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22. Panama

Der erwartete Dampfer kam erst spät abends, als ich schon ruhig in meiner Hängematte schaukelte, ein; ich brauchte aber nicht viel Zeit zu meinem Gepäck, in kaum einer halben Stunde war alles geordnet, in ein Kanoe und zu dem Dampfer hinübergeschafft, und etwa um ein Uhr in der Nacht glitten wir still und geräuschlos in See hinaus, und jetzt mit ziemlich günstiger Brise wieder nicht sehr weit vom Ufer ab nach Nordwesten unserem Ziel: Panama entgegen.

Die Fahrt selber bot nichts Interessantes, ebensowenig die Gesellschaft der Passagiere, um die ich mich denn auch wenig genug kümmerte. Übrigens hatten wir eine junge Sängerin an Bord, mit einer niedlichen und sehr gewandten Stimme, die den ganzen Tag über trillerte und, sowie die Nacht anbrach, laut zu singen anfing. Sie ging in Buenaventura an Land, um von da nach Bogota zu gehen und Konzerte zu geben. – Auch nicht übel! – das waren etwa vierzehn Tage Reise, teils im Kanoe, teils auf unwegsamen Straßen zu Maultier oder gar zu Fuß, und jeden Tag wenigsten achtzehn Stunden Regen. Wenn die Dame nicht mit einem lebenslänglichen Schnupfen nach Bogota gekommen ist, gibt es keine Wettereinflüsse mehr.

Endlich – am vierten Abend, und zwar schon nach zehn Uhr, sichteten wir die der englischen Kompagnie gehörende Insel, die aber noch etwa zwölf Meilen ab von der eigentlichen Stadt Panama und dem Isthmus liegt, ankerten dort und mußten richtig bis zum nächsten Morgen warten, ehe der kleine, zu diesem Zweck benutzte Fährdampfer der Gesellschaft ankam, die Passagiere und ihr Gepäck an Bord nahm und uns dann rasch hinüber an festes Land brachte, das ich an dieser Stelle zum drittenmal betrat.

Wenn es einen Ort in der Welt gibt, den die Natur schon von vornherein zu einer großen Durchfahrt für Menschenverkehr und Handel bestimmt hat, so ist das unstreitig das an der schmalsten Stelle des Isthmus in günstigster Lage erbaute Panama. Ein Verkehr zwischen den unmittelbar nördlich und südlich liegenden Distrikten, zwischen Mittelamerika und der alten Republik Columbien existiert allerdings gar nicht, denn die beiden Teile der Kontinente haben zu vollkommen gleiche Produkte; aber dafür kreuzen sich desto lebhafter die Handelsinteressen zwischen Ost und West, denn die Fahrt um Cap Hoorn herum wird immer eine lange und gefährliche bleiben, und es gab nichts Natürlicheres als den Wunsch die Schwierigkeiten zu überwinden, welche der schmale, aber trotzdem einen festen Damm vorschiebende Landstreifen des Isthmus der Schiffahrt und durch sein sumpfiges Terrain selbst einem Landverkehr bot.

Lange Jahre beschäftigte sich auch die Spekulation mit diesem Problem, aber es blieb nur bei zahllosen Projekten, denn die Schwierigkeiten waren zu enorm – ja man wußte nicht einmal, wo man für diese Sümpfe Arbeiter herbekommen sollte. Wer garantierte überhaupt, daß sich eine solche Unternehmung lohnen würde, denn der Verkehr mit dem Westen war damals doch noch immer im Verhältnis unbedeutend. Da kam die Entdeckung des Goldes in Kalifornien dem Werk zu Hilfe, und wo es früher nicht möglich gewesen wäre, auch nur den zehnten Teil der Arbeiter zu finden, da stellten sich jetzt ungeahnte Hilfsmittel zu Gebote, welche die Riesenarbeit zu einem Spiel machten.

