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Einundzwanzigstes Kapitel.

Glück.

Der Oberst hatte Heinrichs Erzählung von d'Ormeville's Abenteuern aufmerksam mit angehört. Seine edle und großmüthige Seele faßte sogleich den Entschluß, nach Paris zu gehen und dort alle nöthigen Schritte zu thun, wodurch er erfahren könnte, was aus dem Vater seines theuern Heinrichs geworden sei. Zwar hatte der letztere bereits umsonst solche Nachforschungen angestellt; allein Heinrich kannte in Paris Niemanden; seine Jugend konnte überdies wenig Vertrauen einflößen: der Oberst hingegen war von einem Alter und einem Rang, die Achtung und Ehrfurcht geboten. Er ließ sich Empfehlungsbriefe an die hohen Staatsbeamten geben und hoffte auf glücklichern Erfolg in seinem Unternehmen.

Oberst Framberg beeilte sich, und bei seiner Ankunft in Paris begann er augenblicklich seine Nachforschungen. Seine Schritte wurden schnell vom besten Erfolge gekrönt; der Minister benachrichtigte den Oberst, daß der Gesuchte in der Force, einem der bedeutendsten Gefängnisse der Hauptstadt, hinter Schloß und Riegel sitze. D'Ormeville war bei seiner Ankunft in Paris festgenommen und die über ihn ausgesprochene Todesstrafe in zehnjähriges Gefängniß verwandelt worden, was er schon eine große Gunst nennen konnte, und da seine Feinde nicht mehr am Leben waren, so hoffte er bald seine Freiheit zu erlangen. Dazu aber war es nothwendig, daß sich Jemand in Frankreich für den Gefangenen interessirte. Unglücklicherweise kannte er Niemanden hier und hätte wahrscheinlich die festgesetzte Zeit im Kerker verlebt, wenn nicht der Zufall ihm einen mächtigen Beschützer in der Person des Obersten zugeführt hätte. Dieser machte sich sogleich daran, die Freilassung d'Ormeville's zu erwirken, dessen Vergehen nicht so groß war, daß er so besondere Strenge verdiente, und der durch eine Verbannung von zwanzig Jahren genug gelitten hatte.

Die Schritte, welche der Oberst zu thun genöthigt war, zogen sich mehr in die Länge, als er geglaubt. Man hatte ihm bereits die Erlaubniß ertheilt, d'Ormeville zu besuchen; aber er mochte sich nur als Ueberbringer seiner Begnadigung bei ihm vorstellen. Welch ein großmüthiges Benehmen gegen einen Mann, der sein Nebenbuhler gewesen war ... der ihn der Liebe einer angebeteten Frau beraubt hatte, und von dem er fürchten mußte, daß er ihm auch Denjenigen werde entreißen wollen, den er als seinen Sohn liebte! ... Es gibt wenige Männer wie der Oberst.

Endlich, nach mehr als drei in Umhergehen und Sollicitiren zugebrachten Monaten wirkte derselbe die Freilassung von Heinrichs Vater aus. Welcher Augenblick für sein edles Gemüth! Mit welch' trunkener Freude begab er sich in das Gefängniß! Das Bewußtsein einer guten That belohnte ihn reichlich für die angewandte Mühe! D'Ormeville hoffte nicht mehr auf Begnadigung: der Unglückliche saß in einem Winkel seines Kerkers, dachte an seine Pauline, und der Kummer, den sie empfinden mußte, vermehrte nur noch seine Traurigkeit. Da gehen plötzlich die Thüren seines Gefängnisses auf: ein ihm unbekannter Mann, dessen Gesicht jedoch Güte verkündet, zeigt sich vor seinen Blicken (der Leser hat schon heraus, daß es der Oberst ist) und wirft sich ohne Weiteres an seine Brust ; ganz erstaunt, weiß d'Ormeville gar nicht, was er davon denken soll. »Zuerst laßt uns einander umarmen,« sprach der Oberst zu ihm, »Bekanntschaft machen wir hernach; hier ist inzwischen Ihr Freibrief; ich bin der Oberst Framberg und ich habe ihn ausgewirkt.«

