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Wieder verging eine Woche. Nachmittags nahm er seine Schlittschuhe und ging allein aufs Eis.

Er will nicht mit mir zusammen sein, er meidet mich, ich fühle mich aufdringlich! sagte Richard zu Caecilie; – es ist ganz verrückt von ihm, daß er sich einbildet, alles Talent zum Musizieren verloren zu haben! – Dasselbe sage ich ihm ja auch stets! Aber er hört nicht auf mich. Was sagt er Ihnen denn? – Er läßt mich gar nicht ausreden und fängt sogleich von etwas anderm an.

Richard! haben Sie wirklich jemals viel von Enzios Talent gehalten? – Diese Frage war stark und von der Angst eingegeben. Caecilie war dicht zu ihm herangetreten und sah ihm in die Augen.

Ja! sagte Richard, schnell und instinktiv, mit fester Stimme. Caecilie atmete erlöst auf. – Sagen Sie ihm das selbst, bat sie eindringlich. – Das habe ich ihm oft gesagt, früher hat er es geglaubt, jetzt glaubt er es nicht mehr, jetzt würde er einem nur noch glauben, wenn man ihm alles, was ihm früher lieb war, in den Staub träte. – Sagen Sie es ihm trotzdem wieder, und immer wieder! Ihnen glaubt er ja doch am meisten von uns allen! Hören Sie – da oben fängt er wieder an. Was ist das nur? Seit gestern spielt er es. O, wenn das doch etwas Neues und Gutes wäre, was er jetzt schafft! – Das sind ein paar Takte aus meiner Symphonie, sagte Richard, der gelauscht hatte; – ich habe sie ihm neulich vorgespielt, da hat er einiges behalten und probiert es nun selber. – Wann ist der Tag der Aufführung? Er muß doch nun bald sein! Da soll Enzio mitreisen, mit uns allen. Das wird ihn zerstreuen! Und dann gehe ich mit ihm fort, er muß wo anders hin. Dies Leben geht so nicht länger. Haben Sie Angst, Richard? – Angst? wovor? – Vor der Aufführung! Wegen des Erfolges. – Richard lächelte: Darauf kann ich Ihnen keine rechte Antwort geben. Jeder Mensch will, daß sein Werk Erfolg hat; ich auch von dem meinigen. Aber wenn es damit nichts ist – den Glauben an mein Werk nimmt es mir nicht. – Und die Lust zu weiterem Schaffen, würde Ihnen die nicht getrübt werden? – Richard sah sie erstaunt an: Man schafft, weil man muß. Und wenn im Laufe meines Lebens zehn Werke von mir abgelehnt würden, so würde ich mit Notwendigkeit mein elftes schreiben.

Caecilie schwieg. Dann sagte sie: In Ihnen, Richard, wird sich das Schicksal so vollenden, wie ich es für Enzio geträumt habe. Enzio ist mein Sohn, aber – – sie verstummte, dann sah sie ihn mit festem Blicke an und sagte: Gehn Sie hinauf zu ihm! Alles ist wieder still dort oben. – Richard küßte ihre Hand und ging.


