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Elftes Kapitel.

Florenz.

Bei ihrer Abreise vom Schlosse Framberg hatten Heinrich und Frank den Weg nach Offenburg eingeschlagen. Heinrich dachte nur an seine theure Pauline und gab sich der Hoffnung hin, daß er in der Nähe von Offenburg, wo er ihre Bekanntschaft gemacht hatte, irgend etwas über ihr Schicksal werde erfahren können.

Da Heinrich ziemlich offenherzig war und überdies vor Verlangen, sich von seiner Schönen zu unterhalten, brannte, war Frank bald sein Vertrauter; außerdem mußte er denselben von der Sache unterrichten, damit er beim Nachforschen bessere Hülfe leisten könne.

Frank war ein verständiger, pfiffiger Bursche und geschickter, eine Intrigue durchzuführen, als die Alleen des Schloßparks von Framberg von Unkraut zu säubern. Durch das Vertrauen seines Herrn geschmeichelt, versprach er ihm, sich desselben würdig zu zeigen und Alles zu thun, was zur Wiederauffindung seiner Angebeteten beitragen könnte.

In Offenburg angelangt, forschten Herr und Diener auf jede mögliche Weise nach einem gewissen Christiern und seiner Tochter; doch Alles umsonst. Endlich beschloß Heinrich, des vergeblichen Suchens müde, zu seiner Zerstreuung sich unter einen fernen Himmelsstrich zu begeben und dem Zufall die Sorge für das Wiederfinden seiner theuern Pauline anheimzustellen.

Er dachte, Italien, dessen Schönheiten er rühmen gehört, könne ihm eher als andere Länder Zerstreuung bieten. Sie begaben sich daher auf den Weg nach Neapel, zu Pferde reisend und sich an allen Orten verweilend, die ihre Aufmerksamkeit zu fesseln verdienten. Bis Florenz, wo Heinrich einige Zeit zu bleiben wünschte, stieß ihnen nichts Besonderes auf.

Die reizende Lage dieser Stadt an den bezaubernden Ufern des Arno, die Schönheit ihrer Baudenkmale, die Meisterwerke aller Art, welche sie umschließt, berauschten Heinrichs Sinne, der nur aus Schloß Framberg herausgekommen, um die Umgegend zu durchstreifen, sich nicht träumen ließ, daß es auf der Welt einen so köstlichen Ort gäbe.

Als er eines Abends außerhalb der Stadt lustwandelte, hörte er aus einem eleganten Hause am Wasser melodische Töne. »O, mein Freund! ... sie ist's! hier ist sie! ...« sagte Heinrich zu seinem Diener; »es ist dieselbe Musik, die ich bei Offenburg gehört! ... – Sie glauben, Herr? – Ich bin's gewiß! ... Ei! welche Andere als Pauline vermöchte ihrer Laute solche bezaubernde Klänge zu entlocken? ... – Ach, mein Herr! es gibt so viele Frauenzimmer, welche dieses Instrument spielen. – Gleichviel, ich will die Bewohnerin dieses Hauses kennen lernen.«

Wenn Heinrich sich etwas in Kopf gesetzt hatte, mußte es ausgeführt werden; darum fing er, um Aufmerksamkeit zu erregen, unter den Fenstern des Hauses zu singen an. Unser Held war nicht musikalisch; aber er besaß eine schöne Stimme, und der Wunsch, zu gefallen, ersetzte bei ihm den Mangel des Wissens: alsbald verstummte die Musik, und man lauschte dem neuen Sänger. »Du siehst wohl, sie ist es,« sagte Heinrich, »sie hat meine Stimme erkannt und schweigt, um mich zu hören ... – Noch nicht so sicher, gnädiger Herr; Sie wissen also nicht, daß Liebes-Intriguen in Italien nur auf diese Weise eingefädelt werden, und darin, daß man Ihnen zuhört, nichts Erstaunliches liegt?«

