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Tausend und eine Nacht. Band VII
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Das Erlebnis eines Beduinen mit Dschaafar nach dessen Kreuzigung.

Ferner erzählt man, daß Hārûn er-Raschîd nach Dschaafars des Barmekiden KreuzigungDschaafar wurde nach bester Überlieferung enthauptet. befahl, daß jeder, der ihn beweinen und beklagen würde, ebenfalls gekreuzigt werden sollte, so daß das Volk hiervon abstand. Es traf sich aber, daß ein Beduine aus einer entlegenen Wüste alljährlich mit einer Ode zu Dschaafar dem Barmekiden zu kommen pflegte und ihm dieselbe vortrug, worauf er, mit tausend Dinaren und einem Angebinde beschenkt, wieder heimkehrte und bis zum nächsten Jahre mit seiner Familie von dem Gelde lebte. Als nun der Beduine nach seiner Gewohnheit wieder eintraf und von Dschaafars Kreuzigung vernahm, suchte er die Stätte auf, wo er ans Kreuz geschlagen war; dort ließ er sein Kamel niederknieen und weinte laut und trauerte tief und trug ihm dann seine Ode vor, worauf er einschlief. Da hörte er im Traume, wie Dschaafar der Barmekide zu ihm sagte: »Du hast dich müde gemacht, bist zu uns gekommen und hast uns so gefunden, wie du es gesehen hast. Doch, begieb dich nach Basra, erkundige dich dort nach einem Manne, Namens So und So, einem der Kaufleute Basras, und sprich zu ihm: »Siehe, Dschaafar der Barmekide bestellt dir den Salâm und läßt dir sagen: Gieb mir tausend Dinare in Erinnerung an die Bohne.« Als der Beduine wieder erwachte, machte er sich auf den Weg nach Basra und erkundigte sich nach jenem Kaufmann, bis er ihn gefunden hatte, worauf er ihm den Auftrag, den ihm 18 Dschaafar im Schlafe erteilt hatte, ausrichtete. Da weinte der Kaufmann so heftig, daß er nahe daran war von der Welt abzuscheiden; dann nahm er den Beduinen gastlich auf, ließ ihn neben sich sitzen und machte ihm seinen Aufenthalt so angenehm als möglich. Als dann der Beduine nach dreitägiger gastlicher Bewirtung wieder fortziehen wollte, schenkte er ihm eintausendfünfhundert Dinare und sagte zu ihm: »Die tausend Dinare sind die dir angewiesene Summe und die fünfhundert schenke ich dir meinerseits, und jedes Jahr sollst du hinfort tausend Dinare von mir empfangen.« Da sagte der Beduine beim Aufbruch zum Kaufmann: Um Gott, erzähl' mir die Geschichte mit der Bohne, auf daß ich weiß, was es für eine Bewandtnis mit ihr hat.« Und der Kaufmann erzählte: »Im Anfang meiner Laufbahn lebte ich in dürftigen Verhältnissen und zog mit gedämpften Bohnen durch die Straßen Bagdads, durch den Verkauf derselben mein Brot verdienend. Da zog ich an einem kalten regnichten Tage wieder einmal aus, ohne daß mein Leib hinreichend vor der Kälte geschützt gewesen wäre, so daß ich mich bald vor Frost schüttelte und bald in die Regenpfützen fiel und in einem so erbärmlichen Zustande war, daß mir noch heute die Haut davor schaudert. An jenem Tage aber saß Dschaafar gerade in einem die Straße überragenden Gemach, umgeben von seinen Vertrauten und seinen Beischläferinnen; und, da sein Blick auf mich fiel, jammerte ihn mein Zustand und er schickte einen seiner Diener, der mich hinaufholte und vor ihn führte. Als er mich sah, sprach er zu mir: »Verkaufe alle deine Bohnen an meine Gesellschaft hier.« Da fing ich an die Bohnen mit einem Maß, das ich bei mir hatte, auszumessen, und jeder, der ein Maß Bohnen von mir empfing, füllte es mit Gold, bis mir mein Vorrat ausging, und nichts mehr in meinem Korb übriggeblieben war. Als ich nun alles Gold, das ich eingenommen hatte, zusammenthat, fragte mich Dschaafar: »Hast du noch Bohnen übrig behalten?« Ich erwiderte: »Ich weiß es nicht.« Darauf durchsuchte ich den 19 Korb und fand nichts weiter als eine einzige Bohne, welche nun Dschaafar von mir nahm, in zwei Hälften spaltete und die eine Hälfte selber nahm, während er die andere einer seiner Beischläferinnen gab und dieselbe fragte: »Für wieviel kaufst du die halbe Bohne?« Sie erwiderte: »Für den doppelten Betrag jenes Goldes.« Ich war hierüber erstarrt und sprach bei mir: »Das ist unmöglich;« während ich jedoch noch verwundert dastand, erteilte die Beischläferin einer ihrer Sklavinnen Befehl, worauf dieselbe einen Haufen Gold, doppelt so viel als alles Gold zusammen, brachte. Alsdann sagte Dschaafar: »Und ich kaufe die halbe Bohne, die ich nahm, für den doppelten Betrag des gesamten Goldes.« Dann sprach er zu mir: »Nimm das Geld für deine Bohnen,« und erteilte einem seiner Diener Befehl, der nun das ganze Gold zusammennahm und in meinen Korb packte. Hierauf nahm ich es und ging fort. Später zog ich nach Basra und handelte mit dem Gelde, und Gott ließ es mir wohlgeraten; Preis Ihm und Dank hierfür! Wenn ich dir nun alljährlich tausend Dinare aus Dschaafars reicher Gabe gebe, so macht mir das nichts aus.« Betrachte demnach Dschaafars freigebige Natur und, wie er im Leben und im Tode gepriesen war; Gott, der Erhabene, hab' ihn selig!

 


 


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