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Neunzehntes Kapitel.

Noch ein Augenblick der Freude.

Im besten Gasthofe zu Straßburg stiegen die drei Reisenden ab, um einen Augenblick der Ruhe zu genießen, ehe sie sich aufs Neue trennten.

»Mein lieber Heinrich,« sagte der Oberst Framberg zu unserem Helden, als sie allein waren, »ich habe Dir keine Vorschrift für Dein künftiges Betragen zu geben, ich überlasse Müller gänzlich die Sorge für Dein Wohlergehen. Wenn Du indeß das Waffenhandwerk, als bestes Mittel, den Kummer rasch zu zerstreuen, ergreifen willst, so werde ich Deiner Neigung nicht hinderlich sein, im Gegentheil; doch bitte ich Dich, mich von Deinem jedesmaligen Vorhaben zuvor in Kenntniß zu setzen.« Heinrich versprach, nichts zu thun, ohne den Oberst vorher befragt zu haben. Der geheime Kummer, den er in seinem Innersten barg und seinen Freunden zu verhehlen bemüht war, machte ihn unfähig, irgend einen Plan für seine Zukunft zu bilden ... Nur ein Gegenstand nahm seine ganze Denkfähigkeit in Anspruch, trotz all seinen Anstrengungen, ihn aus dem Gedächtniß zu verbannen.

Müller wünschte sehnsüchtig, sein geliebter Zögling möchte sich dem Waffenhandwerk zuwenden. »Ha!« sprach er zu Heinrich, »nach zwanzigjähriger Ruhe würde ich immer noch mit Freuden das Schlachtfeld und die alten Gefährten meines Ruhms widersehen.« Heinrich antwortete nicht, allein Müller hoffte, die kriegerischen Gemälde, die er häufig an ihm vorübergehen ließ, werden am Ende seine Seele bewegen, daß er sich seinen Wünschen füge. In dieser Hoffnung forderte er ihn auf, den Weg nach Wien einzuschlagen, und Heinrich willigte ein.

Der Oberst verabschiedete sich von seinem Sohne, und auf die Frage des letztern, warum er sie nicht nach Offenburg begleite, entschuldigte er sich unter dem Vorwand, daß ihn noch Geschäfte in Frankreich zurückhalten.

Doch lag darin nicht der wahre Grund; aber er mochte Heinrich sein gefaßtes Vorhaben nicht mittheilen, aus Furcht, sein Werk könnte ohne Erfolg bleiben. Müller vertraute er indeß seine Absicht, ihm das strengste Geheimniß anbefehlend. Des Obersten Beginnen im Stillen bewundernd, versprach er dieses.

Nach dem Abschied von seinem Vater reiste Heinrich, mit dem Wunsche baldigen Wiedersehens, in Begleitung Müllers, auf der Straße nach Deutschland ab.

Wir lassen den Oberst Framberg sich in Ausführung seines edlen Vorhabens nach Paris begeben und machen uns mit unsern beiden Reisenden auf den Weg, damit wir sehen, wie Müller es anstellte, Heinrich von dem ihn verzehrenden Kummer zu heilen.

Unser Husar und sein Zögling reisten zu Pferde: »Dies ist die beste Art, Zerstreuung zu finden,« sprach er; »sehen Sie einmal, werfen Sie einen Blick auf diese herrliche, sich nun vor unsern Augen ausbreitende Landschaft! ... sehen Sie die ungeheuern Einöden des Schwarzwaldes, der sich fernhin über Freudenstadt erstreckt; hier das hübsche Städtchen Offenburg, das wir hinter uns lassen, um uns in diese grünen Wiesenthäler zu vertiefen! sehen Sie die Vögel, welche die Wiederkehr des Frühlings singen! die Landleute, welche sich wieder an ihre Feldarbeiten machen! ... Das Alles erhebt das Gemüth und stattet mich mit einer Beredsamkeit aus, deren ich mich nie fähig gehalten hätte! ...« Heinrich lächelte, und Müller, erfreut, daß er denselben für einen Augenblick seinem düstern Sinnen entrissen hatte, spann seine Rede über die Schönheiten der Natur weiter aus.

