Rudolf Huch
Wilhelm Brinkmeyers Abenteuer
Rudolf Huch

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Das siebte Kapitel

Wie mir von Freundschaft geträumt hat

Grade als ich dermaßen wüstete, daß sich die Sache so oder so überschlagen mußte, erlebte ich etwas, das mir völlig neu war und das ich auch nicht zum zweitenmal erlebt habe. Wäre das Erlebnis nicht so rasch vorübergezogen, so möcht ich wohl sagen, das war Gottes Hand.

Will's aber von Anfang an erzählen, wenn auch ungern.

Eines Morgens saß ein Neuer in der Klasse.

Weiß nicht, ob's heute anders ist. Damals war von keinerlei Einführung die Rede. Wer neu aufgenommen wurde, kam zu gehöriger Zeit herein und war da. Man mochte sehen, wie man sich miteinander abfand, die Klasse mit dem Neuen und er mit ihr; welches letztere wohl ungleich schwieriger gewesen sein mag.

Ich saß nicht in seiner Nähe und sah ihn mir von weitem darauf an, ob er wohl für uns Sachsen zu gebrauchen wäre.

Es war ein sauberes Kerlchen, einen halben Kopf größer als ich, was nicht viel sagen wollte, und so schmächtig, wie ich stämmig. Ganz 67 helles Haar und eine weiße Haut, die sich, wie ich bald beobachtete, flüchtig rötete, wenn er vom Lehrer gefragt wurde, obwohl er ganz ruhig dabei blieb, ja sogar seine Antworten in einer Art gab, die nicht grade ungehörig war, aber doch nicht üblich; es klang, als ob er sich mit einem Gleichgestellten unterhielt.

Mich kitzelte es schon nach dem äußern Anblick, das feine Bürschlein, das augenscheinlich aus einer sogenannten guten Familie war, zu einem trunkfesten Sachsen zu erziehen. Fast wild machte es mich aber, als ich seinen Namen hörte: Kattenhausen! Dachte erst, ich müßte mich geirrt haben, aber nein, klar und deutlich wurde er aufgerufen: Kattenhausen!

In der Pause lief ich zum Pedell, denn der wußte alles und wir waren einander verpflichtet: der Pedell für Zigarren und massivere Gaben, ich für kleine Gefälligkeiten, die einem Manne in dieser Stellung immer möglich sind, nur freilich niemals erlaubt.

Richtig: der Neue war ein Graf von Kattenhausen. Seine Eltern waren gestorben und er war hier bei einem alten Herrn in Pension gegeben, der kein Graf, sondern nur ein Freiherr, aber irgendwie mit ihm verwandt war.

Ich machte große Augen und merkte gar nicht, daß der Pudel immer weiter schwatzte. Kam auch zu spät in die Stunde und mußte immerfort nach dem kleinen Grafen hinsehen. Denn klein kam er mir vor, obgleich er größer als ich war.

68 Ich besann mich dunkel, daß mir mal jemand von einem mächtigen Grafengeschlechte erzählt hatte, das unweit von uns, oben auf dem Brinke, eine Burg oder ein Schloß gehabt hätte und dem das Dorf zinspflichtig gewesen wäre. Der Jemand, es wird wohl die Großmutter vom Vater her gewesen sein, hatte mir auch sonst noch irgendwas erzählt, aber ich konnte mich nicht mehr drauf besinnen. Von dem Schlosse oder der Burg war keine Spur vorhanden, der ganze Brink war Acker.

In den Pausen beobacht ich, wie sich der Graf mit seinen Nachbarn ganz freundlich unterhält. Gehe wie zufällig vorbei und höre, wie sie ihn Kattenhausen und du anreden. Ich denke mir, das ist nicht der rechte Ton, ich werde mich nachher an ihn machen und ihm einen Begriff davon geben, was ein Platoniker ist. Denn er imponierte mir mächtig. Wir hatten zwar Adlige auf der Schule, aber keinen Grafen außer ihm, und es lag mir im Blute, daß ein Graf ein Mensch für sich wäre; und nun gar ein Graf von Kattenhausen!

Wenn nun einer den Mund auftut und schreit, dieser Brinkmeyer ist ja eine Lakaienseele, ein Kriecher vor dem Adel, so sollte er gerechterweise das Buch erst zu Ende lesen. Kann's aber auch bleiben lassen. So ein Kerl redet, wie er's versteht. Hier lag ganz was andres zugrunde. Uebrigens geht's keinen was an. Dies Kapitel schreib ich meinem lieben Freunde zum Gedächtnis, dem einzigen, den ich im Leben gehabt habe. 69 Will mir das Gedenken nicht durch Gequake von Fröschen verderben lassen.

Als die Schule vorbei war, richt ich's nun ein, daß ich hinter ihm hergehe. Er ist allein, ich überhole ihn, ziehe meine Mütze und sage höflich. Wie gefällt's Ihnen bei uns, Herr Graf? Die Leute neben Ihnen waren wohl 'n bißchen tappig. Haben nicht so die rechte Erziehung.

