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Zwölftes Kapitel. .

Rom.

»Man muß gestehen, Herr, es ist ein närrisches Ding um das Verhängniß! ... Oftmals scheitert man in seinen Planen gerade in dem Augenblick, wo man glaubt, sie gelingen zu sehen ... Ein glücklicher Zufall kommt, wenn man jede Hoffnung verloren hat; und im Begriff, auf den Ball zu gehen, krak! bricht man Arm oder Bein und bleibt sechs Monate in das Bett gebannt ... In Wahrheit, Herr, wenn man vernünftig wäre, würde man nie Plane für die Zukunft schmieden, sondern ruhig abwarten, bis das Buch des Verhängnisses vor uns aufgeschlagen liegt.«

Frank, neben seinem Herrn reitend, vertrieb sich damit die Zeit, daß er diesem seine Betrachtungen mittheilte. Obgleich nur ein gewöhnlicher Diener, hatte er beobachtet, nachgedacht und theilte seine Betrachtungen Heinrich mit. Die Vernunftschlüsse mancher Philosophen beruhen häufig auf nichts weiter als dem Geschehenen.

»Wozu all dieser Galimathias?« fragte Heinrich, aus seinen Träumereien erwachend. – »Weil wir uns hier auf der Straße nach Rom befinden, in dem Augenblick, wo ich am wenigsten daran dachte ... und Sie vielleicht auch nicht, gnädiger Herr? – Er hat Recht,« dachte Heinrich bei sich selbst; aber er mochte Frank ein Abenteuer nicht erzählen, das seine Eigenliebe verletzte und das er völlig aus seinem Gedächtniß verwischen wollte. – »Fühlen Sie den Regen nicht, Herr?« sagte Frank nach einstündigem Schweigen.

– »Ja, aber was ist da zu machen? – Meiner Treu, ich sehe nicht ein, was uns hindern sollte, lieber unter ein Obdach zu gehen, als uns die Haut durchnetzen zu lassen, denn ich glaube, es zieht ein Gewitter heran. – Du hast Recht, nun so laß uns denn einen Zufluchtsort suchen, bis der Sturm vorüber ist.«– »Wohlgesprochen, Herr, aber ich sehe keinen. – So reiten wir fort!«

Nach langem Suchen erblickte Heinrich ein altes, halbverfallenes Gebäude, das völlig verlassen schien. »Siehst Du diese alten Mauern, Frank? Dort werden wir Zuflucht finden.–Ich zweifle sehr, denn dieses Bauwesen hat ein ziemlich schlechtes Aussehen, und dient vielleicht schon lange nur noch Räubern zum Schlupfwinkel. – Hättest Du Furcht davor? – Ach! mein Gott! nein, Herr, denn wenn mein Verhängniß will, daß ich dort ermordet werde, so ist Alles umsonst, was ich thue, ich kann ihm nicht ausweichen. – Nun, ich sehe. Deine Philosophie ist zu etwas gut; doch wir wollen unsere Pferde antreiben und uns beeilen, denn der Sturm wird heftiger.«

Endlich kamen sie vor das alte Gebäude, das ein ehemaliges Kloster zu sein schien: sie schritten über einen mit Schutt gefüllten Hof und traten unter einen geräumigen Kreuzgang, welchen die Zeit etwas mehr verschont hatte. »Weißt Du wohl, Frank, daß dieser Ort etwas Romantisches hat, und es mich nicht wunderte, wenn uns hier irgend ein außergewöhnliches Abenteuer aufstieße?

– Mich ebenfalls nicht, gnädiger Herr! man sagt überdies, sie seien in diesem Lande nicht sehr selten.«

Kaum hatten sie zu sprechen aufgehört, als sich hinten in dem Kreuzgang ein dumpfer Laut vernehmen ließ. »Hast Du gehört, Frank ? – Ja, gnädiger Herr, es belauscht uns Jemand. – Gehen wir darauf zu,« sagte Heinrich; »ich bin begierig, zu wissen, wer es ist.« Frank und sein Gebieter setzten sich alsbald in Marsch; je weiter sie aber kamen, um so weiter schien sich Jemand vor Ihnen davon zu machen. Am Ende der Galerie fanden sie eine Treppe und stiegen, im Finstern tappend, hinauf; die fliehende Person machte in der Eile einen Fehltritt, fiel herab, und Heinrich packte sie am Kragen. »Ach! Gnade! bringt mich nicht um, Herr Räuber!« rief der Festgehaltene, vor Heinrich auf die Kniee sinkend. – »Wer bist Du?« fragte ihn dieser. – »Ein armer Bedienter, der keinen Heller hat. – Bist Du allein hier? – Nein, Herr Räuber, ich bin mit meiner Herrschaft, die mich auf Kundschaft ausschickte. – Führe mich zu ihr! – Ja, Herr Räuber, gerne.«

