Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Vierzehntes Kapitel.

Paris.

Heinrich und sein Diener trafen nach kurzem Aufenthalt in Turin und Lyon zu Paris ein, ohne daß ihnen etwas Bemerkenswerthes begegnet wäre.

»Wahrlich, gnädiger Herr,« sprach Frank zu seinem Gebieter beim Eintritt in die Hauptstadt des Vergnügens und der Heiterkeit, auf den ersten Anblick gefällt mir diese Stadt besser als alle, durch die wir bis jetzt gekommen sind. Da sehen Sie einmal all diese hin- und herrennenden Leute; eine immerwährende Bewegung! ... Bei jedem Schritte finde ich Gegenstände, die die Neugierde erregen, wollte man hier auch traurig sein, könnte man's doch nicht. Und die Frauen, Herr! ... die sind reizend ... Sagen Sie offen, haben Sie irgendwo welche gesehen, die solche Haltung, solche Anmuth, solche Eleganz hätten ... welche die Männer mit einem so schmeichelhaften, ausdrucksvollen Lächeln anblicken? ... Ach, gnädiger Herr! ich bin ganz entzückt! ... – Zum Teufel! ... Frank, Du wirst beredt! – Der Anblick begeistert mich, Herr ... – Laß Deinen Anblick und beschäftigen wir uns mit Aufsuchung eines Hôtels, wo ich anständig wohnen kann.«

Heinrich quartirte sich im Viertel der Chaussée d'Antin ein, und noch denselben Abend durchstreifte er die besuchtesten Schauspiel- und Caféhäuser der Stadt. Von Mattigkeit erschöpft, kam er um zwei Uhr Morgens in sein Hôtel zurück und fand Frank, seiner wartend, mit etwas minder heiterer Miene als am Morgen. »Was hast Du denn, Frank?« fragte Heinrich; »langweilst Du Dich schon in Paris? – O nein! Herr, das nicht. – Nun! warum hast Du denn diesen Abend eine ganz andere Miene als diesen Morgen? – Ach, Herr! es ist mir ein kleines Abenteuer aufgestoßen ... – Ein Abenteuer! ... laß hören, was es ist; erzähl' mir's. – Gerne, gnädiger Herr, wenn es Ihnen Vergnügen macht. – Wissen Sie also, daß ich mich, nachdem Sie fort waren, ins Palais-Royal begab, weil man mir diesen Ort als den merkwürdigsten der Stadt geschildert hatte. Seit einer Stunde war ich hier in Bewunderung begriffen, über jeden neuen Gegenstand, der sich mir zeigte, in Extase gerathend, als ein sehr gut gekleideter und sehr ehrbar aussehender Mann auf mich zutrat und nach dem Weg nach der Straße von ... von ... kurz, einer Straße fragte. Wahrlich, mein Herr,« antwortete ich ihm, »ich kenne sie eben so wenig als Sie, denn ich komme so eben in hiesiger Stadt an und bin völlig fremd. – Ihr seid fremd?« sagte er zu mir, »ei! ich auch; und da der Zufall uns zusammenführt, so wollen wir den Abend mit einander zubringen. Ich nahm es an, erfreut, Jemand zu finden, mit dem ich plaudern konnte, in einer Stadt, wo ich Niemand kannte. Wir gingen daher noch etwas spazieren und schwatzten, als der Teufel oder vielmehr das Geschick wollte, daß er vom Billardspielen sprach ... Sie wissen, das ist mein Lieblingsspiel, und ich bin sogar darin etwas stark! ... – Ja! Du sagtest mir's schon ... Nun gut! Du wolltest gewiß spielen? – Richtig, Herr; das heißt, mein Mann schlug mir eine Partie vor und ich verfehlte nicht, sie anzunehmen. Wir traten demnach in ein Caféhaus und gingen ans Billard: es war besetzt, da aber die Partie ihrem Ende nahte, blieben wir und sahen zu. Einer der beiden Spieler war viel schwächer als der andere, und mein Fremder bespöttelte ihn über sein Spiel. Ich wette zwei Louis, sagte er zu ihm, Ihr macht diesen Ball nicht auf einen Stoß (und der Ball war ziemlich schwer); die Person wettete und gewann. Mein Mann schien ärgerlich, daß er verloren hatte und sagte, er werde seine Revanche nehmen; die Gelegenheit zeigte sich bald; an der Person, welche die zwei Louis gewonnen, war die Reihe zu spielen. Sie durfte durchaus nur stoßen, um einen Ball, der schon halb im Loch war, hineinzubringen: gut! mein Mann war so frech, zu sagen, der Andere werde den Ball nicht machen! ... Ich entgegnete ihm, er werde ihn machen. Werden Sie mir glauben, gnädiger Herr, daß er es wagte, zwanzig Louis für das Gegentheil mit mir zu wetten? ... Ich nahm es auf der Stelle an. Unglücklicherweise hatte ich all mein Geld bei mir! – Und Du gewannst? – Im Gegentheil, gnädiger Herr! Der Ungeschickte, der schon einen hundertmal schwierigeren Stoß gewonnen, nahm seinen Ball so auf der entgegengesetzten Seite, daß er, statt ihn zu machen, selbst verlief! ... Da gab ich, Verzweiflung im Herzen, Alles hin, was ich besaß; es bestand in zwanzig Louisd'or, weniger sechs Franken. Mein Gegner hatte die Güte, mir das Fehlende zu erlassen, und ich ging aus dem Café, das Verhängniß verfluchend, das mich mit diesem Fremden zusammengeführt.«

