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2. Kapitel.
Von den Namen

1. Wie zerfließend und flüchtig die Gedanken der Menschen sind, wie zufällig ihre Wiederholung, weiß ein jeder aus eigenster gewissester Erfahrung. Denn niemand vermag sich einer Menge ohne sinnlich wahrnehmbare und gegenwärtige Maßeinheiten, der Farben ohne ihre sinnlich wahrnehmbaren und gegenwärtigen Urbilder, der Zahlen ohne Zahlenbezeichnungen (die zuvor geordnet und dem Gedächtnis eingeprägt sind) zu erinnern. Ohne eine derartige Unterstützung entgleitet alles, was der Mensch erfahren und erschlossen hat, sofort und vermag nur in neuer Arbeit wiedergewonnen werden. Hieraus folgt, daß, um Philosophie zu treiben, irgendwelche sinnlichen Erinnerungshilfen notwendig sind, vermittelst derer vergangene Gedanken wieder zurückgerufen und in ihrer Ordnung im einzelnen gleichsam festgehalten werden können. Solche Erinnerungshilfen wollen wir Merkzeichen nennen und darunter sinnlich wahrnehmbare Dinge verstehen, die wir willkürlich gewählt haben, um durch ihre sinnliche Empfindung Gedanken in unserem Geist zu erwecken, die denen ähnlich sind, um deretwillen wir sie zu Hilfe genommen haben.

2. Aber das genügt noch nicht; denn möchte auch ein Mensch von hervorragendem Geist alle Zeit auf Denken und die Erfindung entsprechender Merkzeichen verwenden, um sein Gedächtnis zu unterstützen und so in der Erkenntnis fortzuschreiten, so ist ersichtlich, daß der Nutzen seiner Bemühungen für ihn selbst nicht groß und für die anderen gar nichts wäre. Sind nämlich die Hilfen, die er für sein Denken sich erfand, anderen nicht mitteilbar, so dürfte all sein Wissen mit ihm untergehen. Nur wenn die Erinnerungszeichen Gemeingut vieler sind und, was einer erfand, andere übernehmen können, vermag die Wissenschaft zum Heile und Segen des gesamten Menschengeschlechts zu wachsen. Daher sind für den Aufbau und die Vermehrung philosophischer Erkenntnisse Zeichen unentbehrlich, durch welche das, was einer erdacht, anderen mitgeteilt und klargemacht werden kann. Als Anzeichen aber pflegen Dinge, welche aufeinander folgen, wechselseitig füreinander verwendet zu werden, sofern wir die Erfahrung gemacht haben, daß eine Regelmäßigkeit in ihrer Aufeinanderfolge besteht. Beispielsweise sind dunkle Wolken Zeichen bevorstehenden Regens und der Regen ein Zeichen vorangegangener dunkler Wolken, und zwar lediglich deshalb, weil wir selten dunkle Wolken ohne folgenden Regen und niemals Regen ohne Wolkenbildung beobachtet haben. Von den Zeichen aber sind die einen natürlich, wovon wir eben ein Beispiel gegeben haben, andere willkürlich, nämlich die, welche wir nach unserem Belieben wählen; dazu gehören herabhängende Efeuranken, um einen Weinverkauf anzudeuten, ein Stein, um die Grenze eines Ackers anzugeben, und bestimmt verbundene Worte, um die Gedanken und die Bewegungen unseres Geistes zu bezeichnen. Der Unterschied zwischen den Merkzeichen und den Anzeichen liegt darin, daß jene nur zu eigenem Gebrauch, diese zum Gebrauch für alle bestimmt sind.