Der Goldschwindel hatte das Menschenvolk gefaßt. Jeder kräftige Mann in Nordamerika, der nicht augenblicklich die Mittel auftreiben konnte, um Kalifornien zu erreichen und in sechs Wochen ein steinreicher Mann zu werden, hielt sich für unglücklich und vom Schicksal verfolgt, und als die Panama-Eisenbahn-Kompagnie allen, die vier Wochen an der Bahn zwischen Aspinwall und Panama arbeiten wollten, freie Passage nach Kalifornien bot, strömten die Arbeiter in solcher Masse herbei, daß die Kompagnie wenigstens zwischen New York und Aspinwall kaum Dampfer genug auftreiben konnte, um die Reise- und Arbeitslustigen zu befördern.

Was waren vier Wochen Straßenbau gegen die Gewißheit, in späteren vier oder sechs Wochen ein steinreicher Mann zu werden, wie das in Kalifornien natürlich gar nicht ausbleiben konnte, und mit einer wahren Wonne gingen die Leute an die Arbeit. Das allein aber war es, was den Riesenbau vollendete. Unter anderen Umständen würden die Leute, sobald sie sahen, welche furchtbare Sumpfarbeit ihnen oblag, kaum wenige Tage ausgehalten und das Ganze nachher in Verzweiflung aufgegeben haben. Aber hier wirkte das kalifornische Gold. Sie wußten, daß sie ihre bestimmte Zeit der eingegangenen Verpflichtung treu bleiben mußten, wenn sie überhaupt den Nutzen der ganzen, schon getanen Arbeit ernten wollten, und sie strengten dazu ihre letzten Kräfte an.

Die Gesellschaft der Panama-Eisenbahn hatte sehr viele Personen auf der Strecke zwischen New York und Aspinwall oder Colon zu befördern – sehr wenige dagegen auf der anderen Seite, zwischen Panama und San Francisco; denn die armen Teufel starben wie die Fliegen und wurden, wo sie niedersanken – auch in dem weichen Schlamm der Halbinsel beerdigt. Sie arbeiteten einen Teil – manche auch ihren ganzen Kontrakt ab, aber die Gesellschaft brauchte die zweite Hälfte ihrer Versprechungen gewöhnlich nicht weiter zu erfüllen und durfte ihnen nur ein Grab geben und für neue Zufuhr sorgen.

Dadurch wurde die Aspinwall-Eisenbahn beendet, und es ist eine reine Torheit, wenn Leute jetzt noch die Idee haben, dort einen Kanal durch das Land zu graben. Die Eisenbahn hat etwa 10 000 Menschenleben gekostet, der Kanal, der natürlich so viel längere Zeit in Anspruch nähme, würde in dem giftigen Klima hunderttausend opfern – wenn sie sich eben dazu hergäben. Aber der Hebel, der sie früher dazu trieb: die Sagen des enormen kalifornischen Goldreichtums, fehlt; man hat jetzt billigere Wege, hinüberzugelangen und dieser Plan wird deshalb nie zur Ausführung kommen. Aber das tut auch nichts – die Eisenbahn genügt auf dieser Strecke vollkommen und hat jedenfalls zwei der bedeutendsten Handelsstädte – und sei es auch nur hauptsächlich für den Kommissionshandel, ins Leben gerufen: Panama und Aspinwall.

Es ist wirklich der Mühe wert, diesen Verkehr zu sehen, um ihn zu begreifen, und kein Tag fast im ganzen Jahr vergeht, wo nicht an einem der beiden Plätze ein oder der andere große Weltdampfer anlegt und neues Leben in das Innere wirft.

In Aspinwall landen die Dampfschiffe von New York, England und Westindien und vermitteln durch St. Thomas den Verkehr mit der ganzen, im Osten wie zugleich nach Nord und Süd liegenden Welt, während in Panama eine Linie die Verbindung mit dem Norden und dadurch mit Japan und China offen hält, während die südliche Linie die ganze Westküste Südamerikas bestreicht, in Valparaiso nächstens mit der Kap Hoorn-Dampfschiffahrt in Verbindung treten wird, und zugleich eine Panama-Australien-Linie direkt nach Westen durch die Inseln läuft.

