Alfred von Hedenstjerna
Allerlei Leute – Erster Band
Alfred von Hedenstjerna

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Des Gerichtsbauers Mutterschwein.

Der Gerichtsbauer in Warshült war kein gewöhnlicher Halbbauer, nein, er saß auch im Besitzrecht, hatte Sparkassenbücher für alle fünf Kinder, 60 000 Mark in Hypotheken, und wenn es noch Gerechtigkeit gab, so konnte es gar nicht mehr sehr lange dauern, daß er auch noch Bezirksrichter wurde.

Er hatte eine achtzehnjährige Tochter, die Karin hieß. Das war eine ganz verflixte Dirne. Groß und hübsch gewachsen und munter wie ein zweijähriges Kalb, das eben auf die Weide geführt worden ist. Sie hatte Augen wie Vergißmeinnicht und weiche, runde Arme, und wenn sie auf die Wiese ging und in kurzen Aermeln harkte, so gab es keinen Burschen, der im Stande war, die Arme anzusehen und nicht zu wünschen, es möchte jetzt Weihnachtsfest sein, wo man hätte hineinkneifen und die Lippen auf die rosigen Wangen drücken können.

Und nett war sie und flink in der Arbeit, und wenn sie in der Gerstenernte mit der Sense in der Hand auf's Feld kam, schaffte sie so, daß man sich rein vor ihr schämen mußte, und wenn sie Mittags zum Melken ging und hatte kaum die Butte unter die Kuh gestellt, so begann die Milch in das Gefäß zu sausen, daß man hätte glauben können, das jüngste Gericht sei gekommen.

Jedoch in allen Fällen hat man seine liebe Noth mit den Kindern, denn wenn sie sich auch recht gut in die Arbeit schicken und fleißig und nett sind, so hecken sie doch stets allerlei Teufelszeug aus. Und Karin war auch nicht besser als andere, denn sie hatte sich so in Johannson's Hirten in Applabo verliebt, daß sie weinte und schwor, sie wollte in's Wasser gehen, wenn sie ihn nicht bekäme.

Es war gar nicht so schlimm mit dem Hirten, müßt Ihr wissen, denn er war ziemlich klug und hübsch von Wuchs und Angesicht; ein Mensch, der arbeiten konnte, und sechs Tausend hatte er von seiner Mutter geerbt, war also auch nicht so nackt und bloß, aber es paßte sich doch nicht für einen solchen, eine Gerichtsbauerstochter zu heirathen. Sie müßte mindestens einen Halbbauer haben, auf dessen Hof nichts eingetragen war, hatte die Bäuerin gesagt.

Der Hirt – Karl hieß er übrigens – wußte nicht, was sich schickte; er hatte bei dem Gerichtsbauern um das Mädchen angehalten und seine Einwilligung zur Heirath erbeten. Karin sollte ihn in zwei oder drei Wochen heirathen und sei damit einverstanden.

Und Karin war auch damit einverstanden, denn bei so Etwas sind die Mädchen nie abgeneigt, aber der Gerichtsbauer schlug nur den Deckel seiner silbernen Schnupftabaksdose zu und grinste, wie er es zu thun pflegte, wenn ihm auf den Märkten ein zu geringes Angebot für seine jungen Stiere gemacht wurde, und sagte schließlich:

»Ha, ha, das paßt sich nicht, Karl, aber wenn Du mein Dienstmagdschwiegersohn werden willst, so will ich Eine der Dirnen fragen.«

»Danke für das Anerbieten, aber mein Vater ist Viertelbauer, und ich lasse die Mägde in Frieden«, sagte Karl und begann sich nach der Thür zurückzuziehen.

»Hab' Dich nicht so, Karl«, sagte der Gerichtsbauer, »jedenfalls sollst Du einen Schnaps für die Mühe haben.«

»Danke für das Anerbieten«, sagte Karl, nahm sich eine Prise und legte dann die Dose auf das Wandbord. –

Zu Himmelfahrt kam er wieder, um zu freien, aber da wurde der Gerichtsbauer ganz verteufelt wild und sagte ihm, er sollte sich schämen. Diesmal bot er ihm aber keinen Schnaps an.

