Joseph von Lauff
Die Brinkschulte
Joseph von Lauff

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Zehntes Kapitel

Draußen machte sich der Abend immer mehr bemerkbar; aber der Himmel blieb fernsichtig. Er sparte sorglich mit der aufgespeicherten Helle und gab sie nur widerwillig aus den Händen, und so kam es denn auch, daß der Schimmer des Tages nicht schwinden wollte. Er blieb in den Baumkronen hängen, er legte sich über die Felder, nur stiller und verträumter, er sah noch immer durch die Scheiben und ließ selbst die Gegenstände, die in den Ecken standen, verstohlen aufleuchten, als wäre ein Lächeln des zurückgebliebenen Lichtes an ihnen haften geblieben.

In weichen Umrissen hoben sich die Scheunengiebel gegen die unbestimmte Farbe des Himmels ab. Nicht lange mehr, und sie mußten ineinander verschwimmen. Aus der bewegungslosen Ruhe der Luft senkte sich ein stilles Genießen.

Alle Geräusche nahmen einen seltsamen Ton an. Sie klangen so, als wenn sie nicht von dieser Erde wären.

Aus der Ferne tönte noch das Wetzen einer Sichel herüber. Es war die der braven Häuslerin Marieke Maraunke, die an den Wegen das Gras hieb, um es noch vor Nacht nach Hause zu bringen, und dieses Wetzen erinnerte an die feine Stimme eines nächtigen Vogels, vielleicht an die eines Ziegenmelkers, der es liebte, sich mit weltfremdem Singsang über einsame Erlenbestände und Hügellehnen zu wiegen.

Im Krautgarten war ein verschwiegenes Leben.

Die Levkojen dufteten stärker.

Ihre Kraft nahm an Fülle zu. Sie gaben verschwenderisch und bedeckten alles mit ihren Blütensporen.

Welcher Friede hätte hier sein können! Er war auch draußen. Er ging durch das Gesäusel der alten Eichen und war zwischen den Blumenbeeten. Er lächelte wie die Muttergottes in der Kirche von Sönnern. Er wollte alle Menschenherzen glücklich machen, hob sich auf Zehenspitzen und sah in die Küchenfenster hinein.

Da wandte er sich ab, und seine Züge glichen nicht mehr denen der Muttergottes in der Kirche von Sönnern; sie ähnelten denen des Heilands, der in der nämlichen Kirche auf dem kalten Stein saß und blutrünstig war und eine Dornenkrone trug.

Graue Fäden spannen sich von einer Ecke zur andern. Fast alles Licht war in diesem Augenblick aus den vier Wänden genommen. Und doch war noch Licht da.

Es klebte an den Zinntellern und Kasserollen, die den Rauchfang des Herdes umgaben, es haftete an der blanken Schneide eines kurzstieligen Beiles neben der Feuerstelle, das in einem Hauklotz stak, und ging vom Herde selbst aus, wo unter dem hängenden Wasserkessel noch feines Knistern herrschte. Es war mitten im Zimmer, und zwar auf dem Gesicht des alten Jaspers, der sich nicht regte und rückte, und war im Antlitz der Brinkschulte, die wie angeschmiedet den Blicken des Eindringlings begegnete.

Zwei harte Gesichter standen sich gegenüber.

Die Stunde hatte ihnen alles Blut aus den Adern genommen – und diese Stunde war furchtbar.

Sekunde reihte sich an Sekunde.

Das Schweigen hielt an, und es war ein qualvolles Schweigen.

Aber dann drängte alles nach Ausgleich, wie Sturmflut, die gierig über den gemarterten Deich stiert. Sie mußte ins Flachland. Der Damm war nicht länger zu halten.

Und Josepha Brinkschulte zerriß dieses Schweigen.

»Der Hof kann sich geschmeichelt fühlen, Euch wieder zu sehen,« sagte sie mit rauher Stimme.

»Hohn oder nicht Hohn?« fragte der Alte.

»Nehmt es, wie es Euch paßt.«

»Merci,« kam es eisig zurück, »nur weiß ich selber so recht nicht, wie ich's ansprechen soll.«

»Das ist Eure Sache.«

»Schon richtig! – nur vergeßt nicht, daß ich Euch jetzt gegenüberstehe – Zahn um Zahn und Auge um Auge.«

»Daß es mal so kommen mußte, darauf war ich gefaßt.«

»Habt Ihr's denn anders erwartet?«

»Nein.«

»Es wäre auch töricht gewesen,« konstatierte Jaspers mit einem höhnischen Spiel um die Lippen. »Ich bin keine Straußennatur und wäre ein Narr gewesen, mir nach meinem gottseligen Ableben den Schlamm von Brooklyn ins Maul stopfen zu lassen. Dafür ist mir mein Kadaver doch zu schad'. Er ist von westfälischer Erde und will auch zur westfälischen Erde zurück. Menschen von der Soester Börde verlangen den Soester Wind um die Nase, selbst wenn sie ihn nicht mehr fühlen können. Noch spüre ich ihn und hoffe, ihn noch lange zu spüren. So bin ich denn hier, um von ihm zu profitieren. Meinetwegen auf Jahre hinaus.«

Sie wehrte ab.

