsen, so recht dazu angetan, in Huisberden Parade zu machen. Allerhand Achtung! Mit dem Kapitän, Michel Virgilis und Düweke Brinkmann ließ sich doch Staat machen. Die Menschen hatten etwas zu sagen, prästierten was in der Welt und waren somit völlig berechtigt, der bevorstehenden Primiz den richtigen Schwung und die nötige Schwänke zu verleihen.

Um Gott nicht! Ein drittes Erschauern, denn die aloisischen Jünglinge erschienen mit der Aloisiusfahne. Feierlich wehte sie dahin in der laulichen Maienbrise, und in ihrem Schatten... O du mein Himmel und Heiland! in ihrem geweihten und keuschen Schatten wurde das sinnige Blumenarrangement von Glaube, Hoffnung und Liebe getragen.

Engelke Stappers glaubte in den Boden versinken zu müssen. Sie sah auf die makellose Darbringung, als sähe sie eine besternte Himmelswiese mit ihren Wundern und Segnungen. Doch was sie am meisten bewegte: sie kannte den Träger.

Das war ja... O du mein gütiges Christkindchen von Bentheim! Das war ja der alte Gärtner Christ Spiridon von Borghees. Beim Anblick dieses betagten Herrn begann es aufs neue in ihrem Innern zu bohren. Obgleich sie sich eine glückliche Frau nennen durfte, auch in den angenehmsten Verhältnissen lebte – wie des Marco Polo Wundernadel dem arktischen Pol zustrebt, zog es sie wieder in die Gefilde hinein, die für sie ewig verloren waren.

»Ach Gisbert!« Nein, tanzte dieser scharmante Knollen- und Rübenbaron eine saubere Sohle! und dabei seine neckischen Aufmerksamkeiten, die beinahe vor Traualtar und Standesamt geführt hätten, wäre nicht so 'n verflixter weitläuftiger Onkel mit seinem Einglas dazwischen getreten... ach, du mein Göttchen! und das alles mußte sich jetzt auf eine mit Nachwuchs überreichlich gesegnete Küsterwohnung einstellen, ohne jemals wieder...

»Zerscherbeltes Pottgut. Nichts weiter. Ach Gisbert...!«

Sie hätte bei dem kostbaren Angebinde von Glaube, Hoffnung und Liebe aufschreien mögen. Aber dazu war keine Zeit mehr vorhanden.

Hosiannarufe ertönten. Die Aloisiusfahne schaukelte weiter. Die aloisischen Jünglinge stimmten das Lied an:

»Lauda, Sion, Salvatorem,
Lauda Ducem et Pastorem
In hymnis et canticis.
Quantum potes, tantum aude;
Quia major omni laude
Nec laudare sufficis!«

Mit klingendem Gefieder stieg es auf. Unter dem Kreuzgewölbe begann es zu rauschen, zu brausen. Der Kalkant befand sich bereits auf der Orgeltribüne und hub an, die Bälge zu treten. Herr Severin Stappers saß im hohen Gestühl, zog die Register und begleitete das ›Lauda, Sion, Salvatorem‹ mit jubelnden Tönen.

Alle Pfeifen gaben ihr Bestes her. Die ›vox humana‹ übernahm die führende Stimme. Severin hatte seine glücklichste Stunde. Denn wenn er vor Pedal und Tastatur saß, erinnerte er an Girolamo Frescobaldi oder an Dietrich Buxtehude. Jede einzelne Note gab sich, als würde sie von Engelszungen vorgetragen. Die Orgel war nicht wieder zu kennen. Ein himmlischer Organist mußte sie meistern, so schmeichelte sie sich in die Herzen hinein, so sprach und redete sie, wie der Herr auf Sinai sprach, als er unter dem majestätischen Brausen des Windes die Tafeln des Gesetzes dem auserwählten Volke übermittelte.

»Genitori, Genitoque
Laus et jubilatio...«

Unter ihrem geweihten Singen und Sagen betrat Klemens den Tisch des Herrn, assistiert von Klerikern der benachbarten Gemeinden.

»Der neue Kaplan! Der neue Kaplan!«

Alle Zehen streckten sich, alle Hälse machten sich länger. Jeder wollte ihn sehen, jedereins von ihm das Heil und den Segen empfangen.