3. Sind menschliche Laute so verbunden, daß sie Zeichen für Gedanken bilden, dann heißen sie Rede, ihre einzelnen Teile Namen. Da aber, wie erwähnt, für den Erwerb philosophischer Erkenntnisse Merkzeichen und Anzeichen notwendig sind (Merkzeichen, um uns unserer eigenen Gedanken zu erinnern, Anzeichen, um sie anderen bekannt zu machen), werden die Namen zu beiden benutzt. Doch dienen sie ursprünglich als Merkzeichen, bevor sie als Anzeichen verwendet werden. Denn wenn nur ein einziger Mensch in der Welt wäre, würden sie zur Unterstützung seines Gedächtnisses ihm nützlich sein, während sie zur Mitteilung, wenn niemand da wäre, dem etwas mitgeteilt werden könnte, nicht dienen könnten. Außerdem sind die Namen, jeder einzelne für sich, Merkzeichen, die uns auch allein unsere Gedanken zurückrufen; Anzeichen sind sie dagegen nur insoweit, als sie in Sätzen zusammengefaßt und geordnet werden, deren Teile sie bilden. So erregt etwa das Wort »Mensch« im Hörer eine Vorstellung vom Menschen, ist aber (wenn nicht hinzugefügt wird: Der Mensch ist ein lebendes Wesen oder etwas Entsprechendes) kein Anzeichen dafür, daß im Geiste des Sprechenden gerade diese Vorstellung war, sondern nur, daß er etwas sagen wollte, das mit dem Worte »Mensch-lich« hätte beginnen können. Die Namen bedeuten daher nach ihrem Wesen in erster Linie Merkzeichen zur Unterstützung des Gedächtnisses; zugleich, aber in zweiter Linie, dienen sie, um unsere eigenen Erinnerungen anderen anzuzeigen und ihnen dadurch mitzuteilen.

4. Hieraus ergibt sich folgende Definition von Namen:

Ein Name ist ein beliebig als Merkzeichen gewähltes Wort, um in unserem Geiste Gedanken zu erregen, welche früheren Gedanken ähnlich sind, und das zugleich, einem Satze eingefügt und zu Anderen geäußert, ein Anzeichen dafür ist, welche Gedanken in dem Sprechenden vorhanden oder nicht vorhanden waren. In Kürze nur merke ich an, daß ich annehme, daß der Ursprung der Namen willkürlich ist, eine Voraussetzung, welche nach meinem Urteil keinem Zweifel unterliegt. Denn niemand, der beachtet, wie täglich neue Namen entstehen, alte vergehen, wie die verschiedenen Nationen verschiedene Namen gebrauchen, wie zwischen den Namen und den Dingen keine Ähnlichkeit oder Vergleichbarkeit besteht, kann ernstlich meinen, daß die Namen der Dinge deren Natur entstammen. Denn wenn auch einige Namen von Tieren und Dingen, die unsere Stammväter benutzten, Gott selbst lehrte, so hat er auch sie doch nach seinem Ermessen festgesetzt; auch wurden sie später, beim Turmbau zu Babel und auch sonst in fortschreitender Zeit, ungewohnt und vergessen und andere traten an ihre Stelle, absichtlich von den Menschen erfunden und von ihnen verwendet. Und endlich: welches immer der Gebrauch von Namen im gewöhnlichen Leben sein mag, die Philosophen, die anderen ihr Wissen mitteilen wollten, hatten doch stets die Freiheit, die Worte zur deutlichsten Bezeichnung ihrer Lehren nach eigenem Ermessen zu wählen; ja sie sahen sich bisweilen früher dazu genötigt und werden es auch künftig sein, sofern sie diese zu vollem Verständnis bringen wollen. So sind auch die Mathematiker ganz auf sich angewiesen, wenn sie die von ihnen erfundenen Figuren Parabel, Hyperbel, Cissoide, Quadratrix benennen oder Größen mit A oder B bezeichnen.

