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Schon ein paar Wochen später konnten die Nachrichten – wie immer die ersten, welche Neuigkeit brachten – mitteilen, daß Fredrik Ihlen, der geschätzte Mitarbeiter der Nachrichten, nach Amerika abgereist sei. Er nahm seine Schwester mit, das in Sportskreisen so wohlbekannte Fräulein Charlotte Ihlen. Möchte es ihnen in dem neuen Lande wohlergehen! Dem Vernehmen nach stand Herr Ihlen wegen eines Professorenpostens an einer der amerikanischen Universitäten in Unterhandlung, und die Nachrichten konnten Amerika zu dieser Wahl nur gratulieren.
So bewies Lynge sein Wohlwollen für Ihlen bis zum letzten Augenblick. Er lächelte selbst über diesen »Professorenposten dem Vernehmen nach«, das war sein eigener Einfall; er hatte ihn stehenden Fußes erfunden, während er die Notiz schrieb; er gab seinem Hohn ein unschuldiges Ansehen, beraubte ihn seines Stachels und saß nur und kicherte darüber vor sich hin. Seine Gaminnatur äußerte sich immer wieder und verkürzte ihm manche langweilige Stunde.
Daneben hatte er sich übrigens der ernsten Tätigkeit auch nicht entzogen, die Stortingswahlen waren im Anmarsch, Lynge war wochenlang mit Wahlartikeln ins Feld gerückt, er hatte den Standpunkt der äußersten Linken mit einer Tapferkeit verteidigt, die selbst den Norweger ganz und gar hintenan stellte. Endre Bondesen hatte ihm geholfen; der junge Radikale, der eigentlich als Hymnendichter debütiert hatte, brachte von Zeit zu Zeit einen recht brauchbaren Wahlartikel voll echter Empfindung und Kraft. Lynge war sehr dankbar für diese Hilfe; selbst war er nicht mehr so flink mit der Feder wie früher, und brauchte dann und wann eine Handreichung. Seine alte Geschmeidigkeit hatte sich verloren, seine Hiebe wurden denen des Norwegers immer ähnlicher; kein Mensch taumelte davor zurück. Wie mochte das zugehen? Hatte er nicht mehr dieselbe kräftige Überzeugung von dem Recht seiner Sache wie früher? Und schonte er sich vielleicht, oder legte er sich auf die Bärenhaut? Keineswegs; Lynge arbeitete im Gegenteil rasender denn je. Inmitten der Abnahme seiner journalistischen Fähigkeiten arbeitete er so angestrengt, wie wenn er in seinem ganzen Leben nichts anderes gefühlt und gedacht hätte, als daß die Linke gerade bei dieser Wahl siegen müsse. Keiner solle über seinen mangelnden Glauben an diese Sache und seinen Willen, sie zu verteidigen, klagen dürfen; täglich brachten die Nachrichten einen auf die Wahl bezüglichen Leitartikel. Nur der Eisenwerksbesitzer Birkeland ging allein in seinem mürrischen Mißtrauen umher und sagte: »Wenn Lynge die reinste liberale Politik zehn Jahre hintereinander ohne zu schwanken schreibt, so bin ich doch nicht sicher, daß er nicht einen Hintergedanken hat.«
Aber Birkeland – wie viele gute Eigenschaften der Mann auch haben mochte – war einer der schwerfälligsten Köpfe im Lande, einer der lächerlich schwerfälligsten Köpfe. Wie manches Mal hatte er Lynge mit offenem Munde nachgestarrt, wenn dieser ausgezeichnete Redakteur leichten Schrittes über alle Schwierigkeiten hinwegtänzelte und mit jeder Frage die niedlichsten Künste machte. Birkeland konnte ihm nicht folgen, sein Kopf war allzu schwerfällig, und er wiederholte nur diese dunkle Phrase von den zehn Jahren und den Hintergedanken, für die er leider immer weniger und weniger Gläubige fand.
Durch die Tat bewies Lynge, daß seine politischen Schwankungen nicht so ernst gemeint waren; wenn es not tat, war er ein norwegischer Liberaler so gut wie einer.
