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Tausend und eine Nacht. Band VII
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Abū Mohammed der Faulpelz und Er-Raschîd.

Ferner erzählt man, daß Hārûn er-Raschîd eines Tages auf dem Throne des Chalifates saß, als ein Page von seinen Eunuchen zu ihm eintrat mit einer Krone aus rotem Golde, die mit Perlen und Edelsteinen besetzt war, unter denen sich Hyacinthen und allerlei sonstige Juwelen befanden, wie man sie gar nicht für Geld hätte kaufen können. Dieser Eunuch nun küßte die Erde vor dem Chalifen und sprach zu ihm: »O Fürst der Gläubigen, die Herrin Subeide – da bemerkte Schehersad den anbrechenden Tag und verstummte. Ihre Schwester aber sagte zu ihr: »Wie schön ist doch deine Geschichte, wie lieb, wie süß und entzückend!« 20 Schehersad entgegnete ihr: »Was ist das erst im Vergleich zu dem, was ich euch in der kommenden Nacht erzählen werde, so ich am Leben bleibe, und der König mich verschont.« Da sprach der König bei sich: »Bei Gott, ich töte sie nicht eher als bis ich das Ende ihrer Geschichte gehört habe.«

Dreihundertste Nacht.

Als es nun die dreihundertste Nacht geworden war, sagte ihre Schwester zu ihr: »Ach meine Schwester, erzähle uns doch deine Geschichte zu Ende.« Schehersad erwiderte: »Freut mich und ehrt mich; wenn es mir der König erlaubt.« Da sagte der König: »Erzähle, Schehersad.« Und sie erzählte: »Glückseliger König, es kam mir zu Ohren, daß der Bursche zu dem Chalifen sagte: »Siehe, die Herrin Subeide küßt die Erde vor dir und läßt dir sagen: Du weißt, daß sie diese Krone hat machen lassen und daß ein großer Edelstein für ihren Knauf fehlt. Nun hat sie alle ihre Schätze nachsuchen lassen, ohne daß sie einen Edelstein groß genug für ihr Vorhaben gefunden hätte.« Da sagte der Chalife zu seinen Kämmerlingen und Vicekönigen: »Suchet nach einem großen Edelstein, wie Subeide ihn wünscht.« Obwohl sie nun nachsuchten, fanden sie doch nichts, das ihrem Wunsch entsprochen hätte, und teilten es dem Chalifen mit. Da wurde dem Chalifen die Brust beklommen, und er rief: »Wie kann ich Chalife sein und König der Könige der Welt und bin nicht einmal imstande einen Edelstein zu beschaffen! Weh euch, fragt bei den Kaufleuten an!« Da fragten sie bei den Kaufleuten an, und die Kaufleute gaben ihnen zur Antwort: »Unser Gebieter wird solch einen Edelstein nur bei einem Manne in Basra finden, der Abū Mohammed der Faulpelz geheißen ist.« Da teilten sie dies dem Chalifen mit, und der Chalife befahl seinem Wesir Dschaafar einen Brief an den Emir Mohammed es-Subeidī, den Statthalter von Basra, zu schicken, daß er Abū Mohammed 21 den Faulpelz ausrüste und ihn vor den Fürsten der Gläubigen bringe; und der Wesir Dschaafar schrieb einen Brief des Inhalts und sandte ihn mit Mesrûr ab, der sich mit dem Briefe nach der Stadt Basra aufmachte und bei dem Emir Mohammed es-Subeidī eintrat. Der Emir freute sich über seine Ankunft und nahm ihn mit den höchsten Ehrenbezeugungen auf, worauf ihm Mesrûr das Schreiben des Fürsten der Gläubigen Hārûn er-Raschîd vorlas. Da erwiderte der Emir: »Ich höre und gehorche,« und sendete Mesrûr, von einer Anzahl aus seinem Gefolge geleitet, zu Abū Mohammed dem Faulpelz. Als sie zu ihm gekommen waren und an die Thür pochten, kam einer der Pagen heraus, und Mesrûr sagte zu ihm: »Sprich zu deinem Herrn: Siehe, der Fürst der Gläubigen verlangt nach dir.« Da trat der Page wieder ein und richtete diese Worte seinem Herrn aus, worauf dieser herauskam und Mesrûr, den Kämmerling des Chalifen, mit dem Gefolge des Emirs Mohammed es-Subeidī draußen fand. Da küßte er die Erde vor ihm und sprach: »Ich höre und gehorche dem Fürsten der Gläubigen, doch kommet zu uns herein.« Sie erwiderten ihm: »Wir können dies nicht thun, es sei denn in aller Eile, wie es uns der Fürst der Gläubigen geheißen hat, denn er wartet auf dein Kommen.« Abū Mohammed versetzte darauf: »So wartet nur ein wenig auf mich, bis ich mich zurecht gemacht habe.« Nach langem Zureden traten sie dann in sein Haus ein, in dessen Vestibül sie Vorhänge aus blauem Brokat mit Stickereien aus rotem Gold hängen sahen. Alsdann befahl Abū Mohammed der Faulpelz einigen seiner Pagen Mesrûr in das Warmbad in seinem Hause zu führen, und sie thaten es, und Mesrûr fand die Wände und den marmornen Fußboden ganz wunderbar schön, indem das Bad mit Gold und Silber verziert war, während das Wasser mit Rosenwasser vermischt war. Alsdann machten sich die Pagen um Mesrûr und seine Begleiter zu schaffen, indem sie sie auf das beste bedienten und sie, als sie 22 wieder aus dem Bade kamen, in Ehrenkleider aus golddurchwirktem Brokatstoff kleideten. Hierauf traten Mesrûr und seine Begleiter zu Abū Mohammed dem Faulpelz ein und fanden ihn in seinem Obergemach sitzen, wo ihm zu Häupten golddurchwirkte, mit Perlen und Edelsteinen besetzte Vorhänge aus Brokat hingen, während der Raum mit goldgestickten Kissen ausgestattet war. Er selber saß auf seiner Matratze, und die Matratze lag auf einem mit Edelsteinen besetzten Sofa.

