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Ein Namenstag

Elisabeth – so steht im Kalender. Aber den vollen, schönen Namen hört man selten so ganz kalenderhaft nennen. Elisabeth schreibt der Standesbeamte ins Register, der Pfarrherr auf den Taufschein. Kaiserinnen, Königinnen, Fürstinnen werden alltags Elisabeth genannt, auch große Tragödinnen, Opernsängerinnen. Da funkelt der Name wie ein Diadem, und es klingt nach großer Geschichte und großem Geschehen.

Für den Hausgebrauch sozusagen erfährt der Name die mannigfachsten Wandlungen. Da haben wir einmal, schon etwas schlichter, umgänglicher: Elise oder Elis. So heißt die brave, tüchtige Frau. Sie regiert Haus und Kinder, sorgt für den Mann und tut sich um, daß klein und groß in der Familie zu dem Ihren kommen. Elise ist ein Name, der nach Arbeit und Treue klingt, nach Pflichterfüllung und schlichtem Leben.

Die Lisi kennen wir als wackere Köchin, etwa im »Goldenen Stern« oder »Roten Adler«. Da steht sie am Herd der Wirtsküche, fest stämmig, und rührt mit Sorgfalt und Ausdauer Suppen und Soßen, Brühe und Teig. Sie formt meisterliche Knödel, ganze Pyramiden wachsen unter ihrer Zauberhand. Da scheppern Tiegel und Reinen, klirren Schüsseln, Teller und Guglhupfform, sie kommandiert – und alles in der Kuchl gehorcht – der Herr Wirt inbegriffen. Die Lisi hat einen Schatz, einen Wirtsmetzger und Schenkkellner, und wenn's einmal »so weit« ist, wenn das »Gerschtl« langt, dann wollen es die zwei mit einer eigenen Wirtschaft probieren.

Ganz anders als die Lisi ist die Lizzi. Die kennt den Kochlöffel kaum vom Ansehen, dafür aber um so besser Schminkstift und Puderdose. Lizzi will zum Varieté oder zum Film oder zur Bühne, jedenfalls ist sie überzeugt, daß auf dem Kontinent kein so hübsches, rassiges, interessantes Mädchen mehr lebt als sie. Noch vor kurzem war sie eine »Lisi«, lustig und frisch hinterm Ladentisch oder an der Schreibmaschine, bis sie den Herrn kennenlernte, der einen Herrn kennt, der jemand weiß, der zum Film »Beziehungen« hat. Da wurde aus der netten »Lisi« die interessant-dämonische Lizzi, und zur Zeit überlegt sie gerade, ob nicht der Sprung in die Millionengage mit Lia noch leichter wäre. Lia, so hieß neulich die Tänzerin im Kabarett. Lisl-Lizzi-Lia hat sich mit ihrem Freund schon einen Künstlernamen ausgedacht. Sie heißt dann nicht mehr Lisi Hintermaier, sondern Lia de Stellina. Und fährt dann nur mehr achtzigpferdig. – Wenn es »so weit« ist.

Lilli heißen viele Backfische. Die Lillis sitzen vor acht Uhr morgens in der Straßenbahn, kichernd und tuschelnd, die Schulmappe oder das kleine fesche Stadtköfferchen auf den Knien, und voll von furchtbar wichtigen Geheimnissen. Sie tauschen Fotos von Kinohelden und -heldinnen aus, schwärmen für einen Operettentenor und lernen dazwischen schnell noch ein paar unregelmäßige Verben, versüßt durch ein dickes Schokoladenpralinee. Auch große Lillis gibt's. Schönheiten, die auf Salonlöwen Jagd machen, das neueste große Abendkleid zeigen, die letzte Premiere, Ausstellungseröffnung, das neueste Konzert, alles, was man »trägt«, tragen.

Lisette und Lisettchen kennen wir als niedliches wohlgeformtes Zöfchen aus hundert Lustspielen. Sie hat ein schnippisches Näschen und dazu einen ebensolchen Herzkirschenmund, sie trägt einen Spitzenhauch von Servierschürzchen und bewegt sich auf hohen Stöckelschuhen außerordentlich anmutsvoll im Salon, Boudoire und – schokoladeservierend – im Schlafzimmer der Herrin. In bescheidenerer, sozusagen hausbackenerer Form ist sie ein »Lieschen«.

In Mittel- und Norddeutschland aber ist das »Lieschen« nichts anderes als unsere süddeutsche »Lisi«, und die Lisi, die ist in allen Lebensaltern, Ständen, Berufen daheim. Das kleine Mäderl, das da aus dem Kinderwagl kräht, ist eine »Lisi« oder vielleicht noch ein »Lieserl«. Lisi ist das Kind mit dem Blumenboschen, die Siebzehnjährige, die am Stammtisch flink und munter der Kassierin hilft, das Wirtstöchterl, das Dirndl droben auf der Alm, die Mitschülerin, die Studentin, die glückliche Braut, die beliebte Schauspielerin. Lisi und Lieserl, das ist im Süden einer der häufigsten Kurznamen und begleitet namentlich unverheiratete Frauen bis ins späte Alter. Da ist die Tante Lisi und die weißhaarige Kinderfrau, die Lisi, und da ist draußen im Dorf irgendwo eine alte Bötin, eine Austraglerin, die heißt auch noch wie sie vor achtzig Jahren hieß: die Lisi. Die Leute werden wohl alt – aber der Name Lisi bleibt jung. Er gehört mit seiner leisen Zärtlichkeit jedem Lebensalter. Das ist das schönste dran.


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