Man kann schon jetzt mit den verschiedenen und vollendeten Dampfschiff-Verbindungen in kaum hundert Tagen eine Reise um die ganze Erde machen, und Panama ist dabei bis jetzt der Mittelpunkt der ganzen Fahrt.

Allerdings droht dieser Landenge in dem riesigen Unternehmen der nordamerikanischen Pacific-Eisenbahn eine bedeutende und gefährliche Konkurrenz, denn alle die nach der Union und England oder Europa bestimmten chinesischen Produkte und Fabrikate werden, sobald die Bahn vollendet ist, jedenfalls diesen Weg einschlagen, da er Geld und Zeit und besonders eine Umschiffung erspart; aber selbst das wird sich in der Folge nicht als so erheblich herausstellen, denn wir finden ja überall den Beweis, daß erhöhte Verkehrsmittel auch den Verkehr selber steigern und dadurch das scheinbar Verlorene leicht ersetzen. Bis jetzt hat die ganze Ostküste Südamerikas gar keinen direkten Verkehr mit dem ganzen übrigen Amerika gehabt, und ein Versuch, zwischen Rio de Janeiro und Panama eine Dampferverbindung zu unterhalten, mißlang. Das wird und muß jetzt anders werden, denn der rege und rasche Verkehr, der durch die China-Dampfer wie durch die von Panama ausgehenden, nach Australien bestimmten Dampfer erweckt ist, kann nicht verfehlen, auch Brasilien mit in den Verkehr zu ziehen, und dadurch eröffnet sich für Panama, statt der verlorenen, eine andere, neue Erwerbsquelle.

Was übrigens die neugranadische Regierung – eine Musterwirtschaft schon seit Menschengedenken – tun konnte, um den kleinen Platz Panama nicht emporkommen zu lassen, hat sie auch sicher und mit der größten Geschicklichkeit getan. Wo irgend ein anständiges Haus erbaut ist, haben das Fremde, Engländer, Amerikaner, Deutsche, Franzosen oder Spanier getan. Die Werfte sind von den verschiedenen Gesellschaften selber erbaut, die Eisenbahn wird von ihnen unterhalten, und man sollte nun wenigstens glauben, daß sie den Fremden dankbar dafür wäre – aber weit gefehlt. Der kleinliche Neid bricht überall hervor, und selbst das einzige, was das neugranadische Gouvernement tun sollte und müßte: die Sicherheit von Eigentum und Personen im Lande aufrecht zu erhalten, wird unterlassen.

Eine Anzahl neugranadischer Soldaten – eine so ruppige Bande, wie man sie kaum in Venezuela findet – marschiert allerdings mit der doppelten Anzahl Trompeter dann und wann durch die Stadt oder steht an einzelnen öffentlichen Gebäuden (öffentlich im wahren Sinne des Wortes) Posten. Sie werden auch dazu verwandt, dann und wann einmal einen betrunkenen Matrosen zu verhaften, was ihnen jedoch stets nur mit Hilfe der halben Bevölkerung gelingt, sonst sind sie zu nichts nütze, und ein paar gelbgrüne Jünglinge in Offiziertracht, die in der Stadt mit schweren Goldstickereien einherschlendern, mögen vielleicht zum Zierat dienen, haben aber sonst scheinbar keinen Zweck. Die Sicherheit ist deshalb in Panama sowohl als in dem gegenüberliegenden Aspinwall ein völlig eingebildeter Begriff; Mordtaten kommen nichts weniger als selten vor, und fast in allen Fällen sind die Verbrecher Eingeborene – aber die Regierung ist sanft. »Wer sich schuldlos weiß, werfe den ersten Stein auf sie!« hat schon Christus gesagt. Sie werfen aber nicht; ein ertappter Verbrecher wird zu ein paar Monaten Kettenstrafe verurteilt, dann läuft er, ehe er die Hälfte seiner Zeit gesessen, davon, und die fatale Sache ist abgemacht.