Hatte sein Instinkt nicht gerade jetzt einen Sieg in der Höjbroschen Sache erfochten? Lynge hatte es im Blut gefühlt, daß Höjbro einer jener Menschen in der Gesellschaft sei, der reif war für die Entlarvung, und er hatte nur nötig gehabt, auf gut Glück ein paar Nadelstiche gegen ihn zu richten, als er sich auch schon ergab.
Zugleich konnte er das Land mit der vollständigen Liste der angestellten Jurymitglieder überraschen, mehrere Tage, bevor die Ernennungen stattfanden. Dieser große Coup erregte außerordentlich viel Aufsehen, und wieder sagten die Leute, man könne Lynge ja vieles vorwerfen, aber seinesgleichen habe er nicht. Und Lynge rieb sich über diese neuen Siege zufrieden die Hände; solche Coups hatten etwas Verführerisches für ihn und erfüllten seine Phantasie mit neuen Plänen, neuen Überraschungen. Und ihn wollte man stürzen? Nimmermehr! Nimmermehr!
»Herein!«
Ein Bote aus dem Hauptquartier der Linken, ein Brief; Antwort wurde erbeten.
Und Lynge durchfliegt den Brief und antwortet gleich. Die Vereinigung der Linken wollte einige seiner Wahlartikel in Sonderdruck herausgeben, sie in zehntausenden und abermals zehntausenden von Exemplaren im Lande verbreiten. O bitte! Natürlich gab er mit Freuden seine Zustimmung, die Artikel ständen vollauf zur Verfügung, gratis, durchaus ohne irgendwelche Entschädigung, um des Vaterlandes willen. Er gab dem Boten eine Krone; es war ein junger Bote, ein Bursche mit blauen Augen, der den Redakteur Lynge gewiß nie zuvor in seinem Stuhl gesehen hatte.
»Hier! Kauf dir ein Buch mit Bildern dafür.«
Und gerührt über die Dankbarkeit des Jungen, springt Lynge auf und sucht aus seinem Papierhaufen einige illustrierte Blätter und Zeitschriften heraus und gibt sie ihm. Dieser Brief vom Verein der Linken hatte gerade jetzt große Bedeutung und machte ihn froh. Seine energische Wahlarbeit wurde anerkannt; der Verein hätte die Artikel der Nachrichten nicht in Sonderdruck herausgegeben, wenn sie es nicht wert wären. Nun wollte er eigens für diesen Sonderdruck noch einen Artikel schreiben, schon heute wollte er es tun; den Stoff hatte er in einem Ausspruch aus dem schwedischen Reichstag vor sich liegen.
Da steckt Leporello plötzlich den Kopf zur Tür hinein.
Natürlich, wenn er es recht eilig hatte, dann kam Leporello. Lynge hatte nicht mehr so viel Verwendung für Leporello; er brauchte seine Hilfe nicht mehr so oft wie früher; dazu kam noch, daß er Leporello heimlich im Verdacht hatte, geplaudert und Höjbro intime Aufklärungen gebracht zu haben. Dieser Gedanke empörte Lynge; hatte er eine solche Treulosigkeit verdient? Eines Tages hatte er auf der Straße ein Frauenzimmer entdeckt, und sein erster Gedanke war gewesen, Leporello in Aktion zu setzen, daß er sich nach dieser Person erkundige; aber glücklicherweise hatte er sich bedacht und nur ein paar vage Worte hingeworfen. Er hatte Leporello durchaus keinen Auftrag gegeben. Er war auch kein Jüngling mehr; seine vierzig Jahre waren kein Alter zum Spaßen; seine Glut schwand, und seinen kleinen Rest von Wärme brauchte er für sein Blatt. Nein, wirklich, seit einiger Zeit hatte er angefangen, des Abends mehr zu Hause zu sein, er las Manuskripte durch, versah sie mit Überschriften, mit vielfachen Unterstreichungen und beschäftigte sich fleißig mit Notizen und Aufsätzen. Am Morgen konnte er dann auf ausgezeichnet verrichtete Arbeit zurückblicken.
»Die Dame, von der Sie neulich sprachen, heißt Frau Olsen«, sagt Leporello.
Lynge blickt von seinem Tisch auf.
