Rudolf Huch
Wilhelm Brinkmeyers Abenteuer
Rudolf Huch

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Das achte Kapitel

Wie es wieder das alte Lied wurde. Auch wird nachgeholt, wie mein Junker und ich unter fahrend Volk geraten sind

Wie es nun besonders streng verboten war, Dorfkneipen zu besuchen, und wie man uns alle schon längst auf dem Striche hatte, machten wir uns auf das Aergste gefaßt. An mein ferneres Verbleiben in der Schule hätte gar niemand einen roten Heller verwettet. Denn man wußte ja auf der feindlichen Seite, daß ich in allen Stücken immer der Anführer war. Mir war's einerlei. Ich zankte mich im Geiste mit dem lieben Gott, fragte ihn, weshalb er mir denn diesen Freund gesandt hätte, der mir nun, da ich ihn nicht mehr hatte, wie mein guter Genius vorkam, wenn er nichts weiter beabsichtigt hätte, als ihn mir gleich wieder zu nehmen, und erklärte mich ledig der Verantwortlichkeit, sofern ich nun ganz auf die schiefe Bahn geraten würde.

Kam aber zunächst anders. Der Fall wurde natürlich untersucht und wir bekannten ebenso natürlich die Wahrheit, denn es blieb uns ja gar nichts weiter übrig. Als wir nun nach endlosem 92 Warten vor der Konferenz antraten, die unser Schicksal entschied, so hatte unser alter Direktor bleiche Wangen und ich nahm wahr, daß er geweint hatte. Hielt uns eine Rede, daß wir uns nach der Ordnung die allerschwersten Strafen, bis zur Entlassung aus der Schule, zugezogen hätten. Da aber der Fall so unsäglich traurig sei, und uns sicherlich und auch augenscheinlich aufs tiefste erschüttert habe, wolle man von jeder Bestrafung absehen, in dem Vertrauen, daß die Erschütterung uns andern Sinnes gemacht habe und dauernd nachwirken würde.

Ich weiß es vom Pedell, daß der alte Herr diesen Beschluß fast gegen sein ganzes Kollegium nach schwerem Kampfe durchgesetzt hat. Auch habe ich Grund zu der Annahme, daß es ihm, als die Sache auch gerichtlich untersucht wurde und gewaltigen Lärm erregte, nicht leicht geworden ist, sich wegen seiner Milde nach oben hin zu rechtfertigen.

Requiescat in pace! Er war nicht nur ein gelehrtes Haus, sondern hatte auch ein Herz, und integer vitae ist er zu Grabe gegangen; aber die Menschen hat er nicht gekannt.

Zuerst freilich, da war wohl keinem von uns, und mir natürlich am wenigsten, nach irgendwelcher Lust zu Sinne. Kann so drei bis vier Wochen gedauert haben, daß sich niemand in unserer Sachsenkneipe sehen ließ. Als ich dann aber eines Nachmittages trübselig in meiner kahlen Bude saß und nichts mit mir anzufangen wußte, denn auch die Wissenschaften und selbst die Flöte 93 waren mir verleidet, da freut ich mich, daß mein alter Faß mich aufsuchte und mit gewichtigen Gründen ermahnte, einmal wieder einen Sachsenabend zu feiern: wir wären keine echten Altsachsen, meinte er, wenn wir nicht unserm guten Bruder endlich eine Totenfeier bei kreisendem Trinkhorn bereiteten.

Die Feier wurde gehalten und zwar unter uns drei Altsachsen, denn von den andern, den gewesenen Franken, wollt ich keinen dabei haben. Wir taten auch wirklich manchen Heiltrunk meinem Junker zum Gedächtnisse, aber so recht innerlich war ich nicht dabei. Denn ich konnte mir nicht wohl verhehlen, daß diese Feier doch eigentlich gar nicht in seinem Sinne war. Hütete mich also, seiner mit ganzem Herzen zu gedenken, damit ich seine Seele nicht bannte. Er konnte ja noch nicht so heimisch in den jenseitigen Sphären geworden sein, daß ich ihn nicht hätte können ohne Gewaltsamkeit zu mir herüberziehen.