Ganz in der letzten Zeit sind wieder ein paar freche Mordtaten vorgefallen, ohne daß man sich auch nur die geringste Mühe gegeben hätte, der Mörder habhaft zu werden – und wie auch? Diese Polizeidiener und Soldaten, welche, die ersteren mit Knüppeln, die anderen mit Musketen bewaffnet, durch die Straßen wandeln, gehören einem so verkommenen, erbärmlichen Menschenschlage an, daß man sie in der Hand zerdrücken könnte, und ich bin fest überzeugt, daß hundert Soldaten irgend einer nordeuropäischen Macht die ganze neugranadische Armee zum Teufel jagten.

Gegenwärtig hat Neu-Granada, soviel ich wenigstens weiß, nicht einmal einen Präsidenten – es müßte denn kürzlich wieder einer gewählt sein. – Die Sache hat aber auch wirklich zu wenig Interesse für die übrige Welt; denn wer um Gottes willen kann all den Revolutionen in den spanischen Kolonien – und das Mutterland eingeschlossen – folgen. Es ist rein unmöglich – man müßte sich denn ganz ausschließlich damit beschäftigen.

Die Lage Panamas ist reizend, und wenn man auf den alten Wällen steht und über die weite, mit Inseln besäete Bai hinausschaut, so kann man sich kaum ein entzückenderes Bild denken. Die Stadt selber ist übrigens, besonders in Betracht ihrer großartigen Handelsverbindungen, ganz unverhältnismäßig klein, und in zehn Minuten kann man sie bequem von einem Ende bis zum anderen durchwandern. Was dabei gut und dauerhaft in ihr ist, haben auch sicher die alten Spanier oder neuerdings Fremde gebaut. Besonders erwähnen muß ich hierbei die alten, aber auch schon sehr vernachlässigten Festungswerke der Spanier. Die jetzige Rasse schafft nichts Neues, ja repariert nicht einmal das Alte – wozu auch? – Es ist, als ob sie es selber fühlten, daß sie auf diesem Territorium keinen Bestand haben werden – befindet es sich doch jetzt schon faktisch in den Händen der Amerikaner.

Panama selber betritt man vom Meer aus durch ein enges Tor, an welchem eine Truppe neugranadischer Soldaten, barfuß natürlich, Wache hält. Wozu? Weiß kein Mensch, denn Panama ist ein Freihafen, es kann alles, was man einführen will, unbelästigt an Land geführt werden. Sollten sie also als Schutz, gegen den Überfall einer fremden Macht da stehen! Du lieber Himmel, was wollte diese Handvoll Soldaten dagegen machen?

Passiert man nun diesen militärischen Posten, durch den man aber nicht im geringsten belästigt wird, so wandert man durch eine enge, etwa dreihundert Schritt lange Straße, die aus niederen, einstöckigen Häusern besteht, der Plaza zu und befindet sich dann schon etwa mitten in der Stadt, während man fast durch alle Straßen, wohin man auch blickt, die breite, gelbe Festungsmauer sehen kann, die den kleinen Platz umzieht.

Übrigens bietet das Innere der Stadt, wie sich nicht leugnen läßt, durch seine zerfallenen Klöster und Kirchen einen höchst pittoresken Anblick, und wenn die alte zersprungene Glocke, die einzige von allen benutzten, zu läuten oder vielmehr zu klappern anfängt, wird es ordentlich unheimlich.

Besonders malerisch ist die Ruine des einen großen Klosters, in dessen Hofräumen jetzt ein paar Ställe mit modernen Bretterdächern eingebaut sind. Die weißrötlichen Wände stürzten natürlich schon vor langen Jahren nach allen Richtungen ein, aber Bäume und Büsche wachsen jetzt darauf, wie in den eingebrochenen hohen Fenstern, und einzelne noch stehende Säulen und Bögen geben, besonders in heller Mondscheinnacht, ein prachtvolles, wenn auch wildes Bild.