D'Ormeville ist ungewiß, ob er wacht oder träumt; der Name des Obersten, das Wort Freiheit machen ihn so sehr betroffen, daß er ganz erstarrt; doch der Oberst, auf dieses Staunen gefaßt, zieht ihn fort aus dem Kerker, drängt ihn in seinen Wagen und läßt sich nach seinem Hotel führen. Unterwegs kommt d'Ormeville wieder zu sich: »Es ist kein Traum!« sprach er; »ich bin in Freiheit und Ihnen, Herr Oberst, habe ich sie zu danken! ... – Ich begreife Ihre Verwunderung, lieber d'Ormeville, und ich will ihr ein Ende machen; da aber meine Erzählung etwas lang wird, wollen wir warten, bis wir in meinem Hotel sind; dort können wir reden, ohne Unterbrechung zu fürchten.« D'Ormeville willigt ein, und man langt an; der Oberst verbietet jede Störung und erzählt dem Befreiten, was dem Leser schon bekannt ist.

Wer vermöchte d'Ormeville's Erstaunen bei der Nachricht zu schildern, daß sein Sohn lebe und er ihn bald in seine Arme schließen werde! Seine Freude grenzt an Wahnsinn; er wirft sich an die Brust des Obersten und nennt diesen seinen Schutzengel. Plötzlich hält er inne und verfällt in tiefes Sinnen. »Was haben Sie denn?« fragte der Oberst. »Woher dieses Nachdenken? – Sollten Sie noch einen andern Sohn haben?« fragt er nach einer Weile, statt einer Erwiderung. – »Nein, ich hatte nie einen andern ; nur Heinrich galt mir als solcher. – Heinrich ! ... Kein Zweifel mehr! er ist's. – Was soll das heißen? – Ich kenne diesen theuern Sohn! ... und der Himmel hat ihn zum Retter meines Lebens auserkoren! – Wär's möglich? ... Heinrich hat Ihnen das Leben gerettet? – In einem Walde, sechs Stunden von Straßburg, wäre ich das Opfer zweier Meuchelmörder geworden, da sandte mir die Vorsehung meinen Sohn zur Rettung.«

D'Ormeville war in der That jener Reisende, den Heinrich gerettet. Oberst Framberg bewunderte die Rathschlüsse der göttlichen Vorsehung, welche den Sohn seinem Vater zu Hülfe gesandt hatte; alsdann fuhr er in seiner Erzählung fort, welche durch d'Ormeville's Ausrufe unterbrochen worden war. Als dieser letztere von der Liebe Paulinens und Heinrichs, und dem Kummer, welche dem Oberst diese unheilvolle Leidenschaft verursachte, hörte, unterbrach er diesen mit den Worten: »Trocknen Sie Ihre Thränen, mein Freund; unsere Kinder sollen dem Glücke und der Liebe wiedergegeben werden; vernehmen Sie endlich, daß Pauline nicht meine Tochter ist. – Sie ist nicht Ihre Tochter? ...« rief der Oberst freudetrunken; »o ! darüber verliere ich noch den Kopf! die theuren Kinder! ... sie hatten so vielen Kummer! Noch wage ich nicht, an dieses Glück zu glauben! ... – Es ist die reine Wahrheit; aber ich sehe ein, daß sie Erläuterungen bedarf. Hören Sie mich an, und auch ich will Ihnen alle Begebenheiten erzählen, die mir von dem Augenblicke an aufstießen, wo ich mich von Derjenigen trennte, die ich meine Gattin zu nennen hoffte.

D'Ormeville's Geschichte.

»Als ich meine theure Clementine verließ, begab ich mich nach Wien, dem Kaiser meine Dienste anzubieten. Zwischen Rußland und Oesterreich war der Krieg erklärt. Leicht ward ich aufgenommen und in Betracht meiner Eigenschaft als Freiwilliger und meiner Geburt, wurde ich bald Lieutenant in einem Husarenregiment, das zu Feld zog. Bei einem Dorfs zwischen Nowogrodek und Wilna trafen wir auf den Feind. Das Treffen war blutig, und die Russen erlitten, wie ich in der Folge erfuhr, eine Niederlage; denn da ich gleich im Anfang des Handgemenges einen Schuß erhielt, fiel ich vom Pferd und wurde für todt auf dem Schlachtfeld gelassen.

»Ein Bauer, welcher, lange nachdem die beiden Heere entfernt waren, bei mir vorüber kam, bemerkte, daß ich noch athmete; er war so menschenfreundlich, mich auf seinen Rücken zu laden und nach seiner Hütte zu tragen, um mir dort die meiner Lage angemessene Hülfe zu leisten.