Karl stöhnte und grämte sich um die Dirn, so daß er ganz mager wurde, und er athmete so schwer, daß man keinen Augenblick vor dem Abspringen und Zubodenfallen seiner Westenknöpfe sicher war. Und Karin, die mit der Magd zusammenschlief, weinte die ganzen Nächte hindurch wie besessen, daß das ganze Kopfkissen naß wurde und die Magd aufwachte und glaubte, man hätte ihnen eine Satte Milch in's Bett gegossen. Und zwei oder drei Tänze auf dem Maienfest und so ein sechs, sieben Küsse Sonnabends Abends hinter der Kuhstallthür, das war alles, was verabfolgt wurde.

Aber Gott verzeih mir meinen Schnickschnack, wir wollten ja, soviel ich weiß, von dem Mutterschwein sprechen. Ja, seht, das war so. Vor zwei Jahren war die landwirtschaftliche Ausstellung in der Stadt gewesen und da war der Gerichtsbauer denn doch blitztoll geworden, weil die Leitkuh des Kirchenvorstehers einen Preis und eine blaugelbe Schleife um's Horn bekommen hatte. Und da hatte er den ritterschaftlichen Polizeirichter gefragt, wie er es nur anfangen könnte, daß er auf der nächsten Thierschau den Preis bekäme. Und da hatte der Commissarius von einer nagelneuen Schweineart gesprochen, die es nur an den Grenzen von Blekingen gäbe. Das seien Zuchteber, so groß wie kleine Oelandsponnys, daß sie sich zum Fressen auf die Kniee legen müßten. Und der Commissarius verschaffte dem Gerichtsbauer ein Mutterschwein von dieser Art, und nun da zu Johannis wieder landwirthschaftliche Ausstellung in der Stadt war, hatte das Mutterschwein grade am zweiten Ostertage acht Ferkel geworfen, worunter drei schwarz und weiß gefleckt, eines ganz schwarz und vier weiß waren. Und diese wollte der Gerichtsbauer auf die Thierschau schicken und damit den ersten Preis für Schweinezucht gewinnen. Und der alte Gerichtsbauer dachte weiter an nichts, als an sein Mutterschwein, und sprach von nichts Anderem, als von seinen Ferkeln, und des Nachts träumte er sogar davon und streichelte mit den Händen auf der Decke herum. Und die Gerichtsbäuerin bezog das auf sich und freute sich, das könnt Ihr Euch wohl denken, und streichelte ihn wieder und sagte: »Andreaschen, Andreaschen!« Doch da begann der Alte zu locken: »Hiß, hiß, hiß!« und man konnte deutlich erkennen, daß er sich im Schlafe mit den Schweinen beschäftigte.

So ein zwei oder drei Tage vor der Thierschau kam der Gerichtsbauer mit dem Buttermilchkübel in den Schweinestall – aber da war kein Schwanz mehr.

Der Gerichtsbauer stand wie angedonnert, als hätten sie ihn mit einer Holzaxt auf den Rücken geschlagen, er sprang und lief im Gehege herum und lockte: »Hiß, hiß, hiß!« Aber die Sau war mit ihrer ganzen Familie verschwunden, wie ehemals das Geld aus der Sparkasse zu Nöbble.

Ungefähr drei Kilometer davon ging Karl aus Applabo und suchte Deckweiden, um das Stalldach damit zu decken. Und während er so ging und suchte, machte es: Uff, nuff, uff, uff, uff! Und dazwischen quieckte es ein wenig leiser: Oui, oui, ui, i, i ... i ... i ... und da war die ganze Schweinefamilie. Als Karl die kleinen süßen Thiere sah, die am selben Orte wie seine Karin beheimathet waren, da klopfte sein Herz so, daß es ihm das Uhrglas hatte zersprengen können und Thränen, so groß wie Wintererbsen standen ihm in den Augen. Doch dann überlegte er ... und als er einen Augenblick überlegt hatte, lief er nach seinem Futtersack und lockte Mutterschwein und Ferkel in den kleinen Schafstall im Hagen, warf die Thür zu und kicherte, daß es vom Heuboden wiederhallte. Und dann holte er den Schweinen Futter, damit sie sich anständig betrügen und still wären. Und gegen Sonnenuntergang nahm er ein buntes und ein weißes Ferkel, steckte sie in einen Halbenscheffelssack und ging zum Gerichtsbauern.

»Diese beiden habe ich in unserer Kuhkoppel gefunden. Seht nach, Bauer, ob sie nicht zu Eurer Familie gehören!«

»Jesses, Gott segne Dich, Karl! Ja, freilich sind sie's. Aber hast Du die Andern nicht auch gesehen?« sagte der alte Gerichtsbauer.