»Da wird sich die Soester Börde freuen,« sagte sie hart.

»Es wäre bekömmlicher, wenn Ihr Euch freutet. Das hätte die Sache eher geregelt. Wer die Hand gibt, hat schon halbgewonnenes Spiel. Hunde, die man getreten hat, soll man nicht aufs frische treten. Das vertragen die Biester nicht. Dann knurren sie. Im übrigen: ich bin doch noch immer der Bruder Eures verstorbenen Vaters.«

»Allerdings – nur, daß Ihr ihn auf die Flachsbrechen strecktet.«

»Was hatte er mir auch Hals und Seele zu knebeln?«

»Was hattet Ihr ihm den roten Hahn auf die Scheune zu setzen?«

»Es war Stroh von meinem Stroh und Korn von meinem Korn.«

»Das habt Ihr schon immer behauptet.«

»Weil es mein Recht ist, und hätte man mir die Halbscheid zukommen lassen, und hätte mein Bruder mich nicht mit dem kantigen Stuhlbein totschlagen wollen, damals vor Jahren, als wir Stirn gegen Stirn standen, der rote Hahn wäre nicht auf die Scheune geflogen.«

»Aber er flog doch.«

»Weil mir die Wut unter den Schädel kam. Da mußte er fliegen und aus Stahl und Zunder heraus. War es meine Schuld, daß mein Bruder darüber das Beten verlernte?«

Ihre Augen flammten ihn zornig an.

»Mordbrenner!«

Sie hatte das Wort zurückhalten wollen, aber es saß schon.

Jaspers zuckte wie unter einem pfeifenden Hieb. Langsam schob er sich näher heran: »Merci von wegen des Mordbrenners. Gleiche Brüder, gleiche Kappen, denn Ihr scheint noch nicht zu wissen, was Euer Vater eigentlich war?«

»Ja, das weiß ich. Strack und stur und hochfahrig, aber ehrlich bis in die Knochen.«

»Früher mal, aber später?«

»Immer derselbe.«

»Nein – er war ein Verbrecher.«

»Mensch du . . .!« schrie sie auf. Die Scham schlug ihr ins Gesicht. Sie warf den Oberkörper zurück. Ihre Brust straffte sich. Es lag eine herrische Kraft in diesem Frauenkörper. Mit gekrampften Händen, die Nägel in die Flächen gebohrt, schritt sie von Stufe zu Stufe, ging sie über den Estrich, trat sie auf den Würger ihrer Familienehre heran, gewillt, ihm den ›Verbrecher‹, diese niederträchtige Anklage, in den Hals zu stoßen.

»Du . . .!« keuchte sie atemlos, um jählings von ihrem Vorhaben abzulassen.

Ihre eigene Schuld sprang gegen sie an. Ihre Schuld . . .?!

War sie überhaupt schuldig geworden?

Ein mattes Lächeln flog über ihr Wachsgesicht. Sie wußte es nicht. Sie hatte in diesem Augenblick kein Erinnern daran. Sie wollte nichts wissen. Jedenfalls war sie keinem verpflichtet. Und dennoch dachte sie an früher. Jährige Nebel teilten sich von selbst auseinander und legten die Vergangenheit offen. Mit Gewalt riß sie die zerteilten aufs neue zusammen. Sie hatte lediglich mit dem Menschen zu schaffen, den ihr eine verhängnisvolle Stunde ins Haus getragen hatte. Was sie selber getan, ob im Recht oder Unrecht, ob sie es im verzehrenden Rausch oder aus verschwiegener Liebe heraus auf sich genommen hatte, kam hier gar nicht in Frage. Wer sagte überhaupt, daß sie schuldig war? Die Welt, ihr eigenes Gewissen? Wer hatte überhaupt die Befugnis, über ihr Tun und Lassen, über ihren Leib und ihre Seele zu richten? Unheiliges konnte ihr anhaften, aber nichts, was das Weib in ihr befleckte, dazu war sie eine zu keusche Natur, zu einsam in ihrem Fühlen und Denken, eine zu große Anbeterin ihres eigenen Leibes. Aber das mit ihrem Vater! Worauf wollte der Mensch hinaus? Sollte hier etwa die Axt angelegt werden, ein sorgfältig gehütetes Erbe plötzlich absterben zu lassen? Schlug hier ein Geheimnis die Augen auf? oder ein Spiel, das erdichtet und falsch bis in die Knochen war? Aber wie dem auch sein mochte: die Vergangenheit war tot für sie. Sie lebte ihr eigenes Leben. Sie war sich selber die nächste. – Mit dem hatte sie zu rechnen. Sie hatte auf Posten zu stehn. Jetzt, in dieser Stunde. Keinen Schritt durfte sie weichen. Hart auf hart, Kiesel auf Kiesel. Nur so war die Situation zu halten.