»Gegen ein Jahr blieb ich bei dem guten Landmann, denn erst nach Verlauf dieser Zeit erlaubten mir meine nun wieder völlig geheilten Wunden, an Rückkehr zu meiner Fahne zu denken. Aber während meiner langen Krankheit hatte das wandelbare Kriegsglück die Russen zu Meistern des Ortes gemacht, in dem ich verborgen war; sie hatten auf dem ganzen Wege nach Oesterreich Posten aufgestellt, und ich sah, daß ich das Dorf nicht verlassen könne, ohne mich beinahe unausweichlichen Gefahren bloßzustellen.

»Was konnte ich thun? ... Meine Lage war entsetzlich, ich besaß nicht die geringste Summe Geldes, und mochte dem wackern Manne, der mir das Leben gefristet, nicht länger zur Last sein.

»Nur ein Ausweg blieb mir, nämlich zu arbeiten, um zu leben: und schnell war mein Entschluß gefaßt. Der gute Bauer, der mich unterstützt hatte, verschaffte mir Arbeit bei einem Pächter in der Gegend. Ich zog die Kleidung an, die für meinen neuen Stand paßte, und begann die Mutter Erde zu bearbeiten, welche niemals undankbar gegen Diejenigen ist, die sie mit ihrem Schweiße tränken.

»Ich lebte ziemlich ruhig; schon lange hatte ich mich an mein neues Verhältniß gewöhnt; überdies ließ mich die Erinnerung an meine Clementine und die Hoffnung, sie eines Tages wiederzusehen, die lange Dauer meines Exils muthvoll ertragen. Sie wissen, ich gab auf deutschem Boden meinen Namen d'Ormeville auf, um den Namen Christiern zu führen, und diesen behielt ich auch in meinem nunmehrigen Aufenthaltsorte bei.

»Eine halbe Stunde von dem Pachthofe lag ein kleines Schloß, das einem gewissen Drogluski gehörte. Dieser Drogluski war in der Umgegend nicht sehr beliebt, und es liefen sogar verschiedene Gerüchte über ihn um, denen ich wenig Aufmerksamkeit schenkte. Da sein Schloß auf einer Anhöhe lag, von wo aus man eine weite Aussicht genoß, lenkte ich, wenn die Arbeiten es gestatteten, meine Schritte nach dieser Seite und wandte meine Blicke nach der Gegend, die meine geliebte Clementine verschönerte, und bat den Himmel, er möchte mir bald erlauben, die Angebetete wiederzusehen.

»Auf meinen einsamen Spaziergängen hatte ich einen Menschen bemerkt, der mir häufig in den Weg trat und mich aufmerksam zu betrachten schien. Anfangs gab ich nicht viel darauf Acht; aber ärgerlich geworden, daß ich ihn immer hinter mir her sehe, fragte ich den Pächter, ob er ihn kenne. Auf meine Beschreibung desselben, sagte er mir, es könne Niemand anders als der Vertraute und Diener des Herrn Drogluski sein, und er erinnere sich sogar, daß derselbe in den Pachthof gekommen sei und verschiedene Fragen über mich angestellt habe. Begierig, zu wissen, was er von mir wolle, beschloß ich, ihn anzureden, sowie ich ihn wieder träfe.

»Die Gelegenheit ließ nicht lange auf sich warten: kaum ein paar Tage waren verstrichen, als ich eines Abends in der Nähe des Schlosses meinen Mann nur wenige Schritte vor mir sah. Ich redete ihn an und sagte, ich wundere mich sehr, daß ich ihn immer mir auf den Fersen sehe, und bat ihn, mir den Beweggrund anzugeben. – »›Ihr sollt ihn erfahren,‹« antwortete er mit düsterer Stimme; »›da es aber sehr wichtig ist, was ich Euch zu sagen habe, so findet Euch heute um Mitternacht auf dieser Stelle ein, wir haben dann keinen Ueberfall zu fürchten und Ihr werdet vernehmen, was Euch interessirt.‹« – »›Warum nicht augenblicklich?‹« sagte ich, überrascht durch seinen Ton gegen mich. – »›Nein,‹« erwiderte er; »›um Mitternacht sollt Ihr Alles erfahren; fehlt aber nicht! Euer Leben steht auf dem Spiel ...‹« Mit diesen Worten entfernte er sich und ließ mich in unbeschreiblichem Erstaunen zurück.