5. Da die Namen nach Definition als geordnete Satzteile Anzeichen unserer Vorstellungen sind, ist weiter klar, daß sie nicht Zeichen für die Dinge selber sind; denn in welchem anderen Sinne könnte der Schall des Wortes Stein ein Zeichen für den Stein sein, als indem der Hörer hieraus schließt, daß der Sprechende an einen Stein gedacht habe. Die Streitfrage, ob Namen die Materie der Dinge oder etwas aus ihnen Zusammengesetztes bezeichnen, und ähnliche Subtilitäten der Metaphysiker entspringen nur irrigen Vorstellungen; wer sich auf sie einläßt, weiß nicht, worüber er streitet.

6. Zudem ist es überhaupt nicht erforderlich, daß jeder Name der Name eines Dinges ist. Zwar bezeichnen Namen wie: Baum, ein Mensch, ein Stein Dinge selbst, aber ebensogut haben die Traumbilder von Mensch, Baum, Stein ihre Namen, obwohl sie lediglich Phantasmen und bloße Einbildungen von Dingen sind. Da wir uns auch ihrer erinnern können, ist sie zu benennen für uns nicht weniger erforderlich als die Dinge selbst. So ist auch das Wort »Zukunft« ein Name, aber ein Ding Zukunft gibt es nicht, und wir wissen nicht, ob das, was wir Zukunft nennen, einstmals sein wird. Gleichwohl hat das Wort seinen guten Sinn; gewohnt, im Denken Vergangenes mit Gegenwärtigem zu verknüpfen, bezeichnen wir nunmehr eine solche Verknüpfung mit dem Namen Zukunft. Auch was niemals ist oder war oder sein wird oder sein kann, wird benannt, nämlich als das, was niemals ist oder war usw. oder kürzer als das »Unmögliche«. Endlich ist das Wort »Nichts« ein Name, bezeichnet aber unmöglich ein Ding; und doch, wie nützlich ist das Wort, wenn wir beispielsweise 2 und 3 von 5 abziehen und um das Ergebnis, daß kein Rest bleibt, dem Gedächtnis einzuprägen, die Formel anwenden: nichts bleibt Rest. Aus gleichem Grunde können wir auch, wenn ein größerer Posten von einem kleineren abgezogen wird, den Rest als ein weniger als nichts bezeichnen; solche Reste fingiert nämlich der theoretische Geist und muß sie daher, um sie erforderlichenfalls benutzen zu können, gedächtnismäßig aufbewahren. Da aber gleichwohl jeder Name einen Bezug auf das Benannte hat, können wir doch, ob dieses Benannte nun in der Natur als Ding existiert oder nicht, es, um eine einheitliche Formel zu gewinnen, als Ding bezeichnen, gleichgültig, ob dieses Ding wahrhaft existiert oder nur vorgestellt wird.

7. Die Namen unterscheiden sich zunächst nun dadurch, daß die einen positiv oder affirmativ, die anderen negativ sind und teils als privativ, teils als unendlich bezeichnet zu werden pflegen. Positiv sind die, welche wir bei Ähnlichkeit, Gleichheit oder Identität, negativ die, welche wir bei Verschiedenheit, Unähnlichkeit und Ungleichheit betrachteter Dinge anwenden. Beispiel für die ersteren sind Mensch, Philosoph; denn Mensch bedeutet aus einer Menge von Menschen, da sie alle einander ähnlich sind, einen beliebigen von ihnen, wie ein Philosoph einen beliebigen aus einer Gesamtheit von Philosophen; ebenso ist Sokrates ein positiver Name, da er stets ein und dieselbe Person bezeichnet. Beispiele negativer Namen sind etwa die, welche aus dem Positiven durch Hinzufügung der Verneinung »nicht« entstehen, wie Nichtmensch, Nichtphilosoph. Die Positiven sind aber früher als die Negativen, da ohne sie deren Bildung nicht möglich wäre. War nämlich weiß zur Bezeichnung gewisser Dinge, später schwarz, blau, durchsichtig usw. für andere verwendet, dann könnten die Verschiedenheiten aller dieser Farben gegenüber dem Weiß, die an Zahl unendlich sind, nur durch eine Verneinung des Weißen, also durch nichtweiß oder einen äquivalenten Ausdrucke, in welchem das Wort weiß wiederholt wird (z. B. unähnlich dem Weiß), zusammengefaßt werden. Durch die negativen Namen geben wir für uns und andere an, was wir nicht meinen.