Er lacht übers ganze Gesicht, schüttelt ein bißchen den Kopf und sagt zuletzt freundlich: nennt man sich denn hier auf der Schule Sie?

Da fühl ich doch wieder, wie ich rot werde, und das hatt ich sonst schon lange verlernt. Recht wie ein Narr bin ich mir vorgekommen.

Er fängt nun an, sich mit mir zu unterhalten, als wären wir alte Bekannte. Was soll ich um den Brei herumgehn: kam mir fast wunderlich vor, daß er so schlicht kameradschaftlich war. Er fragte mich aus, wie man die einzelnen Lehrer zu nehmen habe, ich mußt aber immer denken, ob er wohl von den Kattenhausener Grafen abstammt, und zuletzt fragt ich ihn danach, indem ich hinzufügte, ich sei von einem Kattenhausener Bauernhofe.

Wir waren bei seiner Wohnung angekommen. Er sagte, komm doch mit auf meine Bude, und diese Einladung war mir wieder ganz verwunderlich.

Der alte Freiherr, bei dem er war, ein Vaterbruder seiner Mutter, konnte nicht gerade glänzend gestellt sein. Er wohnte mitten in der 70 Stadt, zwei Treppen hoch, und die Zimmer waren niedrig. Auch war mein Mitschüler nicht viel besser eingerichtet als ich. Nur daß hier und da das gräfliche Wappen angebracht war, imponierte mir und heimelte mich zugleich an, weil es mich an meine Sachsenkneipe erinnerte.

Dann fiel mir noch ein Spazierstock auf. Ein kaffeebraunes, ausländisches Holz. Eine Krücke, die in einen geschnitzten Kopf auslief. Das war ein wunderlicher Kopf. Er grinste. Man wußte nicht recht, ob Teufel oder Mensch oder Ziegenbock. Je länger ich ihn betrachtete, desto lebendiger wurde er und zuletzt ward mir sein Grinsen weiß Gott unangenehm, so daß ich ihn wieder in seine Ecke stellte. Der Graf sagte, der Stock habe schon dem Vater seines Urgroßvaters gehört und es knüpfe sich eine Familiensage an ihn. Er glaube nicht an derlei Dinge. wenn es mich aber interessiere, wolle er mir wohl einmal davon erzählen. Mich interessierte das nun sehr und ich glaube fest daran. Er hat aber nicht wieder davon angefangen und ich mochte nicht fragen. Daß aber der Stock eine Bedeutung für den Grafen von Kattenhausen hätte, das hat sich nur zu bald bestätigt.

Nun saßen wir auf dem Kanapee und rauchten Zigaretten, und das imponierte mir auch wieder, weil es etwas Neues war. Dabei erzählte er mir, daß sein Geschlecht wirklich aus Kattenhausen stammte. Wie ich nun weiter fragte, wo denn sein Stammschloß geblieben sei, war er ganz erstaunt, daß ich das nicht wußte. 71 Es war im Jahre 1525 von den aufständischen Bauern niedergebrannt.

In dem Augenblicke war mir doch wahrhaftig, als hätt ich das in ganz früher Kindheit miterlebt. Ich sah es so deutlich, als wäre es in der letzten Nacht geschehen: ein tiefer Graben und ein hohes Schloß, das brannte lichterloh. Aber dann war das alles weg und ich sitze am Ofen neben einer alten Frau, die erzählt schaurige Dinge von Blutgericht und gräulicher Marter.

Ja, sag ich, nun fällt's mir ein, die Großmutter hat's mir erzählt und auch, daß es übel abgelaufen ist. Muß ein Vers dabei gewesen sein – richtig:

Wie bekam uns das?
Wie dem Hunde das Gras!

Mein Graf spricht, grade als wollt er mich anklagen und auch gleich entschuldigen: Ach, ihr habt euch aufhetzen lassen. Unten im Fränkischen ist's angegangen. Die haben, glaub ich, Ursache gehabt, ihr nicht. Wir sind immer gut miteinander ausgekommen, ihr im Dorfe und wir oben.

Die Bemerkung, daß die Kerle da unten, die Franken, das ganze Unheil auf dem Gewissen haben, fiel ja nun natürlich auf keinen dürren Boden. Daß die Verantwortung, von einer höheren Warte aus, dem Barbarossa aufzubürden sei und daß es zuallerletzt an jenem Karl möchte hängen bleiben, den man fälschlich den Großen nennt, das wollte meinem Grafen freilich nicht 72 einleuchten, ja, um die Wahrheit zu sagen, er lachte darüber, daß er sich gar nicht beruhigen konnte.

Mir war aber nach diesem einen Gespräch, als hätt ich ihn jahrelang gekannt, ja als wären wir zusammen aufgewachsen.