»Sollte ich entdeckt sein?« sprach ich bei mir selbst, wie ich allein war; »soll ich mich einfinden? ...« Lange war ich unschlüssig; doch endlich bedachte ich, daß er mir gesagt, es handle sich um mein Leben, und vermuthete, er wolle mich verrathen, wenn ich nicht Wort halte, daher beschloß ich, zur bezeichneten Stunde pünktlich einzutreffen.

»Um Mitternacht war ich am bemerkten Orte, etwa hundert Schritte vom Schloß; bald sah ich meinen Mann auf mich zukommen. Er führte mich auf eine Bank am Fuße eines Baumes und hielt folgende Rede an mich: »›Ihr seid ein Oesterreicher und demnach im Krieg mit den Russen, Ihr habt keinen Heller und wartet nur auf eine günstige Gelegenheit zur Rückkehr in Euer Vaterland. Wenn Ihr erkannt würdet, müßtet Ihr auf der Stelle sterben; ich kann Euch Euren Feinden überliefern und zur Schlachtbank führen; dies werde ich auch thun, wenn Ihr nicht in meinen Vorschlag einwilligt.‹«

»Ich sah, daß ich's mit einem Bösewicht zu thun hatte; aber mein Leben war in seinen Händen, ich mußte mich daher verstellen. »›Was fordert Ihr von mir?‹« sagte ich. – »›Hört,‹« antwortete er; »›hier in diesem Schlosse lebt ein Kind von drei bis vier Jahren; sein Dasein ist verschiedenen Personen im Wege: wir hätten es selbst umbringen können; aber ich habe die Augen auf Euch geworfen, weil dieser Mord, im Schlosse vollbracht, vielleicht hätte Verdacht erregen können.‹«

»Ich schauderte bei dieser Rede, verbarg jedoch meinen Unwillen, und der Bösewicht fuhr fort: »›Ihr braucht die Beweggründe dieses Racheschritts nicht zu kennen; ich rathe Euch sogar, Euch nie darnach zu erkundigen; denn diese Neugierde würde Euch das Leben kosten, und wenn Ihr in einigen Jahren in Versuchung geriethet, wieder in diese Gegend zu kommen (denn ich vermuthe, daß Ihr gleich nach dem Friedensschluß nach Oesterreich zurückkehren werdet), so würdet Ihr, das sage ich Euch vorher, einen vergeblichen Schritt thun: denn dieses Schloß wird verlassen sein, und Ihr werdet Niemand mehr finden. Entschließt Euch also und seht zu, ob Ihr thun wollt, was ich von Euch begehre, Ihr sollt dann reichlich belohnt werden; weigert Ihr Euch hingegen, so gebe ich Euch den Russen an, und der Tod ist Euch dann gewiß‹« – »›Ich kann nicht schwanken‹« sagte ich zu ihm; »›ich willige ein‹« – »›Sehr gut; so folgt mir, ich will Euch das Kind ausliefern.‹« – »›Wie! auf der Stelle?‹« – »›Gewiß! je bälder, um so besser.‹«

»Schaudernd folgte ich dem Niederträchtigen, der mich der Theilnahme an einer solchen Schandthat fähig hielt. Er führte mich in das Innere des Schlosses: tiefe Stille herrschte rings umher. In einem Gemach zu ebener Erde hieß er mich seine Rückkunft erwarten und ging. Einige Minuten blieb ich allein, lauschte sorgfältig, ob ich nichts hörte, aber eine tiefe und ganz außergewöhnliche Stille führte mich auf den Gedanken, mein Führer wohne allein hier, und ich gestehe, ich faßte damals den Entschluß, die Erde von diesem Ungeheuer zu befreien und sein unschuldiges Schlachtopfer zu retten; doch ich ward in meiner Erwartung getäuscht; mein Mann kam mit einem Kind auf den Armen zurück; ihm folgte eine andere Person, die maskirt war, und mich sprachlos anstarrte. »›Sieh, da ist das Kind und eine volle Goldbörse,‹« sprach der erstere. »›Du weißt, was Du zu thun hast; geh, verlaß dieses Schloß und bedenke wohl, daß, wenn Du unsere Befehle nicht vollziehst, der Tod Deinem Verrathe auf dem Fuße folgen wird.‹«

»Ich erwiderte nichts; ich nahm das Kind und die Börse, und mein Mann begleitete mich bis an das Thor; nachdem er mir dort seine Drohungen noch einmal wiederholt hatte, verließ er mich, und ich befand mich mit dem Kinde allein.