Neben dem Altar erhob sich eine mächtige, mit jungem Myrtengrün ausgezierte Wachskerze, die von ihrem hohen Messingleuchter herunter die ganze Kirche beherrschte. Alle bewunderten sie, diese heilige Kerze, denn alle in der Gemeinde hatten ihr Scherflein dazu beigetragen, sie durch Severin Stappers aus edelstem Bienenwachs ziehen zu lassen, versinnbildlichte sie doch die Braut des jungen Geistlichen, die ihm leuchten sollte von nun an, über alle Tage seines Lebens hinaus, bis zur bitteren Stunde des Todes.

»Genitori, Genitoque...«

Die heilige Handlung ging vor sich. Er brach das Brot des Lebens und führte den Kelch mit dem Blute des Herrn an die bebenden Lippen... und wiederum schwebte eine weiße Taube hernieder.

Mutter Auwater kniete bei Reiner und Jakobine im Chorgestühl.

»O Herr,« stammelte sie, »diese Brust hat ihn gesäugt, dieser Leib ihn getragen. Herr, mache mich seiner würdig. Ja,« sprach sie laut vor sich hin, »ich bin seiner würdig, denn ich bin seine Mutter, und neben mir steht einer, der hat ihn gezeugt in heißer Liebe, ist sein Meister und Lehrer gewesen...« und sie streckte die Hand aus: »Vater, komm' näher, denn wir wollen dicht beieinander sein, wo unser Klemens die Hostie konsekriert, um damit seine reine Seele zu speisen. Herr, sei gepriesen, daß wir das noch erleben dürfen, ihn so erhöht und erhoben zu wissen. Vater, mir ist so, als führen wir in einem goldenen Schlitten durch ein unermeßliches Schneefeld. Wir fahren direkt zu Gott, in eine Welt von Sternen und Glückseligkeiten.«

Ihre Hände falteten sich.

Ihr Kopf senkte sich tiefer.

Eine Schelle schlug an, durchgeisterte die Kirche, und als Mutter Auwater die Augen öffnete, ein verhaltenes Räuspern laut wurde, schien Klemens zwischen Himmel und Erde zu schweben.

Was war das nur?!

Ein einfallender Sonnenstrahl hüllte ihn ein.

Er stand darin wie in einer überirdischen Glorie.

Seine weißen Hände lagen fest auf dem Holzsims.

Das sonst so stille Gesicht hatte sich völlig geändert. Das Seraphische verlor sich. Ein tiefer Ernst schnitt sich in seine Züge hinein, schweißte sie um, machte sie ehern, und sie blieben doch milde und allverzeihend bei aller Strenge und Entschlossenheit. Es war fast so, als hätte ein junger Feldgrauer die Kanzel bestiegen.

»Geliebte in Christo!«

Stoßweise und stammelnd begann er zu sprechen. Dann gab er sich freier. Seine Gedanken sammelten sich, reihten sich dicht nebeneinander, wappneten sich mit stahlblauem Eisen, waren wie der verlorene Haufe im Kampf, berufen, die Blutfahne und den endgültigen Sieg über die heißumstrittene Walstatt zu tragen. »Ich diene dem König der Könige, seinen Thronen und Herrschaften, seinen Erzengeln und Engeln, dem Geringsten unter uns, der da kommt, seinen Herrn zu ehren und in Reue zu stammeln: Ich armer, sündiger Mensch, ich bekenne vor Gott und den Menschen... Ich diene!« und seine Stimme flügelte wie ein Falke über sommergrüne Wiesen und Triften, über Wälder, schwer von dem Odem und dem duftigen Hauche des Sommers, der ihre Kronen durchwühlte, um schließlich immer höher und freier in den atlasfarbigen Himmel zu schrauben.

Das engbrüstige Kirchlein von Huisberden hatte noch nie eine solche Sprache vernommen.

Der greise Pastor und Ehrendomherr Jakobus Johannes Aegidius Hommersum beugte sich in seinen Stuhlwangen vor, um besser hören zu können.

»Nein, dieser Kaplan!« sagte er leise. »Es gibt solche und solche, aber diese rhetorische Leuchte... Non omnia possumus omnes, indessen dieser junge Kanzelredner und Sprecher...« und er verfolgte den stolzen Falken bis zu den Sternen.

