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Tausend und eine Nacht. Band VII
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Husâm ed-Dîn, der Wâlī von Alexandria, und der Dieb, der den Soldaten bestahl.

Ferner erzählt man, daß einst in der Küstenfestung von Alexandria ein Wâlī, Namens Husâm ed-Dîn, residierte. Als derselbe eines Nachts in seinem Bureau saß, trat mit einem Male ein Soldat bei ihm ein und sagte zu ihm: »Unser Herr und Wâlī, wisse, ich traf heute Nacht in dieser Stadt ein und stieg in dem und dem Chân ab. Als ich den dritten Teil der Nacht über geschlafen hatte, erwachte ich und fand nun meinen Mantelsack zerschnitten und einen Beutel mit tausend Dinaren daraus gestohlen.« Kaum hatte der Soldat seine Worte beendet, da ließ auch schon der Wâlī seine Hauptleute vor sich kommen und befahl ihnen alle Leute im Chân herzubringen und sie bis zum Morgen einzusperren Als dann der Morgen kam, befahl er die Züchtigungswerkzeuge zu holen und die Leute vor ihm in Gegenwart des Soldaten, dem das Geld gestohlen war, auszupeitschen. Schon war er im Begriff die Exekution vollziehen zu lassen, da kam mit einem Male ein Mann an und zerteilte die Menge, bis er vor dem Wâlī – 130

Dreihundertundzweiundvierzigste Nacht.

und dem Soldaten stand und rief: »O Emir, laß alle diese Leute los, denn ihnen geschieht unrecht; ich bin's, der das Geld dem Soldaten gestohlen hat, und hier ist der Beutel, den ich aus seinem Mantelsack nahm.« Hierauf zog er ihn aus seinem Ärmel und legte ihn vor den Wâlī und den Soldaten nieder. Da sagte der Wâlī zum Soldaten: »Nimm dein Geld und steck' es ein, du hast nichts mehr mit den Leuten hier zu schaffen;« und alle anwesenden Leute priesen jenen Mann und segneten ihn. Der Dieb aber sagte nun: »O Emir, der Witz liegt nicht darin, daß ich selber kam und dir den gestohlenen Beutel brachte, vielmehr darin, daß ich den Beutel noch einmal von diesem Soldaten stehle.« Da fragte ihn der Wâlī: »Wie hast du den Diebstahl zu Wege gebracht, Schlaumeier?« Er erwiderte: »O Emir, siehe ich stand in Kairo auf dem Wechslerbazar, als ich den Soldaten bemerkte, wie er gerade dieses Gold wechselte und in den Beutel hier steckte. Da folgte ich ihm von Gasse zu Gasse, ohne Mittel und Wege zu finden ihm das Geld zu stehlen; als er darauf fortreiste, folgte ich ihm von Stadt zu Stadt, unterwegs ihn belauernd, ohne ihm beikommen zu können, bis er in diese Stadt kam, wo ich ihm in den Chân folgte; hier kehrte ich neben ihm ein und belauerte ihn, bis er eingeschlafen war und ich ihn schnarchen hörte. Da schlich ich mich ganz sacht zu ihm, schnitt den Mantelsack mit diesem Messer auf und nahm den Beutel gerade so wie jetzt.« Und nun streckte er seine Hand aus, nahm den Beutel vor den Augen des Wâlīs und des Soldaten fort, welche beide nebst dem Volk zurücktraten, ihm zuschauend und im Glauben, daß er ihnen zeigen wolle, wie er den Beutel aus dem Mantelsack genommen hätte. Mit einem Male aber fing er an zu laufen und stürzte sich in einen Teich; da rief der Wâlī seiner Mannschaft zu: »Haltet ihn, und steigt ihm nach in den Teich.« Ehe sie sich aber 131 die Kleider ausgezogen hatten und die Stufen hinuntergestiegen waren, war der Dieb schon über alle Berge und trotz eifrigsten Forschens nicht mehr aufzufinden, da die Gassen Alexandrias alle zusammenlaufen, so daß die Polizisten ohne den Dieb wieder zurückkehrten. Da sagte der Wâlī zum Soldaten: »Du hast keine Ansprüche mehr an das Volk hier, da du den Dieb, der dich beraubte, kennst und dein Geld von ihm bekommen hast; deine Schuld ist's, daß du es nicht festgehalten hast.« Und so zog der Soldat ohne Geld von dannen, während die Leute aus den Händen des Soldaten und des Wâlīs loskamen. Alles das aber geschah aus Gottes, des Erhabenen, Güte.

 


 


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