»Arme Kleine!« rief ich, sie genau betrachtend, denn ich sah, daß es ein Mädchen von höchstens vier Jahren war; »sollte ich auch das Leben darüber verlieren, will ich Dich doch von der Wuth Deiner Feinde erretten!« Mein Entschluß war bald gefaßt: wenn ich im Dorfe blieb, mußte ich gewärtig sein, festgenommen zu werden; ich beschloß daher, ein anderes Asyl aufzusuchen; zwar konnte ich auch auf der Flucht ergriffen werden; aber ich dachte, der Himmel werde mein Beginnen segnen, und diese Hoffnung gab mir Muth. Wirklich machte ich mehrere Meilen ohne die mindeste Gefahr und gelangte endlich in einen ungeheuern Wald, wo ich wohl zu thun meinte, wenn ich einige Zeit verborgen blieb.

»Das arme, mir vom Himmel anvertraute Pfand war der Gegenstand meiner zärtlichsten Sorgfalt. Ach! an Allem Mangel leidend, war ich genöthigt, ihr jeden Abend aus Baumzweigen eine Wiege zu machen, und Morgens, ehe sie erwachte, ging ich zitternd in eine Bauernhütte und kaufte dort die zur Fristung unseres Daseins notwendigen Lebensmittel. Durch ihre unschuldigen Liebkosungen machte mich die Kleine meine Leiden vergessen; sie nannte mich Vater, und ich beschloß, diese Stelle bei ihr zu vertreten. Ich nannte sie Pauline, und wünschte, es möchte ihr mit einem französischen Namen auch die Heiterkeit und Anmuth der Frauen meines Vaterlandes zu Theil werden.

»Die Belohnung, welche stets jeder guten That folgt, ward auch mir endlich: kaum waren vierzehn Tage seit unserem Aufenthalt im Walde verstrichen, als ich erfuhr, daß die Oesterreicher in Eilmärschen gegen meinen Zufluchtsort anrückten; die Russen flohen vor ihren Siegern her, und bald sah ich mich mitten unter meinen Waffenbrüdern.

»Nun nahm ich in ihren Reihen meinen frühern Grad wieder ein; aber ich war sehr in Verlegenheit wegen meiner kleinen Pauline, als mich der Zufall mit Madame Reinhard bekannt machte: sie war ihrem Sohn zum Heere gefolgt: er war gefallen und sie in der finstersten Verzweiflung. Ich machte ihr den Vorschlag, Paulinen, die ich für meine Tochter ausgab, als Mutter zu dienen; mit Freude willigte sie ein und reiste nach Offenburg, da sie ihren Sitz in der Gegend nehmen sollte. Ich hoffte, in kurzer Zeit zu ihr zu treffen, und auch meine Clementine wiederzusehen! Aber ach! ein Offizier, der beim Schloß Framberg vorübergekommen war, belehrte mich, daß meine Angebetete mich, wie Jedermann, für todt gehalten, den Grafen von Framberg geheirathet, einen Sohn von ihm gehabt hätte und nach kurzer Ehe gestorben sei.

»Diese Nachricht schlug alle meine Plane künftigen Erdenglücks zu Boden. Ich dachte nur daran, mich durch den Tod wieder mit meiner Clementine zu vereinigen. Mehrere Schlachten wurden geliefert; ich suchte den Tod in den feindlichen Reihen, aber er blieb taub für meine Sehnsucht, und ich fand nur Ruhm. Ich wurde zum Kapitän gemacht, und die Zeit, sowie das Andenken an meine kleine Pauline vermochten endlich, meinen verzweiflungsvollen Schmerz zu stillen. Meine Winterquartiere brachte ich stets bei Derjenigen zu, die mich für ihren Vater hielt, und ich hütete mich wohl, sie vom Gegentheil zu belehren, damit ich ihr einen Kummer ersparte, der nur einen düstern Schimmer über die schönen Tage ihrer Jugend verbreitet hätte.«

»Ich war so glücklich, als ich's sein konnte; Pauline betrachtete ich als meine Tochter und nie kam mir der Gedanke, jener Heinrich von Framberg, den Jeder Ihren Sohn nannte, könnte die Frucht meiner Liebe zu Clementinen sein.

»Sehnsucht nach meinem Vaterlande trübte endlich meine Ruhe. Sie wissen das Weitere, Herr Oberst, und ich vermag nicht. Ihnen meine ganze Dankbarkeit auszudrücken.«


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