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Die Sonne hing voll, als gelbe Kugel am Horizonte. Enzio lag im Grase, unter einem Fichtenstamm, und hielt ein hellblondes Mädchen in seinem Arm. Sie trug ein dünnes, weißes Seidenkleid und hatte Kornblumen an den Schläfen.

Hast du mich lieb? fragte er leise. Sie schlang ihren Arm um seinen Nacken und antwortete nicht. – Wir müssen immer, immer beieinander bleiben, flüsterte Enzio.

Aus großer Nähe tönte Festmusik und das Lachen froher Menschen. Er zog sie fester an sich. – Bienle! sagte er, hast du schon einmal einen Menschen geliebt? – Sie umschlang ihn fester und schüttelte leise mit dem Kopf. Was für ein zärtliches Paar! rief jemand vom Weg herauf. – Bleib ruhig liegen, flüsterte Enzio, es sind nur die dummen Menschen, die in der Tanzpause spazieren gehn.

Nach einer Weile richtete sie sich empor und sah in die untergehende Sonne, ernsthaft wie ein Kind, und der Schein überschimmerte golden den Schmelz ihrer Wangen, glitzerte in ihren hellen Augen, leuchtete in ihrem Haar. Ihre fest und kindlich gezogenen Brauen hoben sich ganz leise wie im Nachdenken, dann blickte sie wieder auf Enzio, und ihre Lippen lächelten, während ihre Augen ernst und träumerisch blieben. – Armes, süßes Kind! sagte er, hingerissen. – Warum denn arm? fragte sie erstaunt. – Ich weiß es nicht! rief er, aber du bist so arm! und sah sie fast ergriffen an. Sie verstand ihn nicht, und er verstand sich selber nicht. Er empfand eine tiefe und leise, schmerzliche Rührung für dieses einfache und süße Geschöpf.

Komm! sagte sie, wir wollen wieder etwas gehn! Sie erhob sich und ordnete ihr Haar. Er sah an ihr empor, er umarmte ihre Füße und ihre Knie und fühlte in zartem Rausch die Rundung ihrer Glieder.

Du mußt mir noch viel von dir erzählen! sagte er jetzt, als sie dicht nebeneinander hinschritten am Waldessaum: Hast du Geschwister? – Sie erzählte von ihnen allen, und schließlich mußte sie ihm ihr Stübchen beschreiben, bis in jede Einzelheit hinein, er wollte auch das Kleinste wissen. Und jedes Ding empfing in seinem aufnehmenden Herzen einen besondern warmen Schein. – Ich schenke dir ein schönes Bild, das hängst du über dein Bett, dann mußt du jeden Abend an mich denken, wenn du es ansiehst. Du mußt mir alles sagen, was du haben möchtest. Ich schenke dir auch einen Ring! – Sie sah ihn glücklich an, dann ward ihr Gesicht ein wenig traurig. – Woran denkst du? – Ich möchte dir auch etwas Schönes schenken, aber ich kann es nicht! – weil du kein Geld hast? – Sie nickte ein klein wenig. Er streichelte und küßte wieder ihre Hand. – Ich bekomme nur Taschengeld, dafür, daß ich die Wohnung bei uns in Ordnung halte. Und von dem Geld muß ich mir noch viel von meiner Kleidung kaufen. Manchmal will mir mein Vater gar nichts geben und sagt, es sei doch selbstverständlich, daß ich meine Arbeit tue. – Enzio ließ einen verstohlenen und liebenden Blick über ihr Kleid gehn. Es war geschmackvoll, aber billig. Und sein Auge, das einen natürlichen Blick für solche Dinge besaß, bemerkte jetzt, daß es wohl nicht von allem Anfang an so, wie es war, gewesen sei.

Vom Garten her tönte lautes Jauchzen und Geschrei. – Die Sonne ist herunter, jetzt zünden sie die Feuer an, so wie sie ganz verschwunden ist, sagte Enzio. Komm, wir springen dann hinüber. – Halt, nein, noch nicht. Ich muß erst noch ein Kränzchen winden. – Wozu? – Das zeige ich dir dann. – Sie band einen kleinen Kranz aus neunerlei Blumen, und als er fertig war, ging sie wieder zu dem Baum, unter dem sie gesessen hatten, und hängte ihn an einem Zweige auf. – Ich mag gar nicht zurück! sagte sie, die Menschen sind so roh. – Aber Enzio faßte sie an der Hand, sie liefen durch den Park, an der Musik vorbei und zu den andern.