Dieser Ansicht ungeachtet, fuhr Heinrich mit Singen fort, auch zu lauschen ward man nicht müde. Als er geendigt hatte, öffnete man leise einen Laden und warf, an einen Kiesel gebunden, ein Billet herab. »Ein Brief!« rief Heinrich, nach dem Papier greifend, aus; »ich sagte Dir ja, sie sei's! ... – Noch ist's nicht gewiß, gnädiger Herr,« entgegnete Frank mit Kopfschütteln. Heinrich näherte sich dem Fenster und mit Hülfe einiger Lichtstrahlen las er Folgendes: »Liebenswürdiger Fremdling, der Ton Deiner süßen, zärtlichen Stimme ist bis zu meinem Innersten gedrungen; ich vermag der Sehnsucht, Dich kennen zu lernen, nicht zu widerstehen, und ergebe mich Deinen Zaubertönen. Komm daher heute um Mitternacht vor die kleine Gartenthüre am Ufer des Flusses, und man wird Dich zu mir führen.«

Heinrich weiß nicht, was er nach Lesung dieses Billets denken soll. »Ich sagte Ihnen ja, gnädiger Herr, man habe irgend ein galantes Abenteuer mit Ihnen vor. – Du bist närrisch, dieses Frauenzimmer kennt mich ohne Zweifel und hat mir etwas mitzutheilen. – Aha! Sie geben jetzt doch zu, daß es nicht Ihr schönes Fräulein ist? – Ja ... es ist wahr ... Uebrigens werde ich die Schreiberin sehen und erfahren, was das heißen soll. – Wie, Herr, Sie wollen sich zu diesem Stelldichein begeben? – Warum nicht ? – Aber, gnädiger Herr! vielleicht legt man Ihnen irgend eine Schlinge: hören Sie, glauben Sie mir, lieber Herr, gehen Sie nicht hin. – Ach, schweig doch! ...« Frank schwieg, da er wohl sah, daß es vergeblich sei, Heinrich von seinem Vorhaben abzubringen, und dieser rüstete sich zu seinem nächtlichen Rendezvous.

Zur bestimmten Stunde begab er sich allein an die kleine Gartenpforte. Nach einigen Minuten Harrens sieht er öffnen; eine Frau erscheint, nimmt Heinrich bei der Hand und sagt ihm, er solle sich führen lassen. Mit gewaltigem Herzklopfen folgte er seiner Führerin: Dies ist die gewöhnliche Wirkung eines ersten galanten Abenteuers: aber dieses neue Gefühl, diese unbekannte Verwirrung sind von sehr kurzer Dauer, und mit der Gewohnheit des Vergnügens sieht man dessen Genuß sich mindern.

Nachdem Heinrich mehrere Gänge des Gartens durchwandert hat, geleitet man ihn ins Haus; er und seine Führerin gehen eine schmale, verborgene Treppe hinauf, letztere öffnet ein Zimmer, läßt Heinrich eintreten und zieht sich zurück.

Einige Minuten bleibt unser Held starr vor Erstaunen und Bewunderung; was er sah, war wohl geeignet, ihn zu überraschen. Er befand sich in einem herrlichen Boudoir, ausgeschmückt mit Allem, was Lurus und guter Geschmack Verführerisches zu ersinnen vermögen, und erleuchtet durch eine Menge von Kronleuchtern, deren blendende Helle das Bezaubernde dieses köstlichen Orts noch vermehrte. Aber welch verführerischer Gegenstand zieht Heinrichs Blicke auf sich? Eine Frauengestalt, jung, schön und geschmückt mit allen Gaben des Reichthums und der Natur, welche, nachlässig auf eine Ottomane hingestreckt, den jungen Mann mit anmuthigem Lächeln empfängt.

»Nun, nun! mein Herr, Sie sagen mir nichts? – Wahrlich ... Madame ... ich gestehe, ich wage nicht ... – Gehen Sie, Sie sind ein Kind, und man muß Sie aufmuntern ... – Madame, es ist wahr, die Ueberraschung, Bewunderung ... – Bewunderung ... Sie sind galant, mein Herr! Aber nehmen Sie doch an meiner Seite Platz, statt unbeweglich mich anzublicken.« Heinrich ließ sich das nicht zweimal wiederholen, und bald saß er auf der Ottomane neben der reizenden Italienerin.

