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Vom Wetterglas

Wie das Münchner Wetter gemacht wird? Mein Freund Fritz, der Meteorologe, ließ mich einmal einen Blick in sein großes Wetter-Kochbuch tun, das sonst auf den Wetterwarten unter strengstem Verschluß liegt. Da las ich: Man nehme zwei Pfund isländische Depression und verrühre sie gut mit einem Eßlöffel mitteleuropäischem Maximum. Dazu gebe man ein paar Messerspitzen schirokkale Luftmassen und lasse das Ganze in einer Kältewelle leicht anbraten. Dazu mache man eine pikante Soße aus kleinen Druckstörungen und westlichem Minimum und übergieße das noch nicht erkaltete Wetter mit zwei Schöpflöffeln Nordost.

Dies Gericht wird, mit Formaminttabletten und Kamillentee garniert, als Münchner Spezialität ge- und benossen. – In jedem besseren Haushalt findet sich zur Erkundung dieses Wetters ein sogenanntes Wetterglas oder Barometer. Dieses ist in einem dunkelpolierten, mit geschnitzten Renaissance-Säulen und Akanthusblättern verzierten Holzkasten angebracht, auf dessen Haupt ein ebensolcher Adler dreimal Kuckuck schreit, wenn es zwölf Uhr ist. Meine Tante Pepi hatte ein Wetterglas, das war in einen roten Plüschbehälter eingebettet, und damit die Glasröhre nicht staubig wurde, hatte sie ein hübsches Häkeldeckchen darübergezogen. Wieder andere haben um das Instrument der Wissenschaft ein kleines Schweizerhäuschen gebaut. Mein Freund Max hat ein Wetterglas, das kann man als Briefbeschwerer, Zigarrenabschneider und Blumenvase verwenden. Es ist ein Hochzeitsgeschenk. – Trotzdem gibt es immer wieder Leute, die heiraten. –

Das Wetterglas ist fast immer ein reizender Zimmerschmuck, der das Abstauben lohnt.

Es besteht aus einer Glasröhre, die meistens irgendwo zersprungen, in manchen Fällen aber auch luftdicht abgeschlossen ist.

Unten an der Glasröhre befindet sich eine mit Quecksilber gefüllte Kugel. Sollte das Quecksilber ausgeronnen sein, so genügt auch ein kleines Kügelchen aus Watte oder Blei. Zu beiden Seiten ist eine sogenannte Skala angebracht, auf der man seine Körpergröße bis zum schulpflichtigen Alter abmessen kann. Man nennt diese Einteilung Wärmegrade. Die besten Barometer sind jene, welche immer den Normalluftdruck anzeigen. Dies die Beschreibung. Über die Wirkungsweise ist folgendes zu sagen: Wer eine Ski-Tour unternehmen will, klopfe schon einige Tage vorher mit dem Finger an das Glasröhrchen. Steigt dann das Quecksilber oder die Wattekugel darin empor, so ist das ein Fingerzeig, daß das Wetter gut wird. Reagiert das Barometer auf Fingerklopfen nicht, so nehme man dazu den Handrücken; sollte auch hier nichts erfolgen, so schlage man mit dem Küchenbeil (aber nicht mit der Schneide!) so lange dagegen, bis man eine Veränderung bemerkt.

Manche empfindlichen Instrumente müssen von Zeit zu Zeit geölt und mit einem Wischstrick gereinigt werden.

Was mein eigenes Instrument betrifft, so habe ich es vor Jahren auf der Auer Dult erworben. Es stammt noch aus der Zeit der Erfindung des Luftdrucks und hat mir noch immer über jedes Wetter hinweggeholfen. Es zeigt immer auf »schön«. Im Winter hängt es, da es gegen Zugluft empfindlich ist, neben dem Ofen. Vielleicht ist dies schuld, daß die Glasröhre krumm geworden ist. An wärmeren Tagen hänge ich das Wetterglas an die frische Luft, damit es auch was hat vom Leben; doch wird es da durch Sperlinge und andere Insekten nicht selten beschmutzt. Wenn am Sonntag die Nachbarkinder zu mir zu Besuch kommen, kriegen sie das Barometer zum Spielen, damit sie nicht zu laut werden. – Barometer sind Präzisionsinstrumente.


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