Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band VII
Unbekannte Autoren

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

2. Jahjā und der Brieffälscher.

Ferner erzählt man, daß zwischen Jahjā, dem Sohn des Châlid, und Abdallāh bin Mâlik el-Chusâi geheime Feindschaft entbrannte, welche jedoch keiner von beiden offenbarte. Die Ursache ihrer Feindschaft lag aber darin, daß der Fürst der Gläubigen Hārûn er-Raschîd dem Abdallāh bin Mâlik außerordentlich zugethan war, so daß Jahjā bin Châlid und seine Söhne zu sagen pflegten, daß Abdallāh den Fürsten der Gläubigen bezaubert hätte. Eine lange Zeit verstrich hierüber, während welcher der Haß in ihrem Herzen nagte, bis es sich traf, daß Er-Raschîd Abdallāh bin Mâlik el-Chusâi mit der Statthalterschaft von Armenien investierte. Nachdem er sich in seiner Residenz niedergelassen hatte, kam ein Mann aus dem Irâk zu ihm, ein Mensch von trefflicher Bildung, großem Scharfsinn und reichen Geistesgaben, welcher jedoch in dürftige Verhältnisse geraten war und sein Gut verloren hatte. Dieser Mann fälschte einen Brief auf den Namen des Jahjā bin Châlid an Abdallāh bin Mâlik und reiste mit ihm zu Abdallāh nach Armenien. Als er an 44 das Palastthor kam, übergab er den Brief einem der Kämmerlinge, und der Kämmerling nahm den Brief und übergab ihn Abdallāh bin Mâlik el-Chusâi. Nachdem Abdallāh den Brief geöffnet und gelesen und seinen Inhalt erwogen hatte, erkannte er, daß der Brief gefälscht war. Er befahl den Mann vor sich zu führen, und dieser erflehte nun Segen auf ihn und pries die anwesenden Höflinge. Abdallāh bin Mâlik jedoch fragte ihn: »Was hat dich bewogen eine so weite und mühvolle Reise zu unternehmen und mir einen gefälschten Brief zu bringen? Doch, sei guten Mutes, wir wollen deine Mühe nicht zu schanden machen.« Da erwiderte der Mann: »Gott schenke dir langes Leben, o unser Herr Wesir! Wenn mein Kommen dir lästig fällt, so suche nach keinem Vorwand, denn Gottes Land ist weit, und der Versorger lebt noch. Der Brief, den ich dir von Jahjā bin Châlid brachte, ist echt und nicht gefälscht.« Nun sagte Abdallāh: »Ich will einen Brief an meinen Agenten in Bagdad schreiben und ihn beauftragen sich zu erkundigen, wie es sich mit diesem Briefe, den du mir gebracht hast, verhält. Ist derselbe authentisch und echt und nicht gefälscht, so investiere ich dich mit dem Emirat einer meiner Provinzen oder schenke dir zweihunderttausend Dirhem nebst Pferden und wertvollen Kamelen und einem Ehrenkleid, so du solches vorziehst. Ist aber der Brief gefälscht, so lasse ich dir zweihundert Stockprügel verabfolgen und den Bart scheren.« Alsdann befahl Abdallāh ihn in ein Gemach zu setzen und ihn mit allem Erforderlichen zu versehen, bis er seine Sache festgestellt hätte. Dann schrieb er einen Brief des Inhalts an seinen Agenten in Bagdad: »Es ist ein Mann mit einem Briefe zu mir gekommen, von dem er behauptet, daß ihn Jahjā bin Châlid geschrieben hätte, doch kommt mir der Brief verdächtig vor; es ist deshalb nötig, daß du dich unverzüglich aufmachst, um dich über diesen Brief zu informieren, und mir dann schleunigst Antwort zukommen lassest, auf daß wir wissen, wie es in Wahrheit um den Brief steht.« 45

Als nun der Brief dem Agenten in Bagdad zu Händen kam, –

Dreihundertundsiebente Nacht.

setzte er sich unverzüglich auf und ritt zur Wohnung Jahjā bin Châlids, den er im Kreise seiner Tischgenossen und Vertrauten sitzend antraf. Nachdem er ihm den Salâm entboten hatte, übergab er ihm das Schreiben, und Jahjā bin Châlid las es und antwortete ihm: »Komm morgen wieder her, damit ich dir die Antwort schreiben kann.« Alsdann wendete er sich, nachdem ihn der Agent wieder verlassen hatte, zu seinen Tischgenossen und fragte sie: »Was verdient der, welcher einen Brief auf meinen Namen fälscht und ihn meinem Feinde bringt?« Da gab jeder der Tischgenossen in seiner Antwort irgend eine Art der Strafe an; Jahjā entgegnete ihnen jedoch: »Ihr irrt in euerer Meinung, und euer Rat kommt aus eurer niedrigen und gemeinen Gesinnung. Wisset ihr doch alle, wie angesehen Abdallāh beim Fürsten der Gläubigen ist, und kennet auch den Groll und die Feindschaft zwischen uns beiden; nun aber hat Gott, der Erhabene, in diesem Manne ein Mittel zu unserer Versöhnung auserkoren; er hat ihn hierzu geeignet gemacht und hat ihn dazu ausgesendet, das Feuer des Grolls in unsern Herzen zu ersticken, das dort mehr als zwanzig Jahre immer heller gelodert hat. Durch seine Vermittlung sollen wir wieder ausgesöhnt werden, und darum geziemt es sich mir diesem Manne zu entsprechen, indem ich seine Gedanken wahr mache und ihn wieder in gute Verhältnisse bringe. Ich will daher einen Brief an Abdallāh bin Mâlik el-Chusâi des Inhalts schreiben, daß er ihn mit vermehrten Ehren behandeln und ihn auch fürderhin auszeichne und wert halte.«

