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Bei einem Wirte wundermild

Das gute Wirtshäusl. Es liegt nicht so ganz an der Straße, hat keinen klingenden Namen und keinen Stern im Baedeker. – Der große Strom der Reisenden und Touristen geht dran vorbei, aber von Mund zu Mund geht sein Lob, und die bewährten Kenner von Küche und Keller teilen nur guten Freunden quasi als Geschenk die Existenz dieses Wirtshäusl's mit. – Sie, da wern S' spitzen: solche Forelln ham S' noch nie g'essen! – Oder: lassen Sie sich da einmal von der Wirtin eine Gulasch machen ...! Diese Wirtin! Wissen S', die war jahrzehntelang Köchin bei einem österreichischen Grafen. – Sie wer'n mir dankbar sein...

Da steht es, das nette Einkehrhaus, überdacht von alten Nußbäumen, unter denen das helle oberbayerische Mauerwerk so freundlich lacht. Alles blitzblank. Am Tisch an der Tür sitzen etliche Bauern aus der Nachbarschaft. Der Wirt erhebt sich aus ihrer Mitte, grüßt und hat ohne schmalzige Biederkeit ein freundliches Wort über woher und wohin, die Wirtin tritt unter die Tür und lacht uns an, und ein nettes Dirndl nimmt gleich Mantel, Stock und Rucksack und ist beflissen um unser Wohl. Wir sind vom ersten Augenblick an daheim. – Speisenkarte gibt's keine. Die junge Kellnerin zählt uns drei, vier Gerichte auf. – »Forelln? Forelln, ja, de könna's scho' ham!« Der Wirt will gleich zum Bachhuber hinüber, die haben heut' welche gefangen. – »Wenn's a kloans bisserl warten wollen.« Die Wirtin ist an unseren Tisch gekommen, im blühweißen Schurz. – Sie fragt, ob wir nicht einen Extrawunsch haben. »Wissen S', mir san halt kloa' bei'nand mit der Auswahl, weil ma halt do' net woaß, wieviel Leut kumma, aber i' richt' Eahna gern was anders, wenn S' des net mög'n, was da is. Vielleicht an Schmarrn, oder a kloans Bifsteckerl oder vielleicht fürs Fräulein Pfannkuchaschnittl in d' Suppn ...«

Und dann kommt der Wirt und zeigt uns im Faßl die Forellen, und nach kleiner Weile tischt uns die Wirtin auf blankem Tischtuch ein köstliches Mahl auf, ein Herrenessen, dessen sich eine Fürstenküche nicht schämen brauchte. Die kleine, saubere Kellnerin kredenzt einen prachtvollen, würzigen, roten Schoppen mit einem lustigen Wort hin und her, und als wir uns nach dem Essen den Tabak anzünden, da sagt der Wirt: »Wenn S' vielleicht a bißl rast'n woll'n: ins Grasgartl hinter hab' i' zwoa Liegestuhl g'stellt. Da ham' Sie 's schön kühl und schö' stad ...«

Ein Gastgeb' wie er im Buche steht. – Die Rechnung, die er stellt, ist recht. – Wir haben um unser Geld gut und reichlich getafelt und eine Menge Freundlichkeit noch obendrein.

»Wenn S' fei' an Kaffee woll'n, sag'n Sie 's nur! I' mach scho' oan«, sagt die Wirtin, als wir ihr nicht wegen der zwei Tassen eine neue Kocherei zumuten wollen. »Naa – wos glaub'n S' denn, weg'n dem bißl Arbat! – Gern, wenn's Eahna g'fallt bei uns.« – Gesegnet bis zum Wipfel ...!

Das schlechte Restaurant. Es steht an der Straße und hat sozusagen einen »Namen«. Ehdem ein freundliches Landgasthaus. Nun ist es ein »Restaurant«, und der Besitzer hat es auf »Saison« hergerichtet. – Der Herr Restaurateur geht an uns müden Wanderern vorbei und schenkt uns gnädig einen schiefen Blick und die Andeutung eines herablassenden Kopfnickens. Ein Fräulein auf hohen Stöckelschuhen stelzt im Kies herum und nimmt mit indigniertem Gesicht – Nase hoch über den lästigen Gästen – Bestellungen entgegen. –

Wer eine Suppe bestellt hat, bekommt eine Limonade, wer Kalbsbraten wollte, sieht ein Ripperl vor sich ...

Fräulein hat für unsern flehenden Appell, uns die Speisenkarte zu bringen, keine Wimper übrig. Wir sind Luft für Fräulein. Endlich nach wiederholtem Anruf sagt Fräulein empört über die Schulter: »Ich serviere hier nicht!« – Das andere Fräulein läßt sich lange nicht blicken. Es hat in der Küche einen langen Streit mit der Köchin um eine Portion Kartoffelsalat.

Als es endlich erscheint und wir hoffnungsfroh: »Fräulein!« rufen, da ruft sie: »Gleich!« – Und entschwindet wieder ins Haus. Nach halbstündigem Warten bringt uns Fräulein II die Karte. – Als wir gewählt haben, sagt Fräulein II nicht ohne leisen Hohn: »Entschuldigen Sie, ist gestrichen.« – Von den zwanzig Gerichten ist bis auf Brustbraten und Nierenbraten mit grünem Salat alles gestrichen. – Also gut: Brustbraten! – Nach einer weiteren Viertelstunde: »Bedaure, Brustbraten ist eben weg. – Vielleicht wollen die Herrschaften Nierenbraten?« – »Nein, nicht Nierenbraten! Sagen Sie, könnten wir nicht Omelette haben?«

Fräulein II nimmt die Speisekarte. Sie konstatiert, daß Omelett nicht darauf steht.

Ob man nicht in der Küche ...

»Bedaure, die Küche kann außerhalb der Speisekarte ...« Also, in Gottesnamen: Nierenbraten mit Kopfsalat.

Wir kriegen endlich Nierenbraten, aber nicht mit grünem, sondern mit Kartoffelsalat.

Fräulein II, verschnupft: »Die Herrschaften haben doch Kartoffelsalat bestellt.«

»Den Teufel haben wir bestellt ... Aber seit einer halben Stunde warten wir vergeblich auf unser Glas Bier.«

Fräulein II entschwebt ohne Worte. Nach zehn Minuten bringt uns ein kleiner, hemdärmliger Küchenjunge ein Glas schales Bier.

Fräulein ist wieder da. Ob wir wohl Kaffee haben können?

»Bedaure, vor drei Uhr wird Kaffee nicht gereicht.« –

Fräulein entschwebt.

Wir wollen das gastliche Restaurant verlassen.

»Fräulein, bitte zahlen!«

»Sofort«, ruft Fräulein und entschwindet ins Haus.

Der Wirt läßt sich wieder am Horizont erblicken. Diesmal spendet er uns seine Kehrseite und wendet sein Interesse vorbeifahrenden Autos zu.

Endlich läßt sich Fräulein II herab und nimmt unsere Zeche entgegen. Sie rechnet mit abgewendetem Gesicht, jede Miene sagt uns, wie unangenehm ihr die Störung ist. – Der Herr Restaurateur grüßt mit halbem Kopfnicken, als wir an ihm vorbeigehen. –

Bei diesem Wirte wundermild – da waren wir das letztemal zu Gaste ...


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