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Josef

Variationen über einen Vornamen

Der Peperl. Er ist so an der Wende, wo der Ernst des Lebens mit Fibel und Schultafel beginnt. Unterm Naserl ist er immer noch ein bißl feucht, in seinen Hosentaschen sind Schusser, Spagatreste, Staniolkügerl, Teerbatzen, Semmelbrocken, Bleisoldaten, Fadenspulen, Blechschachterl, Trambahnbillets – alles, was ein Bub braucht und haben muß. Er wird von seinen Tanten mit Schokolade und Würsteln, von der Hausmeisterin mit Androhung von »Ohrwaschelrennats« und Ohrfeigen bedacht. Die Schokolade verdankt er seiner kindlichen Lieblichkeit, das Ohrwaschelrennats dem Umstand, daß er gern den Kitt aus neu eingesetzten Fenstern kratzt, um Manndln draus zu machen. – So bewegen sich denn auch seine ganzen kindlich heiteren Tage zwischen den beiden Polen menschlicher Wertschätzung; ein entzückendes, reizendes Kinderl und – ein Saubua, ein mistiger ...

Das Peperl. Das Peperl ist sein weibliches Gegenstück – um ein Jahrzehnt an Alter und Weisheit gereift, aber immer noch voll erfrischender Jugendlichkeit. – Sie ist »Wassermadl« – Biermops im Café Imperial, der Liebling alter Stammgäste, der Dorn im Auge der Kassierin. Sie besteht aus einer schwarzen Haarschleife, einem kniefreien Rockerl, das aus wohlgewachsenen Wadln kein Hehl macht, aus Filmaugen und nicht ganz sauberen Fingernägeln, einem gleichfalls von Europens übertünchter Reinlichkeit freien Serviertuch und will natürlich einmal als Pepita Pepitosa zum Kino.

Die alten Herren tätscheln ihr nicht ungern mit väterlichem Wohlwollen auf ihre runde Kehrseite, wenn sie ihnen die falsche Zeitung bringt, die Kassierin sagt giftig »Flitscherl, z'sammzupfts« zu ihr, wenn sie ein porzellanenes Bierfilzel zerschmeißt. Am Sonntag geht das Peperl mit seinem G'schpusi, dem Kaufmannslehrling Alois Hinterwimmer, aus. Sie tanzen den mondänen Tanz in Harlaching oder Grünwald, und das Lieblingslied vom Peperl ist die ethnographisch wie allgemein menschlich aufschlußreiche Weise: »Die Mädchen von Java, die sagen nicht nein!«

Der Josef. Er wiegt zwei Zentner, hat über dem grünbewesteten Bauch eine Charivari-Uhrkette, am Werktag einen Gamsbarthut, am Sonntag einen Dreiquartelzylinder. Er ist durchaus staatserhaltend und hat für alle Persönlichkeiten und Erscheinungen, deren Weltanschauung und Lebenszuschnitt seiner Auffassung entgegen ist, die Charakteristik: Schlawiner! – Am Montag hat er einen Schafkopfabend, am Mittwoch einen Kegel-, am Samstag einen Tarockabend. Begleitet ist er stets von einem hundeähnlichen Tier mit Namen Waldl. Außerdem trägt er einen Hacklstecken und im Winter einen Havelock.

In der Deck-Krawatte trägt er eine Busennadel mit dem Bildnis weiland Ludwigs II. –. Seine Liebe zu »de Breiß'n« ist begrenzt.

An seinem Namenstag ist er seit der Firmung jedes Jahr pünktlich um halb zehn Uhr vormittags im Salvatorkeller und verweilt dort bis zur Polizeistunde.

Die Pepi. Sie ist ein älter gewordenes Peperl. Sie ist Wirtsköchin im »Scharfen Ritter«, und wehe dem, der mit ihr Konflikte bekommt.

Sie ist Mitglied vom Orts-Jungfernbund; denn der kleine Peperl, den sie einmal gekriegt hat, ist in Augsburg auf die Welt gekommen, und der zählt nicht. In München ist die Pepi Jungfrau.

Oder paßt's Eahna vielleicht net?!!