»Sie also haben gesungen, mein Herr? – Ja, Madame, und Sie habe ich ohne Zweifel gehört? – Ja, und es ist mir schmeichelhaft, daß meine Akkorde Ihnen den Wunsch eingeflößt haben, mich kennen zu lernen. – Ach, Madame! wenn man Sie sieht, verdoppeln sich Ihre Reize noch! ... – Wahrhaftig, Sie sagen das mit einer Miene, daß man's glauben könnte.« Und das schöne Weib überläßt Heinrich eine entzückende Hand, welche er wonnetrunken küßt. Bald erlangt er noch andere Gunstbezeigungen, welche man weder Kraft noch Muth hatte, ihm zu verweigern.

»Du bleibst hier, mein Freund,« sagte Felicia (so hieß die schöne Frau) zu Heinrich, als sie ihr Gespräch wiederaufnahmen. – »Aber, beste Freundin, ich habe meinem Diener nichts gesagt und ... – Ei was! sollten wir uns Deines Dieners wegen so bald trennen und ich Dich allein mitten in der Nacht nach Florenz zurückkehren lassen? ... O! nein, Du bleibst hier, nicht wahr, mein Lieber? ...« – Mit diesen Worten schlang Felicia ihre schönen Arme um Heinrich, und dieser hatte nicht die Kraft, zu widerstehen.

Felicia klingelte; die Frau, welche Heinrich eingeführt hatte, erschien. »Lesbia,« redete ihre Gebieterin sie an, »trag uns ein Nachtessen auf!« Dann trat sie auf ihre Dienerin zu und flüsterte ihr einige Worte, die Heinrich nicht verstehen konnte, ins Ohr; Lesbia, welcher solche Abenteuer nichts Neues zu sein schienen, that behend, was ihre Gebieterin ihr befahl, und bald ward unsern beiden Liebenden ein Abendessen vorgesetzt.

Der Leser erkennt bereits, daß Heinrichs Eroberung eine jener galanten Frauen war, an denen Italien keinen Mangel hat. Felicia war lange Schauspielerin gewesen und hatte sich später in das von ihr bewohnte hübsche Landhaus bei Florenz zurückgezogen. Ihre zahlreichen Eroberungen hatten ihr reichliche Geschenke eingetragen, und klüger als viele ihrer Gefährtinnen, lebte sie mit dem gesammelten glänzenden Vermögen in dem Augenblick, wo der Zufall sie mit Heinrich zusammenführte, beinahe als ehrbare Frau. Seine Schönheit, seine anstandsvolle Haltung verführten sie, und sie beschloß, diesen schönen Fremdling an ihren Triumphwagen zu ketten. Schon längst folgte sie Heinrich überall; auf Bällen und Spaziergängen war sie stets hinter ihm, ohne daß er es vermuthete, und was Anfangs nur eine gewöhnliche Laune gewesen war, wurde bald zur heftigen Leidenschaft.

Aber Felicia sah wohl, daß Heinrich noch Neuling in der Liebe und von romanhaftem Charakter sei, also nicht durch gewöhnliche Mittel verführt werden könne; darum suchte sie seine Aufmerksamkeit durch ihre Laute, welche sie meisterhaft spielte, zu fesseln. Wir haben gesehen, wie es ihr gelang, die Einbildungskraft unseres jungen Reisenden zu entflammen; jetzt wollen wir sehen, welches die Folgen dieses Abenteuers waren.

Nach einer in den Armen seiner zärtlichen Freundin verbrachten Nacht dachte Heinrich über seine Lage nach; er hätte diese Felicia, die seine Sinne gefesselt, näher kennen mögen. Er machte sich's sogar zum Vorwurf, daß er sich zu leicht habe hinreißen lassen. Aber welcher Andere an seiner Stelle, einen Cato ausgenommen, wäre standhafter gewesen? Diese vernunftgemäßen Betrachtungen machten den süßen Eindrücken des Vergnügens Platz. Heinrich war zudem weder im Alter, sittsam zu bleiben, noch von einem Charakter, es zu wollen.