Das waren meist junge Studenten, Schriftsteller, Maler und Malerinnen.

Ein junger Mensch mit einem schwarzen Zwicker und mit Fellen um die Beine stürzte auf Enzios Freundin los, wie er sie zu Gesicht bekam. Da bist du ja wieder, du blonde Hexe! rief er, und ehe es Enzio verhindern konnte, hielt er sie in seinen Armen und preßte die Hände um ihre Brust, als wolle er gleichsam das Symbol aller Fruchtbarkeit in bacchantischer Lust umarmen. Bienle wurde mit einem Male äußerst lebhaft: Laß mich doch aus! schrie sie und machte eine heftige Bewegung. Er mußte sie loslassen und verkündete mit norddeutschem Akzent etwas von norddeutscher Rauschunfähigkeit. – Ich? norddeutsch? Ich bin hier zu Hause, das kannst dir merken, du Preuß! – Den Kerl verhaue ich! rief Enzio und wollte auf ihn losstürzen. Aber der hatte sich bereits wieder in den dichtesten Schwarm geworfen und fand alsbald ein anderes Mädchen, das sich auch sogleich einladend-schwer in seinen Arm zurücksinken ließ wie eine lebendige Lagerstatt. Enzio starrte ihm erbost nach.

Komm, tanz mit mir! sagte Bienle; dann springen wir über das Feuer! Er umschlang sie, und beide vergaßen die wilde Welt, die um sie rauschte. Später saßen sie in einem Winkel, tranken Wein und hielten sich an den Händen. Die Dämmerung ward stärker, Fackeln und Lampions brannten. Die Musik artete in ein wildes Getöse aus, das sich stets in derselben Weise wiederholte. Die beiden wurden immer stiller. Sie hielten ihre jungen, heißen Körper dicht aneinandergepreßt.

Bienle, sagte Enzio nach einem langen Schweigen leise. Sie drückte sich noch enger an ihn. – Bienle, weißt du, was ich denke? – Sie sagte unsicher: Nein. – Ich kann es nicht sagen, und ich muß es dir doch sagen. Bienle, ich habe noch nie in meinem ganzen Leben ein Mädchen geliebt. Ich war noch nie mit einem Mädchen zusammen. – Sie ahnte, was er verschwieg. – Ich kann nicht mit dir gehn. – Hast du mich nicht lieb? – Sie faßte seine Hand. – Hast du mich nicht lieb? – O quäl mich doch nicht so! – Wir gehören doch zusammen! Ich fühle doch, wie lieb du mich hast! Und daß wir uns immer lieb haben werden! Weshalb kannst du nicht mit mir gehn? – Sie schwieg, dann sagte sie leise: Ich habe Angst. – Er sprach lange zu ihr, dann fragte er: Und sonst hast du nicht Angst? Sonst würdest du mit mir zusammen sein? – Das große Gewicht, das sich auf seine Seele gelegt hatte, war um vieles leichter. – Sie sah ihn erstaunt an; in ihrem Blicke lag die Frage: wenn ich dich liebe...?! Und morgen früh, sagte Enzio leise, nach einem Schweigen, sehn wir die Sonne aufgehn, draußen, hinter dem Wald bei mir. Bang wartete er auf ihre Antwort, und ein Schauer von Wonne überflutete ihn, als er ein leises Ja in ihrem Körper spürte. Er wollte sie küssen. Sie wehrte ab: Nicht – nicht hier, wo es die Menschen sehn.

Sie blieben nicht mehr lange. Jeder sah in den Augen des andern den Wunsch, fortzukommen aus dieser tobenden und lauten Menge.

In dieser Nacht lernte Enzio die Liebe kennen.