Heinrich hielt den Unbekannten, dessen Wahrhaftigkeit er bezweifelte, noch immer fest; dieser führte sie in ein oberhalb dem Kreuzgang befindliches Gemach und rief unter der Thüre: »hier ist der Räuberhauptmann!«

Heinrich war sehr erstaunt, sich in einem Zimmer zu befinden, wo man ein gutes Feuer angemacht und mehrere Fackeln angezündet hatte, und in welchem eine Dame von etwa dreißig Jahren mit einem andern viel jüngern Frauenzimmer und vier Männern in Livree, die aufrecht hinter ihr standen, einquartirt war. Auf den Ausruf von Heinrichs Führer beim Eintritt machte die Dame eine Bewegung des Entsetzens, und die vier Männer sprangen nach ihren Feuergewehren.

»Ohne Furcht, meine Herren!« sagte Heinrich lachend; »ich bin kein Räuber, sondern ein Reisender, und der hier ist mein Diener. Es war mir sehr lieb, zu sehen, wohin mich dieser Mensch führen würde, und endlich zu erfahren, mit wem ich es zu thun habe.«

Hierauf trat Heinrich zu der Dame, indem er sie um Entschuldigung wegen des verursachten Schreckens bat und ihr gestand, daß er keine so große Gesellschaft an einem verlassen scheinenden Orts zu finden glaubte.

Die Dame belehrte ihn, daß sie die Marquise von Belloni sei, eine Reise nach einem ihrer Güter bei Florenz gemacht habe und nach Rom zurückkehre; vor dem alten Gebäude von dem Gewitter überrascht, sei sie lieber hier eingetreten, um das Leben ihrer Dienerschaft nicht aufs Spiel zu setzen. »Ich habe diesen Menschen,« fügte sie, auf Heinrichs Führer deutend, hinzu, »auf Kundschaft ausgesandt, und da ich seine Feigheit kenne, durfte ich mich wohl auf einige Mißgriffe gefaßt machen; doch ich bin entzückt, mein Herr, daß er unser Zusammentreffen veranlaßt hat.«

Heinrich erwiderte dieses Compliment auf die galanteste Weise und unterrichtete die Marquisin gleichfalls von seinem Namen und dem Zweck seiner Reise. Als sie Heinrichs Namen und Stand hörte, schien sie noch mehr zufrieden mit diesem Vorfall, und es entspann sich ein sehr eifriges Gespräch. Frank seinerseits suchte mit der jungen Person, wie es schien die Kammerfrau der Marquisin, Bekanntschaft anzuknüpfen, aber Julie (so hieß sie) hörte nicht sehr auf denselben, sondern faßte Heinrich scharf ins Auge.

Die Marquisin und Heinrich vergaßen im Gespräch, daß die Nacht vorübergehe; allein die Dienerschaft, welche sich wahrscheinlich nicht so gut unterhielt als die Gebieterin, machte ihr bemerklich, daß der Tag zu grauen beginne. Die Marquisin erkundigte sich nach dem Wetter; man sagte ihr, der Sturm sei vorüber, aber der Regen falle immer noch in Strömen; nun bat sie Heinrich, einen Platz in ihrem Wagen anzunehmen, da er sich gleich ihr nach Rom begebe. Heinrich, dem Juliens Seitenblicke nicht unbemerkt geblieben, und der die Marquisin sehr schön fand, hütete sich wohl, es auszuschlagen, und man machte sich wieder auf den Weg.

