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Zweites Kapitel.

Die Grafen von Framberg.

Ehe wir Müllern aus der Ueberraschung heraushelfen, die ihm diese neue Begegnung verursachte, ist es nöthig, dem Leser mitzutheilen, wer der Oberst Framberg war, und was ihn zu dieser Reise bewog.

Graf Hermann von Framberg, Vater des Obersten, stammte aus einer alten deutschen Familie; von Geschlecht zu Geschlecht hatten alle Framberge in ihrer Jugend dem Vaterlande gedient, und Graf Hermann, nachdem er auf dem Feld der Ehre sich Lorbeern des Ruhmes gesammelt, hatte sich auf das Schloß seiner Ahnen zurückgezogen, und harrte hier mit Ungeduld an der Seite einer geliebten Gattin auf die Geburt des Kindes, das sie unter ihrem Herzen trug, und das seinem Glück die Krone aufsetzen sollte.

Dieser Augenblick kam, aber statt eines Tages des Jubels, ward es ein Tag der Trauer und des Leids: die Gräfin, indem sie einem Sohne das Leben gab, verlor das ihrige.

Nie tröstete sich der Graf völlig über diesen Verlust; da aber die Zeit auch den herbsten Kummer lindert, erinnerte er sich, daß er einen Sohn habe, und gab sich mit allem Eifer der Sorge für dessen Erziehung hin.

Diese glich der seiner Ahnen. Der junge Framberg lernte frühzeitig die militärischen Uebungen; voll Freude sah der Vater seine glücklichen Anlagen und mit fünfzehn Jahren bat der junge Mann um die Erlaubniß, zur Armee abgehen zu dürfen.

Obgleich sich der Graf ungern von seinem Sohne trennte, willigte er doch in sein Verlangen; der junge Framberg verließ das Schloß seiner Väter, um das Feld der Ehre zu betreten, wo ihm in sehr kurzer Zeit seine ausgezeichneten Waffenthaten den Rang eines Obersten erwarben.

Graf Hermann war stolz auf einen solchen Sohn, und als der Oberst Framberg seine Winterquartiere im Schlosse seines Vaters zuzubringen gedachte, ward er mit allen militärischen Ehrenbezeigungen, welche die väterliche Liebe noch sinnreicher verschönerte, empfangen.

Auf dem Schlachtfelde machte der Oberst die Bekanntschaft Müllers. Dieser brave Husar zeichnete sich eben so sehr durch seinen Muth, als seinen wunderlichen Humor aus. Er besaß die volle Freimüthigkeit und Derbheit eines guten Soldaten. Stets bereit, sein Leben für Denjenigen einzusetzen, den er liebte, hätte er auch die ganze Welt durchstreift, um Denjenigen zu strafen, der ihn beleidigte oder beschimpfte. Seinen Obersten verehrte er als seinen Vorgesetzten und liebte ihn als den Tapfersten des Heeres. Bei jeder Schlacht stand Müller demselben zur Seite, focht ihm voraus, deckte ihn oft mit seinem Körper, und nie hätte er es Dem verziehen, welcher ihn der Wonne beraubt hätte, für des Obersten Rettung zu sterben.

Der Oberst seinerseits schloß sich immer mehr an Müller an; bald wurden sie unzertrennlich, denn der Oberst, im Feldlager aufgewachsen, kannte keineswegs die Unterschiede, welche Rang und Reichthum in der Welt begründen. Besaß Derjenige, den er liebte, die guten Eigenschaften, die ihm seine Freundschaft werth machen konnten, so war er, wenn auch ohne Titel und Vermögen, darum nicht weniger achtungswerth in seinen Augen; mit einem Wort, der Oberst war über alle Vorurtheile erhaben, und verletzte sogar öfters durch sein Benehmen die Convenienzen der Gesellschaft. Der Verfolg dieser Geschichte wird uns häufige Beispiele davon liefern.

Als Graf Hermann alt ward, wünschte er sehnlichst, sein Sohn möchte ihm einen Erben seines Namens schenken, und bei jedem Besuch des Obersten auf dem Schlosse (wohin ihn Müller seit lange begleitete) erneuerte der alte Graf seine Bitten, sich zu vermählen. Geraume Zeit hindurch, wo noch der Sporn des Ruhms auf den Geist des Obersten allein wirkte, entsprach er seines Vaters Wunsche nicht; als er aber sein dreißigstes Jahr erreicht und dieser kriegerische Sinn sich etwas abgekühlt hatte, war er bereit, sich den Wünschen des Vaters zu fügen.

Eine halbe Meile vom Schloß des Grafen Hermann lagen die Güter des Barons von Froburg. Der Baron, ein Wittwer, lebte zurückgezogen auf seinem Schlosse, nur mit Erziehung seiner einzigen Tochter beschäftigt; die kleine Clementine war der Abgott ihres Vaters und der Gegenstand seiner schönsten Hoffnungen.