Sie hob den Kopf in die Höhe.

Mit einer furchtbaren Klarheit stand die Gegenwart vor ihr.

Sie sah ihrem Gegner starr in die Augen. Um handeln zu können, mußte sie seine Gedanken erraten, mußte wissen, wie und wo er die Axt anlegen wollte. Ein Fieber ergriff sie. Es durchzuckte sie bis in die Fingerspitzen hinein. Sie ging direkt auf ihr Ziel los: »Also – was verschafft mir die Ehre?«

Der Alte räusperte sich.

»Ihr meint wohl,« sagte er brüchig, »weil ich jetzt noch vorspreche, jetzt nach langen zehn Jahren?«

»Ja, das meine ich. Zehn Jahre sind endlos, aber trotzdem: Ihr kommt mir und meinem Frieden noch immer zu zeitig.«

»Möglich! – Der Jude schüttelt den Pelz, wenn ihn die Laus molestiert. Auch Ihr schüttelt Euch, weil Ihr mich für Euer Insekt glaubt.«

»Nur glauben?«

Sie lachte bitter auf.

»Nein, Jaspers, ich weiß es. Wie Ihr so vor mir steht, da wäre eine andere Deutung lächerlich, um nicht kindisch zu sagen.«

»Daneben getastet. Ich will Frieden machen, Bäuerin; einen rechtschaffenen und ehrlichen Frieden.«

»So hieß es schon früher, damals, als mein Vater selig noch lebte. Aber immer hieltet Ihr den Knebel zwischen den Fingern und hieltet ihn, bis das Gericht hinter Euch her war. Da kam Ruhe. Mein Vater nicht, aber der Brinkschultenhof profitierte davon. Wir alle profitierten davon: Vieh und Ställe und Äcker und Menschen. So ging das zehn glückliche Jahre hindurch. Bis auf den heutigen Tag. Es gibt Dinge, die haben ein Gewächs im Leibe. Bald schlummert es, bald wird es mobil; möglich, daß auch der Brinkschultenhof . . .«

»Sakramentsdirn' . . .

Der Alte fuhr kurz auf: »Was heißt das? – Himmel, Gewitter! – aber man Ruhe, Jaspers, immer man Ruhe.«

Sein Gesicht stand dicht vor dem ihren, kreidig, wie angekälkt, als wäre die Hand des Todes darüber gefahren.

»Immer man Ruhe, immer man Ruhe!« sprach er sich selbst zu. »Was tut man nicht alles, um klare Bahn zu schaffen, um sagen zu können, du hast dem Schlimmsten den Mund verstopft und bist gekommen, ehrliche und reine Sache zu machen. Bäuerin« – und seine Stimme nahm einen versöhnlicheren Ton an – »fragt bei allen Höfen in der Umgegend nach, und Ihr werdet erfahren: jeder hat was unter den Pfannen, was nicht an die Luft will und kein Taglicht vertragen kann. Keine Ausnahme; auch hier nicht. Da liegt etwas, das hat Blut an den Fingern.«

»Menschenskind . . .

»Man stille, Bäuerin,« sagte der Alte. »Das darf nicht ausgesprochen werden, das muß in sich selber verquiemen, und darum: Brinkschulte, ich will vergessen, daß wir beide, ich und dein Vater, Brüder gewesen, daß ich von Kind an gehalten wurde, als hätte mich 'ne veritable Stallmagd zwischen dem hohen Roggen abgelegt, vergessen, Bäuerin, daß ich um mein Erbe beschuppt wurde, abgeschuppt wie'n modriger Karpfen – während mein Bruder und Ihr erst . . .«

Er schnappte nach Luft.

»Der Brinkschultenhof mit Kisten und Kasten und allem, worüber der Pflug geht und die Gäule ackern, ist Euer, wächst Euch in die Hand hinein – wohingegen ich, der Ohm, was habe ich denn profitiert? Keinen Mist und keinen Halm! – Nur das . . .! – nur den hier habe ich mir aus der Hecke geschnitten, um doch was zu haben: hier diesen ruppigen Weißdorn.«

Und er stellte seinen Stock vor sich hin, als sollte er aufs neue Wurzeln schlagen, hier auf dem Grund und Boden, von dem er ein gutes Stück für sich beanspruchte, auf dem er jung gewesen war, der ihm gebot: »Packe man zu, du abgerissener Lump, du hungriger Narr, wenn du nicht willst, daß sie dich mal als Bettler in die Grube hineingröhlen.«

Das mochte durch seine Gedanken taumeln.

