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Neuntes Kapitel.

Abermals ein Heuboden.

Gegen neun Uhr Abends langte Müller in Straßburg an und stieg im »weißen Pferde«, dem ersten auf seinem Wege befindlichen Gasthofe, ab. »Geschwind ein Nachtessen für mich und mein Pferd,« sagte Müller, in das Gastzimmer tretend, wo mehrere Reisende um einen großen Tisch herum saßen.

»Der Herr wird sogleich bedient werden,« erwiderte mit Flötenstimme eine schmucke Dirne, welche allein alle Lasten der Wirthschaft zu tragen schien.

Müller trat zum Kamin, in Erwartung, daß man ihm auftrage; aber plötzlich brechen die Reisenden und das Wirthsgesinde beim Anblick des Neuangekommenen in ein schallendes Gelächter aus. Dieser ließ nicht mit sich spaßen und duldete nicht, daß man ihm, ohne zu wissen warum, ins Gesicht lachte; er fing seinen Schnurrbart zu streichen an und fragte mit martialischem Gesicht: »Wollet Ihr mir sagen, meine Herren, welches die Ursache Eures spöttischen Gelächters ist? – Zum Henker! Ihr müßt wohl sehen, daß Ihr es seid,« antwortete ein schnurrbärtiger Kerl, mit einer großen, rostigen Klinge an der Seite, der so ziemlich einem Werber gleich sah oder einem jener Leute, welche gratis in der Welt durchzukommen suchen, indem sie mit Faust und Rippenstößen bezahlen! – »Ha! ich bin's,« entgegnete Müller, ihn von Fuß bis zum Kopf mit den Augen messend. »Ei! was findest Du denn Lächerliches in meiner Physiognomie? – Schau nach dem Hintertheil Deiner Hosen und Du wirst sehen, daß wir nicht über Deine vordere Physiognomie lachen.«

Müller blickte sogleich hin und sah, daß die Bewegung des Pferdes und der schnelle, anhaltende Ritt seine Hosen dergestalt zerrissen hatte, daß er sein Hinterquartier allen Blicken bloßstellte, was er freilich hätte fühlen sollen; in der Hitze seines Ritts mochte er es nicht bemerkt haben. »Wie! das macht Dich lachen?« fragte er den Werber. »Beim Teufel! Du mußt noch niemals in Deinem Leben einen Hintern gesehen haben, um beim Anblick des meinigen so zu lachen! – Wahr, es ist nicht der Mühe werth,« versetzte dieser. – »Nicht der Mühe werth!« rief Müller mit einem Seitenblick auf den Werber; »Du dürftest, glaube ich, wohl zufrieden sein, wenn Du einen solchen hättest, und ich rathe Dir nicht, Dich über den meinigen lustig zu machen.«

Jungfer Hannchen, welche sich wahrscheinlich besser auf diesen Artikel verstand, und den Müller's ganz nach ihrem Geschmacke fand, beeiferte sich, zwischen den beiden immer mehr sich erhitzenden Parteien Frieden zu stiften, und zog Müller mit fort an einen Tisch, auf welchem sein Abendessen aufgetragen war, wobei sie ihm leise ins Ohr flüsterte, daß sie die Sorge für die Wiederherstellung seiner Hosen auf sich nehme. Müller, wohl verstehend, was das sagen wollte, kneipte sie schäkernd, blickte sie verstohlen an und fiel gierig über ein Stück Rehbraten her, um der Idee zu entsprechen, welche Jungfer Hannchen von ihm gefaßt hatte.

Ich weiß nicht, ob der Werber gleichfalls seine Augen auf das Kellermädchen warf, allein während er seine Pfeife rauchte und sein Hammelsrippchen aß, sah er mit vielem Aerger die Aufmerksamkeiten Hannchens für unsern Husaren, und dieser, stolz auf seine Eroberung, drehte sich zuweilen mit einer Miene um, welche sagen wollte: Du siehst, mein Popo macht mehr Eindruck, als Deine verliebten Augen.

Um die Stunde des Schlafengehens trat Hannchen zu Müller, und nachdem sie ihm das für ihn bestimmte Zimmer bezeichnet hatte, sagte sie ihm in's Ohr: »Laßt den Schlüssel an Eurer Thüre, bald werde ich bei Euch sein. – Fehlt ja nicht,« antwortete Müller, »sonst bringe ich das ganze Haus in Aufruhr.« Nun ergriff er ein Licht, und den Werber, der bei seiner Flasche eingeschlafen zu sein schien, zurücklassend, stieg er nach dem ihm angewiesenen Zimmer hinauf.

Seit mehr als einer Stunde war er hier, mit Ungeduld auf die Erfüllung des von Hannchen gegebenen Versprechens harrend: doch die Zeit verstrich; längst mußte Alles in der Herberge zu Bette sein; pünktlich hatte er den Rath Hannchens befolgt, aber sie erschien nicht. Wer konnte sie zurückhalten? ... Da er seinem Verlangen und seiner Ungeduld nicht mehr zu widerstehen vermochte, erhob er sich, schlüpfte nur in seine Hosen und beschloß, Jungfer Hannchen in allen Theilen des Hauses aufzusuchen.