Während Heinrich diesen Vorstellungen lauschte, gewahrte er, daß sie, ohne darauf Acht zu haben, auf die Straße nach Schloß Framberg geriethen. Er hütete sich wohl, es seinem Begleiter bemerklich zu machen; doch nicht lange, so nahm dieser es ebenfalls wahr. »Ho! Ho!« rief er, plötzlich sein Pferd anhaltend, »ich sehe, daß ich Sie mit meinen Reden nicht den rechten Weg führe! Donnerwetter! Wir müssen wiederumkehren ... – Warum denn, lieber Müller? – Weil meine Absicht nicht ist, Sie nach dem Schloß meines Obersten zu geleiten. – Ach, Müller! es wiederzusehen hätte mir indeß große Freude gemacht! – Möglich, mein Herr; später, jetzt kann's nicht sein. – Und Du willst mich von meinem Kummer zerstreuen! Glaubst Du denn, es gebe angenehmere Zerstreuungen, als das Vergnügen des Wiedersehens der geliebten Stätte, wo ich meine Kindheit verlebt! ... der Stätte, wo Du mich lehrtest, ein Mann zu werden! ... der Stätte endlich, die ich seit zwei Jahren nicht mehr gesehen! ...«

Durch die Worte seines Heinrich erweicht, wußte Müller nicht, wie er ihm das mit so vieler Herzlichkeit Verlangte abschlagen sollte. »Aber zum Teufel! mein Herr!« sagte er endlich mit barschem, strengem Tone, um Heinrich zu imponiren, »wissen Sie nicht, daß Ihre Schwester jetzt auf dem Schlosse ist, und daß es Thorheit wäre, wenn Sie dieselbe sehen wollten? – Ei! so glaubst Du denn, Müller, das sei meine Absicht ... Nein, nur dem Schlosse nahe sein will ich, die Gegend durchstreifen, jenen Park, jene Gärten, die Zeugen meiner ersten Freuden, wiedersehen, und mich dann entfernen, um in einer glücklicheren Zeit wiederzukehren ...«

»Aber Sie könnten Ihrer Schwester begegnen ... – Nein, mein Freund; der Zufall müßte sie mir denn gerade in den Weg führen, und das ist nicht wahrscheinlich ... Ich will ihr ausweichen, sag' ich Dir, zudem bleibst Du bei mir. – Wohlan, Sie wollen es ... ich willige ein ... Aber, beim Teufel! ich sage Ihnen, sowie sich ein Weib uns nähert, führe ich Sie mit verhängtem Zügel davon ... – Ich thue, was Du begehrst. – Wahrhaftig, ich bin zu gefällig ... Doch die Nacht rückt heran; Sie werden zugeben, daß jetzt nicht Zeit zum Besuche des Parks und der Gartenanlagen ist, besonders da wir noch bei zwei Stunden zum Schloß haben. – Nun gut, Müller, so wollen wir die Nacht in der Umgegend zubringen ... sieh, in diesem Pachthof da unten; man wird uns sicherlich ein Nachtlager nicht verweigern, und morgen früh, so wie der Tag graut, machen wir uns auf den Weg nach dem Schloß ... – Wohlan, es sei, laß uns im Pachthof übernachten.«

Unsere Reisenden ritten darauf zu, und Müller glaubte das Haus zu erkennen, wo ihm, als er einst bei Nacht seinen Zögling suchte, ein so spaßhaftes Abenteuer begegnet war; er beschloß, sich zu überzeugen, ob seine Vermuthungen gegründet seien.

Die Nacht war noch nicht lange hereingebrochen; die Thüre des Gehöftes stand offen; Müller trat zuerst ein. Jeder Gegenstand, auf den seine Blicke fielen, bestätigte seine Vermuthung; bald trafen sie den Pächter im Stalle beschäftigt; sowie er sie aber erblickte, verließ er sein Geschäft und kam ihnen unter tiefen Bücklingen entgegen.

»Was wünschen die Herren? – Ein Nachtlager, mein Freund, wenn's möglich ist,« sagte Heinrich zum Pächter. – »Ihr sehet hier, nahm Müller, näher tretend, das Wort, den Sohn des Grafen von Framberg, Burgherrn des Schlosses gleichen Namens, und den Feldwebel Müller, früher unter den kaiserlichen Husaren dienend und jetzt Hofmeister des Grafen ...« Der Pächter machte große Augen bei Anhörung aller dieser Titel, wiewohl er nicht viel davon verstand; mit großem Gelärme rief er seine Knechte herbei, damit man Alles für die Herren in Stand setze.