»Bäuerin,« sagte er heiser, und sein Hals machte vergebliche Anstrengungen, sich aus den Schultern zu recken, »so stehe ich hier. Seht mich genau an. Das ist aus dem elenden Bogenschmierer und Advokatenschreiber geworden! – und ich bin doch einer vom Brinkschultenhof, einer aus der Familie der Erbfreien, ein Sälzer, um so herunterzukommen.«

Mit selbstquälerischem Behagen und erhöhter Stimme fuhr er fort: »Das ist Eure Schuld – die Schuld des Hofes! Das habt Ihr auf dem Gewissen: vom Habenichts über die Schreiberseele weg bis zum Brandstifter herunter.«

»Das ist nicht wahr!«

»Wo wären denn sonst meine Sporteln geblieben?«

»Die habt Ihr mit Füßen getreten – als Junge schon mit Füßen getreten, als Student verludert, als Mensch mit greisen Haaren durch die Finger gehen lassen. Das ist längst verbrieft und gesiegelt, daran ist nicht zu rütteln und zu rücken und lebt wie das Amen in der Kirche bis in ewige Zeit. Und das, worauf Ihr jetzt spekuliert, was hier meine Hand umgreift, das übrige, das mit dem Hof – das steht auf Konto des Anerbenrechtes.«

»Ein lumpiges Recht, ein hundsmiserables Recht . . .

»Aber ein Recht, das Euch gebietet: Hand von meinem Erbe und Eigen zu lassen. Das ist festgelegt wie mit Eisenketten im Willen meines Vaters auf Leben und Sterben, und – so wahr mir Gott helfe! – dieser Wille ist mir heilig wie das Wort in der Kirche, und damit Ihr seht, wie es geschrieben steht, schwarz auf weiß, daß Ihr seht, wie es auch um meinen Willen bestellt ist . . .«

Sie brach plötzlich ab.

Langsam drehte sie ihren stolzen Kopf dem Fenster zu. Dort war nichts zu sehen; nur die Schattenrisse von Bäumen und Sträuchern. Dahinter lag ein violetter Schein, der stetig an Helligkeit abnahm. Aus ihm wuchs die Nacht heraus, eine warme, dunkle Sommernacht, in der noch die Schwüle des Tages leise nachzitterte. In diesem warmen Dunkel fand sie ihre Ruhe und Gemessenheit wieder.

Sie fühlte keinen Pulsschlag mehr, so still und zuversichtlich war sie geworden. Wie klingender Frost wehte es sie plötzlich an, so eisig und kalt sah sie den nächsten Augenblicken entgegen. Zielbewußt lag alles vor ihr. Sie bangte vor nichts mehr. Etwas Stählernes, Sieghaftes war in ihr.

Mechanisch hob sie die Hand.

Was war das nur?

Sie konnte kaum noch die Finger unterscheiden – nur gespenstische Streifen . . .

Da schritt sie zur Dielentür, gefolgt von lauernden Augen, klinkte auf und gebot Dörte, die Lampe zu bringen.

»Was wollt Ihr?« lief es ihr nach.

»Ich will Licht um mich haben.«

»Unsinn!«

»Licht sage ich Euch.«

»Denn man zu,« meinte der Alte und trat einige Schritte vor, um in die Nähe des Tisches zu kommen.

Mit beiden Händen umgriff er die gescheuerte Platte. Ein trockenes Husten erschütterte seinen Körper, der sich aufzubäumen versuchte, dann aber auf einem Lehnstuhl zusammenfiel und sich mit dem rechten Arm auf die Tischkante stützte.

Der Alte grinste.

»Licht sage ich Euch!«

Er mahlte die eben gesprochenen Worte höhnisch zwischen den blanken Zähnen. Verstört suchte er in den Ecken herum.

Nur er – sonst befand sich niemand mehr zwischen den Wänden.

Wo sie nur geblieben war?

Er hatte gar nichts bemerkt; auch das nicht, daß sie in die Kammer gegangen.

Er hörte das Geräusch einer schweren Schranktür.

Es kam aus dem Nebenzimmer.

Also da war sie.

»Himmel, Gewitter . . .

Er wollte ihr nach, ihr die geballten Fingergelenke gegen die Stirn knöcheln.

Da kamen Schritte.

Dörte brachte Licht, stellte es auf den Tisch und ging dann wieder, nicht ohne dabei einen ängstlichen und verweinten Blick auf Jaspers zu werfen.

Gleichzeitig erschien die Brinkschulte auf der Kammerschwelle, schritt vor und trat in eine blendende Helle – mit ihrem bernsteinfarbigen Haar und dem Bronzeton ihres Gesichtes, der an den einer Cäsarin erinnerte.

Keine Fiber zuckte. Ihr Blick war auf die Papiere gerichtet, die sie in der Hand trug.