Heinrich konnte nicht umhin, über das Abenteuer des armen Frank zu lachen; er entschädigte ihn indeß für seinen Verlust und forderte ihn auf, ein anderes Mal klüger zu sein, und sich besonders vor jenen vorgeblichen Fremden zu hüten, welche sich nur für solche ausgeben, um die wirklichen besser zu betrügen.

Heinrich war schon einige Tage in Paris, als er eines Abends im Theater hinter eine Dame zu sitzen kam, welche seine Aufmerksamkeit zu verdienen schien; sie war in der That schlank, wohlgestaltet, von angenehmer Haltung und schien die Blicke, welche ihr Nachbar ihr zuwarf, nicht mit Gleichgültigkeit zu sehen. Heinrich, entzückt über seine neue Eroberung, hätte gerne mit ihr sprechen mögen: aber sie hatte einen dicken, mit Kostbarkeiten und Diamanten überladenen Mann bei sich, der so ziemlich einem in Ruhe lebenden Ochsenhändler gleichsah, ebenso verlegen über seine zwei Uhren wie über seinen dicken Bauch schien, und für sich allein drei Viertheile der Loge einnahm. Da er wohl einsah, daß er ihr seine Gefühle nicht erklären könne, so lange sie diesen Menschen bei sich habe, beschränkte er sich darauf, beim Weggehen aus dem Theater Frank ihrem Wagen nachzuschicken und ihm aufzugeben, einige Nachrichten über diese Dame einzuziehen.