Einen noch grelleren Kontrast bot aber eine andere Kirche, in welcher, der alten Kirchensprache nach, »der Teufel seinen Tummelplatz aufgeschlagen«, das heißt, sündhafte Menschen ein Theater hineingebaut hatten. Anfangs sollen sich auch besonders alte, würdige Damen der Stadt teils von weißer, teils schwarzer Farbe auf das entrüstetste gegen eine solche Profanierung ausgesprochen haben, so daß sich der Direktor endlich veranlaßt fand, einen Versuch zu machen, um die möglicherweise gegen ihn angeregte Stimmung zu versöhnen. Das muß ihm auch vollständig gelungen sein! Denn das Theater wird jetzt von allen Ständen, nur natürlich nicht den Geistlichen, besucht. Das Mittel war aber, daß er im ersten und zweiten Rang Schilder aufhängen ließ, welche über eine ganze Abteilung reichten, und auf diesen standen mit großen Buchstaben die besonderen Widmungen.

In der Mitte, dem sogenannten Cercle, auf der ersten Galerie stehen die Worte: »Al bello sexo de Panama«, und auf der ersten Galerie Starbordseite noch einmal die Widmung der Schönheit: «A la belleza«, dann aber kam die Versöhnung. Auf der ersten Galerie Backbord stand: »Al talento«, auf der zweiten die beiden Schilder: »A la civilizacion« und »A la cultura«. Gegenüber aber auf der zweiten Galerie Starbord waren Grazie und Tugend vertreten. Auf dem einen Schilde stand: »A la gracia«, auf dem anderen: »A la virtud. Sonderbarerweise saß hinter der Tugend niemand – das kann aber auch nur ein Zufall gewesen sein.

Jedenfalls ist diese Art von Überschriften eigentümlich und sieht fast so aus, wenn es auch anders gemeint sein mag, als ob man die Zuschauer klassifizieren wollte.

Ohne Deutsche oder überhaupt Fremde, und dann, wenn nicht Deutsche, doch Franzosen, bringen die Neu-Granadier aber natürlich kein Theater fertig. In der Musik fehlte es total, und ein junger, sich hier gerade zufällig aufhaltender Deutscher mußte im Orchester wenigstens das Pianoforte spielen, wohinein dann die Violinen der Eingeborenen falsch und außer Takt einfielen, wann und wie es ihnen beliebte. Der Deutsche spielte das Instrument vortrefflich; die neugranadischen Virtuosen kamen mir aber vor wie Jungen, die nach Schwalben mit Steinen werfen. Sie zielten immer auf bestimmte Töne, trafen sie aber nie und warfen fast immer hinterher.

Über das Spiel der Gesellschaft läßt sich wenig sagen; ich bleibe aber dabei, wenn man Theater sehen will und macht nur die geringsten Ansprüche, so muß es entweder ganz ausgezeichnet oder ganz unter der Würde sein, und in beiden Fällen wird man sich amüsieren; das Mittelmäßige ist dagegen in keiner Kunst schrecklicher als in der dramatischen, und straft sich in keiner mehr.

Ein anderer Deutscher hatte die Dekorationen ganz geschickt gemalt. Zu dem ersten Stück: »El estreno de un artista ó el grand duque Leopoldo«, das ich mit ansah, war der Autor nicht genannt; es mag aber jedenfalls ein spanischer oder südamerikanischer sein, denn der Großherzog Leopold war außerordentlich edel und trat immer auf, wo er notwendig gebraucht wurde.