Als nun Mesrûr zu ihm eintrat, hieß er ihn willkommen, ihm entgegenschreitend, und ließ ihn an seiner Seite Platz nehmen. Alsdann befahl er den Speisetisch zu bringen, bei dessen Anblick Mesrûr rief: »Wallāh – bei Gott! – nie schaute ich solch einen Tisch selbst bei dem Fürsten der Gläubigen!« Auf dem Tische waren aber die verschiedensten Gerichte, und alle waren in vergoldeten Porzellanschüsseln angerichtet. »Darauf,« so erzählt Mesrûr, »aßen wir und tranken und waren bis zum Abend fröhlich und guter Dinge, worauf Abū Mohammed einem jeden von uns fünftausend Dinare schenkte. Am folgenden Tage kleidete man uns in grüne golddurchwirkte Ehrengewänder, und sie bewirteten uns so glänzend als möglich.« Als Mesrûr nun zu Abū Mohammed dem Faulpelz sagte: »Wir können hier aus Furcht vor dem Chalifen nicht länger verweilen,« entgegnete er ihm: »O unser Gebieter, gedulde dich nur noch bis morgen mit uns, bis wir uns reisefertig gemacht haben und mit euch aufbrechen.« Da verblieben sie noch den Tag und die Nacht über bei ihm, am nächsten Morgen aber sattelten die Pagen Abū Mohammed dem Faulpelz ein Maultier mit einem goldenen mit allerlei Perlen und Edelsteinen besetzten Sattel, so daß Mesrûr bei sich sprach: »Ob wohl der Chalife, wenn Abū Mohammed in solchem Aufzuge vor ihm erscheint, ihn nach der Herkunft all dieser Reichtümer fragen wird?« Alsdann verabschiedeten sie sich von Abū Mohammed es-Subeidī und verließen Basra, nunmehr ohne 23 Aufenthalt reisend, bis sie nach der Stadt Bagdad gelangten. Als sie dort bei dem Chalifen eingetreten waren und vor ihm standen, befahl er ihm, sich zu setzen, und nun setzte er sich, worauf er den Chalifen mit gewählten Worten anredete und zu ihm sprach: »O Fürst der Gläubigen, ich habe dir ein Geschenk als Huldigungsgabe mitgebracht; soll ich es, so du es erlaubst, herbeiholen?« Da sagte Er-Raschîd: »Das kann nichts schaden.« Nun beauftragte er seine Leute ihm eine Kiste zu bringen, worauf er sie öffnete und daraus seltene Kostbarkeiten hervorholte, unter denen sich nebst anderen Dingen goldene Bäumchen mit weißen Smaragden als Blättern und mit Früchten von roten und gelben Hyacinthen und weißen Perlen befanden, so daß der Chalife über dieselben erstaunte. Alsdann ließ er eine zweite Kiste bringen und holte aus derselben ein brokatenes Zelt hervor, das mit Perlen, Hyacinthen, Smaragden, Chrysolithen und allerlei anderen Edelsteinen besetzt war, während die Pflöcke aus frischem indischem Aloeholz bestanden, und die Säume mit grünen Smaragden eingefaßt waren. Auf dem Zelte selber aber waren allerlei Tiere, wie Vögel und das Getier der Steppe, abgebildet, und die Bilder waren mit Juwelen, Hyacinthen, Smaragden, Chrysolithen, Ballasrubinen und allerlei Edelmetallen besetzt.

Als Er-Raschîd alles dies erblickte, freute er sich mächtig, Abū Mohammed der Faulpelz aber sprach zu ihm: »O Fürst der Gläubigen, glaube nicht, daß ich dir dieses, sei es aus Furcht oder aus Begehr nach irgend einer Sache, gebracht habe; denn, siehe, ich halte mich selber nur für einen Mann aus dem niederen Volk und halte dafür, daß alles dies nur für den Fürsten der Gläubigen paßt; so du es mir erlaubst, will ich dir nun etwas zu deinem Vergnügen von dem, was ich vermag, zeigen.« Da entgegnete Er-Raschîd: »Thue, was du willst, damit wir es schauen.« Abū Mohammed erwiderte: »Ich höre und gehorche;« darauf bewegte er seine Lippen und winkte den Zinnen des Schlosses zu, worauf sich 24 dieselben zu ihm neigten; dann winkte er ihnen wieder zu, worauf sie an ihren Platz zurückkehrten. Alsdann blinzte er mit den Augen, und nun erschienen Zimmer mit verschlossenen Thüren, aus denen auf einige Worte von ihm Vogelstimmen Antwort gaben. Er-Raschîd war hierüber aufs äußerste verwundert und fragte ihn: »Woher ward dir alles dies, wo du doch nur unter dem Namen Abū Mohammed der Faulpelz bekannt bist, und wo man mir sagte, daß dein Vater ein Schröpfer in einem Warmbad war und dir nichts hinterließ?« Da versetzte Abū Mohammed der Faulpelz: »O Fürst der Gläubigen höre mein Geschichte:

Dreihundertunderste Nacht.

