Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band VII
Unbekannte Autoren

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Der Mann aus Jemen und seine sechs Sklavinnen.

Ferner erzählt man, daß der Fürst der Gläubigen El-Mamûn eines Tages in seinem Schlosse saß und die Häupter 109 des Staates und die Großen des Reiches insgesamt um sich versammelt hatte, und desgleichen auch die Dichter und Tischgenossen, unter welchen letzteren sich auch einer, Namens Mohammed von Basra, befand. Als sie nun alle vollzählig vor ihm erschienen waren, wendete sich El-Mamûn zu ihm und sagte: »Mohammed, ich wünsche, daß du mir alsbald etwas erzählst, was ich nie zuvor vernommen habe.« Da erwiderte Mohammed: »O Fürst der Gläubigen, willst du, daß ich dir eine Geschichte erzähle, die ich nur mit meinen Ohren gehört oder eine, die ich mit eigenen Augen gesehen habe?« Und El-Mamûn entgegnete: »Mohammed, erzähle mir von beiden Geschichten die merkwürdigere.« Hierauf erzählte Mohammed von Basra: »Wisse, o Fürst der Gläubigen, in vergangenen Tagen lebte einmal ein wohlhabender Mann, dessen Geburtsland El-Jemen war, doch war er im Verlaufe der Zeit von El-Jemen hierher nach Bagdad übergesiedelt, und der Aufenthalt hierselbst gefiel ihm so gut, daß er all sein Hab und Gut und seine Familie ebenfalls hierher schaffte. Er hatte aber sechs Sklavinnen gleich Monden, von denen die eine weiß war, die zweite braun, die dritte fett, die vierte mager, die fünfte gelb und die sechste schwarz. Alle sechs hatten schöne Gesichter und ein tadelloses Benehmen und waren in der Kunst des Gesanges und im Spiel der Musikinstrumente wohl ausgebildet. Da traf es sich eines Tages, daß er alle diese Sklavinnen vor sich erscheinen ließ und Speisen und Wein bestellte; und sie aßen und tranken und waren fröhlich und guter Dinge. Mit einem Male füllte er den Becher, nahm ihn in seine Hand und sagte zu dem weißen Mädchen, indem er ihr zuwinkte: »O Neumondsgesicht, laß uns etwas von deinem süßen Gesang hören.« Da nahm sie die Laute, stimmte sie und spielte so süße Weisen auf ihr, daß das ganze Haus tanzte. Dann sang sie in entzückender Weise die Verse:

Ich hab' einen Liebsten, des Bildnis in meinem Auge steht,
Und dessen Namen in meinem Innern tief verborgen ruht. 110
Wenn ich seiner gedenke, so werde ich Herz vom Scheitel bis zur Sohle,
Und ruht mein Blick auf ihm, so bin ich nichts als Auge.
Mein Tadler sagte zu mir: Entschlag' dich doch der Liebe.
Doch ich sprach: Was nimmer geschehen kann, wie soll es geschehen?
Hinweg von mir, o Tadler, und laß mich ungeschoren,
Mach' mir nicht leicht, was mich so schwer belastet!

Entzückt über dieses Lied, trank der Hausherr aus dem Becher und reichte ihn den Mädchen. Dann füllte er ihn wieder, nahm ihn in die Hand und sagte zu der Braunen, ihr zuwinkend: »Du Kohlenlicht und Seelenwonne, laß uns deine schöne Stimme hören, die jedes Ohr bezaubert.« Da nahm sie die Laute und spielte so süße Weisen auf ihr, daß das ganze Haus tanzte, und aller Herzen von ihren gefälligen Bewegungen bestrickt wurden. Dann sang sie die Verse:

So wahr dein schönes Antlitz lebt, ich liebe nur dich,
Bis zum Tode will ich dich lieben und treu dir bleiben.
O Vollmond, über und über in Anmut verschleiert,
Unter deinem Banner ziehn alle die Schönen geschart.
Du bist's, der alle die Schönen zu Schanden macht,
Und Gott, der Herr der Welten, er schütze dich!