Er seinerseits war immer gleich freundlich gegen jedermann, und ich glaube nicht, daß irgendeiner jemals ein unfreundliches Wort von ihm gehört hätte. Trotzdem wußte jeder, daß er mir näher stand als den andern. Warum soll ich es heute nicht sagen, wo er schon so viele Jahre in der Erde liegt: das galt mir als eine Auszeichnung und machte mich froh und stolz.

Ich erfuhr von ihm, daß er der jüngste von sechs Geschwistern war, und daß die fünf ältern allesamt gestorben waren, nicht etwa an einem erblichen Leiden, sondern der eine an der, der andre an jener Krankheit.

Mir wurde bange, als er mir das erzählte, ganz in seiner ruhigen Art, nur ein bißchen wehmütig. Die Weiber, Mädchen und junge Frauen, waren nämlich wie toll hinter ihm her, obgleich er nicht grade ein Adonis war, schrieben ihm überschwengliche Briefe, dichteten ihn an und bestellten ihn irgendwohin. Weiß selbst nicht, was grade die Frauenzimmer an ihm fanden. Aber wann könnte man das bei dem Volk jemals sagen! Genug, sie haben ihn verführt, nicht er sie. Daß es ihnen sehr schwer geworden wäre, will ich freilich auch nicht gerade behaupten. Puritanerblut hat er ja wohl nicht 73 von seinen Vorfahren mit auf den Lebensweg bekommen.

Er war nun zwar sehr darüber aus, daß seine Abenteuer verborgen blieben. Ich wußte aber zu gut Bescheid im Revier, als daß ich ihm nicht hinter die Schliche gekommen wäre. Nahm ihn mir denn vor und bat himmelhoch, er möchte doch auf seine zarte Konstitution Rücksicht nehmen. Da sprach er aber von was andrem, gleich als hätte er nichts gehört, und in einer Art, daß ich nicht wieder von der Sache anfangen konnte.

Du lieber Gott, wenn ich denke, was ich mir für Sorgen gemacht habe und wie anders ist es gekommen!

Seinen Ahnen war damals wegen des Aufstandes die Lust am Landleben gründlich vergangen, die Grafen von Kattenhausen waren seitdem Hof- und Kriegsleute gewesen. Er sagte aber, es sei kein rechtes Glück mehr beim Hause gewesen, vielmehr sei es langsam aber stetig bergab gegangen. Die Güter seien allmählich verkauft worden und das Geld sei zerronnen.

Nun war das ganze Geschlecht im Mannesstamme ausgestorben, bis auf ihn. Er machte kein Hehl daraus, daß er keine Aussichten im Leben hatte, außer seinem Namen. Sein Vater war Oberst gewesen und hatte keinerlei Vermögen hinterlassen.

Demunerachtet hab ich ihn niemals anders gesehn als heiter. Auch hinwiederum fiel er niemals aus der Rolle, wie es uns andern wohl geschah, bis auf ein einziges Mal. Wollte Gott 74 es wäre auch das eine Mal nicht geschehen! Wäre wohl was andres geworden aus meinem Leben. Ich glaube, er ist, abgesehen von meiner Kindheit, der einzige Mensch gewesen, der jemals Einfluß auf mich gehabt hat. Oder wenigstens der einzige männlichen Geschlechts.

Gelang mir nun bald, ihn zum Eintritt bei den Sachsen zu bewegen. Da wurde alles anders bei uns. Ueber unser feierliches Gebaren lachte er, und ich, von dem die andern erwarteten, ich würde dies Lachen fürchterlich ahnden, ich mußte mitlachen. Weiter bewirkte sein Eintritt, daß es niemals mehr wüst bei uns zuging. Wenn es bei mir ja einmal so werden wollte, stand er auf und sagte in seiner freundlichen Art: Die von Kattenhausen gehn heimwärts, und ich ging mit.

Hätte er verlangt, ich sollte ganz und gar solide werden, so hätte er nichts erreicht. Indem er mitmachte, was verboten war und blieb, erreichte er, was er wollte.

Ich für mein Teil habe, wie ich heute zurückdenke, immer ein Gefühl gehabt, als wäre er mein Junker und ich sein Vasall, wie ich ihn denn mehr unwillkürlich als im Scherz Junker Hans nannte.

Schien mir, als hätt ich dafür zu stehen, daß ihm niemand zu nahe träte, und ihn herauszuhauen, wenn er ins Gedränge käme. Hat auch bei seinen Abenteuern nicht ganz an Gelegenheit dazu gefehlt, wovon aber hier nicht des weiteren die Rede zu sein braucht.

75 Was soll ich lange erzählen! Kennt ihn ja wohl kaum jemand unter den Lebenden, meinen Junker, und keiner fühlt mir nach, wie das war. Also zum Ende!

War wieder Spätsommer geworden. Ein Sonntagnachmittag war's.