Nun, Enzio, sagte er, und bemühte sich, seiner Stimme einen frischen Ton zu geben – willst du dir meine Symphonie rekonstruieren? – Wieso? fragte Enzio mit leeren Augen. – Weil ich dich vorhin immer ein paar Takte daraus spielen hörte. Ein bißchen falsch, aber doch ganz gut behalten. Enzio starrte ihn an: Das war aus deiner Symphonie? Dann seufzte er tief: Also war das auch wieder nichts. Ich glaubte, es wäre ein Einfall von mir. – Sieh doch nicht so trostlos aus! Laß doch dieses Komponierenwollen um jeden Preis! Wir rufen die Einfälle nicht, sie rufen uns! Zerstreue dich! Nächste Woche reist du vor allem einmal mit uns aufs Musikfest, um mich zu trösten, wenn mein Werk durchfällt! – Ist es nächste Woche schon? fragte Enzio, beinah erschreckt. – Ja, und ich habe eine gewaltige Angst! Schließlich ist es doch keine Kleinigkeit. Du mußt mitkommen, an deinem Urteil liegt mir mehr als an allen andern. – Rede nicht so trivial, glaubst du, ich merke nicht, was du damit willst? Aber ich gehe nicht mit! Denk nicht, daß ich neidisch wäre oder einen Erfolg deines Werkes nicht ertragen könnte! Aber du mußt begreifen, daß der Gegensatz, den ich zu mir selber fühlen würde, zu furchtbar bitter wäre. Versuche nicht, mich umzustimmen – ich gehe nicht mit, das ist schon längst von mir innerlich fest beschlossene Sache. Ich bin zerschlagen genug. Sieh nicht so traurig aus, halte mich nicht für unfreundschaftlich, du weißt nicht, wie über alle Maßen trostlos und leer es in mir aussieht! Und wenn ich dich dagegen sehe! Du machst deinen Weg ganz still, niemand hat je ein Wort von dir über dich selbst gehört, – ja! ja! ich bin neidisch, maßlos neidisch, aber nicht auf dich, sondern auf das Glück, das dich so sehr beschenkt hat, während ich betrogen wurde. Gott weiß, von wo dir dein musikalisches Talent kommt. Woher meines stammt, das weiß ich leider: Ich bin der Sohn meines Vaters, und sein Schicksal sehe ich vor mir. Aber soweit lasse ich es nicht kommen. Ein Leben führen, wie er es tut, in einer seichten, halb resignierten Zufriedenheit – das will ich nicht! Und doch: Das Leben meines Vaters steht wie ein Orgelpunkt über meinem eignen Leben, auch sonst noch! – Wie meinst du das? – Das sind Dinge, die kann ich niemand sagen, ich fürchte mich, sie vor mir selber auszusprechen, aber ich habe Angst, daß sich alles schattenhaft in mir wiederholen wird.

Richard dachte, als er gegangen war, darüber nach, was Enzio mit diesen letzten Worten meine. Aber er erriet das Richtige nicht.

Enzio hatte so sehr den Glauben an sich selbst, an die Beständigkeit seiner Gefühle, an die Tiefe seines ganzen Lebens verloren, der Gedanke, er stehe gleichsam unter einem väterlichen Verhängnis, war so fest in ihm geworden, daß er Dinge als unentrinnbar voraussah, die noch als Fragen in der Zukunft schwebten.

Er konnte sich selbst nicht ändern, das fühlte er. Ein Schwanken, Treiben seiner Leidenschaften, ein treuloses Sichgehenlassen würde ihn sein ganzes Leben lang beherrschen. Wenn er einmal heiratete, so sah er ein Schicksal der Ehe voraus, ähnlich wie es seine Mutter getroffen hatte; ein Schicksal, so jammervoll, wie sie es all die vergangenen Jahre an der Seite ihres Mannes ausgekostet hatte, würde auch das Los des Mädchens sein, das er selber an sich band; ja, wahrscheinlich würde es noch viel trauriger, abstoßender sein. Er suchte diesen Gedanken zurückzudrängen, aber er meldete sich stets von neuem. Was war von seiner Liebe zu Irene, zu Bienle dauernd gewesen? Die Erinnerung an beide zerrte noch in ihm, und doch begann er schon wieder nach neuen Erlebnissen auszusehn, halb aus Verzweiflung, wie er sich einzureden suchte, und halb, weil seine Natur nicht anders konnte. »Der schöne Enzio« hieß er auf dem Eise. Wenn er sich zeigte, gab es Zank, Eifersucht und heimliche Intrigen unter den Mädchen. Und er konnte nicht anders: Wo er selber Schönheit zu sehn glaubte, da riß es ihn unwiderstehlich hin. Scham und Vorwürfe hinterließen solche Erlebnisse in ihm, aber er war widerstandslos geworden. In ruhigen Augenblicken hatte er dann einen Abscheu vor sich selbst. Was sollte aus ihm werden?