Entzückt über ihren Gesang, trank ihr Herr aus dem Becher und reichte ihn den Mädchen zu trinken. Dann füllte er ihn von neuem und befahl dem fetten Mädchen, ihr zuwinkend, ebenfalls zu singen und auf der Laute zu spielen. Da nahm sie die Laute und sang nach einem Spiel, das allen Kummer von hinnen scheuchte, die Verse:

Wenn du nur zufrieden bist, du meines Herzens Begehr,
Was schiert mich die ganze Welt mit ihrem Zorn?
Wenn ich dein schönes Antlitz nur schaue,
So mögen sich alle Könige der Welt verschließen.
In diesem irdischen Dasein heisch' ich dein Wohlgefallen nur,
O du, von dem die Schönheit ganz und gar entsprossen ist!

Entzückt über ihren Gesang, nahm ihr Herr den Becher und reichte ihn den Mädchen zu trinken. Dann füllte er ihn wieder, nahm ihn in die Hand und sagte zu der Magern, ihr zuwinkend: »O Huri des Paradieses, nun laß du uns 111 deine süßen Worte vernehmen.« Da nahm sie die Laute, stimmte sie und sang nach einem Vorspiel die beiden Verse:

Ist es nicht Märtyrertod, den ich durch dich erleide,
Wo du so spröde bist, während ich nicht ohne dich leben kann?
Ist kein Richter der Liebe, der zwischen uns richtet,
Der mir mein Recht verschafft, das du mir versagst?

Entzückt trank ihr Herr aus dem Becher und nahm ihn dann in die Hand und sagte zu der Gelben, ihr zuwinkend: »O Sonne des Tages, laß uns einige hübsche Verslein hören.« Da nahm sie die Laute und sang nach dem schönsten Vorspiel die Verse:

Ich hab' einen Liebsten, der, wenn ich vor ihm erscheine,
Aus seinen Augen ein Schwert auf mich zückt.
Gott straf' ihn ein wenig um seiner Sünden willen,
Daß er mich quält, wo mein Herz in seinen Händen ruht.
So oft ich spreche: O Herz, gieb ihn doch auf!
Neigt doch das Herz sich immer nur nach ihm.
Er ist mein einziger Wunsch von allen Geschöpfen,
Doch das Auge der Zeit mißgönnt ihn mir.

Entzückt trank ihr Herr aus dem Becher und gab den Mädchen ebenfalls zu trinken. Dann füllte er ihn wieder, nahm ihn in seine Hand und sagte zu der Schwarzen, ihr zuwinkend: »Du schwarze Pupille, laß uns etwas hören, wären es auch nur zwei Worte.« Da nahm sie die Laute, stimmte sie und spannte die Saiten und spielte eine Reihe von Melodien, worauf sie wieder in die erste überging und zu entzückendem Spiel folgende Verse sang:

Ach, mein Auge, vergieß' deine Thränen in Strömen,
Daß dieses Weh mein Dasein ganz vernichtet.
Alle Schmerzen der Liebe ertrag' ich von dem Geliebten,
Zu dem ich zärtlich bin, wiewohl die Neider mich schelten.
Die Tadler wehren mir die Rosen seiner Wangen,
Doch hab' ich ein Herz, das sich immer zu Rosen neigt.
Einst machten die Becher feurigen Weines die Runde
Am Freudengelag bei Lauten und süßem Spiel;
Doch da war der Geliebte noch treu, den glühend ich liebte,
Und der Seligkeit Stern strahlte mit seiner Treue.
Nun aber hat er sich abgekehrt, wiewohl ich doch schuldlos bin. 112
Sagt, giebt es wohl bitt'reres als des Geliebten Abkehr?
Auf seinen Wangen, da blühen die Rosen so frisch,
O Gott, wie schön sind die Rosen auf seinen Wangen!
Fürwahr, ich würfe mich nieder vor ihm und betete an,
Dürft' ich vor andern als Gott den Staub mit der Stirne berühren.