Heinrich wartete voll Ungeduld auf die Rückkunft seines Dieners, und wie er diesen von Weitem ansichtig ward, rief er ihm entgegen: »Nun, Frank, bringst Du mir gute Nachrichten? – Ja, gnädiger Herr, vortreffliche. – Weißt Du die Wohnung der fraglichen Dame? – Ja, Herr, ein prächtiges Haus auf dem Boulevard des Italiens. – Gut! und hast Du etwas Weiteres erfahren? – Ja, gnädiger Herr! der Pförtner des Hauses ist just ein großer Schwätzer und machte keine Umstände, mit mir zu plaudern. – Bravo Frank! Nun wohlan! diese Dame? – Ist eine Operntänzerin. – Eine Tänzerin von der großen Oper!« sprach Heinrich bei sich selbst, »Teufel! mit solchen Frauenzimmern ist viel zu gewinnen und viel zu verlieren!– Ich weiß noch mehr,« fuhr Frank fort, »der dicke Mann, der bei ihr war, ist ein ehemaliger Lieferant, der sie wie eine Prinzessin unterhält, weil, wie Sie wissen, gnädiger Herr, es zum guten Ton gehört, eine Operntänzerin zu unterhalten. – Ah! es gehört zum guten Ton, Frank? – Ja, Herr, auch hat die Ihrige als Liebhaber schon zwei russische Fürsten, vier Finanzmänner, sechs Engländer, zehn Generalpächter, drei Banquiers gehabt und ist jetzt eben an ihrem neunten Lieferanten. – Du spaßest, Frank. – Nein, gnädiger Herr, ich sage die Wahrheit: sie macht Aufsehen, sie ist die Dame der Mode, die Schönheit des Tages; so lauten die eigenen Worte des Pförtners. – Ah! sie ist die Dame der Mode! Dann werde ich, da ich der Mode folgen will, der Tänzerin auf den Zahn fühlen. – Sie haben Recht, gnädiger Herr, es ist das beste Mittel, von Ihnen sprechen zu machen. Ich rathe Ihnen indeß, sie nicht lange zu behalten, denn so wie sie's treibt, würden wir uns bald auf der Liste der Abgedankten befinden. – Sei ruhig, Frank; wenn diese Frau mich liebt, wird sie mich nicht zu Grunde richten. – Ach! gnädiger Herr ... Liebe suchen bei einer Operntänzerin; das heißt zu viel verlangen.« Am folgenden Morgen schrieb Heinrich einen Liebesbrief an seine Schöne und ließ ihn durch Frank bestellen. Dieser kam bald mit einer Antwort der Dame zurück, welche Heinrich für den andern Morgen zum Café einlud.

»Nun wohlan, Frank!« sagte Heinrich, »Du siehst, ich habe ihr Herz gerührt. – Möglich, gnädiger Herr. – Sag mir aber, hat sie Dich etwas gefragt? – Gewiß, gnädiger Herr! sie fragte nach Ihrem Namen und Stand. Graf von Framberg!« wiederholte sie, als ich Sie genannt hatte, und augenblicklich schrieb sie das Ihnen eingehändigte Billet. – Eine Frau, die nicht jeden Hergelaufenen empfängt! ... – Eine Frau vom feinsten Geschmack! ...«

Um die Zeit bis zum andern Tage zu tödten, fing Heinrich seine Wanderungen vom vorigen Abend wieder an und besuchte alle öffentlichen Orte. An ein Spielhaus kommend, trieb ihn der Wunsch, sein Geld zu vermehren, um in Paris glänzend auftreten zu können, hinauf. Zitternd setzt er einige Louis, in der sichern Erwartung, zu verlieren, auf das Rothe; aber er gewinnt; er setzt sein Spiel fort, das Glück bleibt ihm günstig, er sieht, daß er im Zug ist, spielt höher und geht endlich nach Verlauf einer Stunde mit dreißigtausend Franken mehr in der Tasche weg.

Auf dieses hin will er ganz nach der Mode sein und alle Zierbengel des Tages überstrahlen. Wie ein Rasender laufend, kehrt er in sein Hotel zurück. Frank erhält den Befehl, das schönste Cabriolet zu miethen, ihm augenblicklich einen Juwelier, einen Pferdehändler und einen Tanzmeister zu schicken. Voll Verwunderung lauft Frank da und dorthin, ohne zu wissen, was er thun soll, aber das Verhängniß segnend, das seinen Herrn zum Millionär gemacht.

In Paris kommt man jedoch mit dreißigtausend Franken nicht weit; der Juwelier und der Pferdehändler hatten ihm bald für mehr als das Doppelte verkauft; Heinrich sah wohl, daß er nicht so reich sei, als er glaubte; allein er dachte, auf die Roulette zurückkehrend, könne er noch mehr gewinnen. Mittlerweile begnügte er sich mit einem Pferd für sein Cabriolet und einer Brillantnadel für sich; dann entließ er seine Kaufleute mit dem Versprechen, sie bald wieder zu sehen.

Endlich erschien der andere Tag: Heinrich erwartete ihn voll Ungeduld, denn Reichthum schützt nicht vor Langeweile. Nach Vollendung seiner ausgesuchten Toilette stieg er in sein Cabriolet und schlug den Weg nach dem Boulevard des Italiens ein.