Denn siehe, meine Geschichte ist wunderbar, und merkwürdig ist ihre Bewandtnis; würde sie mit Nadeln in die Augenwinkel geschrieben, so wäre sie eine Lehre für alle, die sich belehren lassen.« Er-Raschîd entgegnete: »Erzähle, was du zu erzählen hast, und teile es mir mit, o Abū Mohammed.« Da hob er an: »Wisse, o Fürst der Gläubigen – Gott schenke dir dauernd Ruhm und Macht! – Die Angaben der Leute, daß ich als der Faulpelz bekannt bin, und daß mein Vater mir kein Gut hinterließ, sind wahr, da mein Vater nichts anderes war, als was du erwähntest; denn ein Schröpfer war er in einem Warmbad. Ich aber war in meiner Jugend so faul wie keiner auf dem Angesichte der Erden; war ich doch so faul, daß ich, wenn ich in den heißen Tagen schlief, und wenn die Sonne auf mich niederbrannte, zu faul war aufzustehen und mich aus der Sonne in den Schatten zu legen. Fünfzehn Jahre hatte ich in dieser Weise verbracht, als mein Vater zur Barmherzigkeit Gottes, des Erhabenen, abschied und mir nichts hinterließ. Meine Mutter aber bediente die Leute und gab mir zu essen und trinken, während ich auf der Seite lag. Da traf es sich einmal, daß meine Mutter mit fünf Silberdirhem zu mir eintrat und zu mir sagte: »Mein Sohn, ich vernahm, 25 daß der Scheich Abul-Musaffer sich zu einer Reise nach China entschlossen hat.« Jener Scheich aber war ein guter Mensch und liebte die Armen. »Nimm daher, mein Sohn, diese fünf Dirhem und laß uns zu ihm gehen, daß wir ihn bitten dir dafür etwas aus dem Lande China zu kaufen; vielleicht ersprießt dir daraus durch Gottes, des Erhabenen, Güte ein Gewinn.« Ich war zu faul aufzustehen und mit ihr zu gehen, doch da schwur sie bei Gott, daß, falls ich nicht aufstehen und mit ihr gehen würde, sie mir nichts mehr zu essen und trinken bringen und überhaupt nicht mehr zu mir kommen sondern mich vor Hunger und Durst sterben lassen würde. Als ich diese Worte von ihr hörte, o Fürst der Gläubigen, wußte ich, daß sie dies thun würde, da sie meine Faulheit kannte, und so sagte ich denn zu ihr: »Richte mich auf.« Da richtete sie mich auf, während mir die Thränen aus den Augen liefen. Dann sagte ich: »Bringe mir meine Schuhe.« Als sie mir dieselben gebracht hatte, sagte ich: »Zieh sie mir auf die Füße.« Als sie mir dieselben angezogen hatte, sagte ich: »Heb' mich vom Boden auf.« Nachdem sie es gethan hatte, sagte ich: »Stütze mich nun, daß ich gehen kann.« Da stützte sie mich, und nun ging ich, fortwährend über meine Säume stolpernd, bis wir zum Stromesufer gelangten, wo wir den Scheich begrüßten und ich ihn fragte: »Oheim, bist du Abul-Musaffer?« Er antwortete: »Zu Diensten.« Da sagte ich: »Nimm dieses Geld und kaufe mir dafür etwas aus dem Lande China, vielleicht verhilft mir Gott zu einem Verdienst dadurch.« Nun fragte der Scheich Abul-Musaffer seine Gefährten: »Kennt ihr diesen Jüngling?« Und sie erwiderten ihm: »Jawohl; er ist unter dem Namen Abū Mohammed der Faulpelz bekannt, und dies ist das erste Mal, daß wir ihn sein Haus verlassen sehen.« Da sagte der Scheich Abul-Musaffer zu mir: »Mein Sohn, gieb mir mit Gottes, des Erhabenen, Segen das Geld her.« Darauf nahm er es von mir mit den Worten »Bismillāh – im Namen Gottes –«, und ich kehrte mit meiner Mutter 26 wieder nach Hause zurück, während der Scheich Abul-Musaffer mit einer Kaufmannsgesellschaft seine Reise antrat und mit ihnen ununterbrochen segelte, bis sie nach dem Lande China gelangten. Dort kaufte und verkaufte der Scheich und trat nach Erledigung seiner Geschäfte mit seinen Begleitern wieder die Heimreise an. Als sie aber drei Tage lang ins Meer hinausgesegelt waren, sagte der Scheich zu seinen Gefährten: »Haltet das Schiff an.« Da fragten ihn die Kaufleute: »Was fehlt dir?« Und der Scheich antwortete: »Wisset, ich habe den Auftrag Abū Mohammeds des Faulpelzes vergessen; lasset uns daher umkehren, damit wir ihm etwas für sein Geld kaufen, woran er etwas verdienen kann.« Als die Kaufleute dies vernahmen, riefen sie: »Bei Gott, dem Erhabenen, kehre nicht wieder mit uns um! Wir haben schon eine allzu weite Strecke zurückgelegt und haben hierbei gewaltige Schrecken und überreiche Plagen ausgestanden.« Er blieb jedoch dabei: »Hilft nichts, wir müssen umkehren.« Da sagten sie: »So nimm von uns den doppelten Profit der fünf Dirhem und kehr' nicht um.« Nun willigte er ein, und sie sammelten für ihn eine beträchtliche Geldsumme. Alsdann segelten sie weiter, bis sie zu einer Insel gelangten, auf welcher viel Volks war, so daß sie hier vor Anker gingen und ans Land stiegen, um Waren, wie Edelmetalle, Edelsteine, Perlen und dergleichen, einzuhandeln. Da gewahrte Abul-Musaffer einen Mann, welcher eine Menge Affen vor sich hatte, unter denen sich auch ein Affe mit ausgerupften Haaren befand; und so oft sich der Besitzer nicht um die Affen kümmerte, packten sie den ausgezupften Affen und schlugen ihn und warfen ihn auf ihren Besitzer, worauf derselbe sich erhob, um sie durchzuprügeln, und sie in Fesseln legte und hierfür züchtigte, so daß alle die Affen um so mehr wider den ausgezupften Affen ergrimmten und ihn desto heftiger schlugen. Als nun der Scheich Abul-Musaffer jenen Affen sah, bekümmerte er sich um ihn und, von Mitleid ergriffen, sagte er zu seinem Besitzer: »Verkaufe mir jenen 27 Affen da;« worauf der Mann erwiderte: »Kauf ihn.« Da sagte der Scheich: »Ich habe fünf Dirhem bei mir, die einem verwaisten Knaben gehören; verkaufst du ihn mir dafür?« Der Händler erwiderte: »Ich verkauf' ihn, und Gott segne ihn dir!« Darauf übergab er ihm den Affen für das Geld, und die Sklaven des Scheichs nahmen den Affen und banden ihn im Schiff an. Alsdann spannten sie wieder die Segel aus und zogen nach einer andern Insel, wo sie die Anker auswarfen; und die Taucher, die nach Erzen, Perlen, Edelsteinen und dergleichen tauchen, kamen aufs Schiff, und die Kaufleute nahmen sie zum Tauchen in Sold, worauf sie tauchten. Als aber der Affe sie dies thun sah, machte er sich von seinen Stricken los und tauchte, vom Schiff springend, mit ihnen ins Meer. Da rief Abul-Musaffer: »Es giebt keine Macht und keine Kraft außer bei Gott dem Hohen und Erhabenen! Nun ist der Affe mit dem Glück jenes Armen, für den wir ihn kauften, heidi!« Schon hatten sie alle Hoffnung aufgegeben, als mit einem Male der Affe unter einer Anzahl Taucher ebenfalls wieder zum Vorschein kam, die Hände voll der kostbarsten Edelsteine, und dieselben vor Abul-Musaffer hinwarf, so daß derselbe erstaunt rief: »Fürwahr, mit diesem Affen hat es ein großes geheimnisvolles Ding auf sich!« Hierauf lösten sie wieder die Segel und zogen weiter, bis sie nach einer Insel, die NegerinselEs ist die Insel Sansibar gemeint, deren Namen aus dem Persischen stammt, und auf Deutsch Negerland heißt. geheißen, gelangten, auf welcher Schwarze hausten, die vom Fleische der Kinder Adams lebten. Als die Schwarzen sie erblickten, kamen sie in Einbäumen auf sie los, ergriffen alle auf dem Schiff, fesselten ihnen die Hände auf dem Rücken und brachten sie zu ihrem König, der ihnen eine Anzahl von den Kaufleuten zu schlachten befahl. Darauf schlachteten sie dieselben und fraßen sie auf, während der Rest der Kaufleute in elendester Lage die Nacht in Fesseln verbrachte. Als es aber dunkle Nacht geworden war, machte sich der Affe an 28 Abul-Musaffer und löste ihm die Fesseln; und als die Kaufleute Abul-Musaffer seiner Fesseln ledig sahen, sagten sie: »Vielleicht gewährt es Gott, daß wir durch deine Hände befreit werden, o Abul-Musaffer!« Er entgegnete ihnen jedoch: »Wisset, daß niemand anders nach Gottes, des Erhabenen, Willen mich befreite, als dieser Affe;