Als sie ihr Lied beendet hatte, erhoben sich alle Mädchen, küßten die Erde vor ihrem Herrn und sprachen: »Entscheide in Gerechtigkeit über uns, o Herr!« Da betrachtete ihr Herr ihre Schönheit und Anmut und ihre verschiedene Farbe und lobte und pries Gott, den Erhabenen. Dann sagte er zu ihnen: »Da ist keine unter euch, die nicht den Koran kennete und die Kunst der Töne und nicht die Geschichten von den Altvordern und die Chroniken der dahingegangenen Völker studiert hätte. So wünsche ich nun, daß sich eine jede von euch erhebt und mit ihrer Hand auf ihre Nebensklavin weist, d. h. die weiße auf die braune, die fette auf die magere und die gelbe auf die schwarze, und daß sich eine jede von euch selber rühmt und ihre Nebensklavin verkleinert; dann soll sich ihre Nebensklavin erheben und mit ihr das Gleiche thun; und sollt ihr dabei Beweisgründe aus der Heiligen Schrift anführen sowie auch Anekdoten und Verse, auf daß wir eure Bildung schauen und eure schönen Reden vernehmen.« Alle Mädchen erwiderten darauf: »Wir hören und gehorchen.«

Dreihundertundfünfunddreißigste Nacht.

Alsdann erhob sich die Weiße zuerst von ihnen und sprach zur Schwarzen, indem sie mit der Hand auf sie wies: »Wehe dir, du Schwarze, nach der Überlieferung spricht das Weiß: Ich bin das leuchtende Licht, ich bin der steigende Mond, meine Farbe strahlt hell, meine Schläfe ist weiß, und der Dichter singt von meiner Schönheit:

Eine weiße Maid mit weichen glänzenden Wangen,
Einer Perle gleich in der Schönheit Hülle geborgen;
Ihr Wuchs ist schlank wie das Elif, ihr Lächeln gleicht dem Mîm,
Und drüber die Brauen geschweift wie das Nûn.Alif oder Elif, der Buchstabe a, eine senkrechte Linie; Mîm das m, Nûn das n. 113
Ihre Blicke gleichen Pfeilen, ihre Brauen einem Bogen,
Bereit das Todesgeschoß in die Herzen zu senden.
Schaust du ihre Wangen und ihre Gestalt, so siehst du vereint in ihnen
Die Rose, die Myrte, das Basilium und das Heckenröschen.
In Gärten trifft man das Reis gepflanzt,
Doch wie viele Gärten blühn in dem Reis deiner Gestalt!

So ist meine Farbe gleich dem gesunden Tag und der frisch gepflückten Blüte und dem blitzenden Stern; und Gott, der Erhabene, spricht in der herrlichen Schrift zu seinem Propheten Moses, – Frieden sei auf ihm! –: Stecke deine Hand in deinen Busen und sie soll weiß herauskommen, ohne ein Übel!Koran 27,12. Ferner sagt Gott, der Erhabene: Jene aber, deren Gesichter weiß sind, werden Gottes Gnade genießen, und zwar ewiglich.Koran 3, 103. Die Verdammten erhalten schwarze Gesichter. Meine Farbe ist ein Wunderzeichen, meine Holdseligkeit ohnegleichen und meine Schönheit ohn' Ende. Einem Wesen wie mir steht Kleidung wohl an und sind aller Herzen zugethan. Viele Vorzüge liegen in der weißen Farbe; so fällt z. B. der Schnee weiß vom Himmel, nach der Überlieferung ist weiß die schönste Farbe, und die Moslems rühmen sich weißer Turbane. Sollte ich alles, was zum Ruhme der weißen Farbe gesagt werden kann, vorbringen, so würde es lange Zeit in Anspruch nehmen, und wenig und gut ist besser als viel und ungenügend. Ich will jetzt daher mit deinem Tadel beginnen, du Schwarze, du Tintenfarbe, du Staub der Schmiede und Rabengesicht, das Liebenden Trennung bringt! Sagt nicht der Dichter beim Lob der weißen und beim Tadel der schwarzen Farbe:

Siehst du nicht, daß die Perle kostbar ist um ihrer Farbe willen,
Während man eine ganze Kohlenlast für einen Dirhem kauft?
Und weißt du nicht, daß die weißen Gesichter das Paradies schauen,
Während die schwarzen Gesichter der Hölle Futter sind?