»Ja, mein Bester, lassen Sie sie Frau Olsen heißen so viel sie will«, entgegnet er. »So neugierig bin ich doch wirklich nicht. Es fiel mir nur ein zu fragen, ob Sie sie kennten.«
Aber Leporello, der auch seinen Redakteur kennt und weiß, wie man ihm eine Aufklärung auf Umwegen eingeben muß, entgegnet rasch:
»Natürlich. Aber ist es nicht drollig: ihr Mann hat eine Viktualienhandlung in Fjerdingen; er handelt mit all den lockeren Mädeln, die es in Fjerdingen gibt, und wissen Sie, wie er genannt wird? Diese Diebsdirnen haben ihm einen Namen gegeben: den Fjerdingsfürsten. Hahaha!«
Lynge lächelte etwas gezwungen; am liebsten wäre er Leporello heute los gewesen. Aber gegen alle Gewohnheit war Leporello gerade jetzt gesprächig und fragte:
»Wer ist denn der neue Mensch, den Sie da draußen im Bureau haben?«
Der neue Dichter, das Genie aus der Tordenskjöld-Straße. Lynge hatte ihn zu sich genommen und ihm auf die Füße geholfen; es interessierte ihn, dies Talent vorwärts zu bringen, und selten kam jemand in sein Bureau, dem er beim Fortgehen nicht gesagt hätte: »Sehen Sie sich ihn an, wenn Sie hinausgehen; das ist ein neuer norwegischer Dichter, unbedingt.«
Und er antwortete Leporello wie allen anderen:
»Das ist der neue Dichter. Sehen Sie sich ihn an, wenn Sie jetzt hinausgehen.« Zugleich deutete er mit dem Kopf nach der Tür.
Aber Leporello übersah diesen Wink und ging nicht. Aus aller Gewohnheit wollte er Lynge gern mitteilen, was er auf den Straßen und in den Cafés gehört hatte; die Stadt sprach wieder von den Nachrichten, die Leute fanden sie wieder besser, die Wahlartikel, die Artikel über die Eisenbahnanlagen, die Telegramme über den Mord in Rakkestad, das Schiffsunglück bei Toldestrand, alles war gleich ausgezeichnet. Das Blatt brachte für jeden etwas; der warme Vorschlag, die Frauen zu Staatsrevisoren zu machen, hatte wahre Jubelschreie geweckt. Nun hatte der Unsinn, daß Frauen nicht dasselbe sein könnten wie Männer, ein für allemal ein Ende; sogar ein so mächtiges Blatt wie die Nachrichten hatte sich zum Fürsprecher für die Wahl der Frauen zu Staatsrevisoren gemacht.
Es erfrischte Lynge, diese Mitteilungen zu hören, er fühlte sich durchströmt von Zufriedenheit, von mildem Behagen, und als er begriff, daß Leporello kaum gehen würde, bevor er eine oder zwei Kronen zum Mittagessen erhalten hatte, gab er ihm mit wohlwollendem Lächeln einen Fünfkronenschein und nickte ihm zu.
Nicht einmal, nachdem Leporello gegangen war, verließ diese behagliche Stimmung Lynge; er lehnte sich in seinen Stuhl zurück, und heftete den Blick auf das kleine Regal mit lexikalen Werken. Ja, ja, die Nachrichten segelten wieder mit dem Wind, die Abonnenten kehrten zurück. Und weshalb sollten die Leute auch dumm sein? Jeder, der lesen konnte, mußte doch einsehen, daß sein Blatt eigentlich das einzige Blatt des Landes sei. Es war nicht mehr so heißglühend wie früher, nein, aber dafür hatte es einen Vorteil mehr, es konnte in jeder Familie, von jeder jungen Dame gelesen werden. Lynge hatte wieder das Wort für die Verbesserung des Tons der Presse ergriffen, und er hatte es im Namen der Bildung getan. Was sollte diese ewige Beschimpfung der Gegner? Er würde seinen ewigen Haß gegen dies Gebaren geltend machen und wie bisher, so auch in Zukunft das Seine tun, um das Niveau der Presse zu heben.