Was ist da groß zu erzählen! Bald fanden sich auch die gewesenen Franken wieder an und es war das alte Lied.

Der ganze Unterschied war, wenn ich ehrlich sein will, der, daß ich's noch toller trieb als je zuvor.

Es hatte immer in mir gelegen, daß mich unversehens unter den fröhlichen Kumpanen eine üble Laune befiel. Mußte finstern Blickes vor mich hinstarren, als wär ich allein mit bösen Geistern. Das war früher jedesmal die Wende zu einem wilden Zechen gewesen, nachher aber 94 der Zeitpunkt, wo mein Junker sagte, die von Kattenhausen gehen heimwärts.

Jetzt nun pflegte es, wenn mich der böse Geist befiel, zu geschehen, daß ich mit einer sonderlichen Lebhaftigkeit an meinen Junker denken mußte, dergestalt, daß es mich fast gewaltsam antrieb, in seinem Sinne zu handeln und nach Hause zu gehen. Aber es saß ein Teufel in mir, der sagte: Nun grade nicht! Hat er nicht sollen am Leben bleiben, so will ich auch danach handeln, daß ich ihn nicht mehr habe!

Solche Macht hatte dieser Teufel, daß ich mehr als einmal noch auf dem Heimwege umgekehrt und zum Jubel dieser Horde wieder in der Kneipe erschienen bin; wonach sich dann jedesmal ein besonders heftiges Pokulieren erhob.

Zwar blieb es nicht aus, daß mich oft der Zweifel überkam, ich möchte doch am Ende gegen den lieben Gott nicht in meinem Rechte sein. Wußte ja nicht, ob es vielleicht für Junker Hans aus irgendeinem Grunde eine Gnade war, daß er ihn früh zu sich gerufen hatte. Was konnte er dann aber mehr tun, als daß er mir sein Bild ins Gedächtnis rief, so oft ich zwischen ihm und dem Teufel zu wählen hatte?

Wenn ich das heute bedenke, find ich die Welt so beschaffen, daß es Gott mit meinem Junker in jedem Falle gut gemeint hat. Für mich aber war's vom Uebel. Könnte mit ganz anderm Behagen an diesen meinen Erinnerungen 95 schreiben, wenn mir Gott meinen Junker gelassen hätte.

*

Draußen in der Vorstadt war ein Sommertheater. Die Truppe spielte die Operetten von Offenbach und Possen mit oder auch wohl ohne Gesang, die zwar dummes Zeug waren, aber einen doch zum Lachen bringen konnten. Durch welchen letzteren Umstand sie sich vorteilhaft von dem unterschieden, was man heute mit gravitätischer Orakelmiene Komödie nennt.

Die Leutlein ließen sich aber auch vom Hochmutsteufel hinreißen, daß sie bisweilen ernste Dramen aufführten. Worüber noch zu reden sein wird.

Unser braver Direktor nun erlaubte uns Primanern den Besuch des Theaters, sofern klassische Stücke aufgeführt würden. Was aber unter klassisch zu verstehen sei, darüber äußerte er sich nicht.

Damals lebte mein Junker noch. Der war von seinem verstorbenen Vater häufig mitgenommen worden, wenn Offenbach gespielt wurde. In diesen Kreisen mochte man wohl anders über derlei Dinge denken, als die Bürgersleute und gar als ein Schulmeister.

Nun geriet mein Junker, ganz gegen seine Art und Gewohnheit, in einen grimmen Zorn gegen unsern guten Direktor. Alter Filzpantoffel war bei weitem die freundlichste von den Anrufungen, mit denen er seine Ergüsse einleitete. Eine übermütige Operette, ein Glas 96 Schaumwein und was sonst noch dahin schlägt, das war ihm der Himmel auf Erden.