8. Positive und negative Namen verhalten sich kontradiktorisch zueinander, sie können nicht beide für dasselbe Ding gelten. Von kontradiktorisch entgegengesetzten Namen ist überdies der eine auf jedes beliebige Ding anwendbar; denn alles, was ist, ist entweder Mensch oder Nichtmensch, weiß oder nichtweiß usw. Dieser Satz ist so einleuchtend, daß er eines Beweises oder einer Erklärung nicht weiter bedarf. Dunkel aber wird er, wenn man ihn dahin formuliert, daß nach ihm ein und dasselbe Ding nicht zugleich sein und nicht sein kann, absurd und lächerlich, wenn er besagen will, daß, was da ist, entweder ist oder nicht ist. Die Gewißheit des Axioms (daß nämlich von zwei kontradiktorisch entgegengesetzten Namen der eine für jedes beliebige Ding gilt, der andere nicht) ist Prinzip und Grund alles Schließens und damit aller Wissenschaft. Daher muß er so exakt formuliert werden, daß er für jedermann in sich selbst klar und deutlich ist. Wie er es denn auch in der Tat ist, nur nicht für die, die durch die Lektüre langer und gelehrter metaphysischer Abhandlungen über diesen Gegenstand dahin gebracht sind, auch das Verständlichste nicht mehr zu verstehen.

9. Einige der Namen sind nun zweifellos mehreren Dingen gemeinsam, wie: Mensch, Baum, andere einzelnen Dingen eigentümlich, wie: Der Verfasser der Ilias, Homer, Dieser, Jener. Der gemeinsame Name, der für eine Mehrheit von einzeln ausgewählten Dingen gilt (nicht aber kollektiv für alle zugleich; Mensch ist nicht der Name für das Menschengeschlecht, sondern für die einzelnen, für Petrus, Johannes und die übrigen), heißt auch universal. Dieses Wort universal bezeichnet daher weder ein in der Natur existierendes Ding, noch eine im Geist auftretende Vorstellung oder ein Phantasma, sondern ist nur der Name eines Namens. Wenn also Lebewesen, Stein, Geist oder sonst etwas universal genannt werden, so darf darunter nicht verstanden werden, daß etwa der Mensch oder der Stein ein Universale wären, sondern nur, daß diese Worte (Lebewesen, Stein usw.) universale, d. h. vielen Dingen gemeinsame Namen sind; und die Vorstellungen, die ihnen in unserem Geiste entsprechen, sind nur die Bilder und Phantasmen der verschiedenen Lebewesen und anderer Dinge. Um die Bedeutung der Universalia einzusehen, bedarf es daher keiner anderen Fähigkeit als der unserer Einbildungskraft, vermittelst derer wir uns erinnern, daß solche Namen einmal diese, einmal jene Dinge dem Geiste zuführen. Die Namen sind überdies den Dingen mehr oder minder gemeinsam. Im höheren Grade gemeinsam ist ein Name, der für mehrere Dinge gilt; im geringeren Grade der Name, der für weniger Dinge gilt. So ist »Lebewesen« im höheren Grade gemeinsamer als »Mensch« oder »Pferd« oder »Löwe«, da jenes sie alle umfaßt. Der im höheren Grade gemeinsame Name wird mit Rücksicht auf den niederen auch Gattung oder das Allgemeine genannt; der letztere aber heißt Art des ersteren oder Besonderes.

10. Und hieraus entsteht eine dritte Unterscheidung der Namen, nämlich die der ersten und der zweiten Intention. Von erster Intention sind die Namen von Dingen (Mensch, Stein), von zweiter die Namen von Namen und Sätzen (universal, partikular, Gattung, Art, Schluß und ähnliches).