»Nee«, sagte der verfluchte Schlauberger, »nee, bloß diese beiden.«

»Liebes Herzchen! komm doch mit herein und iß ein Bischen. Karin, Karin, hole Brot und Butter und Käse und Roggenmehlpfannkuchen und 'n Schnaps«, sagte der Alte.

Da könnt Ihr Euch wohl denken, daß Karin alles eins, zwei, drei herbeiholte, und als der Alte sich nach dem Schrank umdrehte, um die Schnapsgläser herauszunehmen, da benutzte Karl die Gelegenheit und drückte ihr einen Schmatz auf's Mündchen.

Und der Gerichtsbauer trug sowohl das bunte wie das weiße Ferkel in die Scheune, sperrte sie beide in eine Bucht, legte ein Schloß vor die Thür und schickte Knechte und Mägde auf die Suche nach den andern sechs Schweinen. Die kamen erst mitten in der Nacht wieder und hatten natürlich nicht einmal ein Paar Borsten zum Andenken mitgebracht.

Aber in der Morgendämmerung, als die Bäuerin am Giebelfenster stand und sich den Kopf kratzte, kommt Karl aus Applabo mit seinem Halbscheffelssack, und im Sacke quiekte es: Oui, oui ... oi ... ui ... i ... i ... i ... und er setzte drei Ferkel auf den Fußboden nieder.

Der alte Gerichtsbauer wurde so froh, so froh, daß er mit beiden Beinen zugleich bis an die Decke sprang, und Karl bekam Kaffee mit Kochzucker und Zwölflöcherkringel und einen guten Cognac.

Die Knechte und die Mägde zogen wieder aus und bekamen Essen mit, aber gegen Abend kamen sie wieder und schwuren, es sei vergebens, die Schweine zu suchen; doch kaum hatten sie sich gesetzt, als Karl schon mit den drei letzten Ferkeln ankam. Er that, als sei er sehr müde, warf den Sack auf den Küchenfußboden, strich sich mit dem Wammsärmel über's Gesicht, um sich den Schweiß abzuwischen, und sagte:

»Hier habt Ihr alle Ferkel, aber die Sau ist zum Teufel! Die müßt Ihr selbst suchen, Onkel!«

Na, da könnt Ihr Euch denken, wie freundlich der Alte redete.

»Lieber, guter Herzenskarl, verlaß mich nicht in der Stunde der Noth! Morgen ist die Thierschau, und bekomme ich mein Mutterschwein nicht wieder, so thue ich mir ein Leid an, glaube ich.«

»Ja, nun könnt Ihr's fühlen, Alter, wie mir das Herz weh that, als Ihr mir Karin abschluget«, meinte Karl.

Der Gerichtsbauer schluckte und würgte und wußte sich keinen Rath; und hinter der Küchenthür stand Karin und biß in ihr Kopftuch, damit Niemand ihr Kichern hören sollte, denn Karl hatte ihr natürlich gesagt, wo das Mutterschwein war.

»Lieber Karl, sei mir nicht bös!« sagte der Alte zuletzt. »Liebes Herz, glaubst Du, daß Du die Sau lebendig erwischen kannst?«

»Leben und Tod steht in der Hand des Herrn, aber wenn Ihr mir Eure Karin versprecht, will ich es wenigstens versuchen.«

»Der Kirchenvorsteher hat ein verteufelt schönes Mutterschwein«, sagte Karin. »Kommt unsere Sau nicht auf die Thierschau, so bekommt er dieses Jahr wieder den ersten Preis.«

»Das soll eine verfluchte Lüge bleiben, und wenn ich die Thür entzwei schlagen soll!« schrie der Gerichtsbauer und schlug mit der Faust auf den Tisch, daß die Pfannkuchenschüssel tanzte. »Hier ist meine Hand, Karl! Schaffst Du mir die Sau vor Sonnenuntergang lebendig wieder, so geb' ich Dir die Dirn', und Dreißigtausend bekommt sie mit und zwei Federbetten und den graubunten Stier!«

Karl schlug ein und warf Karin einen Blick zu, der ihr so durch den Leib ging, wie eine Heugabel durch eine Hafergarbe. Und damit ging er.

Um die Abendzeit kam er zurück. Er sang und trillerte, hatte sich rasirt und die Kirchenweste angezogen. Das Mutterschwein brachte er mit und hatte es mit einer Peitschenschnur am linken Hinterfuß angebunden, denn das ist die leichteste Art, Schweine zu treiben, müßt Ihr wissen.


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