Hochaufgerichtet trat sie an den Tisch, Jaspers schräg gegenüber. Die letzten Willen zweier Toten knisterten zwischen ihren Fingern. Hierauf legte sie die Schriftstücke vor sich hin, ergriff eins davon und sagte: »Hier das Testament Eures seligen Vaters. Wollt Ihr auch das hören?«

»Warum nicht?« kam es lauernd zurück. »Es ist bekömmlich und pläsierlich dazu, sich den Wisch aus alter Zeit noch einmal um die Ohren knallen zu lassen.«

Da las sie: »Vor Notar und Zeugen. Ich, Johann Kaspar Brinkschulte, seßhaft auf dem Brinkschultenhof, erbfrei und bodenständig, niemandes Herr und niemandes Knecht und keinem verpflichtet, verordne in Kraft dieses und in Kraft des Anerbenrechtes zum Ersten. Nach meinem, so Gott will, erbaulichen Tode verfällt meinem Sohne Heinrich Christian unser Gut, genannt zum Brinkschultenhof, mit allen seinen Gebäuden, Ländereien, Wieswuchs, Holzungen, Marken und Fluren, nebst allen Appartinenzien, Kotten und Gerechtsamen in qualitate, wie wir solches besitzen, nichts davon ausgeschlossen – und er wird nur verpflichtet, seinem Bruder zukommen zu lassen, was das Gesetz bewilligt.«

»Aha!« sagte Jaspers und trommelte mit spitzen Fingern auf den Tisch.

»Zum andern,« las Josepha Brinkschulte weiter. »Da aber mein zweiter Sohn Jakob . . .«

»Also ich«, konstatierte der Alte.

». . . willens schien, ein Studierter zu werden, auch manche Jahre hindurch die gelehrten Schulen aufsuchte, als da sind die zu Soest, Münster und Warendorf, dabei auch dreitausend fünfhundert Reichstaler durch die Finger rollen ließ, ohne Erkleckliches zu profitieren, auch keine Anstalten machte, Arbeit auf dem Hofe zu leisten. vielmehr ein Leben betrieb, das jeder Gottesfurcht, Kindesliebe und Einigkeit zuwider lief, inferner und mit Rücksicht darauf, daß die ihm behändeten dreitausend fünfhundert Reichstaler seine Leibzucht aufheben, so bestimmen wir hiermit . . .«

»Aus!« zeterte es vom Tisch her.

Jaspers trillerte mit der gestreckten Hand.

»Das Übrige wissen wir,« warf er heiser dazwischen, »und zwar dahinlautend, ihm, also mir, noch dreitausend Taler preußisch Kurant gewissermaßen als Draufgeld auszuzahlen.«

»Was auch mein Vater besorgte.«

»Richtig! – und dann noch: mich aus christlicher Barmherzigkeit wegen und um Gottes willen nicht das tägliche Brot vorzuenthalten, wenn ich ihn darum angehn sollte.«

Der Alte erhob sich und tippte mit dem Zeigefinger auf das Testament: »Ja, das steht hier geschrieben, kurz und bündig geschrieben, und da frage ich nur: Hat er das auch aus freien Stücken besorgt? Den Deiwel hat er besorgt . . .«

»Schweigt!« gebot die Brinkschulte, »er hat es getan; das ist hier niedergelegt worden.«

»Wo niedergelegt?«

»In den Anlagen, die mein seliger Vater seinem letzten Willen beifügte.«

Sie entnahm den Papieren ein neues Schriftstück, entfaltete es und stellte mit fester Stimme nachdrücklich fest: »Ich, Heinrich Christian Brinkschulte, erbfreier und bodenständiger Mann, niemandes Herr und niemandes Knecht, setze nach Pflicht und Gesetz und nach der Satzung des Anerbenrechtes meine einzige Tochter, da Söhne mir vorenthalten blieben, als Universalerbin ein und zwar über mein liegendes und bewegliches Eigen, mit Altem und Neuem, Gerechtigkeiten und Interessen, so wie ich es empfangen habe aus der Hand meines Vaters Johann Kaspar Brinkschulte, dem Gott eine fröhliche Auferstehung vergönne. Möge sie das Land wachsen lassen, wie ich es wachsen ließ, und möge dessen Hand eintrocknen und verdorren, dem es einfallen sollte, unrechtlich den Pflug an Acker und Scholle zu legen. Mein Bruder wurde abgefunden, und das, was ihm der Barmherzigkeit wegen und um Gottes willen zustand, wurde ihm doppelt und dreifach gegeben.«

»Was?!« schrie der Alte und beugte sich vor. Mit gierigen Augen folgte er den Schriftzügen auf dem transparenten Papier und las sie wie Spiegelschrift, »was?! – doppelt und dreifach . . .?! – Elendiglicher Lump! – Hundebraten, miserabeler! – Nichts, reineweg gar nichts!«

»Hier steht es.«

»Was steht da?«

»Daß Ihr doppelt und dreifach erhalten habt – und wenn Ihr noch einmal den Namen meines Vaters betastet und ihn durch die Gosse schleift . . .«

Ihre stolze Brust hob und senkte sich und schien die leichte Umhüllung sprengen zu wollen.