Wird doch auch ferner in einer der Überlieferungen nach dem Zeugnisse trefflicher Männer berichtet, daß Noah, – 114 Frieden sei auf ihm! – eines Tages schlief, während seine beiden Söhne Sem und Ham ihm zu Häupten saßen. Da kam ein Windstoß und hob seine Kleider auf, so daß seine Blöße aufgedeckt wurde. Ham schaute ihn an und lachte und deckte ihn nicht zu, Sem aber stand auf und bedeckte ihn. Als nun ihr Vater aus dem Schlafe erwachte und erfuhr, wie sich seine beiden Söhne betragen hatten, da segnete er Sem und verfluchte Ham; und alsbald ward Sems Angesicht weiß, und die Propheten und rechtgläubigen Chalifen und Könige gingen von seinen Söhnen aus; Hams Angesicht aber ward schwarz, und er flüchtete nach dem Lande Habesch, wo die Schwarzen aus seinem Samen entsproßten. Alle stimmen in der geistigen Beschränktheit der Schwarzen überein, wie auch das Wort bekannt ist: »Wie kann man Verstand in einem Schwarzen finden?«

Nach diesen Worten sagte ihr Herr zu ihr: »Setz' dich; das war genug und übergenug.« Alsdann gab er der Schwarzen einen Wink, worauf sich dieselbe erhob und, mit ihrer Hand auf die Weiße weisend, anhob: »Weißt du nicht, daß in dem Koran, welcher von Gott, dem Erhabenen, auf seinen Propheten und Gesandten herabgesandt wurde, das Wort steht: Bei der verhüllenden Nacht und des Tages hell leuchtendem ScheinKoran 92, 1. 2. –? Wäre die Nacht nicht herrlicher, so hätte Gott nicht bei ihr geschworen und sie vor dem Tage genannt, und in der That nehmen dies alle Einsichtigen und Hellsichtigen an. Und ferner, weißt du nicht, daß Schwarz der Schmuck der Jugend ist, und daß die Freuden schwinden, wenn das weiße Haar auf dem Haupte einkehrt, und daß des Todes Stunden dann nahen? Wäre Schwarz nicht der Dinge herrlichstes, so hätte Gott es nicht gelegt in des Herzens Kern und in des Auges Stern. Wie schön lautet das Dichterwort:

Die Dunkelfarbigen lieb' ich, denn sie vereinen in sich
Die Farbe der Jugend, des Herzens Kern und das Schwarze im Auge. 115
Wenn ich die Weißen nicht liebe, so irr' ich mich nicht,
Denn, siehe, vom grauen Haar und dem Totenlaken möcht' ich mich fernhalten.

Ist ferner nicht die Nacht die schönste Zeit für Liebender Zusammenkünfte? Und was verbirgt Liebende besser vor Verleumdern und Tadlern als das Dunkel der Nacht, und was bringt ihnen mehr Sorgen vor Bloßstellung als das Tageslicht? Wie viel Ansprüche auf rühmliche Eigenschaften hat deshalb nicht die Nacht? Und wie schön lautet das Dichterwort:

Ich besuche sie, und das Dunkel der Nacht ist mir hold,
Während des Tages helles Licht mir feindlich gesinnt ist.

Oder wie ein andrer sagt:

Wie viele Nächte verbrachte ich selig mit der Geliebten,
Von ihren dunkeln Locken verhüllt!
Doch, wenn das Morgenlicht kam, dann erschreckte es mich,
Und ich rief: Alle Lichtanbeter sind Lügner.

Wollte ich aber alles, was zum Lobe der schwarzen Farbe gesagt werden kann, vorbringen, so würde es lange Zeit in Anspruch nehmen, und besser ist wenig und gut als viel und ungenügend. Was dich aber anlangt, du Weiße, so ist deine Farbe die Farbe des Aussatzes, und deine Liebe läßt einen ersticken; ferner wird überliefert, daß Kälte und eisiger Frost in der Hölle zu den Qualen der Gottesleugner gehören, während es ein Vorzug der schwarzen Farbe ist, daß die Tinte schwarz ist, mit welcher das Wort Gottes geschrieben ist; und gäbe es keinen schwarzen Moschus und kein schwarzes Ambra, so gäbe es keine Wohlgerüche für Könige. Wie viele ruhmvolle Eigenschaften liegen nicht auch sonst noch im Schwarz, die ich nicht erwähnen will, und wie schön sagt der Dichter:

Siehst du nicht, daß Moschus hoch im Werte steht,
Während vom weißen Kalk für einen Dirhem eine ganze Last zu haben ist?
Und daß ein weißes Aug'D. h. Blindheit. den schönsten Mann entstellte,
Während ein schwarzer Augenstern Pfeile entsendet? 116

Da sagte ihr Herr zu ihr: »Setz' dich, das genügt.« Darauf setzte sie sich, während er der Fetten zuwinkte.