Es war nicht weit von zwölf Uhr; um diese Stunde sind die Straßen von Paris mit Menschen angefüllt, namentlich in einem so besuchten Quartier wie das, wohin er sich begab. Brennend vor Begierde, bei seiner Schönen einzutreffen, trieb unser junger Mann sein Pferd wie ein Tollhäusler an; schon mehrmals war er nahe daran, Jemand zu überfahren, und nur seiner Geschicklichkeit verdankte er die Vermeidung von Unglücksfällen; als er aber um eine Ecke bog, erblickte er den Wagen eines Kärrners nicht, der auf ihn zukam; der Fuhrmann, nach dem Gebrauch dieser Leute, weicht einem Cabriolet nicht aus; Heinrich stößt gewaltsam an die Räder des Karrens; sein leichtes Fuhrwerk war nicht stark genug, gegen einen solchen Wagen in den Kampf zu treten; es stürzt um und wirft im Fall ein altes Weib nieder, das gerade aus einem Laden trat, wo es Lunge für ihre Katze gekauft hatte.

Die Rufe: »Zu Hülfe! ... ich bin todt! ...« und das umgestürzte Cabriolet zogen bald eine ungeheure Menge jener Pflastertreter herbei, von denen Paris wimmelt. »Ein Weib von einem Cabriolet niedergerennt, welches ein junger Mann führt,« sagte der Eine. »Diese Laffen richten lauter Unheil an ... doch ist das Cabriolet zusammengebrochen. – Erstaunlich,« rief ein Anderer, »daß diese Frau die Kraft hatte, einen Wagen umzuwerfen ...« Und während man so disputirte, hatte der Kärrner für klug gehalten, sich mit seinem Wagen aus dem Staube zu machen, damit er die Sache nicht ausbaden durfte.

Heinrich stieg aus seinem Cabriolet, alle Fuhrleute und Maulaffen zum Teufel wünschend. Frank, der hinten aufsaß, hätte beinahe das Leben verloren: doch kam er noch mit einem geschwollenen Auge und einigen Beulen an der Stirne davon. Das alte Weib, die mehr Furcht als Schaden genommen hatte, aber doch Nutzen aus der Sache ziehen wollte, erfüllte die Luft mit Zetergeschrei und Gewinsel.

Heinrich glaubte, ruhig wieder nach Hause zurückfahren zu dürfen, und hatte Frank aufgegeben, sein Cabriolet wieder aufzurichten, als die sie umstehende Menge der Alten rieth, ihn zu dem Commissär zu führen. »Zu dem Commissär!« rief Heinrich, »und was soll ich dort thun? – Ah, so! schöner Herr: Ihr glaubt, man renne die armen Leute nieder und dann sei von nichts mehr die Rede? – Aber, Dummkopf! ich bin ja selbst das Opfer von dem Allem, da mein Cabriolet zerbrochen wurde. – O ja; und die arme Frau, die Ihr zusammengeführt habt, meint Ihr, man dürfe ihr nichts geben, sich verbinden zu lassen? – Wenn sie todt ist, was Teufels soll ich dann machen? – Gleichviel, sie braucht einen Trost.«

Heinrich sah wohl, daß, um aus der Sache zu kommen, Geld nöthig sei. Er ging daher auf die Alte zu, drückte ihr ungefähr fünfzehn Goldstücke in die Hand, und auf diese Weise gelang es ihm, dem Commissär zu entschlüpfen. »Schaut! wie glücklich die alte Schreierin ist!« sagte ein Weib zu ihrer Nachbarin. »Für die Hälfte der Summe ließe ich mir alle Tage ein Gleiches widerfahren. – Es gibt Leute mit unvernünftigem Glück,« antwortete die Zweite. »Diese hat's ihrer Katze zu verdanken. – Darum wird sie nicht reicher,« bemerkte eine Dritte! »sie ist eine alte Spielerin, die all dies Geld wieder in die Lotterie trägt.«