Dreihundertundzweite Nacht.

ich zahle ihm daher für meine Befreiung tausend Dinare.« Da sagten die Kaufleute: »Wir wollen ihm ebenfalls Mann für Mann tausend Dinare entrichten, wenn er uns befreit.« Nun trat der Affe zu ihnen heran und löste einen nach dem andern, bis er alle aus ihren Fesseln befreit hatte, worauf sie wieder ihr Schiff bestiegen, das sie wohlbehalten antrafen, ohne daß irgend etwas von ihm gefehlt hätte. Als sie die Segel wieder entfaltet hatten und abgesegelt waren, sagte Abul-Musaffer: »Ihr Kaufleute, erfüllet euer Versprechen dem Affen gegenüber.« Da antworteten sie: »Wir hören und gehorchen,« und jeder von ihnen gab ihm tausend Dinare, während Abul-Musaffer ebenfalls tausend Dinare von seinem Gelde hervorholte, so daß für den Affen eine mächtige Geldsumme zusammenkam. Alsdann reisten sie, bis sie wieder in der Stadt Basra ankamen, wo ihre Freunde sie empfingen. Abul-Musaffer aber fragte, als sie vom Schiffe an den Strand gestiegen waren: »Wo ist Abū Mohammed der Faulpelz?« Nun war die Nachricht auch meiner Mutter zu Ohren gekommen, und während ich schlief, kam meine Mutter mit einem Male zu mir und sagte: »Mein Sohn, der Scheich Abul-Musaffer ist zurückgekommen und ist jetzt in der Stadt. Steh auf, geh zu ihm, sprich den Salâm zu ihm und frag' ihn, was er dir mitgebracht hat. Vielleicht hat Gott, der Erhabene, dir irgend ein Thor zum Glück geöffnet.« Da sagte ich zu ihr: »Heb' mich vom Boden auf und stütze mich, daß ich zum Stromufer hinausgehen kann.« Darauf ging ich, 29 fortwährend über meine Säume stolpernd, bis ich zum Scheich Abul-Musaffer kam. Als er mich sah, rief er: »Meinen Willkomm dem, dessen Geld die Ursache zu meiner Befreiung und zur Befreiung dieser Kaufleute nach Gottes, des Erhabenen, Willen gewesen ist!« Dann sagte er zu mir: »Nimm diesen Affen, den ich dir kaufte, und nimm ihn mit nach Hause, bis ich selbst zu dir komme.« Da nahm ich den Affen und ging fort, indem ich bei mir sprach: »Bei Gott, das ist fürwahr eine außerordentliche Ware!« Zu Hause angelangt, sagte ich zu meiner Mutter: »Jedesmal wenn ich schlafe, heißest du mich aufstehen und Handel treiben; nun schau mit deinen eigenen Augen diese Ware.« Hierauf setzte ich mich; wie ich aber dasaß, kamen mit einem Male die Sklaven Abul-Musaffers an und fragten mich: »Bist du Abū Mohammed der Faulpelz?« Ich erwiderte: »Jawohl;« und siehe, da kam auch Musaffer hinter ihnen an; während ich mich nun vor ihm erhob und ihm die Hände küßte, sagte er zu mir: »Folge mir zu meiner Wohnung.« Ich erwiderte: »Ich höre und gehorche,« und begleitete ihn in sein Haus, wo er seinen Sklaven befahl das Geld zu bringen. Als sie es gebracht hatten, sagte er zu mir: »Mein Sohn, Gott hat dir all dieses Geld als Gewinn aus deinen fünf Dirhem verliehen.« Darauf luden sie es in Kisten auf ihre Köpfe, und der Scheich gab mir die Schlüssel der Kisten und sagte zu mir: »Geh den Sklaven voran nach deinem Hause, denn alles dieses Geld gehört dir.« Da ging ich zu meiner Mutter, welche erfreut hierüber zu mir sagte: »O mein Sohn, nun, wo Gott dir diese Menge Geld geschenkt hat, gieb deine Trägheit auf, geh auf den Bazar und kauf' und verkauf'.« Und ich ließ meine Trägheit und eröffnete einen Laden auf dem Bazar, während der Affe stets bei mir auf meiner Matratze saß und mit mir aß und trank. Alle Tage aber war er vom frühen Morgen an bis zur Mittagszeit abwesend, worauf er mit einem Beutel mit tausend Dinaren wiederkehrte, ihn an meine Seite stellte und sich setzte. Dies that 30 er geraume Zeit, bis ich eine Menge Geld zusammengebracht hatte, wofür ich, o Fürst der Gläubigen, Grundstücke und Häuser erstand, Gärten anlegte und Mamluken, schwarze Sklaven und Sklavinnen kaufte. Da traf es sich eines Tages, als ich wieder auf meiner Matratze saß und der Affe mir zur Seite, daß sich der Affe mit einem Male nach rechts und links wendete, so daß ich bei mir sprach: »Was mag ihm nur fehlen?« Und mit einem Male ließ Gott den Affen mit deutlicher Sprache zu mir reden, und er sprach zu mir: »Abū Mohammed!« Als ich seine Worte vernahm, packte mich ein entsetzlicher Schreck, doch nun sprach er: »Erschrick nicht, ich will dir verkünden, was es mit mir auf sich hat. Ich bin nämlich ein Mârid von den Dschinn und kam zu dir um deiner armseligen Lage willen, so daß du heute nicht mehr weißt, wie hoch sich dein Gut beläuft; nun aber bedarf ich deiner in einer Sache, die dir zum besten dienen wird.« Da fragte ich ihn: »Was ist's?« Und er erwiderte: »Ich will dich mit einem Mädchen, schön wie der Vollmond, vermählen.« Auf meine Frage: »Wie das?« antwortete er: »Morgen ziehe deine besten Sachen an, setz' dich auf dein Maultier mit dem goldenen Sattel und reite zum Futterhändlerbazar. Dort erkundige dich nach dem Laden des Scherîfs,Scherîf ist der Titel der Nachkommen Mohammeds, deren es unzählige giebt. Die Männer sind durch die Tracht eines grünen Turbans, die Frauen durch einen grünen Schleier ausgezeichnet. setz' dich an seine Seite und sprich zu ihm: »Siehe, ich komme zu dir als Brautwerber deiner Tochter.« Sagt er zu dir: »Du hast weder Geld noch bist du von Stand und Adel,« so gieb ihm tausend Dinare; spricht er zu dir: »Gieb mir mehr,« so gieb ihm mehr und mach' ihn lüstern mit dem Geld.« Da sagte ich: »Ich höre und gehorche; morgen werde ich's thun, so Gott will, der Erhabene.« Am nächsten Morgen zog ich dann meine besten Sachen an, setzte mich auf mein Maultier mit dem goldenen Sattel und ritt auf den Futterhändlerbazar, wo ich mich 31 nach dem Laden des Scherîfs erkundigte; und, da ich ihn in seinem Laden sitzend antraf, stieg ich ab und bot ihm den Salâm, worauf ich mich neben ihn setzte.