Dreihundertundsechsunddreißigste Nacht.

Da erhob sie sich und entblößte, während sie mit der einen Hand auf die Magere wies, ihre Schenkel, ihre Handgelenke und ihren Leib. Dann zog sie ein feines Hemd an, welches ihren ganzen Leib durchschimmern ließ, und hob also an: »Gelobt sei Gott, welcher mich so schön erschaffen und mir so schönes Fett verliehen hat! Einem schwerbeladenen Zweig hat er mich gleich gemacht und hat mir Schönheit und Glanz im Übermaß verliehen. Gelobt sei er auch dafür, daß er mir so hohen Vorzug gegeben hat, indem er mich in der Heiligen Schrift erwähnt, wo der Erhabene von mir spricht: Und er brachte ein fettes Kalb. Ja, einem Garten voll Pfirsichen und Granatäpfeln hat er mich gleich gemacht. Wie das Stadtvolk nach fetten Vögeln verlangt und sie ißt und magere Vögel nicht liebt, so verlangen auch die Kinder Adams nach fettem Fleisch und essen es. Sahst du je, daß ein Mensch vor einem Fleischerladen stand und anderes als fettes Fleisch von ihm verlangte? Was dich aber anlangt, du Dünne, so hast du Beine so dünn wie Spatzenbeine oder wie ein Feuerstaker; du gleichst einem hölzernen Kreuzgestell und bist mieriges Fleisch, ohne etwas an dir zu haben, was das Herz erfreut.«

Da sagte ihr Herr zu ihr: »Setz' dich, es ist genug damit.« Dann gab er der Magern einen Wink worauf sich dieselbe gleich einem Bânzweig erhob oder gleich einem Bambusrohr oder einem Basilienreis und also begann: »Gelobt sei Gott, welcher mich so schön und begehrenswert erschaffen hat und mich ähnlich gemacht hat dem Reis, welchem sich aller Herzen zuneigen! Wenn ich mich erhebe, erhebe ich mich leicht, und wenn ich mich setze, setze ich mich gefällig. Mein Herz ist leicht und zum Scherz geneigt, und meine Seele ist heiterer als die Heiterkeit selber. Niemals hörte ich einen 117 seine Geliebte in der Art beschreiben, daß er sagte: »Meine Geliebte ist plump wie ein Elefant oder lang und breit wie ein Berg;« vielmehr in der Art: »Meine Geliebte ist schmächtig und von schlankem Wuchs.« Ein wenig Speise genügt mir, ein Schluck Wasser löscht meinen Durst. Mein Spiel ist leicht und mein Scherz gefällig. Ich bin lustiger wie ein Sperling und behender als ein Starmatz. Meine Umarmung ist des Liebenden Verlangen und des Heischenden Entzücken; meine Gestalt ist hübsch, mein Lächeln süß; ich gleiche dem Zweig des Bân oder dem Bambusschaft oder dem Basilienreis, und niemand erreicht mich in meiner Anmut. Um meinetwillen werden Liebhaber toll vor Liebe und verzehren sich Anbeter vor Sehnsucht. Wenn mein Geliebter mich an sich zieht, so lasse ich mich von ihm an sich ziehen, und wenn ich mich ihm zuneigen soll, so neige ich mich zu ihm und nicht gegen ihn. Nun aber du, o Fettleibige, du issest wie ein Elefant, und weder viel noch wenig stopft deinen Magen, und ein Dünner findet keinen Weg zu dir. Was giebt es da hübsches an deiner Dicke oder gefälliges und liebenswürdiges an deiner Grobheit? Fettes Fleisch paßt nur für den Fleischer und giebt in keiner Weise zum Lobe Veranlassung. Scherzt einer mit dir, so bist du böse, und spielt einer mit dir, so bist du verdrießlich, schläfst du, so schnarchst du, gehst du, so läßt du die Zunge heraushängen, issest du, so kannst du nicht satt werden. Du bist schwerer als Berge und gemeiner als Verderbnis und Verbrechen. Du kannst dich nicht regen, in dir ist kein Segen und nichts anders treibst du als Fressen und Schlafen. Kurz nichts Rühmenswertes ist in dir.«

Da sagte ihr Herr zu ihr: »Setz' dich, es mag damit genug sein.« Alsdann winkte er der Gelben, worauf sich dieselbe erhob und Gott, den Erhabenen, lobte und pries und Segen und Heil über Mohammed, das beste seiner Geschöpfe, erflehte. Dann wies sie mit ihrer Hand auf die Braune und begann: 118

Dreihundertundsiebenunddreißigste Nacht.