Weshalb jene von der ersten, diese von der zweiten Intention heißen, läßt sich schwer angeben, wenn nicht vielleicht die zum täglichen Leben nötigen Dinge zuerst ihren Namen erhalten haben, und erst die Namengebung der wissenschaftlichen Gegenstände, d. h. die Benennung der Namen selbst, in einem späteren zweiten Akt erfolgte. Aus welchem Grunde aber dies auch immer geschehen sei, jedenfalls ist klar, daß Gattung, Art, Definition, Namen nur von Worten und Benennungen sind; die Metaphysiker haben daher geirrt, wenn sie Gattung und Art für Dinge und Definitionen für Erklärungen ihres Wesens hielten, da sie doch nur angeben, was wir von ihrem Wesen denken.

11. Viertens besitzen einige Namen bestimmte und begrenzte, andere unbestimmte und unbegrenzte Bedeutung. Von bestimmter und begrenzter Bedeutung ist ein Name, der nur ein und demselben Ding zukommt und Individualname heißt, wie: Homer, dieser Baum, jenes Lebewesen usw. Ferner gehört dazu jeder Name, dem eines der Worte: jegliches, jedes beliebige, jedes von beiden, eines von beiden oder ein ähnliches hinzugefügt ist. Ein solcher Name heißt auch universal, weil er jedes der Dinge bezeichnet, denen er gemeinsam ist; eine bestimmte Bedeutung besitzt er darum, weil der Hörer dabei an ebendasselbe Ding denkt, auf welches der Redende den Geist gerichtet wissen will. Von unbestimmter Bedeutung ist zunächst ein Name, bei dem das Wort »irgendein« oder etwas entsprechendes hinzugefügt ist; er heißt partikular. Ferner gehören dazu gewöhnliche Namen, sofern ihre Universalität oder Partikularität nicht angegeben wird, wie Mensch, Stein; sie werden indefinite Namen genannt. Partikulare und indefinite Namen haben eine unbestimmte Bedeutung, weil der Hörer nicht weiß, an welches Ding er denken soll; daher im Satz partikulare und indefinite Namen als äquivalent gelten.

Aber die Worte: alle, jeder, einige usw., welche Universalität und Partikularität andeuten, sind nicht Namen, sondern nur Teile von Namen; »jeder Mensch« und »jener Mensch, an den der Hörer denkt«, bedeuten ein und dasselbe; ebenso bezeichnen dasselbe »ein beliebiger Mensch« und »der Mensch, an den der Sprecher dachte«, woraus sich klar ergibt, daß der Gebrauch von Zeichen dieser Art nicht dem eigenen Bedürfnis oder der Vermehrung des Wissens durch eigenes Nachdenken dient (da jeder seine eigenen Gedanken auch hinreichend ohne solche Hilfe bestimmen kann), sondern dem Verkehr mit anderen dient, um unsere Ideen anderen mitzuteilen und zu lehren. Sie sind nicht erfunden, um uns in unserer Erinnerung zu unterstützen, sondern um ein Gespräch mit anderen zu ermöglichen.

12. Namen werden nun auch in eindeutige und mehrdeutige geschieden. Eindeutig sind diejenigen, die in demselben Zusammenhang immer dasselbe Ding bezeichnen; mehrdeutig, welche einmal jenes, einmal dieses meinen. »Dreieck« gilt so als eindeutig, da es stets im selben Sinne genommen wird; »Parabel« dagegen ist mehrdeutig, da der Name einmal eine Allegorie oder einen Vergleich, zum anderen ein gewisse geometrische Figur bezeichnet. Jede Metapher ist absichtlich mehrdeutig. Indessen geht diese Unterscheidung nicht auf die Namen, sondern auf die, die sie verwenden, da nicht alle ihrer sich in rechter und genauer Weise zur Ermittlung der Wahrheit bedienen, vielmehr manche ihren Sinn zum Schmuck oder Trug fälschen.