Es war noch dunkel. Er lag im Halbschlaf, was willst du? fragte er, indem er träumte, daß sie ihn leise küßte und sich von seiner Seite erhob. – Ich muß nach Hause, die Sonne ist noch nicht aufgegangen, alles ist noch dunkel. – Wann geht die Sonne auf? fragte Enzio mit schwerer Zunge. Er hörte ihre Antwort nicht. Sie stand am Fenster und sah hinaus; er selber stand neben ihr, und doch fühlte er, daß er im Bette lag. Eine grauseidene Nebeldecke war vor ihm ausgespannt, rosa und blauviolette Lichter gingen langsam auf ihr nieder, wurden stärker und verblaßten. Zugleich hörte er ferne Töne, wie wenn die Farben harmonisch abgestimmt in leisen Glockenschlägen klängen. Lange blieb dieses bewegte, mattfarbene, klingende Bild, und dazwischen hörte er wieder ihre Stimme: Wie kühl und frisch es draußen ist! O diese vielen, vielen Bäume. Er öffnete gewaltsam die Augen, dann erhob er sich wirklich und trat zu ihr ans Fenster. Fern hinter dem Walde lag ein grauer Streifen. Die Sterne funkelten schweigend, in unendlicher Höhe; alle Bäume standen reglos. – wir sind noch mitten in der Nacht! sagte Enzio leise und legte seine Hand um ihren Körper: Komm, geh mit mir zurück, dich friert!– – Es schien, daß lange Zeit verging, ehe er wieder fühlte, daß sie aufstehn wollte. – Bleib! murmelte er und umschlang sie fester. Bruchstücke von Träumen rauschten über ihre Seelen, sie wachten auf und schliefen wieder ein, und der Segen des Schlummers verdichtete sich voll und schwer in abgebrochene Minuten. Dann löste sie sich wieder aus seinem Arm, und wie er die Augen aufschlug, sah er sie vor seinem Bette stehn. Wie eine neue Traumerscheinung war das, aber dann warf er mit einem Ruck die Decke von seinem Körper und sprang mit beiden Füßen auf den Teppich. Er war ganz wach, gestärkt und frisch, er lief zum Fenster und sah hinaus. Der Streif jenseits der Bäume hatte sich gehellt, aber die Sterne funkelten noch wie zuvor. Sie kleideten sich an, und es war ihm eine Wonne, ihr zu helfen. Endlich kniete er am Boden und schnürte ihr die Schuhe zu, und wie er sich wieder aufrichtete, schlang sie schweigend und lange ihre nackten Arme um seinen Hals. Enzio bereitete ein Frühstück, dann verließen sie das Haus und traten in das Morgengrauen. Eine Wachtel schlug eindringlich und metallen ihren Ruf. – Horch! sagte Bienle und hob den Finger. Er aber hörte gar nicht auf den Ruf, er sah nur sie und ihre süße Gestalt, nahm sie in seine Arme und küßte sie in überströmender Dankbarkeit. –

Ob nun bald die Sonne aufgeht? fragte sie – o, ich möchte so gern die Sonne aufgehn sehn! – Ja, das wollen wir, du bist ja auch in einer Stunde noch immer früh genug zu Haus!

Sie nahmen den weg zum nächsten Dorfe hin.

Der Himmel war im Westen tief dunkelblauschwarz; jenseits des Horizonts lag noch die Nacht. Nach Osten zu war er allmählich heller. – Sieh! flüsterte Bienle, wie wundervoll! – Dort stand der Morgenstern und flimmerte wie flüssiger Diamant. Hoch im Himmel sang eine Lerche, aber sie blieb unsichtbar. Tiefe Nebel lagen in der Ferne, zwischen den Waldmassen, wie Seen; Hasen und Rehe huschten in den Feldern. Sie kamen zu einer riesigen Pappel, die der Blitz gefällt hatte und die schräg vom Fahrweg über die Wiese lag, graugrünlich im qualmigen Frühnebel.

Hier laß uns bleiben! sagte Bienle, und setzte sich mit ihm auf den Stamm. Milchwagen fuhren langsam auf der Straße vorbei, die Kutscher schliefen, die Pferde schienen auch zu schlafen. Krähen schrien oben in den Bäumen, das waren die einzigen Laute in der feierlichen Stille. Die Nebel begannen sich leise zu heben. Enzio sah und hörte dieses alles mit geschärften Sinnen. Es war, als habe er alle körperliche Schwere verloren, als sei seine Seele überklar, wie Gipfel im Hochgebirge, in reiner, dünner Tust.

