Rudolf Huch
Wilhelm Brinkmeyers Abenteuer
Rudolf Huch

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Zweiter Teil

 


 

Nachwort

Das Gespenst hat recht behalten. Man hat ihn am andern Morgen tot in seinem Bette gefunden.

Der Tod muß nach allen Anzeichen schon vor Mitternacht eingetreten sein. Es ist ein Herzschlag gewesen. Die Aerzte nannten ihn ein großes Glück, denn bei der Unmöglichkeit, den alten Sonderling zu der Operation zu überreden, wären die Lähmungen unaufhaltsam, grausam allmählich fortgeschritten.

Er hat bei dem Abendessen noch munter mit seiner Haushälterin geplaudert. Einmal hat er sie gefragt, ob sie an Träume, Vorbedeutungen und dergleichen glaubte. Sie hat es mit großem Eifer bejaht. Da ist er eine Weile still gewesen.

Den Heilgehilfen, der ihn zu Bett brachte, hat er dasselbe gefragt. Der hat mit ebenso großem Eifer alles derartige für kindischen Aberglauben erklärt. Das ist dem Alten auch wieder nicht recht gewesen. –

Die Frage, wie der Fall zu erklären sein 452 mag, wird man sich je nach Weltanschauung und Lebensauffassung verschieden beantworten.

Wer eine Vorliebe für den Zufall hat, wird sagen, die drei Träume seien entstanden wie Träume überhaupt, durch Erinnerungen, denen Brinkmeyer des Tages nachgehangen habe, oder durch sonstige Verknüpfungen, die sich nicht verfolgen ließen. Die Aufregung möchte dann den Tod des abergläubischen alten Herrn unmittelbar veranlaßt haben.

Feinere Geister werden meinen, ohne daß sie den letzteren Schluß ganz ablehnen, Brinkmeyer habe den Tod unbewußt in sich gefühlt, vielleicht auch gefürchtet, die Aerzte hätten ihm die volle Wahrheit noch verheimlicht, und aus diesem Gefühl der Todesnähe seien die drei Träume gebildet worden. Wie denn Leute, die auf diese Dinge achten, ein ähnliches Gestalten des unvergleichlichen Künstlers Traum in sich wohl zuweilen beobachten.

Endlich werden solche, die davor nicht so ängstlich zurückscheuen, wie es der Ring der Tonangebenden heute vorschreibt, den Fall für einen solchen halten, wo ein leiser Ton aus einer verborgenen Welt in unsre Wirklichkeit herein klingt. –

Es fand sich ein eigenhändiges Testament, mit der Ueberschrift, daß es sofort nach seinem Tode zu eröffnen sei.

Da zeigte sich, daß der Alte sich doch nicht ganz so großherzig oder, in seiner Sprache, platonisch gerächt hat, wie er behauptet. Es 453 heißt nämlich im Eingange, daß er beabsichtigt habe, der Stadt eine beträchtliche Stiftung zu hinterlassen, das Verhalten einiger sehr angesehener Bürger habe ihn aber allzusehr verstimmt.

Das wirkte, wie er es jedenfalls beabsichtigt hat: jene Herren und besonders der mit der Stuhlverstopfung bekamen es bei jeder Gelegenheit von den andern Parteien zu hören, wie sehr ihr engherziges Verhalten die Stadt geschädigt habe.

Der Vorwurf konnte besonders deshalb mit entschiedener Wirkung erhoben werden, weil der Nachlaß so beträchtlich war, daß die Stiftung vermutlich in der Tat etwas gewesen wäre.

Der Großneffe war der Universalerbe. Hier zeigte sich, daß der grimme Leu, mit dem nach der einstimmigen Ansicht aller Bekannten schlecht Kirschen essen war, doch seine schwache Stelle gehabt hat. Denn sein in diesen Blättern so impulsiv niedergelegter Zorn äußert sich hier einzig in der Bestimmung, daß dem Erben die Verfügung über den Stamm des Vermögens erst vom dreißigsten Lebensjahre an zustehen soll. Dagegen sind ihm von der Volljährigkeit an die Einkünfte unverkürzt auszuzahlen, und bis dahin eine mit jedem Jahr steigende Rente, die sich kaum noch in den Grenzen des Verständigen hält.

Es folgt eine mit äußerster Sorgfalt und Sachkenntnis ausgearbeitete Anweisung an die von ihm ernannten Kuratoren, wie sie nach der 454 von ihm beobachteten Methode fortfahren sollen, den Brinkmeyerschen Hof abzurunden und zu vergrößern. Der Testator kennt jeden Ackerplan nach Größe und Wert und weiß, wem er gehört. Es ist aber auch die Warnung nicht vergessen, nach außen hin nicht zuviel Eifer zu zeigen und bestimmte Preise nicht zu überschreiten: Denn, so heißt es, ich kenne doch meine Bauern!

Endlich findet sich an dieser Stelle die Verfügung, daß eine letzte Hypothek, die dem Testator an dem ehemalig Haberkornschen Hofe zustand, gekündigt und rücksichtslos ausgeklagt werden solle. Die Kuratoren sollen den Hof in der unvermeidlichen Zwangsversteigerung erstehen, und zwar ausnahmsweise auch dann, wenn er etwa über den wirklichen Wert hinaus hochgetrieben würde. –

Die vielen Neffen und Nichten des Testators sind sämtlich bedacht, aber eben wegen ihrer großen Anzahl ist auf den einzelnen nicht allzuviel entfallen.

Einige von ihnen wollten das Testament anfechten, da der Erblasser nicht mehr zurechnungsfähig gewesen sei. Sie ließen aber auf Anraten sogar ihrer Anwälte davon ab. Denn das Testament selbst widerlegte ihre Behauptung durch seine sieghafte Klarheit. –

Der boshafte Kobold oder Dämon, der Brinkmeyer bei Lebzeiten so oft geärgert hatte, gab sich selbst nach seinem Tode nicht zufrieden.

Auch der ärgste Feind Wilhelm Brinkmeyers 455 könnte nicht behaupten, daß zu seinen Fehlern ein Hang zum Geldprotzen gehört hätte. In seinem Testament äußert sich aber so etwas wie eine posthume Protzerei. Er hat nämlich verfügt, daß in dem großen Park, den er noch selbst neben dem Brinkmeyerschen Hause angelegt hat, ein Familienbegräbnis eingerichtet werden solle, das er natürlich eingeweiht hätte.

Das nun wollten die Behörden aus irgendwelchen Gründen nicht genehmigen.

Die Testamentsvollstrecker glaubten seinem für diesen Fall zu vermutenden Willen gemäß zu handeln, indem sie den Sarg schlecht und recht auf dem Friedhofe des Dorfes in die Grube senkten.

Der Zufall – oder jener feindliche Kobold – fügte es aber, daß unser Brinkmeyer gerade gegenüber dem Lehrer Warnecke zu liegen kam.

Wenn sich nun die Toten erheben, um der Aufforderung der Posaune zu folgen, an die Brinkmeyer im Leben oft und dann immer mit einem leider nicht unberechtigten Mißbehagen gedacht hat, muß er gleich beim ersten Aufstehen mit dem verhaßten Ohrenbläser zusammenprallen.

Aber es ist anzunehmen, daß diese Begegnung für den armen Schulmeister viel unangenehmer sein wird, als für den andern Teil. Denn Wilhelm Brinkmeyer wird gewiß nicht zögern, seine Gefühle auf das Kräftigste in einer zweieinviertelstündigen Rede auszusprechen, und die wird sich unzweifelhaft in den allerverwegensten Einschachtelungen aufbauen.

 


 


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