Von dessen Schwingen träufte Manna hernieder. Es fiel auf die Erde. Die Körner schlugen Wurzeln bei Wurzeln, beblümten sich, bedeckten als Himmelschlüsselchen und Anemonen eine unabsehbare Niederung. Darüber hin schwebte die Muttergottes im Abendwind... und segnete alle... und trug ihren Duft zu den Menschen, auf daß sie wieder träumen konnten von besseren Tagen. Und dann kam er auf die jetzigen Zeiten zu sprechen, auf das Versagen der Treue, auf das Straucheln in Glaubenswahrheiten, auf die Sucht der falschen Propheten, kostbare Kandelaber brennen zu lassen, wo es besser wäre, mit dem Sparlämpchen herumzugehen und Pfennig bei Pfennig zu sammeln. »O diese Zeiten! Der Fleißige darbt, und der Arbeitsfaule sielt sich in Hanf und üppigem Rübsen. Wir leben in einem großen Tiefstand. Scham und Schande sind uns Schwester und Bruder geworden. Wilde Not und ungezügelte Sehnsucht zerreißen unsere Herzen, führen uns in Versuchung. Ihr seid Bauern, brecht die Scholle mit müden Knochen, mit zermarterten Fäusten, die kaum noch imstande sind, das Pflugmesser auf die andere Seite zu werfen, und dennoch kommen viele, euch die sauer hereingebrachte Ernte aus den Fingern zu spielen. Gewiß, es steht auch geschrieben: Du sollst dein tägliches Brot im Schweiße deines Angesichtes verdienen. Also geschehe es, denn es ist der Satzung und der Ordnung gemäß, aber nicht steht geschrieben: Du sollst dein an und für sich schon darbendes Leben noch darbender machen, denn solches ist schlimmer zu rechnen als die Sünde des Fleisches. Betet um Hilfe! sonst kommt die schwarze Fahne über euch, wie sie schon herumzieht in den Provinzen, die bereits im fernen Osten den Glanz des Sowjetsterns verspüren. Dort weht die schwarze Fahne im Preußenwind. Die ausgehungerten Bauern singen in ihrem Schatten, singen in Schritt und Tritt und mit verrosteten Kehlen:

Schwarz ist die Sorge und schwarz unser Brot,
Und schwarz ist die Fahne der Bauernnot.
Schwarz ist die Erde wohl unter dem Pflug,
Und schwarz geht der Bauer im Trauerzug.

Hört, hört hört!

Wir pflügen und säen und schaffen ohn' Ruh',
Wir ernten – und wissen doch nicht wozu.
Denn was wir erringen mit unserer Kraft,
Das wird uns genommen und fortgerafft.

Hört, hört, hört! Die Sorge geht um.

Jetzt sind wir am Ende; wir wollen nicht mehr!
Wir sind ein verzweifeltes Bauernheer;
Denn schwarz ist die Sorge und schwarz unser Brot,
Und schwarz ist die Fahne der Bauernnot!

Hört, hört, hört! und solches zu hören ist schlimmer denn alles, was über Deutschland gekommen, schlimmer als die ägyptischen Plagen. Wir wollen doch nicht getilgt werden, ausgelöscht werden aus der Geschichte der Völker!«

Und seine Stimme kroch in sich zurück wie eine Schnirkelschnecke in ihr stilles Gehäuse, erzählte von der entsetzlichen Qual bei einst begüterten Menschen, von Tränen, die nicht mehr zu fließen vermochten, von Sparlämpchen, die nahe daran waren, ihr letztes Öl zu verlieren.

»O, ihr Geliebten in Christo! Haltet Ordnung und folgt den Gesetzen. Arbeitet, wachet und betet, auf daß wir bestehen mögen vor Gott und unseren eigenen Taten, auf daß wir wieder Kinder der Pflichten und des Lichtes werden und nicht in den Tobel geraten, der wie ein unersättlicher Moloch immer näher heranstrudelt.«

Und seine Worte ergingen sich wie Sturmgefieder: »Arbeitet, wachet und betet! Sonst ist die Stunde nicht fern, wo ihr euch zusammenschart, die Altäre schwarz umkleidet, die Hände ballt und in den trostlosen Himmel hineinschreit:

Jetzt sind wir am Ende; wir wollen nicht mehr!
Wir sind ein verzweifeltes Bauernheer;
Denn schwarz ist die Sorge und schwarz ist das Brot,
Und schwarz ist die Fahne der Bauernnot.

