Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band VII
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Hārûn er-Raschîd, Dschaafar, die Sklavin und der Imâm Abū Jûsuf.

Ferner erzählt man, daß Dschaafar der Barmekide eines Nachts mit Er-Raschîd becherte, und daß Er-Raschîd hierbei zu ihm sagte: »Dschaafar, es kam mir zu Ohren, daß du die und die Sklavin gekauft hast. Nun aber hatte mich schon lange nach ihr verlangt, da sie über die Maßen anmutig und mein Herz ganz in sie verliebt ist: verkaufe sie mir daher.« Dschaafar entgegnete ihm jedoch: »Ich verkaufe sie nicht, o Fürst der Gläubigen.« Da sagte der Chalife: »So schenke sie mir.« Aber Dschaafar erklärte: »Ich verschenke sie auch nicht.« Da rief Er-Raschîd: »Ich will dreimal von Subeide geschieden sein, wenn du sie mir nicht verkaufst oder schenkst;« und Dschaafar erwiderte: »Ich will dreimal von meinem Weib geschieden sein, wenn ich sie dir verkaufe oder schenke.« Als nun ihr Rausch wieder verflog, und sie erkannten, daß sie da in eine schlimme Klemme geraten waren, ohne irgend einen Ausweg zu finden, sagte Er-Raschîd: »Aus dieser Klemme kann uns kein anderer als 10 Abū Jûsuf herausziehen,« und nun schickten sie nach ihm, obwohl es bereits Mitternacht war. Als der Bote zu Abū Jûsuf kam, erhob sich derselbe erschrocken und sprach bei sich: »Zu dieser Stunde werde ich nur um einer den Islam betreffenden Sache willen geholt.« Darauf eilte er hinaus, setzte sich auf sein Maultier und befahl seinem Burschen: »Nimm den Futtersack des Maultiers mit, vielleicht hat es sich noch nicht satt gefressen. Sind wir in den Chalifenpalast gekommen, so gieb ihm den Sack, daß es den Rest seines Futters frißt, bis ich wieder herauskomme;« und der Bursche antwortete: »Ich höre und gehorche.« Als er nun bei Er-Raschîd eintrat, erhob sich dieser vor ihm und ließ ihn auf seinem Kissen an seiner Seite Platz nehmen, wo sonst niemand außer ihm sitzen durfte. Dann sagte er zu ihm: »Wir haben dich zu dieser Zeit um einer wichtigen Sache willen herberufen; so und so steht es, und wir wissen uns keinen Ausweg.« Da sagte Abū Jûsuf: »O Fürst der Gläubigen, nichts ist leichter als dies.« Dann wendete er sich zu Dschaafar und sagte zu ihm: »Dschaafar, verkaufe sie dem Fürsten der Gläubigen zur Hälfte und schenke sie ihm zur Hälfte; dann seid ihr beide eures Eides ledig.« Der Chalife war über die Lösung erfreut, und beide thaten, wie er es ihnen geraten hatte. Alsdann befahl Er-Raschîd: »Bringt mir die Sklavin sofort her –

Zweihundertundsiebenundneunzigste Nacht.

denn ich habe heftiges Verlangen nach ihr.« Als man sie ihm nun gebracht hatte, sagte er zu Abū Jûsuf: »Ich möchte sofort bei ihr ruhen, denn ich kann es nicht aushalten, so lange zu warten, bis die gesetzliche Reinigungsfrist verstrichen ist. Was ist da zu thun?« Abū Jûsuf entgegnete: »Bringt mir einen von den Mamluken des Fürsten der Gläubigen, der niemals freigelassen wurde.« Als derselbe gebracht wurde, sagte Abū Jûsuf: »Gestatte mir sie mit ihm zu verheiraten; dann soll er sich von ihr scheiden, 11 bevor er ihr beigewohnt hat, und so wird deine sofortige Beiwohnung ohne die von ihr beobachtete Reinigungsfrist gesetzlich.« Er-Raschîd gefiel diese Auskunft noch mehr als die erste, und sofort sagte er zum Kadi: »Ich gestatte dir sie mit ihm zu vermählen,« worauf der Kadi mit Einwilligung des Mamluken die Ehe vollzog. Alsdann sagte er zu ihm: »Laß dich von ihr scheiden und du sollst hundert Dinare dafür bekommen.« Der Mamluk erklärte jedoch: »Ich thu's nicht.« Nun bot ihm der Kadi immer mehr und mehr, bis er ihm schließlich tausend Dinare versprach, doch der Mamluk blieb bei seiner Weigerung und fragte ihn zuletzt: »Steht die Ehescheidung in meiner Hand oder in der Hand des Fürsten der Gläubigen?« Der Kadi erwiderte: »Nein, in deiner Hand.« Da versetzte der Mamluk: »Bei Gott, so thu ich's nimmermehr.« Als der Chalife diese Worte vernahm, ergrimmte er mächtig und fragte: »Abū Jûsuf, was ist zu thun?« Der Kadi Abū Jûsuf erwiderte: »O Fürst der Gläubigen, sei unbesorgt, die Sache ist leicht, mache nur diesen Mamluken zum Sklaven des Mädchens.« Da sprach der Chalife: »Ich schenke ihn ihr zum Sklaven;« und nun sagte der Kadi zu ihr: »Sprich: Ich nehme ihn an;« worauf sie sprach: »Ich nehme ihn an.« Dann sprach der Kadi: »Ich verhänge über euch die Trennung, denn seitdem er ihr Besitz geworden ist, ist die Ehe null und nichtig geworden.« Da erhob sich der Fürst der Gläubigen auf seine Füße und sagte: »Ein Mann wie du soll Kadi in meiner Zeit sein.« Dann ließ er mehrere Schüsseln mit Gold bringen, schüttete das Gold vor ihn hin und fragte ihn: »Hast du etwas bei dir, wo du das Gold hineinthun kannst?« Da erinnerte er sich des Futtersackes seines Maultiers und ließ ihn holen, worauf er ihn mit Gold anfüllte und nach Hause ritt. Am andern Morgen sagte er zu seinen Freunden: »Es giebt keinen leichtern und kürzern Weg zum Glauben und zu weltlichem Gut als den Weg zur Wissenschaft, denn diesen großen Haufen Gold bekam ich allein für die Beantwortung zweier 12 oder dreier Fragen.« Darum, du wohlgebildeter Leser, beherzige diese anmutige Anekdote, welche mehrere hübsche Züge hat, wie die Vertrautheit des Wesirs mit Er-Raschîd, die Weisheit des Chalifen und die höhere Weisheit des Kadis. Und Gott, der Erhabene, hab' sie allzumal selig!Zum Schlusse vergißt der Erzähler, indem er sich an den Leser wendet, daß Schehersad die Anekdote dem König Schahriar vorträgt. Die Spitzfindigkeiten Abū Jûsufs widersprechen natürlich ganz dem Geiste des moslemischen Rechts.

 


 


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