Beschmutzt, ermattet und besonders darüber in Verzweiflung, daß er sein Rendezvous verfehlt hatte, kam Heinrich nach Hause zurück. Er kleidete sich indeß wieder um, bestellte einen Wagen und wagte es, sich bei seiner Schönen anmelden zu lassen. Angenehm ward er durch die Nachricht überrascht, daß sie noch zu Hause sei; er wußte nicht, daß es zum guten Tone gehöre, überall zwei Stunden auf sich warten zu lassen. Wie Jemand, den man seit lange kennt, ward er empfangen. Er sah, daß Frank ihn nicht getäuscht hatte, als er die Eleganz und Pracht der Wohnung der schönen Tänzerin rühmte. Nie hatte er in Italien etwas gesehen, das sich mit dem Boudoir einer Dame von der großen Oper vergleichen ließe.

Heinrichs Abenteuer war Gegenstand der Unterhaltung während des Frühstücks. Die Dame lachte viel darüber und versprach ihm, es solle die Tagesneuigkeit werden. Heinrich war erstaunt, ebenso viel Weltton als Geist an einer Theaterprinzessin zu finden; was ihn aber am meisten überraschte, war ihr zurückhaltendes Wesen und die Hindernisse, welche man seinen Liebesausbrüchen entgegensetzte. Heinrich wußte nicht, daß eine Frau, die sich verkauft, schwerer zu besiegen ist, als eine Frau, die sich hingibt: die eine folgt der Neigung ihres Herzens, wahrend die andere ihre Gunstbezeigungen hinauszielt, um sie theurer bezahlt zu machen.

Heinrich und seine Schöne waren im Gespräche begriffen, als man der Dame meldete, es wünsche sie Jemand zu sprechen. »Ich habe schon gesagt, ich sei für Niemand zu Hause,« rief sie voll Ungeduld aus. Man erwidert ihr, es sei Jemand, der durchaus eintreten wolle. Da bat sie Heinrich, er möchte für einen Augenblick in ihren Salon gehen, mit dem Vorgeben, es sei ihre Putzmacherin, und sie wolle dieselbe schnell abfertigen.

Heinrich schien bereitwillig, sich zu entfernen; da er aber, um in den Salon zu gelangen, durch ein Kabinet mit Glasthüre gehen mußte, das ans Boudoir der Dame stieß, kam er, sowie er allein war, leise zurück, um sich mit eigenen Augen zu überzeugen, was im Boudoir vorgehe.

Statt der Putzmacherin sah er einen jungen Offizier eintreten, der sich, unbekümmert um die Herrin des Hauses, in einen Lehnstuhl warf. »Wie! Ihr seid's Floricourt?« sagte sie mit halb freundlicher, halb verlegener Miene zu ihm. – »Ja, ich bin's, und ich finde es höchst wunderbar, daß Du mich so in Deinem Vorzimmer warten lässest. – Konnte ich vermuthen, daß Ihr es seid, den ich seit acht Tagen nicht gesehen habe? – Du glaubtest ohne Zweifel, es sei Dein dicker Mondor und er werde ruhig abtrollen, so wie man Deine Abwesenheit melde? ... Aber ich bin nicht von solchem Taig und schere mich den Teufel um Deine Befehle und Deine Geldspender! – Was soll aber dieser Ton bedeuten, mein Herr? ... Es steht Euch recht gut an, so mit mir zu reden, Ihr, den ich mit Wohlthaten überhäuft, den ich von Kopf bis zu Fuß neu gekleidet habe! Damals schertet Ihr Euch nicht den Teufel um meine Eroberungen ... Warum war ich gut genug, Alles für den Herrn aufzuopfern? Wahrhaftig, die Frauen sind sehr einfältig, wenn sie zuweilen Schwachheiten haben! Man verbindet stets nur Undankbare! – In der That, es handelt sich um Ihre Geschenke, Madame! Sie haben mir eins gemacht, das mir gar nicht gefällt. – Mein Herr, wenn man von einer Frau etwas empfängt, muß man das Gute, wie das Böse annehmen. – Wahrhaftig! ... nun wohlan! so will ich Dich lehren, mir keine solche Streiche mehr zu spielen, und Den, der mit Dir frühstückte, meinen Arzt bezahlen lassen. – Du bist närrisch, Floricourt, ich war allein, ich versichere Dich. – Ich gehe nicht auf solche Mährchen ... Da er sich versteckte, ist er kein Zahler, und ich will ihm die Lust des Wiederkommens benehmen!«

