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Flossfahrt auf der Isar

Eine Floßpartie anzuzetteln ist leicht. Alle tun mit. Jeder ist begeistert. Bis es aber dazu kommt, das ist für den spiritus rector ein Geduldspiel von hohen Graden. Am Mittwoch, als am festgesetzten Tag, regnet es natürlich. Am nächsten Samstag ist leider ein Teil verhindert, mitzukommen. Am nächsten Dienstag kann der andere Teil nicht dabeisein. Am nächsten Freitag ist in der Früh das Wetter so unbestimmt. Von der dreißigköpfigen Besatzung sind fünf am Bahnhof, die, als um neun Uhr die Sonne herauskommt, alle zeitlichen und ewigen Strafen auf die Zauderer herabwünschen.

Aber eines Tages klappt es doch, und der Großteil der kühnen Isarpassagiere ist am Bahnhof versammelt. Wer flößt, zieht sich gebirglerisch an. Kühne Jagerhüatln sieht man da und karierte Spenzer, Dirndlkleider und Genagelte.

Auf der grünen Isar! Meist traut man herkömmlichen, sozusagen stehenden sprichwörtlichen Eigenschaften nicht so ganz. Man hat die Isar schon grau und gelb und braun gesehen.

Aber nein. Sie ist an unserm Floßtag wirklich grün. So hell, wie dieser Bergfluß nur immer sein kann, bald mit einem Schimmer ins Türkis, bald mit einem ins Smaragd. An der Lände in Tölz liegt das Floß, schwer und breit, mit Tannenbäumerl und weißblauen Bändern geziert, festlich geputzt. Eine freudige Aufregung, wie sie Kinder bei einem großen frohen Ereignis erfüllt, hat die Floßfahrer gepackt. Sorglich verwahrt liegen im Vorderteil zwei runde Bierbanzen. Floßknechte, zugleich schneidige Musikanten, rücken an und packen ihre Instrumente aus. Ziehharmonika, große und kleine Trommel, Trompete und Klarinette. Das blitzt im blauen sonnigen Tag wie Gold und Silber in der Luft, und die berglerischen Musikanten sitzen da wie aus einem Leibl-Bild heraus. Sommerfrischler schauen der Abfahrt zu. Der Floßmeister geht ans Ruder. Die Kapelle setzt an. Der schneidige Tölzer Schützenmarsch steigt zur Brücke hinauf, und das Floß mit seiner frohen, farbigen Fracht gleitet in den Fluß. Hundert Hände und Tücher winken, und Juhschrei um Juhschrei fliegt in den Sommertag.

Und Marsch um Marsch und Landler um Landler schmetterte in den strahlenden Tag, so richtig altbayrisch nach Herzenslust jodelte die Klarinette in die Zugharmonika hinein, und ein G'sangl ums andere gaben die Flößer zum besten, keinen lieblichen Holdrio-Schmarren, sondern alte, echte, gewachsene, rassige Lieder und G'stanzeln. Dazwischen hinein einen Plattler, zu dem ein Stadterer die Trompete blies, indes der Trompeter dem »Haxenschlag'n« nachkam.

Acht Stunden Floßfahrt bringen einen Heimatwinkel viel näher als hundert Bücher und Geschichten übers Gebirge. Waren aber auch unter den »Passaschieren« nicht wenige, deren Großväter noch an der oberen Isar Haus und Besitz hatten, und man konnte mit den Flößern über gemeinsame Bekannte aus Höfen und Almhütten dischkrieren, sozusagen noch als Zugehöriger.

Wie die Flößer das ungefüge Fahrzeug ohne viel Rederei und Getu wieder flottmachten, als es auf einer Kiesbank aufgefahren war, mit welch einfachen ingeniösen Praktiken, das wäre ein Beispiel für manchen großen Pimperlwichtig gewesen.

Die Landschaft. Das Isartal. Dieses Flußtal ist wie der schönste Traum. Es ist stundenweit einsam wie die Welt am ersten Schöpfungstag. Im weiten Bett strömt der grüne Fluß, vielfältig verzweigt durch das Land. Über den Tannenwäldern am Ufer steht im zitternden Sonnenglast der Auwald. Wundervoll in der Farbtönung klingen Luft und Gras, Gestein und Wald zu herrlichen Bildern. Ein dunkles Wetter baut sich im Süden auf. In das blaue Schwarz des Himmels wachsen gespenstisch weiße Wolkentürme, indes der Norden noch im Lichte liegt. Wie heben sich Mauern und Kirchtürme leuchtend aus dem schieferschwarzen Himmel über den goldgrünen Buchenwäldern am Georgenstein. Aus einem einsamen Häusl am Hang grüßt das Floß ein Jodler wie eine überirdische Schalmei, und in Schmunzeln löst sich der Bann, als die Jodlerin, ein altes Weibl, zum Vorschein kommt und die Flößer ihr neben der Anerkennung nicht ganz ernstgemeinte Wünsche und Anträge zurufen.

Im grünen Fluß neben dem Floß schwimmen und tauchen die braunen Leiber der Badenden, es ist, wie wenn ein guter Zauberer allen Spuk der großen Stadt, der schweren Zeit, der entgötterten Natur mit gütiger Hand aufgelöst hätte in zeitlose, grüne Wasser-, Baum- und Himmelseligkeit.

Im Dämmern gleitet das Floß an der Lände bei Maria Einsiedel ans Land. Es ist, als ob ein schöner Zauber geendet hätte, und Heimweh nach dem glücklichen Tag geht mit uns zu der nächtlichen Stadt, zu den Mauern, mit.


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