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Tausend und eine Nacht. Band VII
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Der Neider und der Beneidete.

Diese Erzählung, welche in der Būlâker Ausgabe fehlt, gehört eigentlich als Einlage in die Geschichte des zweiten Bettlers in Bd. I, wo sie sich auch in der Kalkuttaer und Breslauer Ausgabe vorfindet. Da jedoch an dieser Stelle eine der vorhergehenden sehr ähnliche Geschichte steht, in welcher es sich um die perverse Liebe einer Prinzessin zu einem Affen und ihre Heilung von derselben handelt, so haben wir dieselbe gestrichen und an deren Stelle diese hier gebracht.

Ferner erzählt man, daß einmal zwei Männer in einer Stadt wohnten, deren Häuser mit einer Wand zusammenstießen; einer dieser beiden aber beneidete den andern und schaute ihn mit dem bösen Auge an und that sein Möglichstes ihm Schaden zuzufügen. Schließlich war sein Neid so mächtig in ihm geworden, daß er nur noch ganz wenig essen konnte und nur selten des Schlafes Süßigkeit zu kosten bekam. Dem Beneideten erging es jedoch immer besser, und je mehr der Neider ihm zu schaden suchte, desto mehr nahm er zu und wuchs und gedieh. Als er aber von dem Neid seines Nachbars und seinen Bemühungen ihm zu schaden vernahm, zog er ans seiner Nachbarschaft und seinem Lande fort, indem er sprach: »Bei Gott, ich will mich um seinetwillen von der Welt zurückziehen.« Und so ließ er sich in einer andern Stadt nieder, wo er sich ein Stück Land kaufte, auf welchem sich ein alter Ziehbrunnen befand. Hier baute er sich eine Einsiedelei und diente Gott, dem Erhabenen, nachdem er sich alles notwendige eingekauft hatte, in ihr in lauterster Frömmigkeit, so daß die Fakire und die Armen von allen Seiten zu ihm kamen, und sein Ruf sich in jener Stadt verbreitete. So kam es, daß die Kunde von seinem Glück auch seinem neidischen Nachbar zu Ohren kam, und daß er vernahm, daß ihn die Großen der Stadt in seiner Einsiedelei besuchten.

Dreihundertundsechsundfünfzigste Nacht.

Da machte er sich zur Einsiedelei auf, und der Beneidete empfing ihn mit dem Willkommgruß und den höchsten Ehren. 161 Der Neider aber sagte nun zu ihm: »Ich bin zu dir gereist, um dir etwas mitzuteilen: es ist eine gute Nachricht, die ich dir bringe, komm' daher und führe mich in deine Einsiedelei.« Da erhob sich der Beneidete, faßte den Neider bei der Hand und führte ihn an das andere Ende seiner Einsiedelei, wo der Neider zu ihm sagte: »Befiehl den Fakiren in ihre Zellen zu gehen, denn ich teile es dir nur insgeheim mit, wo es niemand hören kann.« Da sagte der Beneidete zu den Fakiren: »Geht in eure Zellen.« Als sie seinen Worten Folge geleistet hatten, schritt er mit dem Neider ein wenig weiter, bis er den alten Brunnen erreichte, wo dieser ihn plötzlich hineinstieß, ohne daß es jemand merkte, und dann wieder seines Weges ging, im Glauben, er hätte ihn getötet. Jener Brunnen war jedoch von Dschinn bewohnt, welche ihn im Falle auffingen und langsam auf den Boden niedersinken ließen, wo sie ihn auf einen Stein setzten. Dann fragte einer von ihnen die andern: »Wisset ihr, wer dies ist?« Und sie erwiderten: »Nein.« Da sagte einer von ihnen: »Dies ist der Beneidete, welcher vor seinem Neider zu unserer Stadt floh und diese Einsiedelei gründete, wo er uns durch seine Anrufungen Gottes und die Koranlektionen erbaut. Der Neider kam ihm nachgereist und stürzte ihn hinterlistigerweise zu euch hinunter. Sein Ruf kam heute Nacht dem Sultan dieser Stadt zu Ohren, der sich daraufhin entschloß ihn wegen seiner Tochter zu besuchen.« Nun fragte einer: »Was fehlt denn seiner Tochter?« Und er versetzte: »Sie ist besessen, denn Meimûn, der Sohn des Damdam, hat sich leidenschaftlich in sie verliebt. Wüßte der fromme Mann ihr Heilmittel, so würde er sie sicherlich gesund machen, da ihre Heilung das leichteste Ding ist.« Da fragte einer: »Was ist denn ihr Heilmittel?« Er erwiderte: »Der schwarze Kater, den er bei sich in seiner Einsiedelei hat, hat an der Schwanzspitze einen weißen Fleck in der Größe eines Dirhems. Wenn er ihm dort sieben weiße Haare auszieht und sie damit beräuchert, so flieht der Mârid aus ihrem Kopfe und kehrt nie 162 wieder zu ihr zurück, und sie ist zur selbigen Stunde gesund.« Alle diese Worte aber vernahm der Beneidete.