»Noch ein solches Wort,« ergänzte sie drohend, »und meine Geduld ist zu Ende. Gott sei Dank, noch fühle ich kernigen Halt unter den Füßen, und mein Hof hat noch Knechte, die das Andenken meines Vaters zu schützen wissen. Verstanden – Ihr?«

Mit einem abgerissenen Laut ließ sich Jaspers auf den Stuhl zurückfallen, folgte aber den Schriftzügen des belichteten Schreibens, als müsse er jeden Buchstaben herauspicken.

Und wieder las sie: »Dessen zur Urkunde und zum Beweise der Wahrheit: Neujahr 1854. Meinem Bruder, Kanzleischreiber und in Dortmund domiziliert, fünfhundert Taler zukommen lassen.«

Sie hob die Augen.

»Ja oder nein?« fragte sie kurz angebunden.

Der Alte zuckte die Schultern.

»Zwei Jahre später. Am ersten Sonntag Epiphania. Demselben dreitausend vierhundert Taler preußisch Kurant. Mußte dafür den Kotten am Birkenkamp hypothekarisch belasten.«

Das Papier knisterte.

»Wie steht es hiermit?«

»Möglich!« gab der Alte zurück und fuhr sich langsam über das gelbe Gesicht.

»Dann stimmt auch dieses,« versetzte sie mit eisiger Ruhe. »Brinkschultenhof, am Tage Mariä Lichtmeß des folgenden Jahres. Meinem Bruder zweihundert Taler – und ferner . . .«

»Satt und genug!«

»Nein hören sollt Ihr, bis Ihr die Hefe zu schmecken bekommt. Nochmals dreitausend Taler, und wiederum tausend – und hier, kurz vor dem Ableben meines Vaters . . .«

»Ja, ja, ja!« geiferte der Alte, »alles schon richtig, und zwei Tage später, als er nicht wollte, da habe ich ihm den roten Hahn aufs Dach gesetzt – ich Esel! – Hätte ihm besser auf andere Weise den Hals zugehalten – diesem Geldsack, diesem Allesfresser, der sich unter dem Schutz der gesellschaftlichen Ordnung anmästen konnte wie 'ne fette Ackerschnecke. Es wäre besser gewesen.«

»Warum besser gewesen?«

»Um reichlicher zapfen zu können – um meine Faust auf den Hof zu legen – um dem ekelhaften Gesetz das Wasser abzugraben. So aber . . . das verfluchtige Feuerzeug nahm mir die besten Trümpfe aus den Fingern.«

»Das weiß ich!« schrie sie auf, »denn das ganze Testament steht unter dem Druck einer Erpressung. Tage um Tage, Wochen um Wochen, Jahre um Jahre habt Ihr den eisenstarken Mann zwischen den Klauen gehabt, um ihm langsam die Luft abzudrehen. Noch kurz vor seinem Tode saß ihm Eure Faust an der Kehle. Das Testament hier ist der Schrei eines Verzweifelten – und somit . . .«

Langsam, mechanisch hob sich ihr Arm, und ihre Hand zeigte auf die Tür, durch die er gekommen war.

»Ich? – nee!« sagte der Alte. »Ich bleibe,« und suchend kroch er aus seinem Sessel hervor wie ein Frettchen aus dem Bau. »Ich bin noch nicht fertig. Die Sache fängt erst an. Klaren Wein in die Buddel. Ihr habt mir das Testament anpräsentiert und löffelweise zu kosten gegeben. Aber nicht alles. Da – zum Schluß, da steht noch was, 'ne Art von Kodizill. Wenn ich also bitten darf. Ich will auch die Hefe saufen.«

Lauernd rückte er näher, immer näher heran, bis er dicht vor seinem Opfer stand.

»Was wollt Ihr denn noch?« fragte sie hastig.

»Das da will ich wissen, das da, was dem Geschmiersel noch angehängt wurde.«

Mit dem geschälten Dorn berührte er die fragliche Stelle.

Die Brinkschulte trat einen Schritt zurück: »Ich bitte mir aus . . .«

»Keine Fisimatenten, Madam,« höhnte der Alte. »Butter bei die Fisch. Immer klaren Wein in die Buddel. Grade das möchte ich wissen.«

»Es ist belanglos,« sagte sie heftig.

»Tut nichts.«

»Und hat absolut nichts mit der vorliegenden Sache zu schaffen.«

»Das findet sich. Das müßt Ihr schon mir überlassen – oder: habt Ihr was zu verschweigen, Madam?«

»Nichtswürdige Unterstellung. Kein Wort hat hier das Tageslicht zu scheuen,« und mit fester Stimme begann sie: »Auch das sollt Ihr wissen. Also geschrieben steht: Ich will und verfüge somit, daß Karl Mersmann, krank an Geist und Seele und zwar durch ein Unglück, das ihm auf meinem liegenden Eigen zustieß, von jetzt an und immer auf dem Hof verbleibt, damit er keine Sorgen um das tägliche Brot hat. Es ist ein Verhängnis, aber es muß ertragen werden um Jesu Christi willen, und ich hoffe zu Gott, daß meine Tochter Josepha es also hält und ausführt, wie hier niedergeschrieben, auf daß sie teilhaftig werde der ewigen Gnade und Barmherzigkeit. Amen.«

Mit hellem Gelächter taumelte Jaspers in den Sessel zurück, umgriff die Lehne und streckte die Beine von sich.