Nachdem er das Frühstück mit seiner Schönen eingenommen, erlaubte ihm diese endlich, für einen Augenblick in seinen Gasthof zurückzukehren, um die Besorgnisse seines Dieners zu beschwichtigen.

Heinrich kehrte nach Florenz zurück; aber unterwegs war er nicht mehr der Nämliche: was gestern noch kaum seine Blicke auf sich gezogen, fesselte heute seine Aufmerksamkeit, erschien ihm reizend; er dachte an nichts und athmete nichts als Vergnügen. Seinen Frank fand er sehr wenig bekümmert um ihn; denn da derselbe das Abenteuer seines Gebieters so ziemlich geahnt hatte, machte er sich auch keine Sorgen wegen seiner Abwesenheit.

Nun eilte Heinrich wieder zu Felicia zurück, gerade wie sie ihre Toilette beendigte. »Wohin gehen wir, meine liebe Freundin? – Das Weiter ist prächtig; wir wollen auf dem Lande speisen und auf den Abend wieder nach Florenz kommen, wo man ein hübsches neues Stück aufführt, das wir besuchen.«

Bald war Felicia bereit, und die jungen Leute begaben sich unter tausend Schäkereien auf den Weg. Felicia hatte nicht gewollt, daß Lesbia sie begleite, und Heinrich Frank befohlen, in Florenz zu bleiben, weil man auf dem Spaziergang mit dem geliebten Gegenstände keiner Dienerschaft bedarf.

Sind wir glücklich, so finden wir die Natur reizend; jedes Bosket, jede hübsche Stelle scheint uns zum Vergnügen aufzufordern; des Laubgangs Stille, des Waldes Majestät verbreiten über unser ganzes Wesen eine Rührung, welche unser Gemüth erhebt und unser Herz in süße Wallung bringt. Quält uns im Gegentheil ein tiefer Kummer, dann stillt die Landluft unsern Schmerz nicht; die Stille der Natur vermehrt nur unsere Melancholie; gleichgültig sieht das Auge all die Schönheiten, die an unserem Blick vorübergehen, und das Dunkel der Wälder erzeugt in unserm Gehirn tausend finstere Gedanken, tausend Plane der Zerstörung.

An jedem Ort, der ihnen gefiel, hielten die beiden Liebenden an. Kamen sie zu einem dunkeln, buschigen Bosket, so hatte Felicia stets Lust, auszuruhen; Heinrich hütete sich, anderer Meinung zu sein; aber durch fortwährendes Sitzen und Aufstehen waren sie am Ende wirklich der Ruhe bedürftig. »Wahrhaftig, mein Herr, ich kann kaum gehen! ... Es ist wir unmöglich, nach dem zu unserem Mahl bestimmten Orte zu kommen. – Ist's aber meine Schuld, Madame? War ich nicht bereitwillig, zu sitzen, so oft es Ihnen Vergnügen machte? – O, freilich! mein Freund ... Aber sieh, wir wollen nicht mehr sitzen, weil ... – Weil? – Weil Du ... aber so höre doch! ... Du siehst doch ... O! diesmal liegt die Schuld nicht an mir ... Nun, mein Herr, müssen wir aufstehen. – Ja, meine Beste! – Ach Gott! wie weh thun mir die Rippen! – Und mir die Kniee! – Ich werde vor acht Tagen nicht ausgehen können. Ein anderes Mal, mein Theurer! nehme ich Lesbia mit. – Und ich Frank. – Recht so, inzwischen aber wollen wir zu Mittag essen. – O, gerne! denn ich habe einen Wolfshunger! ... – Und ich '.«

Die jungen Leute gingen eiligst vorwärts, um ein Haus zu finden, wo man ihnen zu essen gäbe.