Mit dem Lichte in der Hand durch lange Gange und mehrere leere Zimmer gekommen, geht er einen Stock höher und setzt seine Nachsuchungen fort. Schon fing er an, die Hoffnung aufzugeben, als er, bei der Thüre des Speichers vorübergehend, Laute zu hören glaubt; er bleibt stehen, lauscht und zweifelt bald nicht mehr, daß Hannchen drinnen und im Begriff sei, eine Untreue an ihm zu begehen. Seiner Wuth nicht Herr, stößt er heftig an die Thüre, diese weicht und zum zweiten Male in seinem Leben befindet er sich auf einem Heuboden.

Aber welch ein Anblick. Auf die Personen zutretend, an denen er seinen Zorn auslassen will, erkennt er den Werber, wie er sich mit einer alten sechzigjährigen Magd, die schon lange keinen solchen Festtag mehr gehabt hatte, vergnügt.

Wie kam der Werber hieher? das wird gut sein, dem Leser mitzutheilen. Dieser Schurke, welchem die Reize Jungfer Hannchens sehr ins Auge stachen, war entschlossen, unserem Husaren seine Eroberung vor der Nase wegzuschnappen. Darum hatte er sich gestellt, als schlafe er über seiner Flasche ein, und nachdem Müller und die übrigen Reisenden fort waren, bemächtigte er sich Hannchens, welche alle nur erdenkliche Mühe aufwandte, um sich loszumachen.

Aber Hannchen wollte nichts von dem Werber und brannte vor Verlangen, zu dem Husaren zu kommen; es gelang ihr also, zu entrinnen; ihr aufdringlicher Liebhaber folgt ihr auf den Zehen; um ihn irre zu führen, geht sie mehrere Treppen hinauf, aber er ist stets hinter ihr her, bis ihr bei der Biegung eines Ganges eine alte Magd vom Hause, im Begriff zu Bette zu gehen, aufstößt; Hannchen schiebt diese dem Werber entgegen und entflieht. Der letztere packt die Magd bei ihren Kleidern, in der Meinung, den Gegenstand seiner Wünsche zu halten; die Alte will schreien, er läßt ihr keine Zeit, eine Thüre nebenan wird aufgemacht; es ist die des Heubodens. Der Werber zieht seine Schöne hinein und drängt sie auf das Stroh.

»Tausend Donnerwetter,« ruft Müller aus, als er Werbers Süßliebchen betrachtete, »ich traute Dir keinen so barocken Geschmack zu ... Laß Dich nicht stören, Freund! ... O! ich will Dir einen solchen Fund nicht entreißen!...«

Beim Anblick der Züge und Reize Derjenigen, die er für Hannchen gehalten, wird der Werber wüthend; Müller schlägt ein helles Gelächter auf, was seinen Aerger noch vermehrt. »Kreuz Millionen Donnerwetter!« rief er aus, »muß der Hundsfott da immer seine Nase in meine Sachen stecken?«

Müller, aber ihm seit seiner Hosengeschichte noch gram war, gab ihm bei dem Titel Hundsfott einen tüchtigen Fußtritt, der ihn auf den unglücklichen Gegenstand seiner Verachtung niederwarf. Der Werber rafft sich wieder empor und springt, eine neben ihm liegende Heugabel ergreifend, auf Müller los; Müller läßt sein Licht fallen, um seinen Gegner festen Fußes zu erwarten, und die beiden Herren prügeln einander weidlich ab. Aber, o unerwartetes Unglück! während sie sich im Boxen üben, bemerken sie nicht, daß das Licht im Fallen einen Bund Stroh angezündet hat; dieser Bund ist mit andern in Verbindung, und in einem Nu brennt der ganze Boden lichterloh. Die Alte, von den Streitenden auf dem Stroh liegen gelassen, wird bald von dem Rauche beinahe erstickt und erfüllt den Gasthof mit ihrem Wehegeschrei. Alles springt aus dem Bett; man kommt, geht, rennt hin und her, ohne zu wissen warum; aber bald verkündigen die zum Dache hinausschlagenden Feuersäulen den Zuschauern die ihnen drohende Gefahr. Umsonst sucht der Wirth Hülfe zu schaffen, das Feuer hat schon so um sich gegriffen, daß es nicht zu löschen ist. In diesem Tumult läßt Müller seinen Gegner los, um an seine Flucht zu denken; er eilt hinab in sein Zimmer, aber auch dort ist das Feuer schon: er will sich entfernen, als er Schreien von dorther vernimmt; er kehrt um und erblickt das arme Hannchen, welche ihn aufgesucht, und ihn erwartend, sich in sein Bett gelegt hatte.

Unser Husar sieht Hannchen seinetwegen dem Verderben nahe, er stürzt sich daher mitten durch die Flammen, nimmt sie im Hemde halbtodt in seine Arme und eilt mit seiner kostbaren Last aus dem Gasthofe hinweg.


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