»Holla, he! Großhans! ... Peter! herbei! wo steckt ihr denn, ihr Schlingel!« Großhans kam sogleich. »Wo ist denn Peter? – Wahrlich, Herr! das weiß ich nicht! ... Vielleicht hilft er der Frau!« Müller erinnerte sich wirklich, daß Peter der mit den außerordentlichen Arbeiten beauftragte Knecht sei, und aus den Reden des Großhans, daß die Hausfrau noch ihren alten Gewohnheiten nachhänge.

Indeß kamen auf des Pächters Geschrei Frau Catharine und Peter von verschiedenen Seiten und beide roth wie gesottene Krebse herbei. »Vorwärts, liebes Weib, rühre Dich und bereite diesen Herren ein gutes Nachtessen, während Peter die Betten rüstet.« Die Pächterin war behend und hatte bald ihr Nachtessen aufgetragen. Neugierig betrachtete Müller Diejenige genauer, deren Bekanntschaft er nur im Finstern gemacht; mit Vergnügen sah er, daß sie wohl ihr Verdienst habe und, obgleich nicht mehr so jung wie Hannchen, doch noch einen Gang auf den Heuboden werth sei.

Catharine führte die Reisenden in die Wohnstube, und während sie den Tisch deckte und das Essen auftrug, bemerkte sie Müllers verstohlene Blicke wohl. Ein Husar von fünfzig Jahren kommt einem Bauernknecht von zwanzig nicht gleich; hat man aber den Bauernknecht alle Tage bei der Hand, so versucht man's gerne einmal im Vorbeigehen mit dem Husaren, ohne Nachtheil für das Alltägliche.

Heinrich, der nur in der Hoffnung des andern Tags lebte, aß wenig und zog sich in seine Schlafkammer zurück, um sich bälder der Ruhe zu überlassen, aber Müller, begierig zusehen, was das werden sollte, blieb am Tische und forderte den Pächter auf, Eins mit ihm zu trinken und einen Augenblick zu plaudern.

Müller war, wie man weiß, kein übler Zecher. Der Pächter wollte es ihm gleichthun und bald ward das Gespräch hitziger. »Wißt Ihr, Herr Husar, daß Euer Titel als Feldwebel des Grafen von Framberg mich an eine vor drei Jahren vorgefallene Begebenheit erinnert ... Sag' einmal, Weib, denkst Du noch an den Schurken, der sich auch für einen Husaren ausgeben wollte? ... – Ach! ja, ja, ich erinnere mich,« antwortete die Pächterin lächelnd ... – »Was ist denn das für eine Begebenheit?« fragt Müller seinen Wirth. – »Ja, mein Seel'! das will ich Euch erzählen ... Stellt Euch vor, da kommt mitten in der Nacht ein Dieb und klopft an unsere Thüre. Mein Weib lag im Bett, meine Knechte schliefen, nur ich war noch in dieser Stube an meiner Tagesrechnung. Ich frage: wer klopft? Ja seht, da hat der Kerl die Frechheit und antwortet mir, er sei Feldwebel und Zögling des Grafen von Framberg, kurz, er gab sich für das aus, was Ihr seid! – Wie?« fragte die Pächterin ihren Mann, »der Herr führt die nämlichen Titel wie der Dieb ? – Ja, Catharine; schau, wie er log, der Lumpenhund!«

Die Pächterin ahnte das wahre Verhältniß, und ein leichter Stoß Müllers mit dem Fuße zeigte ihr, daß sie errathen hatte. Als der Bauer sah, wie sehr die Geschichte seinen Gast ergötze, gefiel er sich, sie mit allen Einzelheiten zu würzen. Müller hütete sich, ihn zu unterbrechen, und begnügte sich damit, ihm jeden Augenblick einzuschenken! und die Wirthin warf in der Voraussicht, wo das hinauswollte, ihrem Manne vor, daß er mäßiger als gewöhnlich sei und ihrem Gast mit seiner Zurückhaltung keine Ehre anthue.

Nun wollte der Pächter dem Husaren die Stange halten, konnte aber bald nicht mehr sehen, was um ihn her vorging; er schnarchte, daß man glauben durfte, er werde nicht so schnell wieder aufwachen. Müller benützte den günstigen Augenblick, Frau Catharinen einen militärischen Kuß zu geben, und ich weiß nicht, ob die Gegenwart des Ehemanns seine Unternehmungen gehemmt hätte. Aber indem die Pächterin sich stellte, als wehre sie sich, entschlüpfte sie ohne Licht, aus Furcht, Peter möchte ihr begegnen, in ihr Schlafkämmerlein, und der Husar folgte ihr dahin, ohne daß sie um Hülfe rief.