»Aha!« sprach Frank bei sich selbst, »ich sehe wohl, dieses Abenteuer, das einen so romantischen Anstrich hatte, wird ein eben so prosaisches Ende nehmen wie andere.«

Heinrich war mit den beiden Damen im Wagen. Die Marquisin wünschte, er solle an ihrer Seite Platz nehmen; Julie setzte sich Heinrich gegenüber, mit schmollender Miene, die ihr indeß zum Entzücken gut stand. Diese Julie war ein ganz hübsches Mädchen: ihre Augen hatten einen wunderlieblichen Ausdruck, und gewöhnlich ruhten sie auf Heinrich, wenn sich Julie von ihrer Gebieterin nicht beobachtet sah. Die Marquisin war ein vollendet schönes Weib: ihr edler, eleganter Wuchs wurde durch ein Gesicht von regelmäßiger Schönheit noch mehr gehoben; ihre Haare waren von glänzendem Schwarz; und ihre Augen, voll Feuer und Lebhaftigkeit, verkündeten ein heißes Gemüth und einen ungestümen Charakter.

Ohne weitern Unfall langten die Reisenden in Rom an; und beim Abschied lud die Marquisin unsern Helden ein, ihr öfters Gesellschaft zu leisten. Heinrich versprach's mit einem Blick auf Julie, welche es nicht weniger sehnlich zu wünschen schien.

»Mindestens,« sprach Heinrich bei sich selbst, als er zur Auffindung einer Wohnung die Straßen Roms durchstreifte, »ist diese Frau wirklich eine Marquisin und hat auf keinem Theater die Prinzessinnen gespielt.«

Nachdem Heinrich den elegantesten Gasthof der Stadt gewählt, ließ er Schneider und Kaufleute kommen, um sich nach dem neuesten Geschmack und aufs Reichste zu kleiden. »Gnädiger Herr,« sagte Frank, »wissen Sie, daß diese Marquisin da Sie zu Grunde richten wird, wenn's so fortgeht? – Dummkopf! glaubst Du, mein Vater werde sich weigern, mir so oft und so viel Geld zu schicken, als ich brauche? – Ei, gnädiger Herr! er dürfte nur Ihrer Reisen müde werden und Ihnen befehlen, nach Hause zurückzukommen! – Nun, alsdann wird's immer noch Zeit sein, uns einzuschränken.«

Gleich am Abend seiner Ankunft begab sich Heinrich zur Marquisin von Belloni. Sie wohnte im schönsten Theile der Stadt; ihr Hotel war äußerst prachtvoll, und Alles bei ihr athmete Luxus und Eleganz.

Eine glänzende und zahlreiche Gesellschaft war bei ihr versammelt. Die Marquisin empfing Heinrich auf die graziöseste Weise und stellte ihn den ausgezeichnetsten Personen vor, welche ihn, auf diese Empfehlung hin, mit Artigkeiten überhäuften und ihm alle Aufmerksamkeit erwiesen.

In einem so glänzenden Cirkel war unser Held noch nie gewesen. Von reizenden Frauen umgeben, welche sich um seine Eroberung zu streiten schienen, und durch die Zuvorkommenheit der Marquisin geschmeichelt, glaubte er sich auf der höchsten Stufe der Ehre.

Da er sich inmitten so vieler Leute nicht häufig mit der Marquisin unterhalten konnte, setzte er sich, um die Zeit zu tödten, an einen Spieltisch. Bald steigerte das vor ihm schimmernde Gold seine Einbildungskraft; und da er überdies den Mitspielenden gleichthun wollte, verlor er in einem Nu Alles, was er bei sich hatte.

Hierauf ging er ruhig im Salon umher, die verschiedenen Personen der Versammlung genauer betrachtend, als er am Eingang zu bemerken glaubte, daß ihm Jemand winkte. Der Gedanke an Julie, die er noch nicht gesehen, trat augenblicklich vor seinen Geist, und mit der Absicht, sich von der Wahrheit zu überzeugen, verabschiedete er sich von der Marquisin. Diese sagte, sie erwarte ihn den andern Morgen beim Frühstück: er versprach zu kommen und verließ langsamen Schrittes den Salon.

Kaum lag die Thürschwelle hinter ihm, als ihn eine Frau bei der Hand nahm und ihr zu folgen bat. Heinrich erkannte Julie nicht, doch ließ er sich führen. Man wanderte mit ihm durch eine lange Reihe nicht erleuchteter Zimmer, sagte ihm hierauf in einem kleineren Gemache, wo man anhielt, er möchte einen Augenblick warten, und ließ ihn in der Dunkelheit allein.