Dreihundertunddritte Nacht.

Ich hatte aber zehn meiner schwarzen Sklaven und Mamluken bei mir. Als ich nun neben ihm saß, fragte er mich: »Vielleicht haben wir das Vergnügen dir ein Anliegen erfüllen zu können?« Ich erwiderte: »Jawohl, ich habe ein Anliegen an dich.« Da fragte er: »Was ist's?« Und ich versetzte: »Ich bin als Brautwerber gekommen und begehre deine Tochter.« Wie er nun entgegnete: »Du hast weder Geld, noch bist du von Stand und Adel,« holte ich einen Beutel mit tausend Dinaren roten Goldes hervor und erwiderte ihm: »Dies ist mein Stand und mein Stammbaum; hat doch Er, dem Gott Segen und Heil verleihen möge, gesagt: »Der beste Stand ist Geld.« Und wie schön hat der Dichter gesprochen:

»Wer nur zwei Dirhem hier sein Eigen nennt,
Dess' Lippen wissen allerlei Rede zu führen.
Seine Brüder suchen ihn auf, seinen Worten zu lauschen,
Und aufgeblasen erschaust du ihn unter den Menschen.
Fehlte das Geld ihm, mit dem er so groß sich thut,
Du fändest ihn unter den Menschen in übelster Lage.
Irrt auch der Reiche in seinen Worten, so heißt es:
Die Wahrheit hast du gesprochen und hast keinen Unsinn geredet.
Doch spricht der Arme die Wahrheit, so rufen alle:
Du hast gelogen – und kehren sich nicht an sein Wort.
Wahrlich in allen Heimstätten der Erde kleidet das Geld
Die Männer mit Würde und macht die Häßlichsten schön.
Geld ist die Zunge für den, der beredt sein möchte,
Und Geld ist die Waffe für den, der kämpfen will.«