Mit Tagesanbruch ging Müller von seiner Schönen und setzte sich neben den immer noch schnarchenden Pächter. Nicht lange, so schloß die Müdigkeit auch ihm die Augen und er leistete seinem Wirth Gesellschaft.

Heinrich, mit Ungeduld des Augenblicks harrend, wo er Schloß Framberg wieder sehen sollte, stand mit der Morgenröthe auf. »Wo ist Müller?« fragte er einen Knecht, den er im Hofe traf. – »O, Herr! der schnarcht, was das Zeug hält! ... neben unserem Meister. – Wie? er schläft noch? –Ja, Herr ... Potztausend: es scheint, sie haben gestern nicht übel zu Nacht getrunken. –Ich mag ihn nicht aufwecken. Sagt ihm, mein Freund, er solle im Schloß wieder mit mir zusammenkommen. – Ganz recht, mein Herr!«

Erfreut, daß ihm der Zufall erlaubte, nach seinen Wünschen und Eingebungen umherzustreifen, stieg er sogleich zu Pferde und schlug eiligst den Weg zum Schlosse ein. Je näher er den Orten kam, wo er die glücklichsten Augenblicke seines Lebens genossen, um so freudiger wurden die Schläge seines Herzens; ein neues Gefühl durchdrang sein Inneres, und sein Araber, der die Gefühle seines Herrn zu errathen schien, trabte langsamer vorwärts, damit er diesen Augenblick des Glücks länger genießen könne.

Beim Eingang in den Park band Heinrich sein Pferd an einen Baum und betrat den Schauplatz seiner ersten Freuden. Mit welcher Wonne sah er nicht jedes Gebüsch, jeden Baumgang wieder, der ihm eine Zeit zurückrief, wo sein Glück darin bestand, die Beete zu verheeren und des Gärtners Setzlinge auszureißen! ... Wie süß sind die Erinnerungen an unsere Kindheit! ... Aber warum führen sie eine geheime Melancholie mit sich? ... Weil man weiß, daß jene schöne Zeit nimmer wiederkehrt.

An der Einbiegung in eine Allee stieß er auf den Gärtner. Der gute Mann erkannte seinen jungen Herrn und brach in ein Freudengeschrei aus. »Stille!« sagte Heinrich zu ihm, »ich will nicht, daß die Bewohner von meiner Ankunft unterrichtet werden. – Ah! das ist was anders, gnädiger Herr; dann schweige ich. – Wo ist Dein Sohn? – Frank, gnädiger Herr, ist vermuthlich im Schlosse. – Gut, such' ihn auf und sage, daß ich ihn hier erwarte. – Ja, gnädiger Herr, ich gehe. – Aber sei verschwiegen gegen die übrige Dienerschaft! ... – Seien Sie unbesorgt, verlassen Sie sich auf mich!«

Eilends geht der Gärtner an die Besorgung seines Auftrags, und Heinrich sieht sehnlichst Frank's Erscheinen entgegen. Er hat ihn so Vieles zu fragen, so Manches aus seinem Munde zu vernehmen! seine einzige Furcht ist, Müller möchte kommen und durch seine Gegenwart alle seine Plane durchkreuzen; doch endlich sieht er Frank und fliegt ihm entgegen.

