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Bekenntnis zu Tafelfreuden

Eine Kirchweihbetrachtung

Es gibt Leute, denen gut essen und trinken und mehr noch die Freude daran als gemein und banausisch erscheint, die gleich ein hochmütiges, verächtliches Gesicht kriegen, wenn nur je in ihrer illustren geistigen Atmosphäre ein Wort von herzhafteren Tafelfreuden fällt.

Ich kannte einmal eine dichtende Dame, die konnte das Wort »essen« – obwohl sie ein beträchtliches Lebendgewicht besaß – nicht hören, es war ihr zu ordinär, zu pöbelhaft. – Sie sagte mit spitzen Lippen: »Ich esse nicht – ich nippe nur.« – Was sie dichtete, war auch danach.

Gottfried Keller sagt einmal ungefähr: »Aus einem Menschen, in den nichts Ordentliches hineingeht, kann auch nichts Ordentliches herauskommen!«

Hier sei nicht dem Fraß, der Völlerei, dem schlampampenden Ungeheuer das Wort geredet, sondern heut, zu Kirchweih, soll dem Zeitgenossen ein Kränzlein geflochten sein, der sich mit Sinn, Verstand, Liebe und freier, ehrlicher Genußfreude von Mal zu Mal an einen guten Tisch setzt. Wir Vielzuvielen, die das Leben ohnehin nicht mit Kapaunen mästet, gleichviel ob wir mit Kopf oder Hand schaffen, können – wenn wir können – uns ohne Gewissensbisse und Kalorienfurcht bisweilen von Herzen gütlich tun, schmausen, bewußt uns in die Freuden einer herzhaften, irdischen, leiblichen, gänzlich realen Lust versenken. – Wir brauchen dabei gar nicht einmal uns ganz an das »schlechtere Ich«, an den Leib, zu verlieren. – Schon die alte volkstümliche Redensart: »Etwas Gutes mit Verstand essen« weist darauf hin, daß die Würdigung eines guten Gerichts oft mehr geistige Impulse, Kräfte und Regungen auslöst, als uns die größte Hornbrille mit dem tiefsten Aphorismus vermitteln kann.

Der Bauer, der der Natur heute noch verhältnismäßig am nächsten steht, feiert diese Feste noch nach Brauch und Herkommen. Für ihn ist die Kirchweih der große Tag im Jahr, da er in Freuden schwelgt. – Wir Städter setzen die Kirchweih nicht mehr so sehr als ersten Feiertag ein, aber immerhin steht in bayerischen Landen auch in der Stadt die Gans auf dem Tisch, duften die Küchel in der Schüssel oder brutzelt das »Extraschmankerl« im Rohr. Freilich: für so viele von uns (und gerade für manche mit der »Hornbrille«) braucht es keine Ermunterung zum guten Essen. Sie hätten so schöne natürliche Anlagen dazu, auch den besten Willen, die Feste zu feiern, wie sie fallen, und wären keinem Kirchweihbraten feind, wenn er nur schon da wäre.

Die Epistel und das Bekenntnis zu den Kirchweihfreuden des Lebens gilt nicht so sehr denen, die sie ohnehin sehätzen, sondern sie ist ein Trutzgesang gegen eine gewisse Sorte Ästheten mit Schmachtlocken jeden Kalibers, die von oben herab auf die Köstlichkeit des Lebens und seiner realen Gaben sehen und die (freilich nicht immer ganz ehrlich) ein schlechtes Gedicht über einen guten Gansbraten stellen. Die Allzuätherischen aber, die uns deshalb verachten, seien in aller Form zu Kirchweih auf Kirchweih geladen.

Unsere Losung ist: gute Gedichte und gute Braten, und wenn man schon nicht beides haben kann, dann in Gottesnamen auf eines von beiden verzichten. – Verstehst mi'?


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