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Am selben Vormittag suchte der Kapellmeister Fräulein Battoni auf. Nun muß ich also wirklich Schluß machen! dachte er. Ich habe es Caecilie zweimal versprochen, und Enzio einmal. Hätte ich doch zu Enzio nichts davon gesagt! Hätte ich ihn nur von vornherein gleich anders und leichter angepackt, so wie ich später tat! Das war ihm doch augenscheinlich viel lieber! Merkwürdig, ich bin schon gar nicht mehr so wütend auf sie. Sie hat ja selbst gesagt: Er sei mir so ähnlich. Wie einfach ist doch ein Frauenherz!

Nun, Heinrich, ist alles erledigt? was sagt der kleine Enzio? war er recht geknickt? – Armida, ich muß mich von dir trennen! Bitte, setz dich nicht auf meinen Schoß! – Du kannst dich ja gar nicht von mir trennen! sagte sie lachend und streichelte seine Backe. – Bitte, geh herunter, ich kann sonst nicht mit dir reden. – Er versuchte sie herabzudrängen, aber sie war viel zu schwer. – Stell dich doch nicht so an, das glaubt dir ja doch keiner. – Armida, ich flehe dich an: Geh von meinem Schoß herunter! – Sie tat es. – Ich muß mich von dir trennen! wiederholte er dumpf und starrte vor sich hin. – Schön, sagte sie. – Schön? Du sagst schön? – Ich glaube es dir ja doch nicht. – Er sah sie mit einem unsichern Blick an. Halte mich nicht auf! sagte er, ich kann nicht bei dir bleiben! – Nun? fragte sie, da er sich durchaus nicht rührte. – Ich sagte dir bereits: Ich muß mich von dir trennen! – Das sagst du nun schon zum dritten Male. – – Ja, und es muß dabei bleiben. Ich muß dich diese Minute noch verlassen! Armida! Hast du kein Wort des Bedauerns? Ich meine damit nicht, daß dann alles wieder gut ist – ich habe es ja zu Haus versprochen, daß ich mich von dir trenne! Ich muß doch dies versprechen halten! – Armer Mann! sagte sie: warte, ich will dir die Ausführung etwas leichter machen, steh bitte mal auf! – Er tat es, sie reichte ihm den Arm und führte ihn durchs Zimmer. – Was willst du denn? – Nichts, lieber, guter Heinrich, als dir den Abschied erleichtern. Du mußt wenigstens so tun, als ob du tätest, das sehe ich vollkommen ein! Wo bleibt sonst der Respekt vor sich selber? Schließlich können wir uns auch einmal ein bißchen trennen, hinterher hat man sich dann um so lieber. – Nein, niemals! Das muß vorbei sein. – Also gut, dann ist es eben vorbei. Leb wohl, vergiß mich nicht! Morgen früh sehen wir uns doch in der Probe wieder? Grüß deine Frau und sag ihr, wie unerbittlich hart du zu mir warst, wie ich erst untröstlich gewesen sei, dann aber langsam meine Fassung zurückgewonnen hätte! Vielleicht erzählst du mir einmal, wie sie es aufgenommen hat.

– Unten auf der Treppe drehte der Kapellmeister plötzlich um, stieg die Stufen zurück und läutete wieder. Fräulein Battoni öffnete persönlich. Armida, sagte er mit verändertem, gewaltsam energischem Ton, solltest du denken, daß es mir diesmal nicht ernst wäre mit meinem Entschluß, so bist du in einem großen Irrtum. Ich weiß, was ich für Pflichten habe, und mein Wille ist eisern, wenn er einmal etwas beschlossen hat; weiter wollte ich nichts sagen: Verhalte dich danach, wenn ich vorhin nich ganz so energisch gesprochen habe, so macht das die Erinnerung an die Vergangenheit. Aber die Vergangenheit ist aus, und jetzt beginnt ein neues Leben. Gott sei Dank! dachte er draußen auf der Straße, daß ich endlich die richtige Sprache gefunden habe, das hat ihr imponiert!

Es war schwer, sagte er zu Caecilie, aber es ist geschehn.

Caecilie glaubte von Anfang an nicht, daß seine Veränderung von Dauer sein könne. Sie dachte: Wozu soll ich mich an einen bessern Zustand gewöhnen, der wieder aufhören wird, sobald ich mich an ihn gewöhnt habe? So blieb sie in jener kühlen Herzlichkeit, die sie durch Jahre hindurch gezeigt hatte. Enzio, der nun mit viel wacheren Augen als früher auf seine nächste Umgebung sah, merkte dies, und manchmal, wenn er mit Caecilie allein war, schlang er seine Arme um sie und küßte sie, halb in Mitleid um das Verflossene und halb im Glauben, nun sei alles wieder gut.

Damals, an jenem Abend, hatte er gesagt: Ich kann meinem Vater nicht mehr unter die Augen treten, – und nun schien es, als sei die große Erschütterung seines Wesens fast so schnell wieder vergangen, wie sie gekommen war. Sehr bald nach jenem Vorfall sagte er einmal: Morgen ist Fidelio. Gehst du nicht mit? – Caecilie schüttelte den Kopf. – Weshalb nicht? – Sie sah ihn an, mit einem sprechenden Blick. – Ach so ! Das finde ich aber übertrieben von dir! Man muß doch die Künstlerin von der Persönlichkeit trennen können! – Das werde ich auch wieder lernen, aber jetzt, diese Woche schon, das ist mir noch zu früh, wenn dem Gefühl dir anders rät, so begreife ich das nicht.

Sie sprach später noch mit ihm darüber. – Papa muß doch sogar täglich mit ihr zusammen sein! sagte er. – Da seufzte sie. – Alles Schlimme ist doch nun vorbei! meinte er tröstlich. – Aber ist dir denn nicht deine eigene Erinnerung entsetzlich? – Ach Gott, fang doch nicht immer wieder davon an! Man soll nicht so an schlimme Erinnerungen denken! Es hat keinen Zweck und macht einen nur unnütz melancholisch! Mir ist das Herz schon schwer genug, wenn ich daran denke, daß ich nun bald fortgehe! – Und erst konntest du die Zeit kaum erwarten. – Ja, aber du, und Richard, und Irene – ich glaube, ich halte es nicht aus ohne euch drei. Dir muß doch ähnlich zumute sein, wenn du daran denkst! – Ich? Ich freue mich für dich, denn ich weiß, daß zwischen dir und mir alles stets bleiben wird, wie es ist! Das gibt mir Kraft und Fröhlichkeit, dir Lebewohl zu sagen.

Bald darauf reiste Enzio ab. – –



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