Damit beginnt der junge Mann überall umher zu blicken, mit dem Fuß unter alle Tische zu stoßen. Endlich erblickt er Heinrich, der hinter der Glasthüre unbeweglich geblieben war; er öffnet diese schnell und gibt unserem Helden eine Ohrfeige, ehe er Zeit gehabt hatte, auszuweichen. Heinrich wollte gerade über seinen Gegner herfallen, als sich die Dame zwischen beide warf, um sie auseinander zu bringen.

»Mein Herr,« sagte Heinrich zu dem Offizier, »wenn Sie ein Mann von Herz sind, werden Sie mir Genugthuung für diesen Schimpf geben. – Ah! der Herr ist nicht zufrieden!« antwortete dieser, höhnisch lachend; »nun wohlan! so soll er noch eine derbere Lektion haben. – Keine Schmähreden, mein Herr, ich liebe solche nicht; Morgen früh um vier Uhr erwarte ich Sie in meinem Hause!« Mit diesen Worten verließ Heinrich das Zimmer, ohne die neben ihm stehende Dame mehr eines Blickes zu würdigen.

»Auch meine Schuld,« sagte er bei sich selbst auf dem Rückweg nach seinem Hotel, »ich hätte nicht zu diesem Weibe gehen sollen ... Aber seit ich reise, mache ich nichts als dumme Streiche! ... Ach, mein Vater! welchen Kummer würde Ihnen die Aufführung Ihres Sohnes machen, wenn Sie dieselbe kennten! Und du, guter Müller, hätte ich deinen Rath besser befolgt, wäre ich nicht so weit, wie ich jetzt bin ... Da mir aber das Schicksal immer entgegen ist und ich Diejenige nicht finde, welche das Glück meines Lebens gemacht hätte, so schwöre ich, bald nach Framberg zurückzukehren.«

Der Offizier war pünktlich beim Stelldichein, Heinrich griff zu seinen Waffen, und, ohne ein Wort zu verlieren, begaben sie sich nach dem Gehölz von Boulogne. Dort zog Jeder seinen Rock aus und griff den Andern ungestüm an.

Heinrich war nicht so fertig im Fechten wie sein Gegner; aber er war kaltblütig und wußte alle seine Stöße geschickt zu pariren. In Kurzem rannte der Offizier, indem er Heinrich Eins versetzen wollte, in dessen Degen und sank leblos zu Boden. Mit schnellen Schritten ging Heinrich in sein Hotel zurück; ihm schien, es sei der Schatten seines unglücklichen Opfers, ihm auf den Fersen. Es ist wirklich etwas Entsetzliches, einen Nebenmenschen wegen einer Frau zu tödten, die man verachtet! ... Heinrich machte sich tausend Gedanken, und seine Seele erlag unter der Last des von ihm vergossenen Blutes.

Frank erschrak, wie er seinen Herrn in dem Zustand ungewöhnlicher Niedergeschlagenheit sah. »Was haben Sie denn, gnädiger Herr?« fragte er ihn; »sollte Ihnen ein Unglück begegnet sein? – Ach ja, Frank! ... ein Unglück, das ich mir nie verzeihen werde! ... – Was soll das heißen, gnädiger Herr? schreiben Sie es dem Verhängniß zu ! – Rüste Alles zu unserer Abreise, noch diesen Morgen verlassen wir Paris. – Darf ich wissen, wohin wir gehen, gnädiger Herr? – Nach Framberg zurück: es treibt mich, meinen Vater und den guten Müller, der mich so sehr liebte, wieder zu sehen. – Meiner Treu, gnädiger Herr! ich freue mich gleichfalls darauf, denn nichts auf der Welt kommt dem Vaterhaufe gleich.«


 << zurück weiter >>