13. Einige der Namen werden fünftens als absolut, andere als relativ unterschieden. Relative bezeichnen einen Vergleich, wie Vater, Sohn, Ursache, Wirkung, ähnlich, unähnlich, gleich, ungleich, Herr, Diener usw.; absolut sind die, welche keinen Vergleich enthalten. Aber was oben bemerkt wurde, daß die Universalität nur den Worten und Namen, nicht den Dingen zukommt, gilt auch von anderen Unterscheidungen der Namen; denn Dinge sind weder eindeutig und mehrdeutig noch relativ und absolut. Eine weitere Unterscheidung der Namen ist die in konkrete und abstrakte; aber da abstrakte Namen Urteil und Bejahung voraussetzen, ist erst später von ihnen zu handeln.

14. Sechstens gibt es einfache und zusammengesetzte Namen. Hierbei ist aber wichtig zu betonen, daß nicht wie in der Grammatik jedes einzelne Wort in der Philosophie als ein Name gilt, sondern auch die Zusammenfügung einer beliebigen Zahl von Worten, die ein Ding bezeichnen, als ein Name genommen werden darf. Im philosophischen Sprachgebrauch gilt der Ausdruck »fühlender belebter Körper« als ein Name, der jedes Lebewesen bezeichnet, während die Grammatiker ihn in drei Namen zerlegen. Auch die Hinzufügung einer Präposition macht nicht wie in der Grammatik aus einem einfachen einen zusammengesetzten Namen. Ich nenne vielmehr einen Namen einfach, der innerhalb einer Gattung der allgemeinste und von weitestem Umfang ist; zusammengesetzt denjenigen, der durch die Verbindung mit einem anderen in seiner Allgemeinheit eingeschränkt wird und damit auf mehrere Vorstellungen im Sprechenden verweist, um derentwillen er den anderen Namen hinzugefügt hat. Zum Beispiel enthält die im ersten Kapitel entwickelte Vorstellung Mensch als erste Vorstellung die Idee von etwas Ausgedehntem, für dessen Bezeichnung das Wort Körper gebraucht wird. Körper ist daher ein einfacher Name, der für diese ursprüngliche Vorstellung und für sie allein gebraucht wird; später entsteht auf Grund der Wahrnehmung von Bewegungen dieses Körpers eine andere Vorstellung, um dererwillen er ein belebter Körper genannt wird; einen solchen Ausdruck bezeichne ich als zusammengesetzten Namen, wie übrigens auch das Wort Lebewesen dem Ausdruck belebter Körper äquivalent ist. Noch zusammengesetzter ist der Ausdruck »belebter vernünftiger Körper« oder das ihm äquivalente Wort »Mensch«. So sehen wir, wie der Zusammensetzung von Vorstellungen im Geist die Zusammensetzung von Worten entspricht; wo im Geist Ideen oder Phantasmen aufeinander folgen, werden sukzessive verschiedene Namen zueinander hinzugefügt, die insgesamt dann einen zusammengesetzten Namen ausmachen.

Indessen müssen wir uns vor der Annahme, die von vielen Philosophen geteilt wurde, hüten, als wären nun die außerhalb des Geistes befindlichen Körper in derselben Weise zusammengesetzt, so daß in der Natur zunächst ein Körper oder irgendein anderes denkbares Ding existierte, das zunächst keine Größe besitzt, sondern erst durch ihre Hinzufügung ein Quantum erhält und je nach deren Menge Dichtigkeit oder Dünnheit, welcher Körper dann durch die Hinzufügung von Figuren Gestalt erhält und weiter durch Beleuchtung leuchtend oder farbig wird.