»Ach, mein Freund! ich glaube, wir haben uns verirrt, denn ich sehe nirgends ein Haus. – Ich fürchte auch, meine Geliebte!

– Ach! mein Gott! wenn uns die Nacht an diesem Ort überfiele ... – Was ist zu machen? Das wäre ein Unglück. – Aber, Theuerster! ich bin sehr furchtsam. – Nun, dann würde ich Dich gegen Angriffe vertheidigen. – Sauberer Trost! ...«

Nachdem sie lange umhergegangen waren, kamen sie endlich auf eine Straße und erblickten ein einzelnstehendes Haus. Es war Zeit, denn die Nacht brach herein. Sie eilten auf die Wohnung zu und sahen zu ihrer Freude, daß es gerade ein Wirthshaus war, zwar ziemlich unansehnlich, aber für sie das Manna des Volkes Israel.

Der Wirth, wie es schien, nicht an Gäste gewöhnt, empfing sie mit ausnehmender Artigkeit, indem er Ihnen zum Voraus Alles, was sie wünschen konnten, anbot und sie versicherte, daß sie mit dem Nachtessen zufrieden sein würden.

»Was werden Sie uns aber geben?« fragte Heinrich. – »Macaroni, mein Herr. – Ich mag keine,« sagte Felicia; »in diesem verdammten Lande ißt man nichts Anderes ... – Nun, Madame, dann gebe ich Ihnen Käse und Kuchen, den Sie loben werden. – Wie!« ruft Heinrich aus, »Käse und Kuchen, um sich den Magen einzurichten, wenn man seit dem Morgen nichts gegessen hat? – Und ordentlich Appetit bekommen,« bemerkte Felicia. – »Was ist zu machen, Herr? ich biete Ihnen das Beste an, was ich habe. – Wie! Sie haben nichts Anderes im Hause? ... – Verzeihen Sie, mein Herr, ich habe wohl etwas Geflügel, das ich schon seit vierzehn Tagen für eine Gelegenheit aufsparte. – Teufel, das muß zart sein! ... – Köstlich, mein Herr! köstlich! ... – Alsdann lassen Sie es schnell auftragen. – Ach, Herr! es hat einen kleinen Anstand ... – Welchen? Es ist schon von zwei vor Ihnen angekommenen Offizieren bestellt, welche in Erwartung ihres Nachtessens oben Karten spielen. – Ha! Teufel ...« fluchte Heinrich, »das ist ärgerlich. – Aber, mein Freund,« sagte Felicia, »diese Herren werden gewiß so galant sein, ihr Nachtessen einer Dame abzutreten; denn sicherlich haben sie keinen so entsetzlichen Hunger wie wir ... – Ach! Madame!« entgegnete der Gastwirth, »Sie wissen, die jungen Leute thun sich nicht mehr in der Galanterie hervor ... Gleichviel, Herr Wirth,« nimmt Heinrich wieder das Wort, »haben Sie die Güte, mit den Herren zu sprechen, und machen Sie, daß diese einwilligen. – Ich gehe, mein Herr, und werde mein Möglichstes thun.«

Der Wirth ging hinauf; unterdessen ließ Heinrich den Tisch decken; er war nicht minder ungeduldig als Felicia, das Resultat der Sendung ihres Wirthes zu vernehmen.

Sie begannen an dem guten Erfolg zu zweifeln, als die Tritte mehrerer Personen die Treppe herab sie benachrichtigten, daß die Herren selbst ihre Bitte beantworten wollen. »Wir wollen einmal die Dame ansehen,« sagte der eine. – »Ist sie hübsch?« der Andere. Heinrich blickte Felicia lächelnd an und gewahrte voll Erstaunen, daß sie die Farbe wechselte.