Weiß selber, der Sonntag ist eine christliche Einrichtung und soll mir niemand nachsagen, ich wäre ein schlechter Christ. Aber das liebe Gotteswort ist doch nun mal aus dem Süden zu uns gekommen, und da unten liegt ja wohl den Leuten das Nichtstun mehr im Blute. Bei uns ist der Sonntag eine schwere Sache. Den Vormittag bringt man hin, aber der Nachmittag! Der liegt wie Blei auf den Menschen. Das junge Volk, beiderlei Geschlechtes, bildet sich noch dazu ein, es müßte was Besonderes geben. Das bleibt ja denn auch zumeist nicht aus, pflegt aber allerhand üble Folgen zu haben.

Ich ging also nun eines Sonntags nach dem Mittagessen ohne Plan draußen in der Villengegend spazieren. Fiel mir aufs Herz, daß der Sonntag von Rechts wegen das Beste in der Welt sein sollte. So wurde ich zum erstenmal im Leben von dem Zweifel gepackt, ob die Welt überhaupt was nutze sei. Geriet aber von da sehr wider meinen Willen auf den Gedanken, es möchte nicht um die Welt, sondern nur um mich so übel bestellt sein.

Unwillkürlich, gleichsam als erhofft ich da Schutz vor den bösen Gedanken, ging ich zu meinem Junker. Fand ihn vergnüglich auf dem 76 Kanapee sitzen und seine Zigarette rauchen. Er hatte mit seinem Onkel zusammen eine halbe Flasche Vive Cliquot getrunken, der damals, glaub ich, der einzig gängige Sekt in Deutschland war. Es wäre das Schönste, was man im Leben haben könnte, sagte er, ein Gläschen Schaum zu trinken und darauf bei der Zigarette seinen Träumereien nachzuhängen.

Nach solcher Beschaulichkeit war mir aber ganz und gar nicht zu Sinne. Junker Hans, sag ich, von den Träumen komm ich eben her, freilich ohne Sekt und Tabak. Wenn man aber träumt, man wäre nichts nutze auf der Welt, so ist eine viertel Flasche zu wenig. Weißt du nichts, was kräftiger anfaßt?

Nun wär er sicherlich viel lieber auf seinem Kanapee sitzengeblieben. Weil mir aber wirklich übel zu Sinne war und er mir das ansah, schlug mein lieber Junker vor, wir sollten ein paar Leute abholen und aufs Land hinauspirschen.

Wer war froher als ich! Kam doch mein ganzes Elend daher, daß mich der schäbige Schulmeister in Kattenhausen aus meinem angestammten Hofe herausgelistet hatte; so dacht ich, wenn ich nur erst wieder Landluft atmete, würde mir gleich besser werden.

Als wir um die Straßenecke bogen, sah ich, daß er seinen Stock nicht bei sich hatte, ohne den er außer der Schule nie aus dem Hause ging, und erinnere ihn daran.

Hätt ich doch nur das nicht getan. Aber was hilft alles Wenn. Was sein soll, schickt sich wohl, 77 hab ich meinen Vater sagen hören. Er war zeit seines Lebens ein schweigsamer Mann, mein Vater, aber was er sagte, darüber lohnte es sich, nachzudenken.

Ich habe späterhin ein junges Mädchen kennen gelernt, die war mit einer Schwester die Letzte aus einer alten Bürgerfamilie. Hatte just so lichtes Haar und eine so durchsichtige Haut wie mein Junker, ich habe sie auch nie anders als freundlich und heiter gesehen, und sie hat auch ihre Volljährigkeit nicht erlebt.

Mein Junker schüttelte den Kopf über seine Vergeßlichkeit. Ohne den Stock wollt er aber nicht gehen. Da ich so viel kräftiger war als er, lief ich zurück und muß ihm also das verfluchte Stück Holz selbst holen. Noch heute sehe ich den scheußlichen Kopf, wie er mich angrinste, als hätt er gewußt, daß seine Stunde gekommen war.

Mußte sich nun auch fügen, daß wir die Leute, die uns am Wege wohnten, alle zu Hause fanden und daß es lauter Helden von der Art wie Zech und Spahn waren. Sie waren auch alle gleich dabei. Faß allein erklärte, er könnte sich ebensogut aufhängen, denn bei der Hitze wäre ihm ein Schlagfluß gewiß. Das war das letzte Glied in der Unheilskette. Wird sich nachher zeigen.

Als wir nun erst einmal im freien Felde waren, wurde mir wirklich ganz anders.

Der Roggen stand hier und da schon in Garben. Der Weizen wollte bald reif werden. Es 78 war eine Lust, die vollen Aehren zu sehen, Feld bei Feld. Wir beide, mein Junker und ich, gingen voran und freuten uns. Denn er hatte Sinn und Verständnis für die Landwirtschaft.

Unser Dorf lag, wie Kattenhausen, hinter einem Brink. Oben blieben wir stehen und schauten über all den Segen, der ringsum ausgebreitet lag. Zuletzt sagt mein Junker ganz verträumt: Schade ist's doch. Warum habt ihr auch den Unsinn gemacht, damals mit euerm Aufstande!