Durch die beiden jungen Deutschen erhielt ich oben Zutritt auf die Bühne und benutzte die mir gewordene Erlaubnis augenblicklich, hinter den Versatzstücken und den Hintergrund durch, das Innere der alten Kirche zu erforschen. Ich sollte es nicht bereuen, denn es war ein ganz wunderbarer Anblick. Hier die bemalte Leinewand, einen modernen Salon vorstellend, mit einer Unmasse Astrallampen und eleganten Verzierungen, und dahinter – ich erinnere mich nicht, je etwas Ähnliches gesehen zu haben –, dicht dahinter die alte Kirchenruine mit ihren dunklen, zerklüfteten, buschbewachsenen Mauern, die blanken Sterne in den düsteren, unheimlichen Hof herniederschauend!

Was für Erinnerungen knüpfen sich vielleicht an dieses Gebäude, und welche Gegenwart belebt es jetzt! Ich konnte mich von dem Anblick kaum losreißen und mußte es doch zuletzt, denn die Klingel ertönte, und der Vorhang sollte aufgehen, welcher der draußen harrenden »Schönheit und Tugend« einen Einblick in das Heiligtum der Kunst gestattete.

Übrigens erhielt ich hier eine, und zwar recht traurige Kunde von einem früheren alten Bekannten aus Quito – dem kleinen Uhrmacher aus der Posada San Antonio, auf den sich Leser meiner früheren Reisen vielleicht noch besinnen, wenn ich ihnen seinen Handel mit Ölgemälden und Kolibris ins Gedächtnis zurückrufe. Er hatte Quito endlich mit all seinen Habseligkeiten und Schätzen verlassen und wollte seine Ölgemälde nun entweder in Süd- oder Mittelamerika verwerten; denn in Europa hätte er wohl kaum einen Markt dafür gefunden.

In Panama quartierte er sich in einem anständigen Gasthof ein – aber er war ein anständiges Leben nicht mehr gewöhnt oder der Platz ihm auch um eine Kleinigkeit zu teuer. Trotzdem also, daß er dabei ein recht hübsches und mühsam genug erspartes Vermögen in barem Gelds bei sich trug, zog er dort aus und in eine der ordinärsten und billigsten Kneipen hinein, und der Erfolg war ein sehr trauriger.

Er bekam das gelbe Fieber oder eine andere schwere Krankheit – einzelne Leute in Panama wollen sogar behaupten Gift – kurz, er starb, und nur ein Teil seines Vermögens wurde durch das Einschreiten des preußischen Konsuls in Panama, Herrn Kunau, seinen Verwandten daheim gerettet. Daß der Tote übrigens, ehe das geschehen konnte, in bedeutender Weise bestohlen wurde, unterliegt gar keinem Zweifel, und es war mir wirklich ein wehmütiges Gefühl, als ich in Panama selber in einigen Läden die aus seinem Nachlaß um einen Spottpreis verauktionierten Gegenstände, an deren Erwerb er die besten Jahre seines Lebens verwandt, zum Verkauf ausgestellt sah.

Der Markt in Panama gehört zu den erbärmlichsten, die ich je im Leben gesehen, und beweist, daß in Panama selber, trotz des fruchtbaren Bodens, der es umgibt, wenig oder gar nichts an Landesprodukten gezogen wird. Außerdem sieht das dort aufgehangene Fleisch so schwarz und unappetitlich aus, daß man sich das Fleischessen unter dieser Breite ganz abgewöhnen möchte.

Panama wie Aspinwall oder Colon sind übrigens Freihäfen, und es läßt sich denken, wie das den Verkehr heben mußte, da es ihm überall freien Spielraum gab. Von Aspinwall aus gehen deshalb auch die Waren rasch nach Panama hinüber, und da sie hier durch keine enorme Steuer verteuert werden, so kommen die Händler der ganzen westlichen Küste, soweit dieselbe mit Dampfern oder kleinen Fahrzeugen zu erreichen ist, hierher und kaufen ihre Waren für den Detailhandel ein. Deutsche und Spanier haben dort die größten Importgeschäfte und verdienen dabei natürlich viel Geld.