Als Nachbarn schlossen der Graf und der Baron bald einen innigen Freundschaftsbund; einen Theil ihrer Zeit brachten sie abwechslungsweise auf dem Schlosse des Einen oder des Andern zu; der Eine erzählte, wenn sie in Winterabenden zusammen saßen, von den glänzenden Waffenthaten und dem Ruhme, mit welchem sein Sohn ihm die alten Tage verschönere, der Andere malte die kindliche Anmuth seiner Tochter, ihre zärtliche Liebe für ihn, ihre Theilnahme für Unglückliche, und seine Hoffnung aus, daß sie einst mit der Schönheit ihrer Mutter auch deren Tugenden in sich vereinigen werde.

So verfloß die Zeit: der Graf theilte dem Baron den Wunsch, seinen Sohn vermählt zu sehen, mit; der Baron vertraute jenem die Unruhe, die ihn bei dem Gedanken peinigte, daß er seine Tochter bei seinem Tode, ohne Freund, der sie schütze, ohne Gatten, allein in der Welt zurücklasse.

Aus diesen vertraulichen Mittheilungen folgte, was nothwendig daraus folgen mußte; der Graf und der Baron bildeten den Plan, ihre Kinder zu vereinen; dadurch knüpften sich die Freundschaftsbande zwischen ihnen noch fester, und die Unruhe, die unablässig ihr Alter trübte, schwand.

Um diese Zeit war es, daß sich der Oberst den Wünschen seines Vaters fügte: da führte ihn dieser aufs Schloß des Barons, damit er die für ihn bestimmte Gattin sehe.

Auf seinen häufigen Reisen zu seinem Vater hatte der Oberst Clementinen bereits erblickt; aber welch ein Unterschied! damals war sie noch ein Kind und all ihre Anmuth hatte sich mit den Jahren erst vollends entfaltet.

Als der Graf sie seinem Sohne als seine künftige Gemahlin vorstellte, hatte Clementine ihr achtzehntes Jahr erreicht; sie war reizend, ohne schön zu sein, aber jede ihrer Bewegungen athmete Wonne; ihre großen schwarzen Augen drückten das zärtlichste Schmachten aus, und ihr Mund öffnete sich nur, um bezaubernde Töne, welche eine süße Verwirrung in dem Herzen jedes Hörers erregten, vernehmen zu lassen.

Clementinens Charakter strafte die Sanftheit ihrer Blicke nicht Lügen: sie war mit allen Tugenden begabt; aber bis zur Uebertreibung gefühlvoll. Diese Empfindsamkeit, wenn sie zu heftig ist, wird häufig das Unglück der Frauen und reißt sie oft weiter fort, als sie selbst eigentlich wollen.

Der Oberst fühlte beim Anblick Clementinens jenen geheimen Zauber, den die Gegenwart einer reizenden Frau hervorbringt, und wünschte sehnlichst, sie bald seine Gattin zu nennen, ohne jedoch jene heftige Leidenschaft für sie zu empfinden, welche im Stande ist, Alles für den Besitz des geliebten Gegenstandes aufzuopfern. – Der Oberst Framberg, im Lager erzogen, kannte die Liebe nicht, und seine barsche Freimüthigkeit war mehr geeignet, einen Freund, als einen Liebhaber aus ihm zu machen; aber stolz auf die Wahl seines Vaters, freute er sich, seine Wünsche mit seiner Pflicht in Einklang bringen zu können.

Als aber der alte Baron Clementinen sagte, daß sie den Oberst Framberg als ihren künftigen Gemahl zu betrachten habe, erblaßte sie, gerieth in Verwirrung und warf sich ihrem Vater zu Füßen, flehentlich bittend, er möchte sie nicht zwingen, ihn zu verlassen. Der Baron stellte ihr vor, daß sie ihn nicht zu verlassen brauche; daß er fortwährend bei ihr wohnen werde; daß sie überdies eines Beschützers, eines zweiten Vaters bedürfe, der, wenn ihr Vater zu Grabe getragen sein würde, dessen Stelle ersetze, und daß er zu Erfüllung aller dieser Pflichten keinen würdigern Mann finden könne, als den Sohn des Grafen Hermann; kurz, der Baron gab seiner Tochter zu verstehen, auf dieser Ehe beruhe seine schönste Hoffnung, und seine alten Tage verkümmere sie, wenn sie ihm hierin zu gehorchen sich weigere.

Clementine schwieg, suchte ihre Thränen zu verbergen und versprach ihrem Vater, seinen Wünschen zu willfahren.

Indeß erlangte sie von dem Baron wenigstens einen Aufschub, damit sie, wie sie sagte, Zeit habe, ihren künftigen Gemahl kennen zu lernen; darauf wurde beschlossen, daß die Verbindung erst nach Verlauf von drei Monaten stattfinden solle. Woher mochte der Kummer Clementinens bei der Verkündigung ihrer bevorstehenden Vermählung rühren? Wenn der Oberst nicht den sanften und zärtlichen Ton hatte, welchen man bei einem Liebhaber wünscht, so besaß er wenigstens vortreffliche Eigenschaften, und zu dem hätte sie das Vergnügen, ihrem Vater zu folgen, bewegen sollen, ohne Widerstreben die von diesem vorgeschlagene Ehe einzugehen. Demnach mußte irgend ein geheimer Beweggrund die Ruhe ihrer Seele stören. Dies werden wir ohne Zweifel im folgenden Kapitel erfahren.


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