»Das wollte ich wissen!« triumphierte er wie ein hämischer Nachtmar, legte die eisgrauen Haarsträhnen zurecht und reckte sich wieder.

»Also Karl Mersmann! – Schön war der Kerl, das muß ihm der Neid lassen, um dann so in Verdummung zu fallen! Und mein Bruder . . .?! – Kriegst du die Motten! – Bäuerin, wißt Ihr denn auch, warum und weshalb er dazu kam, alles das unter Brief und Siegel zu nehmen?«

Die Brinkschulte nickte.

»Um Jesu Christi willen, wie es geschrieben steht,« sagte sie tonlos.

»Daß er ein Narr wäre!«

»Mein Vater war hart, aber er wies das Mitleid nicht von sich.«

»Der und Mitleid . . .

»Wo wollt Ihr denn hinaus? – Das wissen doch alle: der Mensch ist aus der Bodenluke gefallen. Da ist Mitleid doch angebracht, und es war ein Herzens- und Seelenbedürfnis meines Vaters, ihm das zerbrochene Leben erträglicher zu machen.«

»Allerdings ein Herzens- und Seelenbedürfnis!« konstatierte Jaspers und wackelte betrüblich mit seinem Marabukopf, erhob sich wieder und schnürte sich vor. Mit trockenem Lachen legte er seine Totenfinger auf den Arm des blühenden Weibes.

»Ja, du – er ist allerdings aus der Bodenluke gefallen.«

Sie schleuderte die kalten Finger von sich, wie vom Ekel gepackt.

»Zweifelt Ihr daran?«

»Ich? – nee!« grinste der Alte, faßte seine Schirmmütze und voltigierte sie mit einer gewissen Selbstgefälligkeit auf den Hinterkopf, »aber nur so lange aus der Bodenluke gefallen, als ich – schweige.«

Die Brinkschulte taumelte zurück. Ihre Hände griffen rückwärts und hielten sich an der Bekrönung des Feuerherdes. Vor ihren Blicken verschwamm alles in einem rötlichen Nebel. Sie hörte ein fernes Poltern und Brechen wie krachendes Gebälk, wie der Sturz eines Körpers, ein dumpfes Geräusch, ein Klagen und Wimmern, das einschlief, um wieder nachhaltiger und stärker zu werden. Durch diesen rötlichen Nebel hindurch sah sie die Gestalt ihres verstorbenen Vaters, die des Spökenkiekers, aber in der Vollkraft der Jugend. Und dann sah sie ihn unter der Bodenluke auf heiliger Erde liegen – hingemäht und mit verglasten Augen.

Und jetzt war einer gekommen und wollte da ein Geheimnis herauswittern und das furchtbare Unglück auffrisieren, als wären dabei Dinge geschehen, die ihr geboten, das Gesicht zu verhüllen und nur durch Nacht zu wandeln, auf die Gefahr hin . . .

Sie dachte den quälenden Gedanken nicht zu Ende und riß sich zusammen.

»Haltet Ihr wieder Euren Strick in Bereitschaft?«

Ehern klirrte es von ihren Lippen.

»Nee! – ich spreche die Wahrheit.«

»Und da wollt Ihr behaupten . . .«

»Ja, das mit der Bodenluke.«

»Ich sage Euch ja, dem Ärmsten ist ein Unglück passiert.«

»Ach was, Unglück!« wieherte der Alte in sich hinein. »Tut man nicht so dumm. Gott's den Donner! – so leicht purzelt doch keiner aus der Bodenluke heraus, wenn ein anderer nicht nachhilft, vornehmlich so'n Kerl nicht, wie Karl Mersmann einer war – und daß Ihr es wißt, Bäuerin: einer hat nachgeholfen.«

»Mensch – du infamer . . .! – wo sind deine Zeugen dafür?«

»Ich bin Zeuge gewesen.«

»Als er stürzte?«

»Ja, als er stürzte, und Euer Vater, mein leibhaftiger Bruder, der Brinkschultenhöfer, der vornehme Erbsälzer, hat dabei dicht an der Bodenluke gestanden.«

»Und das habt Ihr gesehn?«

»Hier mit meinen zwei Augen.«

»Mensch – du . . .