Als der Scherîf diese Worte von mir vernommen und die Verse verstanden hatte, ließ er sein Haupt eine Weile zu Boden sinken; dann hob er es wieder und sagte zu mir: »Wenn es denn sein muß, so will ich von dir noch dreitausend Dinare haben:« und ich entgegnete: »Ich höre und 32 gehorche.« Alsdann schickte ich einen der Mamluken nach meiner Wohnung, und der Mamluk brachte mir das Geld, das er verlangt hatte. Als der Scherîf das Geld ankommen sah, verließ er seinen Laden, indem er seinen Burschen befahl ihn zu verschließen, und lud seine Freunde im Bazar ein ihn in seinem Hause zu besuchen, woselbst er meinen Ehevertrag mit seiner Tochter schrieb und zu mir sagte: »Nach zehn Tagen will ich dich ihr zuführen.« Hierauf ging ich wieder fröhlich in meine Wohnung und blieb mit dem Affen allein, dem ich alles, was vorgefallen war, erzählte; und der Affe entgegnete: »Das hast du ausgezeichnet gemacht.« Als nun der vom Scherîf festgesetzte Zeitpunkt nahte, sagte der Affe zu mir: »Ich habe ein Anliegen an dich, und, so du es mir erfüllst, sollst du alles, was du begehrst, von mir erhalten.« Da fragte ich: »Was ist dein Anliegen?« Und er versetzte: »In dem Saale, in welchem du mit der Tochter des Scherîfs zusammentreffen wirst, befindet sich gegenüber dem Eingang eine Kammer, an deren Thür ein kupferner Ring angebracht ist, dessen Schlüssel darunter hängen. Nimm die Schlüssel und öffne die Thür; du wirst in der Kammer einen eisernen Kasten finden, an dessen Ecken vier Talismane in Gestalt von Fähnlein angebracht sind. Mitten in der Kiste steht ein Becken voll Geld, in welchem ein weißer Hahn mit gespaltenem Kamm angebunden ist. Auf der einen Seite sind im Kasten elf Schlangen und auf der anderen liegt ein Messer. Nimm das Messer, schlachte den Hahn damit, zerschneide die Fahnen und stürze den Kasten um; alsdann geh wieder hinaus und suche deine Braut auf. Das ist mein Anliegen an dich.« Ich erwiderte ihm: »Ich höre und gehorche,« und begab mich nun in das Haus des Scherîfs; sobald ich den Saal betreten hatte, sah ich mich nach der Kammer um, die mir der Affe beschrieben hatte, und dann blieb ich mit der Braut allein, die so hübsch war, daß die Zunge ihre Schönheit und Anmut zu beschreiben nicht imstande ist, und freute mich über 33 sie und bewunderte ihre Schönheit und Anmut und ihre ebenmäßige Gestalt. Gegen Mitternacht aber, als die Braut schlief, stand ich auf, nahm die Schlüssel und öffnete die Kammer. Dann nahm ich das Messer, schlachtete den Hahn, warf die Fahnen fort und stürzte den Kasten um. Mit einem Male erwachte das Mädchen und schrie, als sie die Kammer geöffnet und den Hahn geschlachtet sah: »Es giebt keine Macht und keine Kraft außer bei Gott, dem Hohen und Erhabenen! Nun hat mich der Mârid in seine Gewalt bekommen!« Kaum hatte sie ihre Worte beendet, da sauste auch schon der Mârid nieder aufs Haus und raubte das Mädchen unter großem Getöse, und plötzlich kam der Scherîf an und rief, sich das Gesicht schlagend: »Ach, Abū Mohammed, was hast du uns da gethan! Ist das unser Lohn von dir, wo ich diesen Talisman in der Kammer hier machte, um meine Tochter vor diesem Verruchten zu schützen, der mir seit sechs Jahren das Mädchen zu rauben versuchte, es aber wegen des Talismans nicht vermochte! Nun darfst du nicht länger mehr bei uns verweilen; geh' deines Weges.« Da verließ ich das Haus des Scherîfs und begab mich nach Hause, wo ich nach dem Affen suchte, ohne daß ich ihn fand oder auch nur eine Spur von ihm bemerkte, so daß ich merkte, daß er der Mârid gewesen war, welcher mein Weib geraubt und mich dazu verführt hatte den Talisman zu zerstören und den Hahn zu schlachten, welche ihn an ihrem Raube verhindert hatten. In bitterlicher Reue zerriß ich meine Kleider und schlug mir ins Gesicht, und die Welt ward mir eng, so daß ich allstund auszog und in die Steppe lief und fortwährend drauf los wanderte, bis mich der Abend überkam, und ich nicht wußte, wohin ich gehen sollte. Während ich aber meinem Kummer nachhing, kamen mit einem Male zwei Schlangen auf mich zu, eine braune und eine weiße, die beide miteinander kämpften. Da hob ich einen Stein von der Erde auf und warf ihn nach der braunen Schlange, welche die weiße verfolgte, daß sie tot liegen blieb. Nun verschwand 34 die weiße Schlange; nach einer Weile aber kam sie mit zehn andern weißen Schlangen zurück, und sie alle fielen über die tote Schlange her und rissen sie in Stücke, bis nichts als der Kopf übriggeblieben war. Alsdann liefen sie ihres Weges, während ich ermüdet an meinem Platze zu Boden sank. Wie ich nun dort in Gedanken über meine Lage dalag, da hörte ich mit einem Male eine Stimme, obwohl ich kein Wesen gewahrte, und die Stimme sprach die beiden Verse:

»Laß laufen das Schicksal in seinen Zügeln
Und ruh in den Nächten mit freiem Herzen.
Zwischen eines Blitzes Zuschlag und Aufschlag
Kann Gott ein Ding zu einem andern Ding gestalten.«

Als ich, o Fürst der Gläubigen, diese Worte vernahm, packte mich die größte Furcht und die heftigste Besorgnis; doch da hörte ich eine Stimme hinter mir folgende Verse sprechen:

»O Moslem, dessen Richtschnur der Koran ist,
Freue dich sein, denn Frieden ist dir gekommen.
Sei ohne Furcht vor Satans bestrickendem Blendwerk,
Wir sind ein Volk, dessen Glauben der wahre ist.«

Da rief ich: »Bei der Wahrheit dessen, den du anbetest, sag' mir, wer du bist!« Und nun nahm die Stimme eines Menschen Gestalt an und sprach zu mir: »Fürchte dich nicht, denn siehe, deine gute That ist uns zu Ohren gekommen, und wir sind ein Volk von den rechtgläubigen Dschinn. Hast du ein Anliegen, so sag' es uns, daß wir das Vergnügen haben es dir zu erfüllen.« Da sagte ich zu ihm: »Ich habe ein großes Anliegen, da ich von einem großen Unglück betroffen bin; wem wäre wohl ein gleiches Unglück widerfahren!« Nun fragte er mich: »Bist du gar Abū Mohammed der Faulpelz?« Und ich erwiderte: »Jawohl.« Da sagte er: »Abū Mohammed, ich bin der Bruder jener weißen Schlange, deren Feind du getötet hast; wir sind vier Brüder von einer Mutter und einem Vater und wir alle wissen dir 35 für dein gutes Werk Dank. Wisse, daß der, welcher in der Gestalt des Affen war und diese Arglist gegen dich anwendete, ein Mârid von den Dschinn ist; und, hätte er nicht diese List zu Wege gebracht, so hätte er sie nie rauben können, da er ihr schon seit langer Zeit nachstellte, jedoch durch jenen Talisman an ihrer Entführung behindert wurde. Wäre der Talisman unversehrt geblieben, hätte er niemals ihr beikommen können. Doch gräme dich nicht über diese Geschichte; wir werden dich zu ihr bringen und wollen den Mârid töten, denn deine Güte ist nicht an uns verloren.« Hierauf stieß er einen gewaltigen Schrei aus –