Manche Sachen kauft man hier aber auch – wenn man bedenkt, daß man sich in einem überseeischen Land befindet – zu ganz erstaunlich billigen Preisen, besonders Kleidungsstücke, die aber dafür auch einen Hauptartikel bilden. Die Zahl der Läden, in denen man fertige Kleidungsstücke findet, ist wirklich Legion, und die Billigkeit derselben hat sogar auf den kalifornischen Dampfern der Westküste einen ganz neuen Industriezweig eröffnet.

Da nämlich die von San Francisco kommenden Dampfer ihre Passagiere gewöhnlich direkt über die Landenge führen, so daß ihnen gar keine Zeit gegönnt wird, in Panama selber Einkäufe zu machen, so haben die Barbiere dieser Fahrzeuge zugleich einen Handel mit Kleidern und Schuhwerk angelegt, und die Barbierstube auf ihnen sieht deshalb genau aus wie ein Kleiderladen. Diese alle kaufen ihren Bedarf in Panama, und da sie sich mit einem geringen Nutzen begnügen, setzen sie auch ziemlich viel ab.

Panama sollte eigentlich sehr gute Hotels haben, läßt aber darin noch manches zu wünschen übrig. Das sogenannte Grand-Hotel ist das größte und ein stattliches Gebäude an der Plaza, über die Kost darin wurde aber geklagt und das Aspinwall-Hotel ihm vorgezogen – das sind aber auch die beiden einzigen, und Fremde sollten sich besonders davor hüten, gerade an dieser Stelle in einem Hotel zweiten Ranges, von denen es allerdings genug gibt, einzukehren, denn wenn sie auch in den größeren etwas mehr bezahlen müssen, haben sie doch auch mehr Sicherheit für ihr Eigentum.

Eigentümlich ist in Panama, daß man nur zwei Arten von Häusern darin findet, und zwar, wie schon vorerwähnt, Kleiderläden mit einer Auswahl von anderen Dingen dabei, wie sich natürlich von selbst versteht, und dann kleine, offene Buden, in denen, wenn man hineinsieht, eine Anzahl Flaschen auf Regalen stehen und den Eindruck machen, als ob darin spirituöse Getränke verkauft würden. Das ist aber nicht wahr – fast in allen sind das leere Flaschen, die sonderbarerweise dort zur Schau ausgestellt werden, und deren Eigentümer meistens jüngere oder ältere Damen sind.

Was die Literatur Panamas betrifft, so beschränkt sich dieselbe auf zwei, halb in englischer, halb in spanischer Sprache herausgegebene Zeitungen, der »Star« und »Herald«, von einem Engländer und Deutschen, die »Chronicle«, von einem Amerikaner und Deutschen redigiert. Beides sind allerdings mehr kommerzielle Blätter, aber doch, ihrer Verbindung mit den benachbarten Teilen Amerikas wegen, von nicht geringer Wichtigkeit. Sie bringen jedenfalls aus allen diesen kleinen Republiken die neuesten und sicherste Nachrichten und haben deshalb auch eine unverhältnismäßig große Verbreitung nach dem Ausland. Panama macht auch in dieser Hinsicht seine vorteilhafte Lage geltend; daß aber die Neugranadienser selbst eine höchst untergeordnete Rolle in dieser neugranadiensischen Literatur spielen, versteht sich von selber. Sie kommen gar nicht in Betracht.

Wandert man durch Panama, so sieht es fast so aus, als ob es in den letzten Jahren eine Unmasse von Belagerungen mitgemacht hätte und verschiedene Male beschossen worden wäre, denn überall trifft man Häuser und besonders Kirchen in Ruinen, und doch erfreute sich gerade diese Stadt, unter dem Schutze der Fremden, einer fast ungestörten Sicherheit. Die Ruinen sind aber nur eine Folge der Faulheit dieser Rasse, und was hier im Land gebaut wurde, geschah – wenn es alt ist, durch die Spanier – wenn neu, durch den Unternehmungsgeist von Amerikanern und Engländern, die Eingeborenen hatten wahrlich keine Hand darin. Amerikaner wie Engländer legten aber ihre Bauten meist außerhalb der Stadt, besonders auf den dem Schiffsverkehr mehr günstigen Inseln an, von denen sie einige in besonderem Besitz halten, und deshalb hauptsächlich liegt so vieles Grundeigentum in der außerdem kleinen und mit Raum beschränkten Stadt noch leer und unbenutzt.