Da er diesen Himmel nun nicht in der Wirklichkeit haben konnte, mußte er wenigstens davon schwärmen. War ihm nichts lieber, als wenn ich auf seinem Kanapee saß, Zigaretten rauchte und zuhörte, wie er mir Partien aus Offenbach vorträllerte, oder vielmehr so ziemlich die ganzen Operetten. Auch wippte und hüpfte er dabei, wie sie es auf der Bühne tun, und machte seine Sache so gut, daß ich sie leibhaftig zu sehn glaubte, Männlein und Fräulein.

Er war ein Edelmann von der besten Sorte, mein Junker Hans, tapfer und treu. In mancher Hinsicht versteht unsereiner sie nun mal nicht, die Aristokraten. Will um Himmels willen nicht sagen, daß sie nicht arbeiteten. Aber besser als bei der Arbeit kann ich mir die meisten von ihnen doch im Operettentheater und im Zirkus vorstellen.

Damals nun machte mir mein Junker den Mund wässerig und ich dachte mir bei der Sache, die mir ja ganz fremd war, einen Zauber wie Tausendundeine Nacht. Wo an wunderholden und höchst musikalischen Jungfrauen eben auch kein Mangel ist.

So sag ich eines Tages: Junker Hans, sag ich, heut abend geben sie Die schöne Helena und übermorgen Orpheus in der Unterwelt. Unser alter Herr hat uns klassische Stücke erlaubt. Ich für mein Teil halte Helenen für die Tochter des Priamus und Orpheussen für den uns aus der 97 griechischen Mythologie wohlbekannten Sänger. Kannst du dir Stücke klassischeren Inhaltes denken? Ich nicht.

Er lacht, schüttelt den Kopf und will nicht an die Sache heran. Aber seine Augen funkeln und das Nein fällt ihm bitter schwer.

Junker Hans, sag ich, was du mir in diesen vier Wänden vorgesungen und getanzt hast, das ist in meinen Sinn gefallen wie Wasser in ein Sieb. Weiß nicht ein Tüttelchen davon. Wenn uns ja ein Pauker sehen sollte, mögen sie uns kommen. Warum hat uns der Herr Direktor nicht gesagt, welche Stücke klassisch sind und welche nicht? Wir sind unsrer Unerfahrenheit zum Opfer gefallen, denn woher sollten wir wissen, daß es gerade auf eine schnöde Verhöhnung des klassischen Altertums abgesehen sei?

Er lachte wieder und sagt diesmal nur, er beneide mich um meine treuherzigen Augen und um meine Gabe, ein dummes Gesicht zu machen. Womit ich die Sache als abgemacht ansah.

Besorge denn also Billetts für uns beide. Ich hatte ja damals Kredit wie Heu, und mit meinem Junker war es in puncto pecuniae mißlich bestellt.

Nun will ich mich hüten, hier etwa die Theatervorstellung zu beschreiben. Das kann der Leser selbst erleben, denn es hat sich nicht so ex fundamento geändert, wie dem Publikum vorgeredet wird. Nur so viel will ich sagen, daß ich einigermaßen enttäuscht war. Kannte das ja schon durch die Vorführungen meines Junkers. 98 Da hatt's mir Spaß gemacht. Daß aber erwachsene Männer sich wie die Narren anzogen, sich in solchen Kostümen zur Schau stellten, wie die Böcke umhersprangen und einen ganzen langen Abend Blödsinn heruntermeckerten, den sie nicht mal selbst erdacht hatten, und daß man um dieses Blödsinnes willen ein großes Theater erbaut hatte, wenn auch mehrenteils nur aus Holz, das wollte mir ernstem Altsachsen als eine weibische Entartung erscheinen, als eine der unheilvollen Nachwirkungen jenes schwäbischen Rotbartes, der ja überhaupt unser deutsches Elend zu neunundneunzig vom Hundert auf dem Gewissen hat.