Als seine Tischgenossen dies von ihm vernahmen, wünschten sie ihm reichen Segen und verwunderten sich über seine Hochherzigkeit und über das Übermaß seiner Großmut. Er aber verlangte Papier und Tinte und schrieb an Abdallāh bin Mâlik eigenhändig ein Schreiben folgenden Inhalts: »Im 46 Namen Gottes, des Erbarmers, des Barmherzigen! Dein Brief, – Gott schenke dir langes Leben! – ist angelangt, und ich hab' ihn gelesen und bin erfreut über dein Wohlsein und entzückt über dein Wohlbefinden und gesamtes Gedeihen. Wenn du aber meinst, daß jener ehrenwerte Mann einen Brief auf meinen Namen gefälscht und von mir kein Schreiben empfangen hat, so ist dem nicht also, sondern ich habe thatsächlich den Brief geschrieben, und derselbige ist nicht gefälscht; und ich hoffe, daß du bei deiner Güte und Gefälligkeit und deiner edeln Natur die Hoffnungen und Wünsche jenes ehrenwerten und ausgezeichneten Mannes erfüllen wirst, und wirst ihm die verdiente Ehre erweisen, wirst ihm zu seinem Begehr verhelfen und ihm ganz besonders deine umfassende Huld und reiche Gunst angedeihen lassen. Was immer du ihm erweisest, das erweisest du mir, und ich bin dir dankbar dafür.« Alsdann schrieb er die Aufschrift, versiegelte den Brief und übergab ihn dem Agenten, welcher ihn an Abdallāh absendete. Als dieser denselben las, ward er von seinem Inhalt entzückt und ließ jenen Mann vor sich kommen und sprach zu ihm: »Welche von den beiden Gunsterweisungen, die ich dir verhieß, dir lieber ist, die soll dir zu teil werden.« Da erwiderte der Mann: »Das Geschenk ist mir lieber als alles andere.« Und so befahl Abdallāh bin Mâlik ihm zweihunderttausend Dirhem, zwanzig Araberrosse, fünf davon mit seidenen Schabracken und fünf mit reichgeschmückten Prunksätteln, zuzustellen; ferner zwanzig Kisten mit Kleidern, zehn berittene Mamluken und eine entsprechende Anzahl von kostbaren Edelsteinen. Schließlich schenkte er ihm noch ein Ehrenkleid und andere Dinge und entließ ihn in prächtigem Aufzuge nach Bagdad. Daselbst angelangt, suchte er, bevor er seine Angehörigen aufsuchte, die Thür von Jahjā bin Châlids Palast auf und bat um eine Audienz, worauf der Kämmerling sich zu Jahjā begab und zu ihm sagte: »Mein Herr, siehe, an der Thür ist ein Mann von anständigem Äußern, hübscher Gestalt und guten 47 Verhältnissen, mit vielen Pagen, welcher Zulaß zu dir begehrt.« Da gewährte ihm Jahjā die Audienz; und, als er nun bei ihm eintrat und die Erde vor ihm küßte, fragte ihn Jahjā: »Wer bist du?« Der Mann erwiderte: »O Herr, ich bin jener, welchen die Tyrannei der Zeit getötet hatte, und den du aus der Gruft der Mißgeschicke wieder lebendig gemacht und zum Paradies seiner Wünsche auferweckt hast; ich bin jener Mann, welcher den Brief auf deinen Namen fälschte und denselben Abdallāh bin Mâlik el-Chusâi überbrachte.« Da fragte ihn Jahjā: »Wie hat er dich behandelt, und was hat er dir geschenkt?« Er entgegnete: »Er schenkte mir durch deine Hand, deine Güte, deine allumfassende Huld und Großmut, durch deine hohe Gesinnung und deine weitherzige Freigebigkeit so viel, daß ich reich und begütert wurde. Nun habe ich alle seine Gaben und Geschenke hierher gebracht, da stehen sie vor deiner Thür, der Befehl ist der deine, und der Beschluß steht in deiner Hand.« Jahjā erwiderte ihm jedoch: »Du hast mir einen bessern Dienst erwiesen als ich dir; ich schulde dir großen Dank und eine weiße, freigebige Hand, dieweil du die Feindschaft zwischen mir und jenem Manne, den ich aufrichtig achte, in Freundschaft und Liebe verwandelt hast. Ich schenke dir deshalb das gleiche Gut, das du von Abdallāh bin Mâlik erhalten hast.« Hierauf verordnete er für ihn ebensoviel Geld und Pferde und Kisten mit Kleidern, als ihm Abdallāh geschenkt hatte, so daß jener Mann durch die Großmut jener beiden hochherzigen Männer wieder zu seinem früheren Wohlstand gelangte.

 


 


 << zurück weiter >>