Als Richard ihn verlassen hatte, nahm er das Blatt, auf das er die Takte geschrieben, die nicht seine eigenen waren, zerriß es und warf es in das Feuer. Ihm folgten alle andern Versuche aus der letzten Zeit. Dann stand er vor seinen früheren Kompositionen, und plötzlich fiel ihn ein sinnloses Wüten gegen sich selber an. Alles, was er je geschrieben, erfüllte ihn mit Ekel und mit Abscheu, Stück für Stück zerriß er und warf alles in die Flammen. Nichts sollte übrig bleiben. Bei manchem zauderte er einen Augenblick. Fort! rief er dann, und es folgte den übrigen, bis nichts mehr da war.

Auf dem Grund der Lade lag ein versiegeltes Papier. Er wußte nicht, was es enthielt, es fiel ihm aber ein, während er es öffnete.

»Was wird heute über zehn Jahre sein?«

So lange, murmelte er, brauche ich nicht mehr zu warten, um das zu wissen. Genau so sprach ich damals, aber damals meinte ich es anders. Weg damit, ins Feuer.

Endlich stand er mitten im Zimmer und sah sich nach allen Seiten um. War noch irgend etwas übriggeblieben von der Vergangenheit? Alles war verbrannt.

Nun lagen die Jahre seines Schaffens wie ein leerer Raum hinter ihm, er fühlte sich fast ohne Körper.

War nichts, gar nichts übriggeblieben?

Das rote Buch! schoß es ihm durch den Sinn. Irene hat mich nicht gewollt, und nun soll sie auch das Buch nicht mehr behalten! Es muß zugrunde gehn mit allem übrigen.

Wenn sie es nicht mit sich fortgenommen hatte, so mußte er es finden. Der Diener würde ihn einlassen, der wußte nichts von allem, was sich ereignet hatte, es würde ihm leicht sein, unter irgendeinem Vorwand in Irenes Zimmer zu gelangen. Sofort verließ er das Haus.


Er stieg die teppichbelegte Treppe hinan. Ein gespenstisches Gefühl überlief ihn, wie er die Tür öffnete und in den Raum hineinsah. Der lag wie immer, als habe sich nichts geändert in der ganzen Zeit. Er schloß die Tür und stand bewegungslos, dann stürzte die Erinnerung in ihn zurück mit allem Schmerz, ein tränenloses Schluchzen durchbebte seinen Körper: Wenigstens atme ich noch einmal die Luft von ihrem Zimmer, ich sehe noch einmal den Raum, in dem sie wohnt, in den sie zurückkehren wird und den ich nun nie wiedersehn werde!

Aber er durfte nicht lange bleiben. Das Buch, dachte er, wo finde ich das Buch? Er wußte die Stelle auf Irenes Bücherbrett, wo sie es verwahrte, und er fand es. Nun mußte er es vernichten, so wie alles andere.

Er schlug noch einmal die letzte Seite auf. Da standen all die Noten, die er einst im Fieber schrieb, jene Musik, die ihm im Traum so unermeßlich schön erschien. Was war das? Unter der Seite standen mit Bleistift, von Irenes Hand, die Worte: Geschrieben von meinem Enzio, letzten Monat, als er bei mir im Fieber lag.

Er bedeckte diese Zeilen mit seinen Küssen. Sollte er das Buch mit fortnehmen, es für sich behalten?

Wofür? Wozu? Für welche Zukunft? Er nahm es zwischen beide Hände und zerrte; die Seide war stark, mit einem scharfen Laute rissen die Fäden endlich auseinander. Dann kniete er nieder, am Kamin, entzündete die Blätter, sah zu, wie sie sich krümmten und verzehrten, und stieß die verglimmenden Reste durcheinander, bis die Form des Buches unkenntlich zerstört war.

Jetzt wollte er noch einmal zum Garten gehn, zum Kastanienbaum, zum Fluß hinab, nach jener Stelle hinübersehn, wo er als Kind unter den Sträuchern lag. Und dann – – – was dann noch kommen sollte, wußte er nicht.


Fahl und winterlich lag der Garten. Die Bank, wo einst Irene saß, war mit Schnee bedeckt. Langsam stieg er nieder.

Er glaubte in eine stille Öde hinabzusehn, und sah auf eine schwarzbelebte Menschenmenge, die sich gleitend-stumm bewegte. Er hatte vergessen, daß der Fluß gefroren war, daß man hier Schlittschuh lief. Wie trostlos sieht das aus! dachte er; – diese Menschen glauben sich zu vergnügen, und alle laufen wie Gespenster durcheinander.