Als nun der Tag anbrach und die Morgenröte erschien, kamen die Fakire zum Scheich und sahen, wie er gerade aus dem Brunnen herausstieg, so daß er hierdurch in ihren Augen erhöht wurde. Da er aber kein anderes Heilmittel bei sich hatte, zog er dem Kater sieben weiße Haare aus seiner Schwanzspitze aus und steckte sie zu sich; und ehe noch die Sonne aufgegangen war, kam auch schon der König inmitten seiner Truppen angeritten und betrat mit den Großen des Reiches die Einsiedelei, während er dem Rest seiner Begleitung befahl draußen zu warten. Der Beneidete hieß den König bei seinem Eintritt willkommen und sagte zu ihm: »Soll ich dir sagen, weshalb du mich aufgesucht hast?« Der König erwiderte: »Ja.« Da sagte er: »Siehe, du kamst zu einem Besuch; doch ist es deine Absicht mich wegen deiner Tochter um Rat zu fragen.« Der König antwortete: »So ist's, o frommer Scheich.« Nun sagte der Beneidete: »Laß sie jemand zu mir herbringen, und so Gott will, der Erhabene, wird sie zu dieser Stunde noch gesund.« Da ließ der König erfreut seine Tochter holen, und man brachte sie gebunden und gefesselt. Der Beneidete ließ sie hinter einem Vorhange sitzen und holte dann die Haare hervor und beräucherte sie, worauf das, was in ihrem Kopfe saß, mit lautem Schrei ausfuhr. Die Prinzessin aber kam sogleich wieder zur Vernunft und rief, indem sie ihr Gesicht verschleierte: »Was bedeutet dies, und wer hat mich hierher gebracht?« Da küßte sie der Sultan in höchster Freude auf die Augen und den Scheich auf die Hände. Dann wendete er sich zu den Großen seines Reiches und fragte sie: »Was sagt ihr, was verdient derjenige, der meine Tochter geheilt hat?« Sie erwiderten: »Er soll mit ihr verheiratet werden.« Und der König versetzte: »Ihr habt wahr gesprochen,« und verheiratete sie mit ihm, so daß der Beneidete des Königs Schwiegersohn ward. Nach kurzer Zeit starb der Wesir, 163 und der König fragte: »Wen sollen wir zum Wesir machen?« Sie erwiderten: »Deinen Schwiegersohn;« und so wurde der Beneidete Wesir. Als dann nach kurzer Zeit der Sultan starb, und sie fragten: »Wen machen wir zum König?« riefen alle: »Den Wesir.« Und so ward der Wesir Sultan und regierender König.

Dreihundertundsiebenundfünfzigste Nacht.

Nun begab es sich eines Tages, daß sich der Beneidete auf sein Pferd setzte und inmitten seiner Emire, Wesire und der Großen des Reiches in königlichem Aufzuge ausritt, als mit einem Male seine Augen auf den Neider fielen, der bei ihm vorüberkam. Da wendete sich der König zu seinem Wesir und sagte zu ihm: »Bring mir jenen Mann her, doch jag' ihm keinen Schrecken ein.« Als nun der Wesir den Neider vor den König gebracht hatte, befahl dieser: »Gebt ihm tausend Mithkâl aus meiner Schatzkammer, beladet ihm zwanzig Kamele mit Waren und gebt ihm eine Wache mit, die ihn sicher nach seiner Stadt geleitet.« Hierauf nahm er von ihm Abschied und verließ ihn, ohne ihn für seine Unthat zu strafen.

 


 


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