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Tausend und eine Nacht. Band VII
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Der Gotteslohn für Almosen.

Ferner erzählt man, daß einmal ein König dem Volke seines Königreiches also ansagen ließ: »So einer von euch irgend ein Almosen spendet, so soll ihm die Hand dafür abgeschnitten werden;« und die Folge war, daß sich jedermann des Almosengebens enthielt, und daß niemand seinem Nächsten ein Almosen spenden konnte. Da traf es sich eines Tages, daß ein Bettler von Hunger gepeinigt zu einer Frau kam und zu ihr sprach: »Gieb mir eine kleine Gabe.«

Dreihundertundachtundvierzigste Nacht.

Die Frau entgegnete ihm: »Wie kann ich dir ein Almosen geben, wo der König jedem für eine fromme Gabe die Hand abschneiden läßt?« Der Bettler bat sie jedoch von neuem und sagte: »Um Gottes willen bitte ich, schenke mir ein Almosen.« Wie er sie nun um Gottes willen bat, hatte sie Mitleid mit ihm, so daß sie ihm zwei Brotfladen gab. Die Kunde hiervon kam jedoch dem König zu Ohren, welcher sie vor sich führen ließ und ihr beide Hände abschnitt, worauf sie wieder nach Hause ging. Nach einiger Zeit begab es sich, 144 daß der König zu seiner Mutter sagte: »Ich möchte ein Weib nehmen; verheirate mich daher mit einer hübschen Frau.« Seine Mutter erwiderte: »Siehe, unter unsern Sklavinnen ist ein Weib, wie kein schöneres gefunden wird, doch hat sie einen großen Fehler.« Da fragte der König seine Mutter: »Und worin besteht er?« Sie antwortete: »Ihr sind beide Hände abgeschnitten.« Der König versetzte nun: »Ich möchte sie mir einmal anschauen.« Da brachte sie ihm das Mädchen, und als er sie sah, verliebte er sich so stark in sie, daß er sie heiratete; jene Sklavin war aber gerade die Frau, welche dem Bettler als Almosen die beiden Fladen gegeben hatte, und der deshalb beide Hände abgeschnitten waren. Als er sie nun geheiratet hatte, beneideten sie die andern Frauen des Königs und schrieben ihm, daß sie ein liederliches Weibsbild wäre, das einen Knaben geboren hätte. Da schrieb der König einen Brief an seine Mutter und befahl ihr in demselben sie in die Wüste hinaus zu schaffen und sie dort allein zurück zu lassen. Seine Mutter that es und kehrte dann wieder zurück, während das Weib ihr Schicksal beweinte und aufs bitterlichste beklagte. Wie sie nun mit ihrem Knäblein auf dem Nacken durch die Wüste wanderte, kam sie an einem Bach vorbei und kniete nieder, um den Durst, der sie infolge ihrer langen Wanderung, ihrer Ermüdung und ihres Kummers peinigte, zu stillen. Beim Niederneigen aber fiel ihr Knabe ins Wasser, und nun saß sie da und weinte bitterlich über ihr Kind. Mit einem Male kamen zwei Männer bei ihr vorüber und fragten sie: »Was macht dich weinen?« Sie antwortete: »Ich trug mein Kind auf dem Nacken, und es fiel mir ins Wasser.« Nun fragten sie die Männer: »Wünschest du, daß wir es dir wieder herausholen?« Sie erwiderte: »Jawohl.« Da flehten die Männer zu Gott, dem Erhabenen, und das Kind kam heil und ohne den geringsten Schaden genommen zu haben wieder zu ihr heraus. Hierauf fragten sie die beiden Männer: »Wünschest du, daß Gott dir deine beiden Hände wiedergiebt wie zuvor?« Sie 145 erwiderte: »Jawohl.« Da flehten sie zu Gott, – Preis Ihm, dem Erhabenen! – und sie erhielt schönere Hände als sie zuvor gehabt hatte. Alsdann fragten sie die beiden Männer: »Weißt du auch, wer wir sind?« Sie entgegnete: »Gott ist allwissend.« Da sagten sie: »Wir sind die beiden Brote, welche du dem Bettler als Almosen gabst und um deretwillen dir deine Hände abgeschnitten wurden. So preise Gott, den Erhabenen, welcher dir deine Hände und deinen Knaben wieder gegeben hat.« Da lobte und pries sie Gott, den Erhabenen.

 


 


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