Ja, sag ich, eine Mordsdummheit war's. Ist ein Jammer, daß man so was nicht ungeschehen machen kann. Wie oft habe ich mir das schon leid sein lassen!

Da lacht er hellauf und ich merke, daß wir Unsinn geredet haben und lache mit. So zogen wir lustig im Dorf ein.

Es waren zwei Wirtshäuser da, eins für die Kleinbauern und Handwerker und eins für die Schweren im Dorfe. Denn nirgends wird Reich und Arm strenger geschieden als auf dem Lande.

Wir gingen in das für die Schweren. Ein Teil schob Kegel, ein paar andre saßen im Garten und tranken Bier. Wir saßen nicht weit von ihnen. Nach dem langen Marsche durch Staub und Hitze tranken wir anfangs schneller als sonst. Ausgelassen wurde mein Junker. Betrunken ist er aber nicht gewesen, dafür will ich stehen vor jedermann und vor Gottes Gericht.

Saß da nun ein Bauer allein auf einer Bank, breit hingeflegelt, als gehörte es zum guten Ton, 79 möglichst viel Platz einzunehmen. Ein feister Protz, wenn auch nicht ganz ohne Gutmütigkeit, sofern ihm sattsam geschmeichelt wurde. Was denn augenscheinlich geschah. Solche Patrone sind aber natürlich grade die Wütendsten, wenn das Gegenteil geschieht.

Der Lümmel glotzt immerfort zu uns herüber. Ich mache noch meinen Junker auf ihn aufmerksam und will wetten, daß er der Reichste im Dorfe ist; ich kenne doch meine Bauern!

Junker Hans sieht ihn flüchtig an und nickt, und ich denke doch weiter nichts Arges.

Nun war es mal, wie das so geht, einen Augenblick still bei uns. Da ruft der Protz so recht gönnerhaft herüber: die jungen Herren sind wohl Primaner aus Neustadt?

Verzeihung, antwortet mein Graf höflich, das ist ein Irrtum. Wir sind Sophisten aus Mytilene. Ich habe wohl das Vergnügen, mit dem Herrn Apisstier aus Memphis zu sprechen?

Ich stoße ihn an und flüstre hastig, laß das um Gottes willen sein, Junker Hans, es kann uns übel bekommen! Er schüttelt den Kopf und lacht spöttisch auf, läßt aber von der Sache ab.

Die Bauern hatten das Wort Apisstier nicht verstanden und wußten überhaupt nicht recht, was sie aus der Antwort machen sollten. Mißtrauisch waren sie aber geworden.

Zum Unglück hatten sich unsre andern Kerle schon vollgetrunken. Grinsen und lassen den Herrn Apisstier hochleben. Ich sehe, wie die Bauern die Köpfe zusammenstecken. Die Sache 80 wurde ernst. Ich kenne ja diese Kumpane und weiß, daß es nicht viel gefährlicher ist, einen Bullen zu necken, als einen Bauern. Scherz versteht er nicht, sich mit Worten zu wehren ist er nicht imstande und so nimmt er gleich seine schweren Bauernfäuste, besonders, wenn er, wie in diesem Falle, schon was im Kopfe hat.

Das einzig richtige wäre natürlich gewesen, daß wir uns still verzogen. Ich hätte das auch durchgesetzt, wenn es mir nur eingefallen wäre. Meinen Junker wußte ich zu nehmen und die andern hätten sollen Order parieren; waren's nicht anders gewohnt.

Warum es mir nicht eingefallen ist, da es so nahe lag? Weiß nicht. Was sein soll, schickt sich wohl.

Stehe also auf und halte eine Rede, wie schön hier die Felder ständen. Weil ich nun was von der Sache verstand und weil es mir vom Herzen kam, gefiel es den Bauern. Schloß damit, daß ich meine Leute aufforderte, auf das Wohl der Landwirtschaft und ihrer hier anwesenden Vertreter einen Salamander zu reiben; was denn auch nach der Kunst geschah.

So war einstweilen alles in Ordnung. Da kommt der Kellner mit seinem Brett und bringt für jeden von uns einen Schoppen Bairisch. Der Protz ruft herüber: Ich habe mir eine kleine Ueberraschung erlaubt, lassen die jungen Herren sich's gut schmecken!

Mir war's auch nicht recht. Aber die Sache war gut gemeint, wir waren jung und er war 81 ein älterer Mann. Also ruf ich: wir danken und trinken aufs Wohl des gütigen Gebers.

Da sah ich mit wahrem Entsetzen, wie mein Junker ganz gelassen den Seidel nimmt, den der Kellner ihm hingesetzt hatte, und gießt das Bier auf die Erde.