»Ich bin's, die im Koran gemeint ist, und der Barmherzige beschrieb meine Farbe und bevorzugte sie vor allen andern Farben, wo er, der Erhabene, in dem deutlichen Buche spricht: Eine gelbe, tiefgelb an Farbe, die den Beschauer erfreut. So ist meine Farbe ein Wunderzeichen, meine Anmut ohnegleichen und meine Schönheit ohne Maß und Ziel; denn meine Farbe ist des Golddinars Farbe und die Farbe der Sterne und Monde und der Äpfel. Meine Gestalt ist die Gestalt der Schönen, und des Safrans Farbe überstrahlt alle andern Farben; meine Gestalt ist seltsam und meine Farbe wundersam. Weich ist mein Leib und teuer mein Preis, und alle Arten der Schönheit sind in mir beschlossen. Meine Farbe ist köstlich wie lauteres Gold, und wie zahlreich sind meine Vorzüge! Sagt doch auch der Dichter von mir:

Wie die leuchtende Sonne erstrahlt sie in ihrem Gelb,
Und wie güldne Dukaten entzückt sie das Auge.
Des Safrans Farbe ist nichts gegen ihren Glanz,
Ja, selbst den Mond verdunkelt ihr Schein.

Und nun will ich mit deinem Tadel beginnen, du Braungesicht! Deine Farbe ist die des Büffels, und aller Seelen erschauern bei deinem Anblick. Jedes Ding, das deine Farbe trägt, ist tadelnswert; ist die Speise braun, so ist sie vergiftet; die Mistfliege ist braun, und braune Hunde sind häßlich. Unter den Farben ist Braun diejenige, die Bestürzung verursacht und die ein Abzeichen der Trauer ist. Nie hörte ich von braunem Gold oder braunen Perlen und Edelsteinen. Du bist weder schwarz, um erkannt, noch weiß, um beschrieben zu werden; kurz, nichts von irgend welchen Vorzügen ist in dir, wie der Dichter von dir sagt:

Ihre Farbe gleicht dem Staub, den der Läufer mit den Füßen aufwirbelt,
Schaue ich sie nur einen Augenblick an, so wächst mein Kummer und Elend.« 119

Da sagte ihr Herr zu ihr: »Setz' dich und laß es hiermit genug sein.« Dann gab er der Braunen einen Wink, welche in Schönheit und Anmut erstrahlte und ebenmäßigen Wuchses und von vollkommenem Liebreiz war. Ihr Leib war weich, ihr Haar schwarz wie Kohle, ihr Wuchs wohl proportioniert, ihre Wangen rosig, ihre Augen schwarz wie Antimon, ihr Gesicht oval und glatt und holdselig, ihre Zunge beredt, ihre Taille schlank und ihr Gesäß schwer. Und nun hob die Braune an und sprach: »Gelobt sei Gott, welcher mich weder zum Ekel fett noch zum Einfallen mager erschaffen hat, weder weiß wie Aussatz, noch gelb wie Kolik, noch schwarz wie Staub, sondern mir eine Farbe verliehen hat wie sie von allen Verständigen geliebt wird! Denn alle Dichter preisen die Braunen in allen Zungen und ziehen ihre Farbe allen andern vor. Braune Farbe feine Art, heißt es, und gesegnet sei der Mann, der da gesagt hat:

Hättest du der Braunen Geheimnis ergründet,
Deine Augen weilten nicht mehr auf Weißen oder Roten.
Geistvoll ist ihr Geplauder und kokett ihre Blicke,
So daß selbst HārûtEin Engel, welcher zur Verführung der Menschen auf die Erde geschickt wurde, sich hier aber von Weibern verführen ließ, so daß er zur Strafe in eine Felsenkluft bei Babel an den Füßen aufgehängt wurde. von ihnen die Zauberkunst lernen könnte.