Zugleich hatte er während des ganzen Frühlings eine treffliche Idee nach der anderen in seinem Blatte dargelegt. Kaum war der Schnee fort, als er auch wieder mit seinen Artikeln über Sport begann; er kündigte obendrein eine Sportzeitung für das ganze Jahr an, auch für den Winter, wo Schneeschuhe und Schlittschuhe in Tätigkeit waren. Auf allen Gebieten befestigte er seine Stellung und war aufs neue die Wachsamkeit der Stadt. Dies mit den Frauen als Staatsrevisoren war wirklich ein glücklicher Einfall gewesen, und ihm folgten andere. Er wollte eine Steuer auf Spazierstöcke einführen. Jede Mannsperson, die nicht aus Gesundheitsrücksichten genötigt war, einen Stock zu brauchen, sollte eine gewisse jährliche Summe für die Benutzung eines solchen erlegen. Auf jedem Passagierschiff an den Küsten und an den Fjords wollte er eine Tombola angebracht wissen. In der Touristenzeit würde es den vielen Reisenden ein angenehmer Zeitvertreib sein, sich mit dieser Tombola zu amüsieren, deren Einnahmen dem Touristenverein zufallen sollten, welcher sie wiederum für Reklamezwecke verbrauchen könnte. Er wollte die Aufmerksamkeit auf die Bilder auf den norwegischen Spielkarten lenken: waren das Bilder, um sie auf einen Spieltisch zu legen? Wenn man nun einfach Karten mit den Bildern der berühmtesten Männer und Frauen des Landes druckte, der Künstler, Politiker und Dichter? Kurzum, nationale Spielkarten mit bekannten und lieben Angesichtern drauf. Die Nachrichten würden mit Freuden eine Wahlkampagne eröffnen, an der das ganze Land teilnehmen konnte; wer die meisten Stimmen erhielt, war zu Königen, Damen oder Buben gewählt. Eine Woche später verlangte Lynge eine Verschärfung der Tierschutzgesetze. Im Sommer, wenn die Villenbesitzer aufs Land gingen, ließen sie ihre Katzen in der Stadt, jagten sie auf die Straßen, verschlossen ihnen die Türen und ließen sie verhungern, daß es ein Grauen war. Sollte dem nicht ein Ende gemacht werden?
Es war wirklich kein Loch so eng, daß Lynge sich nicht hineinbohrte und eine interessante Idee wieder mit herausbrachte. Wenn man dann alle Maler und Witzbolde hinzunahm, die ihren Jargon in den Nachrichten schrieben, war es nicht im mindesten auffallend, daß das Blatt überall mit Verlangen gelesen wurde.
»Herein!«
Endre Bondesen tritt ein; er brachte ein Manuskript; zugleich wollte er den Herrn Redakteur auf einen Irrtum aufmerksam machen: nicht Charlotte Ihlen begleitete ihren Bruder nach Amerika, sondern Sofie, die Schwester.
»Sind Sie dessen sicher?« fragt Lynge.
»Ganz sicher. Ich habe Charlotte heute auf der Straße gesehen. Ich habe auch gehört, daß ursprünglich Charlotte mitreisen sollte, aber aus gewissen Gründen zurückblieb.«
»Welches sind die Gründe?«
»Das weiß ich nicht genau. Man sagt, es sei etwas, das mit Höjbro in Verbindung steht, mit Leo Höjbro. Ich weiß es nicht.«
Lynge überlegte. Eine Berichtigung mochte er nicht bringen; er berichtigte so wenig wie möglich, das war sein Prinzip. Was in den Nachrichten stand, das stand; und dabei blieb es. Als aber Bondesen fort war, half Lynge sich mit einem ganz einfachen Zusatz, einer neuen Notiz: Fräulein Charlotte Ihlen, die, wie schon mitgeteilt, ihren Bruder und ihre Schwester ein Stück Wegs begleitet hatte, sei zurückgekehrt.
Und wiederum ward er unterbrochen, als er gerade seinen Wahlartikel über den schwedischen Ausspruch beginnen wollte; der Ministerialbeamte Kongsvold steckt sein mageres, abgearbeitetes Gesicht zur Tür herein.
Lynge sah ihn ein wenig verwundert an.