»Ach! da bist Du ja, lieber Frank! ... wie freut mich's, Dich wieder zu sehen! – Und mich auch, gnädiger Herr! ich gestehe, ich war nicht darauf gefaßt; aber das Verhängniß ist so seltsam! Seit unserer Trennung ist so Vieles geschehen! – Du hast Recht, Frank, und ich erwarte von Dir Erzählung alles Vorgefallenen. – Gerne, gnädiger Herr,« sagte Frank mit einem Seufzer. Heinrich hörte diesen Seufzer und sah Franks traurige, gezwungene Miene. »Großer Gott!« rief er, »was hast Du mir denn zu verkündigen? Sollte meiner Pauline ... meiner Schwester etwas zugestoßen sein? – Es ist ihr gerade nichts zugestoßen, gnädiger Herr, und doch ... – Nun! und doch ... – In diesem Augenblicke ... – In diesem Augenblicke ... – Ist ... ist ... sie ... – Sie ... aber so sprich doch, zum Henker! Du läßt mich vor Ungeduld sterben. – Wahrlich, gnädiger Herr, ich wage nicht, Ihnen zu sagen ... – Sprich, verhehle mir nichts; ich befehl es Dir. – Nun wohl, gnädiger Herr! Fräulein Pauline ist sehr krank und in diesem Augenblicke fürchtet man sogar für ihr Leben. – Großer Gott!« rief Heinrich mit den Tönen der Verzweiflung: »ha ! ... ich eile ... ich fliege ... – Halten Sie an, gnädiger Herr,« sagte Frank, ihn an seinem Kleide zurückhaltend, »wenn Sie sie nicht augenblicklich tödten wollen, denn in ihrem Zustande würde die Gemüthsbewegung über Ihre unverhoffte Gegenwart nicht verfehlen, sie ins Grab zu stürzen. – Ach, Frank! ich soll sie also nicht sehen? – Doch, gnädiger Herr, Sie sollen sie sehen: aber erst, wenn sie Ihre Gegenwart ertragen kann und ich sie auf Ihre Rückkunft vorbereitet habe. – Doch erzähle mir, warum ich sie in diesem Zustand wieder finde. – Gerne, gnädiger Herr, das ist bald geschehen. Als wir Straßburg verließen, legte Fräulein Pauline eine Festigkeit, eine Ergebung an den Tag, die mich selbst in Erstaunen setzte; denn ich dachte mir wohl, was sie in ihrem Innern leide; aber die Gegenwart und die Reden Müllers hatten ihr damals einen Muth gegeben, der nicht immer dauern konnte; unsere Reise war, wie Sie wohl glauben werden, sehr traurig. Umsonst suchte ich sie durch meine Unterhaltung zu zerstreuen; sie beobachtete das tiefste Schweigen. Wie wir indeß nahe bei Schloß Framberg waren, schien sie von einem neuen Gefühle bewegt; sie fragte mich, ob Sie da geboren wären, ob das Schloß viele Bewohner habe, und ob sich der Herr Oberst in demselben befinde. Als sie wußte, daß er nicht hier sei, schien sie gefaßter und trat mit ziemlich ruhiger Miene in das Schloß. Müllers Befehlen zufolge ließ ich ihr eines der angenehmsten Gemächer anweisen: ich führte sie in den Park, in die Gärten, kurz, ich zeigte ihr alle Schönheiten des Schlosses. Sie dankte mir für das, was sie meine Gefälligkeit nannte, mit jenem sanften Lächeln, das Sie an ihr kennen; aber alle diese Aufmerksamkeiten konnten nicht verhindern, daß sie den Tag nach ihrer Ankunft in eine Krankheit verfiel. Von da an ging es täglich schlimmer, und besonders seit gestern liegt sie in erschreckendem Fieberwahnsinn. – Im Fieberwahnsinn! ... Großer Gott! ... gib mir die Kraft, so viele Leiden zu ertragen! Aber sage mir, Frank, spricht sie dabei einige Worte aus? – Potz Element! das glaub' ich wohl! ... Bald ruft sie laut nach Ihnen, indem sie Sie ihren Gatten oder auch ihren Bruder nennt; bald ist ihr Vater der Gegenstand ihrer Besorgnisse und ihrer Wünsche; aber am häufigsten sind Sie es, gnädiger Herr, nach dem sie inbrünstig verlangt, und auf eine so wehmüthige Weise, daß Einem ganz schwer um's Herz wird.«

Durch Franks Erzählung niedergebeugt, bleibt Heinrich einen Augenblick unfähig, nur ein Wort hervorzubringen; aber nach einer Weile steht er hastig von seiner Rasenbank auf und läuft aus vollen Kräften auf das Schloß zu. »Ums Himmels willen, halten Sie an!« rief Frank, indem er ihm nacheilte und ihn am Kleide zurückhielt. – »Laß mich, Frank, laß mich, sag' ich Dir, ich muß sie sehen, ich will's. – Ha, tausend Donnerwetter! Sie werden sie nicht sehen,« rief eine rauhe Stimme, die Heinrich veranlaßte, sich umzuwenden; er erblickte Müller, der ihm den Weg versperrte und nicht in nachgiebiger Laune zu sein schien.


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