»Was will das heißen?« dachte Heinrich, als er sich selbst überlassen war. »Dieses Abenteuer nimmt eine ganz pikante Wendung. Doch vergessen wir nicht, daß wir in Italien sind, und Italien das Land der Wunder ist.« Auf alle Fälle gerüstet, setzte er sich auf ein Sopha und schlief in Erwartung der Fortsetzung dieser Begebenheit ein.

»Wie, Sie schlafen?« sprach ein sanftes Stimmchen, »wobei man Heinrich leicht rüttelte. – Du bist's, reizende Julie!« antwortete Heinrich erwachend. »Es scheint mir. Du ließest mich ziemlich lange schlafen.« Julie (denn sie war es) bekannte, er sei schon länger als eine Stunde da, und sie hätte sogar gefürchtet, er möchte sich entfernt haben. – Ei! und wohin sollte ich gegangen sein, da ich die Kreuz- und Quergänge dieses Hotels nicht kenne? Warum aber hast Du mich so lange allein gelassen? – Weil die Frau Marquisin mich rufen ließ, und ich nicht bälder abkommen konnte ... Aber lassen Sie mich doch, mein Herr ... ich bitte Sie; ich habe Ihnen etwas sehr Wichtiges zu sagen. – Das sagst Du mir ein ander Mal. – Nein, mein Herr ... Aber so hören Sie doch auf ... Wenn die Frau Marquisin käme ...«

Der großen Anstrengungen Juliens ungeachtet, benutzte Heinrich die Dunkelheit, um seine Kühnheit zu verdoppeln, und man überließ ihm einen Sieg, den man nie die Absicht hatte, streitig zu machen.

»Jetzt werden Sie mich hoffentlich anhören, mein Herr! – O ja, theure Julie; ich bin ganz Ohr. – So wissen Sie denn, mein Herr, daß ... Ach, großer Gott! ich glaube, da kommt die Frau Marquisin ... – In der That, ich höre etwas. – O Himmel! muß sie gerade diesen Weg nehmen, um in ihr Schlafzimmer zu gelangen. – Nun, was läge denn daran, wenn sie mich sähe? – Ach, mein Herr! ich wäre unwiderbringlich verloren. – Ich sage, ich hätte mich im Weggehen im Hotel verirrt. – O, Sie kennen den mißtrauischen Charakter der Marquisin nicht; sie würde Vermuthungen anstellen; ich weiß gewiß, sie liebt Sie, und wir beide wären verloren. – Was ist nun zu machen ? – Sie kommt näher ... Ich höre ihre Stimme; Sie müssen sich verbergen. – Aber wo? – Hier, in diesem Schrank wird Raum genug für Sie sein. – Da drinnen werde ich aber ersticken. – O nein, nein! ... Rühren Sie sich nicht, und ich befreie Sie, sobald Madame zu Bette ist.«

Es war Zeit, daß Heinrich sich verbarg, denn bald trat die Marquisin, eine Kerze in der Hand, in das Kabinet. – »Ah, da bist Du, Julie! Wohin warst Du denn gegangen? Seit zwei Stunden suche ich Dich überall. – Aber Madame ... ich war in Ihren Gemächern, zu sehen, ob nichts fehlte.– Wie? Du warst also ohne Licht? – Gnädige Frau, das meinige verlöschte ... – Schon recht; komm, kleide mich aus! – Madame geht schon zu Bette! – Warum schon? es ist ja bald drei Uhr. – Ach, Sie haben Recht, gnädige Frau.«