Sieh, sieh, – o wie schön ist das! flüsterte Bienle von neuem. Dort oben im Himmel hing eine Wolke, die schon den Glanz der ungesehenen Sonne spiegelte, so scheinhaft matt, als leuchte sie in eignem, märchenhaftem Schimmer. – Bald muß die Sonne aufgehn, es kann nun nicht mehr fern sein! sagte Enzio. Beide hielten sich an den Händen und sahen still zum Horizont. Das Band ward immer heller, lichter, und verfloß nach Westen zu in das ungeheure Meer von Grau. Leise begann es an einer Stelle feurig zu bluten, der Glanz ward stärker, daß ihre Augen ihn kaum mehr ertragen konnten, und endlich ging die Sonne still und blendend auf; der Zauber der Nacht, des heimlichen und schönen Grauens war dahin, der zweite Tag war für sie angebrochen.

Nun müssen wir zurück! sagte Bienle nach einem langen Schweigen traurig, und wie sie sich zum Gehen wandten, fügte sie hinzu: Komm, pflück mir noch ein Zweiglein! – Er beugte sich zum Stamme nieder, aber sie sagte: Nicht von da unten, ich will eines von der allerhöchsten Spitze, – dann lief sie selbst an dem ungeheuren Blätterdickicht entlang und brach es von dem Wipfel, wo es noch vor kurzem keines Menschen Hand erreichen konnte, teilte es und steckte die eine Hälfte an Enzios Brust.

Er begleitete sie in die Stadt. Ein paar Menschen in Kostümen begegneten ihnen, sie kehrten jetzt erst von dem Fest zurück; ihre Gesichter sahen grau und übernächtig aus. –

Begleite mich nicht weiter! sagte Bienle, ich will nicht, daß dich vielleicht jemand sieht. – Aber es ist doch noch so früh! Wann sehe ich dich wieder? Sie dachte nach: Heut nachmittag! – So spät erst? Kann es nicht früher sein? – Nein, ich muß arbeiten. – Sie blickten beide unwillkürlich zur Seite, ob keine Menschen in der Nähe wären, und ihre halb geöffneten Lippen fanden sich wieder zu einem langen Kuß. Dann trennten sie sich und sahen sich nacheinander um. Schließlich blieb Enzio stehn, bis sie hinter einer Ecke verschwand.

Er ging nach Haus, in dem erwachenden Leben der Großstadt, und jetzt begannen seine Nerven sich abzuspannen, er hatte Bedürfnis nach Schlaf. Als er in sein Zimmer trat, blickte er sich um, dann murmelte er ihren Namen, inbrünstig und viele Male. Da stand noch die Tasse, aus der sie getrunken, da lag noch der Rest des Kuchens, von dem sie ein Stück abgebrochen hatte, und als er sich niederlegte, fand er ein langes, goldenes Haar; er hielt es gegen seinen Mund und suchte es zu küssen, das so quälend dünn war und seinen Lippen nicht die Empfindung von etwas Körperhaftem, Wirklichem zu geben vermochte. Er legte sich auf jene Seite, auf der sie selbst gelegen hatte, suchte sich einzubilden, sie sei noch da, und berührte, ehe er einschlummerte, mit den Lippen seine eigne nackte Schulter. Er schlief den ganzen Vormittag, nachmittags hatte er keine Ruhe zur Arbeit, und dann verstrich die Zeit immer langsamer bis zur Stunde, wo er sie wiedersehn durfte. Sie sahen sich nun fast täglich, und mit jedem Male wuchs seine Leidenschaft. Alle andern Menschen waren ihm gleichgültig geworden, der Tag hatte nur noch Sinn, soweit er sich auf sie bezog. – Ich begreife dich nicht, daß du so ruhig deine Arbeit tun kannst! – Ich muß doch! Und seit ich dich habe, tue ich sie viel lieber. Wenn ich etwas putzen muß, so bilde ich mir ein, du kommst später und siehst nach, ob ich es auch ordentlich gemacht habe. Meine Eltern sind jetzt viel zufriedener mit mir; ach, Enzio, und dazwischen halte ich es manchmal doch kaum aus vor Sehnsucht, und gehe nach dem Fenster und sehe, ob du nicht draußen auf der Straße stehst. – Ich?! Du willst doch nicht, daß ich das tue! – Nein, aber ich weiß, daß du es ja doch tust! Ich habe dich gesehn!

Enzio lernte diese Eltern und auch ihre Geschwister immer mehr durch ihre Beschreibungen kennen. Sie erzählte so von ihnen, daß es war, als wenn er sie fast vor sich sähe. Unwillkürlich gab sie ihrer Stimme einen andern Tonfall, einen andern Rhythmus, wenn sie den einen und den andern reden ließ, es war dann, als ob Geist und Bewußtsein in ihr wechselten; und durch all ihre Beschreibungen fühlte er eine große Liebe und ein starkes Zusammenhangsgefühl. Es gab manches Traurige, was sie erzählte, aber mitten drin lachte sie plötzlich leise auf, wenn ihr etwas Komisches einfiel.