Der Protz haut mit der Faust auf den Tisch, als ob ein Schmiedehammer niedersauste. Klang mir in den Ohren wie ein Paukenschlag, mit dem ein garstiges Konzert für uns einläutete. Denn es verstand sich von selbst, daß wir meinen Junker nicht im Stiche ließen, und die Schlacht war von vornherein verloren. Hans war schwipp wie ein Husarenleutnant, aber nicht kräftig. Die andern Kerle waren freilich voller Mut, nämlich dermaßen betrunken, daß sie nicht mehr sicher auf den Beinen waren. Was sollt ich allein mit all meiner Bärenkraft gegen eine Rotte wütender Bauern ausrichten?

Unsre Rettung war, daß es nicht sächsische Bauernmode ist, kurzab vom Leder zu ziehen. Sondern die Sache muß ihre gehörige Einleitung haben. Rückt also einer drüben seinen Stuhl nach uns um, daß er uns breit gegenübersitzt, und fragt, ob der eine Herr kein Bier möchte. Nun wußt ich genau, wie die Sache gehen würde. Sie fragten noch ihre fünf Minuten so fort, und wir mochten reden was wir wollten oder schweigen, sie drehten's immer als Beleidigung und fielen über uns her.

Ich stehe auf, gehe hinüber und rede mit ihnen. Der junge Herr sei ein Grafenkind und sei 82 allerdings das Bier nicht gewohnt, es möcht ihm schon ein wenig zu Kopfe gestiegen sein. Half nichts. Sie stutzten und sahen wohl, daß er feiner Leute Kind war, aber sie machten gleich wieder finstere Gesichter.

So erzählt ich, daß ich vom Lande sei und bemerkte, daher hätt ich meine starken Arme, die mir wohl keiner ansähe. Das half noch weniger, sie lachten Hohn.

Da nahm ich einen von den schweren Gartenstühlen und mache so meine Kunststückchen damit. Das half. Sie glotzten wie die Uhus. Ein ungeschlachter Bauernsohn, der sicherlich als der stärkste im Orte bekannt war, erhebt sich und will's mir nachmachen, gibt's aber gleich wieder auf. Sie sind still geworden und wissen nicht, was sie sagen sollen.

Nun war's Zeit! Setze mich gemächlich wieder an unsern Tisch und sage ruhig, aber hörbar, es wäre wohl am besten, heimzugehen, da es sonst unterwegs dunkel sein würde. Zugleich rief ich dem Kellner zu, wir wollten zahlen.

Im stillen bedeutete ich aber die Meinen sehr ernst, daß wir in voller Ruhe abziehen und höflich, aber um Himmels willen ohne Uebertreibung grüßen müßten. Denn ich wußte, daß wir verloren waren, wenn unser Abgang wie ein Triumph oder wie eine Flucht aussah. Merkten mir zum Glück auch beide Teile an, die betrunkene Bande sowohl wie mein Junker, daß ich die Sache ernst ansah. Da sie nun wußten, daß es schlimm sein mußte, wenn ich besorgt war, 83 nahmen sie sich zusammen und es geschah, wie ich's wollte.

Herr Gott, atmete ich auf, als wir aus dem Dorfe heraus waren! Förmlich ausgelassen wurd ich. So hält einen das Schicksal zum Narren.

Dagegen war mein Junker verdrossen. Räsoniert vor sich hin von Pisans, denen man ganz anders hätte kommen müssen.

Ich faß ihn unter den Arm und sage: Junker Hans, sei froh, daß du deinen Schädel heil nach Hause bringst. Glaub mir, sie hatten's übel mit dir im Sinne.

Er sträubt sich ein bißchen, nimmt aber dann die Sache spaßhaft. Ich fasse gleichen Schritt mit ihm und singe zum Scherz mit meiner Blechstimme das alte Lied: Ich hatt einen Kameraden. Das galt uns als ein Kinderlied.

Ach wohl hatt ich einen Kameraden!

Wie die andern Kerle uns nun so sehen, denken sie, nach der Art Betrunkener, Junker Hans sei betrunken und müsse geführt werden. Der Besoffenste von allen torkelt heran und nimmt seinen Arm von der andern Seite.

So widerwärtig für einen Nüchternen ein Betrunkener ist, mein guter, lieber Junker läßt es sich gefallen. Nun stimmt die Bande einen Sang an, der damals Mode war, wenn ein Betrunkener mitgeschleppt wurde. Der Text hieß immer nur: Eine Leiche führen wir, eine Leiche führen wir, und wurde nach der Melodie Gaudeamus igitur gesungen.

84 So waren wir glücklich bis auf den Brink gekommen. Es dämmerte. Da die Gegend übrigens flach war, hatte man aber einen weiten Umblick. Ganz hinten nicht sehr weit von der Straße bewegte es sich auf der Landstraße gegen uns her.