Julie folgte der Marquisin, das Schicksal verwünschend, das sie von dem Geliebten trennte, und in einem Augenblicke, wo er ihrer so sehr bedurfte. Heinrich war in der That nicht im behaglichsten Zustande in einem Schranke, der zwar zum Aufhängen der Kleider der Frau Marquisin paßte, wo er aber seine Stellung nicht verändern konnte, und der Mangel an frischer Luft seine Qual noch erhöhte. Umsonst wollte er versuchen, die Thüre seines Käfigs zu öffnen; Julie hatte zu größerer Sicherheit den Schlüssel mitgenommen und von innen ging das Schloß nicht auf. »Ach!« sprach Heinrich bei sich selbst, »Müller, mein Lehrer, hatte mir richtig gesagt, die Weiber werden mich zu dummen Streichen verleiten! ...« Nach einer qualvollen halben Stunde beschloß Heinrich endlich, sich um jeden Preis aus einer Lage zu befreien, die ihm unerträglich ward. Ueberdies hätte er vergeblich auf Juliens Hülfe gewartet; die Marquisin, die etwas zu argwöhnen schien, führte Julie aus dem an ihr Schlafzimmer stoßenden Kabinet und zog die Thüre hinter sich zu, so daß sich das arme Kind genöthigt sah, ihren Geliebten der Gnade eines andern Weibes preiszugeben; doch hoffte sie, Heinrich werde, von der Abendgesellschaft ermüdet, ruhig in seinem Verstecke einschlafen.

»Meiner Treu, entstehe daraus, was dem Himmel gefällt,« sagte Heinrich, »allein hier muß ich auf jeden Fall heraus.« Damit fing er an der Thüre des Schrank zu rütteln an; zu seiner Freude bemerkte er, daß sie durch das Aufheben ein wenig aus ihren Angeln trat; er benützte diese Entdeckung und war bald befreit; aber das war noch nicht genug; man mußte aus dem Hotel herauskommen, und darin lag die Hauptschwierigkeit.

Heinrich befand sich, seinen Schlupfwinkel verlassend, in derselben Finsterniß, wie früher. Wie sollte er den Weg wieder finden? ... Wie nicht irgend einen Mißgriff begehen? ... »Gehen wir nur gerade aus,« sprach er, »das muß mich jedenfalls an einen Ort führen.« Nach einigem Umhertappen auf den Zehen, fand er eine offene Thüre und trat in ein anderes Gemach. »Suchen wir hier ein wenig nach einer Treppe,« fuhr er jetzt in seinem Selbstgespräch fort. Und an der Wand fortschleichend, fühlte er statt einer Treppe ein Bett vor sich. »Teufel,« dachte er, »vielleicht das Bett der Marquisin! ...« Ein leichter Seufzer benachrichtigte ihn, daß es besetzt sei; da er keine Lust hatte, die Person zu beunruhigen, entfernte er sich eilends, als beim Vorübergehen an einem Gueridon sein Frack an einem Porcellanservice hängen blieb, das beim Fallen auf den Stubenboden zerbrach.

»Wer ist da?« rief eine bestürzte Stimme, welche Heinrich für die der Marquisin erkannte. »Was war zu thun? ... Wahrlich,« dachte Heinrich, »besser, für einen Liebhaber zu gelten, als für einen Dieb; überdies noch das einzige Mittel, das mir bleibt, und ich will mich aus der Sache ziehen, so gut ich kann.« Mit diesem Entschluß trat Heinrich zu der Marquisin und sagte: »Werden Sie meine Kühnheit entschuldigen, Madame? Nur eine Liebe, wie die meinige, kann Sie vermögen, meinen Schritt zu verzeihen.«

»Wie, Herr von Framberg, Sie sind's! ... um diese Stunde!... in meinem Zimmer! – Ja, Madame, es gelang mir, Ihre Dienerin Julie zu gewinnen; von meiner flammenden Liebe für ihre Gebieterin gerührt, verbarg sie mich in Ihrem Gemach ... – Wär's möglich? ach, jetzt wundere ich mich nicht mehr über ihre Verlegenheit! ... Aber das ist abscheulich! ... etwas Entsetzliches! ... Die Verwegenheit zu haben, zu ... – Wie! Sie sind gefühllos für die zärtlichste Liebe? ... Nun wohlan, dann entferne ich mich, gnädige Frau, ich fliehe Sie für immer ... – Halten Sie ein! ... Und wohin wollen Sie jetzt gehen? Sieht man Sie aus meinen Gemächern kommen, so bin ich verloren! ... – Gut denn, gnädige Frau! was befehlen Sie? – Bleiben Sie also! es muß wohl sein, als einziges Mittel, meinen Ruf zu retten! ...« Heinrich blieb und that so wohl daran, daß ihn die Marquisin am andern Morgen aufforderte, sie noch nicht zu verlassen.


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