Kongsvold grüßt. Bis jetzt war er immer zurückhaltend, beinahe ein wenig selbstbewußt gewesen; jetzt lächelte er demütig, reichte Lynge die Hand und benahm sich im ganzen wie ein Mann, der sich einschmeicheln will. Und der arme Teufel hatte doch nichts anderes auf dem Herzen, als daß der Ministerialrat erfahren hatte, wie er mit der Veröffentlichung der berühmten Anstellungen in Verbindung gestanden, und ihm nun so gut wie einen Wink gegeben hatte, sich aus seinem Ressort zu entfernen.
Lynge hörte diese ganz private Angelegenheit mit großer Geduld an.
»Wie zum Teufel sollte man argwöhnen, daß gerade du meine Quelle gewesen?« sagt er. »Von hier ist es nicht ausgegangen.«
»Ich begreife es nicht«, entgegnet Kongsvold. Und demütig und vernichtet läßt er den Kopf sinken und wiederholt noch einmal, daß er es nicht begreift.
»Du mußt irgendeine Unvorsichtigkeit begangen haben. Das rächt sich dann immer.«
Er unvorsichtig! Nein, nein, er sei nicht unvorsichtig gewesen. Aber es bestand doch das Faktum, daß gerade er diese Vorschläge in Händen gehabt habe, um sie zu expedieren, zu kuvertieren.
Hja, eine ärgerliche Geschichte.
Ja.
Aber es könne doch nicht gar so gefährlich sein?
Kongsvold ist seiner Sache sicher: es sei ein deutlicher Wink gewesen, sich nach etwas anderem umzusehen.
Lynge wendet sich wieder seinem Tische zu. Er wisse ihm leider keinen Rat zu geben.
»Das ist wirklich recht ärgerlich«, sagt er.
Pause.
»Ja, ich weiß nicht, was wir dabei tun können«, sagt Kongsvold leise und vorsichtig.
Darauf entgegnet Lynge nichts.
»Ich weiß es wirklich nicht. Ich wollte dich fragen.«
»Wonach?«
»Was wir tun wollen; wie ich nur helfen kann.«
»Du mußt doch natürlich selbst bestimmen, was du in dieser Sache tun willst. Ich kann dir weder zu- noch abraten.«
Bei diesen Worten sank Kongsvolds Kopf noch tiefer herab; verzweifelt starrte er zu Boden.
»Wenn ich auch etwas anderes suchte – ich würde es nicht bekommen,« sagt er, »der Staatsrat wird mir kaum eine Empfehlung geben.«
»Nein, es wird nicht leicht sein, etwas anderes zu finden.«
»Aber in diesem Falle würdest du mir doch wohl helfen?«
»Natürlich; so weit meine geringen Kräfte reichen. Du weißt, daß man bei der Regierung, die wir jetzt haben, nicht einmal mein Blatt liest; meine Hilfe würde dir also nicht viel helfen.«
»Aber tu' auf alle Fälle, was du kannst.«
»Nein, ich glaube, offen gesagt, daß dir schlecht damit gedient wäre,« erwidert Lynge, »dann würde es ja noch klarer, daß wir zusammen gearbeitet haben, wenn ich dich jetzt unterstützte. Siehst du das nicht ein?«
Und mit einemmal sieht Kongsvold auch dies ein. Er mußte Lynge recht geben. Er sitzt mehrere Minuten, ohne ein Wort zu sprechen. Plötzlich aber durchzuckt ein leuchtender Blitz seine Seele: er will zu seinem Vorgesetzten gehen und ihm alles erzählen; er will dies eine Mal noch um Gnade bitten und seine Stellung nie wieder mißbrauchen; wer weiß, vielleicht hörte der Chef ihn an!
Er erhob sich still und sagte Adieu.
»Adieu«, erwiderte Lynge. Und wieder beugte er sich über den Tisch und fing seinen Wahlartikel an. Es galt jenen Sonderdruck zu komplettieren, jene ausgezeichnete Reihe von Artikeln, die der Linken den Sieg bei den norwegischen Wählern bringen sollten. Man tat seine Pflicht und kämpfte für seine Sache; Birkeland mochte von den zehn Jahren und dem Hintergedanken lästern, so viel er wollte.
Ende
Druck der Spamerschen Buchdruckerei in Leipzig.