Dreihundertundvierte Nacht.

und sofort erschien ein Trupp Dschinn vor ihm, die er nach dem Affen fragte. Da sagte einer der Dschinn: »Ich kenne seinen Aufenthalt.« Auf seine Frage: »Wo ist sein Aufenthalt?« antwortete er: »In der kupfernen Stadt, über welche die Sonne nicht aufgeht.« Nun sagte er zu mir: »Abū Mohammed, nimm einen von diesen unsern Sklaven, der dich auf seinem Nacken tragen und dir ansagen wird, wie du das Mädchen wieder bekommen kannst. Wisse aber, dieser Sklave ist ein Mârid; erwähne daher, so lange er dich trägt, nicht den Namen Gottes, sonst flieht er vor dir, und du stürzest herunter und kommst um.« Ich erwiderte: »Ich höre und gehorche;« und nun wählte er einen von seinen Sklaven aus, und der Sklave neigte sich und sprach: »Sitz' auf.« Da saß ich auf, und er flog mit mir in den Luftraum empor, daß die Welt meinen Blicken entschwand, und mir die Sterne wie die festgegründeten Berge vorkamen, und ich der Engel Lobpreisungen im Himmel vernahm, während der Mârid fortwährend mit mir plauderte, um mich zu zerstreuen und an der Erwähnung des Namens Gottes, des Erhabenen zu hindern. Während ich aber in dieser Weise dahinzog, erschien mit einem Male eine Gestalt in grünem Gewande mit Stirnlocken und leuchtendem Gesicht, in der Hand einen 36 funkensprühenden Speer, die auf mich zukam und mir entgegenrief: »O Abu Mohammed, sprich: Lā ilâha illā-llâhu muhámmadun rasûlu-llâhi – Es ist kein Gott außer Gott, Mohammed ist der Gesandte Gottes – oder ich durchbohre dich mit diesem Speer.« Nun war mir das Herz beinahe schon gebrochen, darum, daß ich den Namen Gottes, des Erhabenen, nicht hatte aussprechen dürfen, und so sprach ich: »Es ist kein Gott außer Gott, und Mohammed ist der Gesandte Gottes,« worauf jene Erscheinung den Speer wider den Mârid warf, so daß derselbe zerschmolz und zu Asche wurde, während ich von seinem Rücken stürzte und zur Erde sank, bis ich in ein tobendes, wellenbrandendes Meer fiel. Und siehe, da war ein Fahrzeug mit fünf Schiffern in der Nähe, die, sobald sie mich erblickten, auf mich zukamen und mich in ihr Schiff nahmen. Als sie mich dann in einer fremden Sprache anredeten, gab ich ihnen ein Zeichen, daß ich sie nicht verstünde, und nun segelten sie weiter bis zum Abend, worauf sie ein Netz auswarfen und einen großen Fisch fingen, den sie brieten und mir zu essen gaben. Alsdann fuhren sie weiter, bis sie mich zu ihrer Stadt gebracht hatten, wo sie mich zu ihrem König führten und mich vor ihn stellten. Ich küßte die Erde vor ihm, und er schenkte mir ein Ehrenkleid und sprach zu mir, da er arabisch zu sprechen verstand: »Ich mache dich zu einem meiner Garden.« Darauf fragte ich ihn: »Wie ist der Name dieser Stadt?« Und er antwortete: »Sie heißt Hanâd und liegt im Lande China.« Dann übergab mich der König dem Wesir der Stadt und befahl ihm, mich in der Stadt spazieren zu führen, deren Bewohner früher Heiden gewesen waren, bis Gott, der Erhabene, sie zu Stein verwandelt hatte; und so vergnügte ich mich in der Stadt, in der ich mehr Bäume und Früchte sah als irgend sonstwo. Nach Verlauf von drei Monaten aber, als ich mich an das Ufer eines Baches gesetzt hatte, kam mit einem Male ein Reiter auf mich zu und fragte mich: »Bist du Abū Mohammed der Faulpelz?« Ich antwortete: 37 »Jawohl.« Da sagte er: »Fürchte dich nicht, denn deine gute That ist uns zu Ohren gekommen.« Da fragte ich ihn: »Wer bist du?« Und er erwiderte: »Ich bin der Bruder jener Schlange, und du bist nahe dem Aufenthalte jenes Mädchens, zu welchem du gelangen möchtest.« Darauf zog er seine Oberkleider aus und legte sie mir an, indem er zu mir sagte: »Fürchte dich nicht, denn siehe, der Sklave, welcher unter dir umkam, war einer unserer Sklaven.« Alsdann setzte jener Reiter mich hinter sich aufs Pferd und ritt mit mir in eine Steppe, wo er zu mir sagte: »Steige nun hinter mir ab, und wandere zwischen jene Berge dort, bis du die kupferne Stadt siehst. Halte dich aber fern von ihr und betritt sie nicht eher als bis ich wieder zu dir zurückgekehrt bin und dir sage, was du zu thun hast.« Ich erwiderte ihm: »Ich höre und gehorche;« alsdann stieg ich hinter ihm ab und wanderte, bis ich zur Stadt kam und ihre Mauer sah. Dann machte ich mich daran rings um sie herumzugehen, ob ich nicht ein Thor entdecken könnte, doch fand ich keins. Während ich nun rings um sie herumwanderte, kam mit einem Male der Bruder der weißen Schlange zu mir und händigte mir ein verzaubertes Schwert ein, um mich durch dasselbe unsichtbar zu machen. Dann ging er wieder seines Weges; doch war er erst kurze Zeit von mir fort, da vernahm ich ein lautes Geschrei und sah eine große Menge Volks ankommen, die alle die Augen auf der Brust hatten. Als sie mich erblickten, fragten sie mich: »Wer bist du, und was hat dich an diesen Ort verschlagen?« Da erzählte ich ihnen den Vorfall, und sie erwiderten mir: »Das Mädchen, von dem du sprachst, ist bei dem Mârid in dieser Stadt, doch wissen wir nicht, was er mit ihr gethan hat. Wir selber sind die Brüder der weißen Schlange. Du aber geh' nun zu jener Quelle, schau wo das Wasser in die Stadt fließt und dringe dort in die Stadt ein, denn es wird dich in die Stadt geleiten.« Da that ich nach ihren Worten und drang mit dem Wasser in ein unterirdisches Gewölbe 38 ein, worauf ich wieder herausstieg und mich nun mitten in der Stadt befand, wo ich das Mädchen auf einem goldenen Stuhle sitzen sah unter einem Baldachin von Brokat, um welchen sich rings herum ein Garten mit goldenen Bäumen befand, deren Früchte aus kostbaren Edelsteinen, wie Hyacinthen, Chrysolithen, Perlen und Korallen bestanden. Als sie mich sah, erkannte sie mich und begrüßte mich mit dem Salâm, worauf sie mich fragte: »O mein Herr, wer hat dich an diesen Ort geführt?« Da erzählte ich ihr alle meine Erlebnisse, und sie erwiderte: »Wisse, dieser Verruchte hat mir in seiner großen Liebe zu mir gesagt, was ihm schädlich und nützlich ist; auch erzählte er mir, daß sich ein Talisman in dieser Stadt befindet, vermittelst dessen er, wenn er wollte, die Stadt mit allen ihren Bewohnern vertilgen könnte, und die Ifrîten ihm in allen seinen Befehlen gehorsam wären. Der Talisman aber steht auf einer Säule.« Als ich dies vernahm, fragte ich sie: »Wo ist die Säule?« Und sie antwortete: »An dem und dem Ort.« Da fragte ich sie: »Und woraus besteht der Talisman?« Sie erwiderte: »Es ist eines Adlers Bildnis, auf dem eine Schrift steht, die ich nicht kenne. Setz' den Adler vor dich, nimm ein Kohlenbecken und wirf etwas Moschus hinein; steigt dann ein Rauch auf, so wird er die Ifrîte heranziehen, und alle werden bis auf den letzten vor dir erscheinen und deines Befehles gewärtig sein; was du ihnen auch befehlen magst, sie werden es ausrichten. Nun mach' dich auf und thue dies mit Gottes, des Erhabenen, Segen.« Da entgegnete ich: »Ich höre und gehorche,« und machte mich nach jener Säule auf, wo ich alles that, wie sie es mich geheißen hatte; und die Ifrîte kamen und erschienen vor mir und sprachen: »Zu Diensten, mein Herr; was auch immer du uns heißen magst, wir richten es aus.« Da befahl ich ihnen: »Fesselt den Mârid, der jenes Mädchen von ihrer Heimat hierher gebracht hat,« und sie erwiderten: »Wir hören und gehorchen,« und begaben sich zu dem Mârid, worauf sie mit 39 ihm, nachdem sie ihn gefesselt und festgeschnürt hatten, zu mir zurückkehrten und sprachen: »Wir haben dein Geheiß ausgerichtet.« Alsdann befahl ich ihnen fortzugehen, und nun kehrte ich wieder zu dem Mädchen zurück, erzählte ihr das Vorgefallene, und fragte sie: »Mein Weib, willst du mit mir heimkehren?« worauf sie erwiderte: »Jawohl.« Darauf stieg ich mit ihr durch das Gewölbe, durch das ich in die Stadt eingedrungen war, wieder hinaus und wir wanderten des Weges, bis wir wieder zu dem Volke kamen, das mir den Weg zu ihr gewiesen hatte.