Sie wollte schreien. Eine wahnsinnige Angst stieß den Schrei in die Kehle zurück. Sie wollte auf und davon. Ihre Füße erlahmten. Sie wollte sich auf den Alten stürzen, ihm die Finger um den Hals legen und ihn langsam und mit tierischem Behagen zu Tode würgen; aber ihre Finger waren wie erfroren, wie mit dem Starrkrampf behaftet. Sie hörte nur noch. Es klang ihr wie gelle Töne zu: »Ja, du – hier mit meinen zwei leiblichen Augen. Das war jener furchtbare Sonntag. Kurzzuvor ist der Bauer bei Euch gewesen – mit der Wagenrunge bei Euch gewesen. Wie alt wart Ihr damals? – Ich weiß nicht, aber Ihr hattet Dorsten noch nicht gesehn. Das sollte erst später kommen. Haarscharf ging's an 'nem Unglück vorbei, um dann hellichter Morgen zu werden. Und an diesem Sonntag hat der Brinkschulte neben Karl Mersmann gestanden. Und dann passierte die wilde Geschichte.«

»Das ist nicht wahr . . .

Jetzt konnte sie schreien, und der Schrei gellte durch alle Räume des Hofes. Er lief in die Ställe und machte die Tiere unruhig; er kletterte die Treppen hinauf, er drang durch die Fenster und pochte an die Türen. Alles und jedes wurde zum Resonanzboden. Er stürzte sich ins Freie und verhallte im Gesäusel der schweren Eichenkronen. Es war ein Schrei im Angesicht des Todes.

Also ihr Vater . . .!

Ihre Blicke waren aufgerissen, wie im Entsetzen.

Und wieder der rötliche Nebel, nur dichter, nachhaltiger. Er ballte sich und färbte sich tiefer; er wurde zur blutigen Nacht, und aus dieser blutigen Nacht heraus tönte ihre wehe Stimme, wie ein Flattern und Lachen an einer nahen Katastrophe vorbei: »Mein Vater . . .! – Und wenn es wahr wäre, dann nur Mann gegen Mann, aber nicht hinterrücks und an der Bodenluke . . .! – Aber es ist nicht wahr! – Auch hier Erpressung! – Mensch, du . . .!« – und ihre Hände kämpften sich ein, hoben sich, streckten sich zur Decke – »Erpresser, Erpresser . . .

Der Schrei hatte kein Aufhören, und in diesen Schrei hinein keuchte der Alte: »Hat sich was mit Erpresser! – Weib, du verfluchtes . . .! Denkt daran, was Euer Vater auf mein Konto gebucht hat. Meint Ihr, das wäre sein Privatvergnügen gewesen. Na, so dumm! Er mußte, der Lump. Er konnte nicht anders. Ihm saß meine Faust im Genick. Er mußte mir das Maul verstopfen und die wissenden Augen verkleben – sonst: die Geschichte von der Bodenluke hätte lange Beine bekommen. Seine Speziestaler schlugen sie tot. Jetzt ist sie wieder lebendig geworden, und deshalb: entweder – oder, Brinkschulte. Entweder Ihr helft mir, oder die Geschichte kommt Euch mit Zeter und Mordio über den Hals . . .«

»Erpresser, Erpresser!«

»Weib, du niederträchtiges!«

Jaspers sprang vor, jede greisenhafte Muskel gestählt, ein Unhold, gierig, mit gekrampften Fingern und stechenden, blutunterlaufenen Augen, gewillt, sich wie eine wütige Ratte anzubeißen.

»Keinen Schritt mehr!«

Herrisch stand sie wieder da, gebieterisch – das Weib mit dem Blut der Sattelmeier in den Adern, das westfälische Weib, blond wie ein reifendes Kornfeld, die Anerbin, die Besitzerin des reichsten Hofes zwischen Ruhr und Lippe – aber bis in die tiefste Seele getroffen.

Und dennoch, obgleich weidewund, schickte sie ihren Blick seitwärts, da wo das Beil sich in den Hauklotz eingefressen hatte. Zielbewußt umgriff er die blanke Schneide.

Der Alte hielt an.

Da wandte sie wieder ihr Auge.

Drohend standen sich die beiden gegenüber.

Was nun?

Jedem lag die Frage auf den Lippen.

Keiner wagte die Frage zu stellen.

Warum nicht?

Das wußten nur sie.

Dann horchten beide auf.

Leise kam es daher; noch aus weiter Ferne. Dann näher, anschwellend, mächtig, alles mit einem dumpfen Heulen erfüllend.

»Das ist ja . . .!« sagte der alte Jaspers. »Also immer noch . . .

Er nicht, auch die Brinkschulte nicht – aber sonst hätte es jeder für das Geheul eines gequälten Hundes angesprochen.

Jetzt war es auf der Diele – jetzt dicht vor der Küchenhalle – jetzt wurde die Tür aufgerissen . . .

Ein hagerer, aber sehniger Mensch stand auf der Schwelle.

Das grelle Licht der Lampe fiel über ihn her.

Es war Karl Mersmann.

 


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