Deutsch wollen wir bleiben, frei von Schande und Scham, unbelastet von dem Hohn und der Drangsal der Nationen, die sich die Siegerstaaten benennen – ein Volk hoch in Ansehen und Ehren, Dei gratia! Den Führer und Hirten erfleht, der im Gottesgnadentum steht, im Verantwortungsgefühl gegen Gott, in Gottgebundenheit. Von Gott berufen und damit an ihn gebunden. So nur wird der Schwache gestärkt, Recht und Wahrheit gesprochen, der Friede gesichert, dem Reiche wieder Atem und Freiheit gegeben. Dei gratia! – von Gottes Gnaden ist ein jeder von uns an seiner ihm zugewiesenen Stelle: der Werkler, der Bauer, der Arbeiter – wir alle. So wird jeder geadelt. Auf die Knie! Augen und Herzen empor! Auf zu Gott! Im Strom und Drängen des Lebens ragt sein Kreuz wie das gewaltige Signal: Halt! Nicht weiter so! – Sucht nach Vergebung der Sünden. Lasset euch versöhnen mit Gott durch mich, denn ohne mich könnt ihr nichts tun, auch nicht in den Himmel kommen. Amen!« – und eine Stille ging um, wie die Stille auf dem Kalvarienberg, als der Herr und Erlöser sein Haupt neigte, um den letzten Hauch in die Hände des himmlischen Vaters zu legen... und dann geschah etwas, was sonst niemals passierte: noch einmal hub der junge Kleriker an und sagte: »Der hochwürdigste Herr Pfarrer unserer Gemeinde, Ehrendomherr an der Kathedrale zu Münster, Herr Jakobus Johannes Aegidius Hommersum, läßt es geschehen, und so ersuche ich denn die ehrsame Jungfrau Jakobine Hemskerk aus Grieth und Reiner, meinen geliebten Bruder, aus dem Forsthaus dahier, mich an den Stufen des Altars zu erwarten, auf daß sich erfülle das Wort: Eine aufgelegte Priesterhand kann Berge versetzen, eine dürre Heide in einen fruchtbaren Garten wandeln, die ewigen Gestirne aus ihren Bahnen verrücken... und wohl dem, den eine Priesterhand berühret und segnet, denn Gotteshand berühret und segnet ihn und gibt ihm das Heil des Paradieses und die ewige Weihe...« und keine drei Minuten vergingen...

Jakobine und Reiner knieten auf den schlichten Stufen, die zum Allerheiligsten führten.

Klemens war bei ihnen; seine Hände legten sich auf, und seine Lippen sprachen, als käme ein zartes Säuseln und Wispern vom Reichswald herüber: »Wohl der, der es beschieden ist, von einer treuen und starken Hand geleitet zu werden, denn ihr Herdfeuer brennt wie eine heilige Flamme und ihr Leib wird benediciert ... und wohl dem Manne, dem ein keusches Weib sich ergibt, denn seine Arbeit geht ihm gut von statten und er lebet eins noch so lange. Hoffet und harret, denn wenn die Herbstfrucht herein ist, eure Herzen sich ewiglich binden, Reiner, ich werde bei dir sein in der Stunde des Glückes,« und er küßte seinen Bruder mit dem Kusse der Liebe ... »Jakobine, ich werde deine Hand in die seine legen, auf daß er dir die Treue halte, dich achte und hochhalte unter den Frauen des Landes, bis Gott ihm gebietet: Bette dein Haupt in die Kissen ...« und er drückte seinen Mund auf den Scheitel des schönen Weibes, das unter dem Hauch dieses Grußes bis in die tiefsten Nieren erschauerte.

»Jakobine und Reiner, ich segne euch beide!« und seine Arme hoben sich auf, als wollten sie das einfallende Himmelslicht einholen.

»Amen, Amen!« und die Orgel brauste herüber, als wären die zarten Hände der heiligen Cäcilia in die des Herrn Stappers gefahren.

Die Menge stand in Anschauung der ewigen Freuden.

Besonders Hemskerk und Michel Virgilis.

Letzterer war bewegt vom obersten Knopf des Samtjacketts bis in den Hosenboden hinein. Im Überschwang seiner Gefühle sah er sich genötigt, Düweke Brinkmann einen saftigen Kuß auf die Wange zu kleben, vergriff sich aber und bekam Engelke Stappers zu fassen.

»Tut nichts,« sagte diese, »es ist gerne genommen.«

»Und gerne verabfolgt,« gab Michel strahlend zurück und schob seinen Arm in den ihren. »So! und nun gehen wir alle zusammen und alle miteinander in den ›Goldenen Anker‹, um der getätigten Primiz erst den würdigen Zweck und den diesbezüglichen Abschluß zu geben.«

Also geschah es, und die Orgel verstummte.


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