15. Die Logiker haben versucht, die Namen aller Arten von Dingen durch Unterordnung der Namen von geringerem Umfang unter die von größerem in bestimmte Reihen oder Stufen einzuteilen. So setzen sie beispielsweise in der Klasse der Körper einfach Körper an die erste und oberste Stelle, darunter die Namen von geringerem Umfang, durch welche der erstere bestimmter und begrenzter wird, etwa beseelt und unbeseelt usw., bis man schließlich zu den Individuen gelangt; in ähnlicher Weise setzen sie in der Klasse der Quantitäten Quantität an die erste Stelle, sodann Linie, Oberfläche, Körper, Namen, die weniger umfassend sind. Und diese Ordnungen und Reihen von Namen pflegen sie Prädikamente und Kategorien zu nennen. Dergestalt können nicht nur positive, sondern auch negative Namen eingeordnet werden.

Folgende Schemata geben etwa ein Beispiel einer solchen Tafel der Prädikamente.

 

Schema der Prädikamente für den Körper.
Nicht-Körper oder Accidenz

Körper { nicht beseelt            
beseelt { unbelebt        
    belebt { Nicht Mensch    
        Mensch { Nicht Peter
            Peter

 

Schema der Prädikamente der Quantität.

Schema der Prädikamente der Quantität

Hierzu ist zu bemerken, daß zwar Linie, Fläche, Körper quantitativ bestimmt werden können, da zu ihrer eigensten Natur Gleichheit und Ungleichheit gehören; aber Größenunterschiede oder Gleichheit oder irgendwelche quantitative Bestimmungen können von Zeit nur vermittelst Linie und Bewegung, von Bewegung nur vermittelst Linie und Zeit, von Kraft nur vermittelst Bewegung und Körper ausgesagt werden.

 

Schema der Prädikamente der Qualität.

Schema der Prädikamente der Qualität

 

Schema der Prädikamente der Relation.

Schema der Prädikamente der Relation

16. Bezüglich dieser Prädikamente ist zunächst zu bemerken, daß die Scheidung in kontradiktorische Gegensätze, wie sie in dem ersten Schema erfolgt, auch bei den übrigen durchgeführt werden kann. Wie Körper in beseelt und nichtbeseelt geteilt ist, so könnte in dem zweiten Schema die stetige Quantität in Linie und Nichtlinie und weiter die Nichtlinie in Fläche und Nichtfläche usf. geteilt werden, was aber nicht nötig ist.

Zweitens ist zu beachten, daß bei positiven Namen der vorangehende den folgenden in sich faßt, während es bei den negativen umgekehrt ist. So ist Lebewesen zum Beispiel der Name eines jeden Menschen und faßt daher auch den Namen Mensch in sich; Nichtmensch ist dagegen jedes Ding, das kein Lebewesen ist; und dieses kein Lebewesen, das voransteht, ist so in dem folgenden Namen Nichtmensch enthalten.

Drittens müssen wir uns vor der Annahme hüten, daß durch Unterscheidungen dieser Art nicht nur die Namen, sondern auch die Unterschiede der Dinge selbst erkannt und bestimmt werden. Sie beweisen natürlich auch nicht (wie man lächerlicherweise geschlossen hat), daß die Arten der Dinge nicht zahllos sind.

Viertens möchte ich nicht, daß die oben gegebenen Schemata als die wahre und wirkliche Ordnung der Namen angesehen werden; nur eine vollkommene Philosophie könnte dies erstreben. Und wenn ich beispielsweise das Licht zu den Qualitäten rechne, ein anderer es zu den Körpern zählt, so entscheidet eine solche Einteilung nichts über unsere Auffassung von der Sache; denn diese beruht auf Gründen und Beweisen und nicht auf Klassifikationen von Wörtern.

Schließlich bekenne ich, daß ich eine besondere Verwertung dieser Prädikamente in der Philosophie noch nicht gesehen habe. Ich glaube, daß Aristoteles auf seine eigenmächtige Ordnung von Wörtern nur kam, weil er zu den Dingen selber nicht gelangte. Ich gab aber die obenstehende Klassifikation der Namen nur, um das Wesen einer solchen Einteilung zu erläutern, als wahr könnte sie erst nach erbrachtem Beweise gelten.


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