Die beiden Militärs traten lachend in den Saal; zwei junge wohlgebaute Leute, die aber sehr lockeren Zeisigen gleichsahen. »Verzeihung, Madame,« sagte der eine, näher tretend, »wenn wir uns die Freiheit nehmen, selbst Ihnen anzubieten ... Doch was seh' ich! ich täusche mich nicht ... es ist Felicia,« rief er, sich an seinen Kameraden wendend, aus. – »Ja! wahrlich, sie ist's,« versetzte der Andere.

Heinrich ward roth vor Zorn, umsonst suchte Felicia den Herren ihre Züge zu verbergen und wußte nicht, welches Benehmen sie beobachten solle. Einer der Militärs trat auf sie zu und umfing sie ganz ungezwungen mit seinen Armen: »Wie, meine Schöne! ... Dich sehe ich wieder!« sagte er und wollte einen Kuß rauben; aber Felicia stößt ihn kräftig zurück. »Was!« rief er aus, »Du machst die Spröde! Doch als Du die Königinnen auf dem großen Theater zu Neapel spieltest, warst Du nicht so strenge. – Was soll das heißen, mein Herr?« sagte Heinrich, voll Wuth auf den Militär zugehend. – »Zum Henker! mein Herr, das sehen Sie wohl.– Der also ist Dein neuer Liebhaber, Felicia?« fährt der zweite Offizier höhnisch lächelnd fort; »ich wünsche Dir Glück; er ist noch jung, Du wirst ihn bilden. – Unverschämter!« schrie Heinrich, den jungen Mann mit zornfunkelnden Augen betrachtend; »ich will Dich lehren, daß ich keiner Lektion bedarf, um Leute Deiner Art zu züchtigen.« Damit versetzte er dem Zunächststehenden eine tüchtige Ohrfeige. Dieser zieht wüthend seinen Säbel und will damit über Heinrich herfallen, aber er parirt den Hieb mit einem Tisch, dessen er sich wie eines Schildes bedient. Der andere Offizier läßt augenblicklich Felicia los, um sich mit seinem Kameraden zu verbinden. Unterdessen entflieht die Dame aus dem Zimmer. Die beiden Militärs sind gleich ein paar Löwen wider Heinrich; allein dieser thut Wunder, und während er die ihm zugedachten Hiebe mit seinem Tische parirt, schickt er ihnen noch zu, was ihm unter die Hände fällt: Schüsseln, Flaschen, Sessel, Krüge, Alles wird im Zimmer umher gegen einander geschleudert. Der Wirth sucht den Frieden wieder herzustellen und die Kämpfenden zu trennen; aber wie er sich unter sie mischt, empfängt er einen für Heinrich bestimmten Säbelhieb und rollt unter Bänke und Tische, schreiend, er sei todt. Unser Held hat das Glück, einen der Offiziere mit einer Flasche an den Kopf zu treffen; der Wurf betäubte ihn so völlig, daß er bewußtlos neben dem Wirthe niedersank. Sein Kamerad ward dadurch noch erbitterter gegen Heinrich, welcher seine Kräfte zu verlieren begann und vielleicht unterlegen wäre, wäre nicht eine Menge Bauern, von der Wirthin herbeigerufen, zu sehr gelegener Zeit eingetreten und hätte dem Scharmützel ein Ende gemacht. Heinrich benützte die Verwirrung, um die Thüre zu gewinnen; zwei Pferde waren im Hofe; er bestieg eines und langte im größten Galopp in Florenz an.

»Wie, Herr, Sie sind's? Ich glaubte, Sie würden heute Nacht nicht hier schlafen. – Nein, Frank, wir schlafen auch nicht mehr hier. – Was soll das heißen, Herr? – Zahle augenblicklich den Wirth, sattle die Pferde und laß uns auf der Stelle abreisen. – Wie! Herr! mitten in der Nacht? ... – Vorwärts! keine Bemerkungen, thu, was ich Dir sage!«

Frank eilt zu gehorchen, denn er sieht, daß sein Gebieter nicht in der Laune ist, seine Vorstellungen anzuhören. Wie die Pferde bereit sind, steigen Heinrich und Frank auf und verlassen Florenz mitten in der Nacht.


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