Die Weibsen aber lockten mich gar nicht. Vielmehr hielt ich dafür, wie ich damals beschaffen war, daß eine dralle Küchenfee, wenn sie leidlich hübsch wäre und sich sauber hielte, ein lieblicheres Vögelchen sei, als diese Weiber. Kann sein, daß sie mir besser zugesagt hätten, wenn ich nicht so scharfe Augen gehabt hätte. Sah eben gar zu deutlich, wie die Farben dick auf den Gesichtern lagen und nicht nur auf diesen, sondern auf allem und jedem, was an Weiberfleisch zu sehen war, und das war nicht wenig. Als ich die Personen nachher im Garten sitzen sah, wo sie Butterbrot und Bier verzehrten, sah ich dann von weitem, daß man so eine, wenn man etwa vertraut mit ihr geworden wäre, wohl gar leichtlich aus Versehen nicht liebster Schatz nennen würde, sondern liebe Tante.

Mein Junker aber fand das alles zum 99 Entzücken, nahm in Ermangelung einer der Feen meinen Arm, wandelte mit mir unter den Gartenlampen umher und schwärmte wie ein Tertianer, bis mir die Sache zuviel wurde und ich Durst bekam. Wie wir nun hinter unserm Schoppen sitzen, klagt er, daß er kein Geld hätte. Sonst würde er sich zu der Theatergesellschaft setzen und sie mit Champagner traktieren.

So leih ich mir denn am nächsten Tage einige Goldfüchse und gebe sie ihm. Sollte sie mir wiedergeben, wenn er seine reiche Frau hätte, von der er mir mal in leichter Bierlaune gesprochen hatte.

Ist mir heute noch lieb, daß ich meiner Art entsprechend nicht lange damit gezögert habe. War seine letzte Freude auf Erden, das Sommertheater.

Wir gehen also zusammen in den Orpheus und warten draußen, bis die Gesellschaft sich umgezogen hat. Ich war sehr gespannt, wie mein Junker die Bekanntschaft anknüpfen würde, denn ich war zwar keineswegs schüchtern, hatt aber nicht eine Ahnung, wie man so was anzufangen habe.

Da sie nun so ziemlich alle beisammen sind, nimmt er wieder meinen Arm, geht mit mir grade auf den Tisch zu, lüftet den Hut (denn Mützen trugen wir natürlich nicht) und stellt uns vor: Graf von Kattenhausen – Oberprimaner und Abiturient Brinkmeyer. Er mochte wohl für erforderlich halten, diese beiden Titel für mich vorwegzunehmen. Nun fragt er sehr 100 höflich, aber ganz gelassen, ob die Herrschaften erlaubten, daß wir uns zu ihnen setzten.

Weiß heute noch nicht, ob es der Grafentitel machte, oder ob sie derartiges gewohnt waren, genug, sie fanden offenbar nichts Auffallendes bei seiner Anfrage.

Kaum sitzen wir, ruft mein Junker den Kellner und bestellt Sekt, zählt auch gleich die Personenzahl ab, wegen der nötigen Gläser, als wäre das die selbstverständlichste Sache von der Welt, und so sieht's das Völkchen offenbar auch an.

Das war nun, als ob welke Blumen einen Regenguß bekämen. Dauerte nicht lange, so schrie und lachte alles durcheinander, Reden wurden gehalten, zumeist natürlich auf den Junker, und der immer, als gehört er dazu. Ich für mein Teil verhielt mich beobachtend. Kümmerte sich auch niemand um mich. Natürlich, da ein leibhaftiger Graf am Tische saß und Sekt zum besten gab! Das war ja nun freilich mein Geld, oder wenigstens meines Gläubigers, aber es war mir so ganz recht, denn ich gönnt's meinem Junker von Herzen, machte mir ja auch anfangs nichts aus den Weibsen, und die Männer kamen mir mit ihrer Lebhaftigkeit ohne Anlaß und Inhalt und mit der Beweglichkeit der glatten Gesichter, die jedes Ausdruckes fähig zu sein schienen, außer dem der ernsthaften Ruhe, nicht wie leibhaftige Männer vor, sondern wie Geschöpfe ohne die Gabe menschlichen Fühlens.

Die Sache sollte aber anders kommen. Als die Wogen schon hochgingen, kam noch eine, die 101 ich auf der Bühne nicht gesehen hatte. An jedem Tische ward es stille, als sie vorbeiging, und selbst die Komödianten hielten mit ihrem Gezauster inne und waren um sie herum.