Meine Gestalt ist hübsch, mein Wuchs trefflich; Könige begehren meine Farbe und Reiche und Bettler verlieben sich in sie. Ich bin anmutig, leicht, hübsch, elegant, meine Haut ist weich und mein Preis ist hoch. Ich bin vollkommen, was Schönheit, Bildung und Beredsamkeit anlangt. Mein Äußeres ist hübsch, meine Zunge beredt, mein Scherz gefällig und mein Spiel anmutig. Du aber bist wie eine Malve am Thor El-Lûk,Im südlichen Teile Kairos. gelb und von oben bis unten fahl wie eine Färberrübe. Die Pest über dich, du Hirsetopf, du Grünspan, du Eulengesicht und Höllenfraß! Du hast gar keinen Anspruch auf Schönheit zu erheben, und der Dichter sagt von dir: 120

Obwohl sie nicht krank ist, wird sie immer gelber,
Sie macht mir die Brust beklommen und schafft mir Kopfweh.
Wenn meine Seele nicht bereut, so will ich sie strafen,
Und will ihr gelbes Gesicht küssen, daß mir die Zähne davon ausfallen.«

Nachdem sie diese Verse gesprochen hatte, sagte ihr Herr zu ihr: »Setz' dich, es sei genug hiermit.«

Dreihundertundachtunddreißigste Nacht.

Alsdann stiftete er wieder Frieden unter ihnen und kleidete alle in kostbare Ehrenkleider und beschenkte sie mit prächtigen Edelsteinen aus Land und Meer. Ich aber, o Fürst der Gläubigen, sah in keinem Land und zu keiner Zeit schönere Mädchen als diese sechs.«

Als der Chalife El-Mamûn diese Geschichte von Mohammed von Basra vernommen hatte, wendete er sich zu ihm und sagte: »Mohammed, kennst du den Wohnort dieser sechs Mädchen und ihres Herrn und kannst du sie uns von ihrem Herrn kaufen?« Mohammed erwiderte: »O Fürst der Gläubigen, ihr Herr ist vernarrt in sie und kann sich nicht von ihnen trennen.« El-Mamûn entgegnete jedoch: »Nimm zehntausend Dinare als Kaufpreis für jedes Mädchen mit, also im ganzen sechzigtausend Dinare, bring das Geld in das Haus ihres Herrn und kauf' sie mir von ihm.« Da nahm Mohammed von Basra jene Geldsumme von ihm und machte sich damit auf den Weg. Als er bei dem Herrn der sechs Mädchen angelangt war, teilte er ihm mit, daß der Fürst der Gläubigen sie von ihm für diese Summe kaufen wollte, worauf er dem Fürsten der Gläubigen zu Gefallen in den Verkauf einwilligte und ihm die Mädchen schickte; und der Fürst der Gläubigen richtete ihnen ein hübsches Zimmer ein, und pflegte daselbst in ihrer Gesellschaft zu sitzen und mit ihnen zu trinken, wobei er sich über ihre Schönheit und Anmut, den Kontrast ihrer Farbe und ihre schönen Reden verwunderte. Nachdem in dieser Weise längere Zeit verstrichen war, traf eines Tages beim Fürsten der Gläubigen 121 von ihrem frühern Herrn, der sie verkauft hatte, nun aber die Trennung von ihnen nicht länger ertragen konnte, ein Brief ein, in welchem er ihm sein heißes Sehnen nach den Mädchen klagte und unter anderm folgende Verse schrieb:

Sechs Schönheiten raubten mir das Herz,
Und so wünsch' ich den sechs Schönen meinen Salâm.
Sie sind mein Gehör, mein Gesicht und mein Leben,
Mein Wein, meine Wonne und meine Speise.
Nun kann ich die seligen Stunden nicht vergessen,
Und des Schlafes Süße schwand mir mit ihnen.
O wie lang schon währt mein Seufzen und Weinen,
Wäre ich doch niemals unter den Menschen erschaffen!
Ihre Augen, von Brauen gleich Bogen geschmückt,
Die schossen mir ihre Pfeile ins Herz.

Als dieser Brief dem Chalifen El-Mamûn zu Händen kam, kleidete er die Mädchen in prächtige Kleider, schenkte ihnen sechzigtausend Dinare und schickte sie ihrem Herrn zurück, der sich über ihre Ankunft noch mehr als über das Geld freute. Und nun führte er mit ihnen das schönste und beste Leben, bis der Zerstörer aller Freuden und der Trenner aller Vereinigungen sie heimsuchte.

 


 


 << zurück weiter >>