Dreihundertundfünfte Nacht.

Dann sagte ich zu den Leuten: »Weiset mir einen Weg, welcher uns in meine Heimat bringt,« und sie thaten es und geleiteten mich zum Meeresufer, wo sie mich in ein Schiff setzten; und der Wind war günstig, und das Schiff segelte mit uns ab und brachte uns wieder nach Basra. Als hier das Mädchen ihres Vaters Haus betrat, und ihre Leute sie sahen, freuten sie sich mächtig, ich aber beräucherte nun den Adler mit Moschus, und sofort kamen die Ifrîte von allen Seiten herbei und riefen: »Zu Diensten; was begehrst du, das wir thun sollen?« Da befahl ich ihnen alles, was sich an Geld, an Edelmetallen und Juwelen in der kupfernen Stadt befand, nach meinem Hause in Basra zu schaffen, und sie vollzogen den Befehl. Alsdann befahl ich ihnen den Affen zu bringen, und als sie ihn in Schimpf und Schanden brachten, sprach ich zu ihm: »Verruchter, weshalb hast du mich verraten?« Dann befahl ich ihnen ihn in eine kupferne Flasche zu sperren, worauf sie den Befehl vollzogen und die Flasche über ihm mit Blei verschlossen. Und nunmehr lebte ich mit meinem Weibe glücklich und in Freuden, und ich habe nun, o Fürst der Gläubigen, an kostbaren Schätzen und seltenen Juwelen und Reichtümern soviel, daß es jede Zahl und Grenze übersteigt, und, so du etwas an Geld oder dergleichen heischest, so gebiete ich den Dschinn, 40 daß sie es dir auf der Stelle schaffen. Doch alles das war mir aus Gottes, des Erhabenen, Güte.«

Der Fürst der Gläubigen, der hierüber aufs äußerste verwundert war, machte ihm in Erwiderung seines Geschenks fürstliche Präsente und bewies ihm die ihm zukommende Huld.

 


 


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