Herr Gott, war das ein Weib! Eine Büste wie Hebe, ein Gang wie Diana und das Gesicht! Eine schnurgrade Nase. Kein Näschen, sondern eine Nase, wie ich sie mag, ziemlich groß, aber schmal und edel. Stirn, Wangen, Kinn, alles so vollkommen, wie auf den alten Griechenbüsten. Keineswegs eins der wohlbekannten Milch- und Blutgesichter, sondern die Grundfarbe erinnerte, möcht ich fast sagen, an altgewordenen Marmor. Doch war die Haut zart und entbehrte nicht des jugendfrischen Pfirsichschmelzes. Schwarze Haarwellen, denen man's ansah, daß sie dufteten. Dazu große, schwarze Augen, die ganz ernsthaft schienen, aber, das wußt ich im Nu, hinter denen ein rechter Dämon saß.

Da war's denn freilich vorbei mit meiner beschaulichen Ruhe. Das Frauenzimmer tat gewaltig hochmütig, was mir nicht übel gefiel. Auch der Grafentitel machte scheinbar keinen Eindruck auf sie. Setzte sich auf einen Stuhl, wo sie ihn kaum sah, ließ sich's aber freilich immerhin gefallen, daß ihr ein Glas Sekt eingeschenkt wurde. Woran sie allerdings hinwiederum nur nippte.

Ich konnt mir nicht helfen, ich glotzte sie an und sagte kein Wort. Schien zuerst so, als ob sie nichts merkte. Dauert aber nicht lange, da 102 hebt sie ihr Glas, winkt mir heimlich zu und nippt. Das fuhr mir in den Rücken hinunter! Trinke aus und sehe sie schmelzend an. Da merk ich, daß ihre Lippen zucken, sie hält ihr Tuch vor und lacht, was sie lachen kann. Denkt natürlich, ich säh's nicht. Ich bemerke aber nicht nur das, sondern auch, daß sie sich mit List so gesetzt hat, wie sie sitzt, und daß sie mit einer Gewandtheit, wie sie von allen Geschöpfen auf Erden nur solchen Teufelsweibern gegeben ist, mit meinem Junker Blicke tauscht, und das ohne hinterher zu lachen.

Ich denke, was sollst du dich lassen zum Narren halten, gehe nach Hause und lege mich zu Bett. Daß ich aber viel geschlafen hätte, könnt ich nicht behaupten.

Mein Junker war in den nächsten Tagen wie verhext. In den Stunden sah ich zwar bisweilen, daß er sich einen Ruck gab, aber das half immer nur auf Minuten. Wenn er gefragt wurde, mußt er sich besinnen, wo er war, und dann schwieg er, so daß die Lehrer den Kopf schüttelten und nicht wußten, was sie aus ihm machen sollten. In den Pausen saß er still verklärt da und man sah, daß er nicht gestört werden wollte.

Am folgenden Mittage, als die Schule aus war, gesellt er sich zu mir und hat was auf dem Herzen, bringt's aber nicht heraus. So sag ich: komm nur heut abend vor, es wird sich schaffen lassen. Denn sein Weg zum Theater führte an meiner Wohnung vorbei. Da standen ihm 103 gleich die Tränen in die Augen, daß ich mich nur schnell seitwärts verzog.

Den Abend fragt er mich ganz unbefangen, ob ich nicht mit ihm ginge. Ich sagt aber, ich hätte keinen Gefallen an der Sache gefunden, was ja auch im allgemeinen richtig war, und wandelte still in meine Kneipe.

Ging mir nämlich nicht viel anders als ihm, nur daß mir nicht selig, sondern unselig zumute war. Bekämpfte aber mein Weh als ein ernster Mann und Altsachse vermittelst des Trinkhornes, was mir für die Abende auch gelang.

Das Ende der Woche war schon jener höllische Sonntag. Der Leser weiß nun, welches Bild meines Junkers Sinn erfüllte, als er zum Abschied von dieser Erde Schaum getrunken hatte und seinen Träumereien nachhing. 104

 


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