Das sind die Pauker, behauptete einer von den Betrunkenen. Ich sage, fällt ihnen nicht ein, es ist eine Equipage. Die Kerle geraten aber aus ihrem tollen Jauchzen urplötzlich in eine wahre Todesangst. Sie drehen um, nach dem Dorf zurück. Wollt ihr euch lassen zu Schanden hauen? ruf ich. Da schrein sie: ins Feld, ins Feld, und wollen auch gleich ins Korn hinein. Das war nun gerade eine Weizenbreite, an der mein Junker und ich vorhin unsre helle Freude gehabt hatten. Stellen uns denn also auf, als hätten wir uns verabredet und halten die Kerle mit Wort und Tat zurück. Sie fallen diesmal aus der Todesangst in eine Berserkerwut. Das half ihnen natürlich nichts, aber man kam nicht vom Fleck, und wenn wir beide weiter gegangen wären, so wäre grade geschehen, was wir verhindern wollten.

So brauch ich denn all mein Ansehen, schnauze die Kerle an wie eine Hundemeute und erreiche wenigstens, daß sie zuhören.

Die Straße machte einen weiten Bogen. Erbot mich also, in Ackerfurchen hinüberzulaufen und festzustellen, was herankröche.

Das leuchtete den Kerlen ein und ich laufe, was ich laufen kann. Obwohl ich meiner Sache 85 von vornherein gewiß war, wollt ich doch als ein ehrlicher Sachse handeln und lief, bis ich die Equipage deutlich sah und sogar berichten konnte, wessen sie war: gehörte einem bekannten Rittergutsbesitzer.

Wär ich doch dies eine Mal ein kleines bißchen weniger ehrlich gewesen! Aber fort mit dem immerwährenden Wenn. Liegt sonst nicht in meiner Art.

Wie ich zurückkam, hatten die Kerle die ganze Sache vergessen. Standen herum und gafften nach dem Dorfe hinunter.

Da schießt es mir aufs Herz! Wo ist Kattenhausen? stoß ich heraus. Indem sehe ich einen Menschenhaufen vor dem Dorfe und höre Geheul.

Weiß nicht, wie ich den Brink hinuntergekommen bin. Mitten dazwischen bin ich und schlage um mich. Einzelnes hab ich nachher bei der gerichtlichen Untersuchung nicht angeben können. Mich hatte die rote Wut, die den Niedersachsen bisweilen packt, so selten, daß mancher alt wird und stirbt, ohne sie zu haben; ist aber dafür um so wilder. Kann sein, daß die Bauern das fühlten, weil die Wut in ihnen selber steckte. Kann sein, sie merkten, daß sie was angerichtet hatten. Kann schließlich auch sein, daß sie kurz und gut vor meinen Schlägen ausrissen. Denn es war mir einerlei, ob ich wen totschlug oder nicht. Genug, es hat schwerlich länger als zwanzig Sekunden gedauert, so liefen sie fort.

Mein Junker steht da und ist unsicher auf den 86 Füßen. Die Mütze haben sie ihm heruntergeschlagen. Blut rinnt vom Kopfe.

Ich setz ihn auf einen Steinhaufen. Der Dorfbach fließt ganz in der Nähe. Nehme sein Tuch und meins, halte sie ins Wasser, wringe sie aus und verbinde ihn. Der Schmerz verzieht ihm die Lippen, aber er lächelt mich an.

Hier konnten wir nicht bleiben. Fasse ihn um, hebe ihn auf und führ ihn, wie ein Kind, das gehen lernt. Derweil kamen die andern. Bande, sag ich in meinem Grimm, habt ihr Ehrgefühl? Nein, kennt ihr nicht!

Laß sie doch, flüstert mein Junker, und selbst das Flüstern machte ihm Pein, man sah's ihm an.

Die Kerle sind aber so betrunken, daß sie meinen Zorn für Ulk halten und nun erst recht glauben, Junker Hans wäre betrunken.

Ich wußte mir nicht mehr zu helfen. Wäre ein einziger nur halbwegs nüchtern gewesen, so hätten wir ja meinen Junker tragen können, aber sie waren alle bis oben hin voll. Ich dachte immer, wenn doch Faß mitgegangen wäre! Den hätte das Bier, das getrunken war, nicht umgeworfen. Ueberhaupt wäre alles anders gekommen, denn er mochte sein wie er wollte, er hätte meinen Junker nicht allein gehn lassen, schon aus Freude am Hauen.

Wie das Unheil gekommen ist, erfuhr ich erst nachher: Der Graf hatte wieder seinen Stock vergessen und den hat er holen wollen.

87 Meines Dafürhaltens hat er ihn auch wirklich geholt, denn das Wirtshaus lag nicht weit vom Eingange und ich war eine geraume Zeit fortgewesen. Ob er die Bauern nun aufs neue gereizt hat, oder ob es die alte Wut gewesen ist, verbunden mit dem inzwischen hintergekippten Alkohol, wer will das sagen! Sie haben nachher zusammengestanden wie Eidgenossen und nicht einer hat den andern verraten, so daß die Untersuchung hat müssen eingestellt werden. Das einzige, was man festgestellt hat, ist negativ: der Protz ist nicht dabei gewesen. Den hätt ich auch in all meiner Raserei erkannt.