Enzio sah sie voll innerer Wonne an, wenn sie so auf seinem Sofa saß und phantasierte, wenn ihre Augen, die lustig, ohne daß sie den Kopf bewegte, von einem Winkel des Zimmers in den andern gingen, sich endlich wieder in die Wirklichkeit zurückfanden, mit einem kindlich-süß-bewußten Blick auf ihn. Mitten in ihren Erzählungen unterbrach er sie wohl auch, wenn er sich nicht mehr zu halten vermochte, faßte ihre Hände und ließ sie halb auf ihren Schoß gleiten; er konnte sich nicht satt an ihr sehn, wenn die Abendsonne durch alle drei Fenster schien und drei helle Lichter in dem einen und dem andern ihrer Augen glitzern ließ.

Er schenkte ihr auch jenen Ring, den er ihr versprochen, einen ganz schmalen Goldreif mit einem kleinen Rubin darin. Und grade, wie er ihn an ihren Finger steckte, läutete es, und ihm ward ein Telegramm gebracht. – Lies! sagte er, nachdem er es überflogen hatte, es ist von meiner Mutter! Ach, alles habe ich vergessen, alles, – o, wie wird sie froh sein, wenn ich ihr jetzt schreiben werde, daß ich so glücklich bin! – Bienle wurde still. Schreibst du ihr das? fragte sie endlich. Enzio hatte ihr nie von seinen Angehörigen erzählt, unwillkürlich sah sie eine strenge Dame vor sich, die sie mit mißbilligenden Augen betrachtete. – Natürlich schreibe ich ihr das! Und wenn sie erst weiß, wie du bist, dann wird sie so froh sein, – ich weiß gar nicht, wie ich dich beschreiben soll, was sind denn alle Worte – o, ich sage dir: wenn sie dich kennte, dann würde sie dich so lieben, als wenn du ihre eigne Tochter wärest! was machst du denn für ein Gesicht, Bienle? Glaubst du mir nicht? – sie sah ihn zweifelnd an, dann nickte sie mit einem kleinen Lächeln. Der Brief, den Enzio an seine Mutter schrieb, ward lang und glühend. – Mir ist gar nicht angst um die Zukunft – so schloß er – es ist ganz klar und selbstverständlich, daß wir uns später heiraten werden, jetzt erkenne ich auch, daß ich Irene niemals wirklich geliebt habe. Du bist wahrscheinlich mißtrauisch und denkst, dies wäre wieder eine vorübergehende Neigung, wie meine früheren. Ach, wenn ich über alles so klar wäre, wie über das, was ich dir schrieb! Ich fühle mich so ruhig, so sicher, so glücklich wie noch nie in meinem Leben! Und so voll Dankbarkeit!

Caecilies erstes Gefühl war, wie Enzio es erwartete, eine natürliche Wärme für dieses Mädchen, das ihm Leib und Seele hingegeben hatte. Daß dies alles gekommen war, erschien ihr notwendig, und wie es gekommen war, über ihr Erwarten schön und rein. Aber sie dachte: was soll aus dem armen Kinde werden, das ihm glaubt und einer Zukunft entgegenlebt, die wahrscheinlich doch nicht eintritt? Schmerz und Kämpfe sah sie voraus, sie zweifelte an der Beständigkeit seines Gefühls, und wußte nicht einmal, ob sie sie wünschen solle; sie kannte das Bienle ja gar nicht, von diesen Bedenken sprach sie aber nichts zu ihm aus, in der Überlegung, daß ihn in seinem jetzigen Zustand solche Worte kränken und verletzen mußten. Sie freute sich nur mit ihm und schrieb am Schluß: Das einzige, was mich peinlich berührt, ist, daß ihr eure Liebe so geheim halten müßt, daß ihre Eltern nichts davon wissen dürfen. Aber ich verstehe, daß dies wohl notwendig ist.

Enzio sprach über dieses alles mit Bienle – nur von einem späteren, dauernden Zusammenleben sagte er nichts. Dies war ihm so selbstverständlich, daß er nicht auf die Idee kam, es noch besonders auszusprechen.



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