Noch besser denn als Jungfrau ist ihr Ruf als Köchin. Sie ist die Säule im »Scharfen Ritter«. Wirt, Wirtin und Gäste tanzen um sie, und sie regiert sie alle mit dem Kochlöffel. Eine strenge, aber gerechte Herrin.

Die Jossy. Die Jossy war auch einmal ein Peperl. Aber dann hat sie das Mondäne gekriegt und ist eine Jossy geworden. Sie verkauft im Parfümerieladen Mandelstamm die feinsten Seifen und Riechwasser. Glauben Sie, daß man da Peperl heißen kann, wenn man unter Toska und Fleur de reine und Eau espagnole lebt.

Außerdem schon z'weg'n der Buidung! Haben Sie vielleicht schon einen Film gesehen, in dem die Heldin »Peperl« heißt. – Glauben Sie, daß zu einer Pagenfrisur der Name »Peperl« paßt. Jossy! – Jossy ist auf die »Elegante Welt« und auf den »Filmkurier« abonniert. Sie weiß nicht mehr, wie man »Loawidoag« ausspricht, obwohl sie in der Quellengasse das Licht der Welt erblickte – als Peperl natürlich.

Sie läßt sich das Wort »Loawidoag« geradezu erklären, wenn sie an einen Kavalier kommt, der Bayer zu sein scheint.

Sie wird immer komplizierter als Jossy, so einfach sie als Peperl war. Sie wird später nur einen aus dem High life heiraten, vielleicht einen alten Adeligen, einen Rennstallbesitzer, einen Großindustriellen oder – wenn keiner von denen kommt – doch den Kassenboten Adam Kreppl vom untern Stockwerk.

José. José, als Beppi geboren, hatte später als Joseph Zeidlfinger einen kleinen Ansichtskarten- und Zigarettenladen. Die wechselvollen Zeitläufte von Krieg und Revolution hatten Beppi Zeidlfingers kommerzielle Begabung erwachen lassen und seine »Transaktionen«, die er in seiner kleineren Zeit mit dem Handwagl besorgte, vollziehen sich nunmehr mit Eisenbahnwaggons. –

Kein Handelsgebiet, das der nunmehrige José nicht schon kultiviert hätte: Briefmarken, Ölgemälde, Autoreifen, Motore, Fettersatz, Kunstleder, Aktien – José hat es erfaßt. Nun trägt er einen langen, stramm in die Taille geschnittenen Mantel, ist glattrasiert und glaubt, mit Bruno Kastner Ähnlichkeit zu haben. An den Füßen, die in ihrer Jugend die abgetretenen Zugstiefel der Nachbarin trugen, sind jetzt zarte Seidenstrümpfe und spitze, modefarbene Schuhe.

José sitzt am Abend in der Exquisitdiele mit seiner Freundin Jossy und bestellt eine Haute Sauterne, er hat sich von einem berühmten Architekten eigene Klubsessel anmessen lassen und kauft sich für den Bücherschrank einen Zentner Bibliophiles. Er hat den »Junggesellen« und den »Reigen« abonniert und hält sich ein Motorradl.

Wenn er sich gebildet unterhält, so sind die Eckpfeiler seiner vornehmen Konversation die Wörter »fabelhaft« und »todschick«.

Wenn ihn seine Mutter, ein einfaches, altes Frauerl, in Glanz und Gloria daherkommen sieht, sagt sie ein bißchen scheniert und ein bißchen belustigt lächelnd: »O mei! Mei' Beppi!« –

Der Sepp. Er ist Hausl beim Spornerwirt und hat bei den Leibern gedient. Wirtsmetzger und Schenkkellner, einen Meter fünfundachtzig hoch, Handschuhnummer 12 ¾. Er ist für Ruhe und Ordnung da. – Unter dem buschigen Schnauzbart steht ihm – kalt oder brennend – vom Morgen bis in die Nacht eine Virginia (sprich: Vetschina) zwischen den Zähnen, und der Untergang des Abendlandes läßt ihn ganz kalt. Er ist überhaupt nicht so leicht aus der Fassung zu bringen, der Sepp.

Was er tut, das tut er langsam, aber gründlich. Er ist weder Antialkoholiker, noch Mitglied der Friedensliga, er sagt: »Mei' Maß wann i' hab und a' Vetschina, na könna's mi alle mitanand ... Grüaß Eahna Good, Herr Niedermeier!«


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