Sie haben also meinen Junker überholt und geschlagen. Den Höllenstock, mit dem er sich wohl hat wehren wollen, haben sie ihm aus der Hand gerissen und was aus ihm geworden ist, hat man ebenfalls nicht ermittelt. Ist mir ein sonderbarer Gedanke, daß der Stock noch in irgendeinem Bauernhause vorhanden sein wird. Der Bauer pflegt sowas aufzuheben. Möchte das Satansholz auch diesem Hause Unheil gebracht haben!

Wie ich nun meinen Junker langsam vorwärtsbringe und mich um die Besoffenen nur so weit kümmere, daß ich sie von ihm abwehre, begegnet uns der Wagen von vorhin. Rufe dem Kutscher zu, er solle halten.

Der drin saß, stieg heraus. War der Besitzer selbst. Er war ein Baron und kannte meinen Junker. Sehe noch, wie er zurückfuhr, als er ihm ins Gesicht sah. Er ließ gleich den Kutscher 88 wenden und hieß ihn, im Schritt nach Kattenhausens Wohnung zu fahren.

So heben wir meinen Junker hinein. Der läßt alles geschehen und ist wie im Schlafe. Ich sitze neben ihm, er buckt sich an und fällt immer schlaffer in sich zusammen, so daß ich ihn halte wie eine Puppe. Es ist dunkel geworden. Niemand spricht eine Silbe. Mir saust's im Kopfe.

Draußen ist ein Lärm. Ich achte nicht drauf. Dann merk ich, daß ich immer dasselbe höre. Sind die Betrunkenen und sie heulen im Chor: eine Leiche führen wir, eine Leiche führen wir.

Nach einer Weile steigt der Baron aus, ohne halten zu lassen. Ich hör ihn was reden. Auf einmal ist alles still. Er steigt wieder ein. Wir fahren stumm weiter.

Zuletzt geht's über Pflaster. Der Wagen hält. Die Straße ist menschenleer. Wir steigen aus und tragen meinen Junker nach oben. Das Mädchen, das uns aufmacht, schreit wie besessen.

Wir bringen ihn in sein Zimmer und legen ihn aufs Kanapee. Der Mond schien und ich wußte ja auch Bescheid im Zimmer.

Dann bin ich allein mit meinem Junker. Setze mich ans Fenster und mag nichts denken und mich nicht rühren.

Dauert aber nicht lange, so kommt der Baron zurück mit einem Doktor, den ich kannte. Sie stecken Licht an. Der Doktor fühlt meinem Junker den Puls und legt das Ohr an sein Herz. Konnte aber auch nichts weiter sagen, als daß er tot war.

89 Ein trauriger Fall, meint er. War es nicht der letzte Graf von Kattenhausen?

Der Baron bestätigt das und dann gehn die beiden ab. Wollen mich mitnehmen. Ich will natürlich nicht. Sie haben dann erst noch mit dem alten Freiherrn gesprochen. Der hat sich aber nicht sehen lassen. Ich erfuhr nachher, daß er kein Blut und keinen Leichnam sehen konnte.

Nun mußt ich immer denken, daß mein Junker vor ein paar Stunden da gesessen und mir erzählt hatte, er habe Schaum getrunken. Kam mir vor, als wäre das Weltall auch nur ein Schaum, aber nicht von Champagner, sondern von trüben Fluten, die ohne Sinn und Ziel ins Bodenlose stürzten.

Nach einer halben Stunde kommt das Mädchen und fragt, ob ich was essen wollte. Ich schicke sie fort, schließe hinter ihr ab und blase das Licht aus. Sitze am Fenster und warte, bis in allen Fenstern auf der Straße das Licht verschwunden ist.

Denn ich hatte noch mit meinem Junker zu reden und das konnt ich nur, wenn ich allein mit ihm war in stiller Nacht.

So banne ich ihn fest auf der Erde und rede mit ihm ohne Worte, Seele zu Seele. Und sage: Mein lieber Junker, das ist nicht wohl getan, daß du mich allein gelassen hast. Muß nun durchs Leben gehn wie einer, der eine Felonie auf der Seele hat, und ist doch nicht meine Schuld, daß ich zu spät gekommen bin. Du weißt ja, wie mir zumute ist und daß dir wohler ist als mir. So 90 wollen wir's gut sein lassen und einander auch fernerhin Treue halten. Hab ich im Spaße gesungen, bleib du im ew'gen Leben mein guter Kamerad, so hat Gott gewollt, daß es sollte Ernst damit werden. Nun bitt ich dich, daß du mir drei Nächte hintereinander im Traume erscheinst, wenn es so weit ist, daß wir uns sollen wiedersehen. Denn ich fürchte sehr, daß ich ein wildes Leben führen werde, und möchte nicht gern mittendrin jählings abgerufen werden.

So hab ich mit ihm geredet, bis der erste Morgenschein aufdämmerte. Da entschwand mir seine Seele ins unbekannte Land. 91

 


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