Enzio! rief eine frische Stimme, und ein Mädchen näherte sich dem Ufer, – Enzio, hier bin ich! Kommen Sie doch herab und laufen Sie mit mir, ich bin heut ganz allein! – Er schüttelte den Kopf. – Ach, Sie warten wohl auf Ihre Braut? Die wohnt doch hier? – Enzio schüttelte wieder mit dem Kopfe. – Nicht? Nun, dann um so besser! Kommen Sie herunter, hier unten an der Brücke gibt es Schlittschuhe!

Alles ist egal, dachte Enzio, jetzt gehe ich hinab. Sie empfing ihn mit einem freudigen Blick: Da unten, gleich, nur hundert Schritte von hier, bekommen Sie Schlittschuhe! Sie eilten zusammen zur Brücke, er setzte sich auf eine Bank, schnallte sich die Schlittschuhe an, dann liefen sie zurück, den Fluß hinauf.

Sie sind ja so still heute? Denken Sie, mein Verlobter ist verreist, für eine ganze Woche! – So? fragte Enzio gleichgültig und sah im Vorübergleiten an Irenens Haus auf jenen Strauch am andern Ufer, unter dem er als Kind lag, und der jetzt wie ein breiter Besen seine Zweige niederhängen ließ. – Ja! sagte sie, – und es ist gut, daß er nicht da ist! Sie wissen doch, wie eifersüchtig er ist! Geben Sie mir Ihren Arm!

Alles ist egal, dachte Enzio wieder, – dieses Mädchen ist jung und schön, alles andere ist mir gleichgültig.

Der Fluß machte eine Wendung, in der Ferne sah er jenen Baum, der seine Äste weit über die Wasserfläche sandte. – Mein Schlittschuh ist locker, sagte sie, als sie ihm näherkamen, ich muß ihn dort von neuem anschnallen.

Genau so hatte Irene gesprochen, als er hier mit ihr einsam lief.

Gehn wir also hin! sagte er; es ist ein bequemer Platz, ich habe dort früher schon einmal jemandem die Schlittschuhe angeschnallt.

Sie gelangten zu dem Baume. – – Sag meinen Namen – – – – so tönte die Erinnerung in ihm... Nein, sag du erst den meinen! – –

Er lachte: So wird es im Leben nichts, setz dich ein wenig tiefer; »Sie«, meine ich. – Sie hatte den Arm stützend auf seine Schulter gelegt: Nennen Sie alle Mädchen gleich beim dritten Male »du«? – Warum nicht? wenn ich merke, daß sie es gerne haben! – Drücken Sie mich doch nicht so, das ist nicht nötig. – Also sagen wir nun Sie oder du? fragte er, sah sie von unten an und wußte schon die Antwort. Er kannte die Wirkung seiner Augen.

Nichtsnutziger Mensch! Wenn du mich so ansiehst, dann kann ich doch nicht nein sagen!

Nichtsnutziger Mensch – hallte es in ihm wider. Sie liefen weiter, sie umschlang ihn fester. – Immer dasselbe, immer dasselbe, dachte er.

Eine ganze Woche ist mein Bräutigam fort! sagte sie nach einer Weile. Wenn er wüßte, daß wir uns »du« nennen – – Wo wohnst du? fragte Enzio. – Sie sagte es. – Wann kann ich dich besuchen? – Sie erschrak. Um Gottes willen, nein, so war es nicht gemeint gewesen! Dann hätte er wirklich Grund zur Eifersucht, und so ist es ganz harmlos!

Magst du mich nicht?
O doch.
Magst du ihn lieber?
Ich weiß nicht.
Magst du mich lieber?

Über Enzio kam das Fieber der Nebenbuhlerschaft. Er redete lange und heftig, und am Schlusse war es so, wie er es wollte. Sie sagte willenlos zu allem ja.

Im selben Augenblick war sie ihm gleichgültig.

Vor einer halben Stunde noch war er in Irenens Zimmer, erfüllt vom Schmerze der Erinnerung, und jetzt war er mit einem Mädchen einig, das ihm der Zufall in den Weg trieb, an das er noch niemals gedacht hatte.

Auf einmal packte ihn ein grenzenloser Ekel vor seinem ganzen Leben. Ich will nicht, dachte er, ich will nicht! Ohne ein Wort des Abschieds ließ er sie los, bald entschwand er vor ihren Blicken in der Ferne. Sie glaubte, er habe dort irgend jemanden gesehn, blieb stehn und wartete, bis er zurückkommen würde. Aber er kam nicht zurück.


Er lief weiter und weiter, nur in dem einen Wunsche: Fort von ihr, allein sein. Er flog unter den Brücken durch, die Menschen um ihn herum wurden weniger, es zeigten sich die breiten Wiesen, zwischen denen sich der Fluß hindurchwand. Das Eis ward dünner, klirrende Laute warfen die Ufer zurück, Enzio floh hindurch, vereinzelte Menschen sahen ihm erstaunt nach, Warnungsrufe kamen durch die Luft zu ihm – er hörte sie nicht.

Nur weiter, weiter!

Die Weiden am Ufer starrten, Enzio flog an ihnen vorbei, als wenn das Schicksal selbst ihn vorwärts triebe. Pfeifende Laute irrten den Grund entlang, er lief noch schneller, mit Anspannung aller Kräfte, er fühlte die drohende Gefahr, er biß die Zähne aufeinander und dachte: Mag es kommen wie es will – so oder so – mein Leben ist in jedem Fall vernichtet. Das Sterben ist nicht schwer, ich habe es schon einmal erfahren, ich fordere das Geschick heraus – – mag es jetzt tun was es will – selbst wenn ich noch einmal ein neues Leben anfangen könnte – – er vollendete den Gedanken nicht: Ganz dicht vor ihm drohte der unentrinnbare Untergang, in seine Augen trat die Todesangst, ein Ruck ging durch seinen Körper, er wollte die gewaltige Schnelligkeit, mit der er dahinflog, hemmen – – um ihn herum splitterte und krachte es, er stürzte mit der Stirn nach vorn, eiskalter Schmerz durchbohrte sie wie eine Speeresspitze, er fühlte wie er sank, fremde Stimmen rauschten, und die Wasser schlossen sich über ihm.


Es war ein stiller, schöner Juniabend. Auf einer Anhöhe, unter einem breitästigen Baume dicht neben einem weißen Hause saß Caecilie und sah in das sommerliche Land hinaus. Ihre Hand hielt eine andere gefaßt, beide Frauen schwiegen. Ihnen zu Füßen spielte ein kleines Mädchen mit den Blumen, die in dem Grase wuchsen. Caecilie sah gealtert aus.

Er hatte mich so lieb! sagte Bienle, in Erinnerung verloren.

Und nie hat er gewußt, daß du ein Kind von ihm unter dem Herzen trugst. Wie glücklich bist du jetzt! Aber was mußt du gelitten haben, als du es fühltest, zum ersten Male, daß du Mutter werden würdest!

Bienle sah erstaunt und still auf sie: Ich hatte nur den einen Wunsch, und wie ich fühlte, daß er in Erfüllung ging, da war ich glücklich, so glücklich wie ein Mensch nur sein kann. Da sagte ich ihm Lebewohl. Es ging mir schlimm, und in der Fremde war das Leben hart mit mir, aber jeder Tag brachte mich meinem Glücke näher, bis ich es endlich in meinen Armen hielt: Enzios Kind und mein Kind.

Caecilie schlang den Arm um sie: Dich hat er am liebsten auf der Welt gehabt, zu dir kehrten seine Gedanken zurück in den allerletzten Tagen seines Lebens, und jetzt bist du mein Kind geworden – o Bienle, könnten wir drei nicht zusammenbleiben?

Bienle erblaßte. Caecilie sah sie an und überwand das Weh, das über ihre Seele hinstrich. Voll Liebe blickte sie ihr in die Augen: Du willst allein bleiben mit deinem Kind, das fühle ich, und ich sehe es dir an: es muß so sein.

Bienle antwortete nicht. Sie legte den Kopf an Caeciliens Brust, und beide sahen in das Land hinaus, in dem die Sonne unterging.

Ende



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