Die Amerikaner haben sich besonders nach der Eisenbahnstation hinausgezogen und dort auch ein vortreffliches Werft gebaut, an dem die kleinen Lichter-Dampfer anlegen können. Die Engländer, die auch in Aspinwall ein schönes Werft und eine eiserne Kohlenniederlage gebaut haben, besitzen draußen in der Bai von Panama eine eigene kleine Insel, wo die Dampfschiff-Gesellschaft ihre Docks, Niederlagen und Arbeiterwohnungen hat. In Panama selber halten sie sich nicht viel auf – größere Dampfschiffe können auch nicht einmal bis dicht an die Stadt hinanfahren, und erst wenn der Isthmus in die Hände der Fremden – und dann jedenfalls in die der Amerikaner – übergeht, wird die Stadt selber aufleben und eine größere Bedeutung erlangen. – Bis jetzt ist sie nichts weiter als ein großes Hotel, in dem eine Masse von Fremden aus und ein gehen, während auch einzelne Familien – aber doch nur eben einzelne, Wohnung darin nehmen. Diese besuchen sich auch wohl dann und wann untereinander – man sieht wenigstens manchmal abends einen Neger, der eine Anzahl von Damen nach Hause bringt und dabei eine sinnreiche Erfindung von fünf zusammengestellten Laternen auf dem Kopf trägt – aber die Fremden selber haben keinen einzigen Vereinigungspunkt – den Schenkstand ihres eigenen Hotels ausgenommen. Wozu auch – sie bleiben höchstens zwei oder drei Tage hier – solange sie eben müssen, und strömen dann wieder nach allen Kompaßstrichen auseinander.

Übrigens ist das Leben in Panama als weit teurer verschrieen, als es sich wirklich herausstellt, und man lebt hier tatsächlich billiger als irgendwo in Mexiko oder gar jetzt einer Stadt der Vereinigten Staaten. Das leidige Hasardspiel freilich, was überall in diesen spanischen Ländern gestattet ist, verleitet viele, ihr Geld dabei aus dem Fenster zu werfen, und in jedem Hotel findet sich dazu die Gelegenheit. Wer aber töricht genug ist, sich von falschen Spielern rupfen zu lassen, darf sich nachher nicht darüber beklagen und hat sich die Schuld selber zuzuschreiben.

Gegenstände, die man fertig kauft, kann man in keinemamerikanischen Hafen, ohne Ausnahme, billiger bekommen als eben in Panama, aber gnade Gott freilich dem, der einem der dortigen Handwerker in die Hände fällt. So kaufte ich mir zum Beispiel ein Paar gute Beinkleider für 3 Dollars – an der einen Seite war die Naht etwa 1½ Zoll weit aufgegangen, und ich mußte die 12 oder 16 Stiche daran extra mit 50 Cents bezahlen. Wer sich auf diesem Isthmus niederläßt, tut es nur, um von den Fremden so rasch als möglich reich zu werden, und daß er dabei keine Gelegenheit versäumt, läßt sich denken.

Die Lage Panamas ist, wie gesagt, entzückend schön, und eine reizendere Bai gibt es nicht in der Welt – Rio de Janeiro kaum ausgenommen. Die zahlreichen kleinen, mit Palmen bewachsenen Inseln umher bilden eine wahrhaft prachtvolle Aussicht, und das Leben, das da draußen zwischen den dort ankernden Dampfern und Segelschiffen herrscht, die zahlreichen Segelboote, die herüber- und hinüberkreuzen, die Unzahl von braunen, großen Pelikanen, die dazwischen fischen, bieten einen nie zu vergessenden Anblick – aber umdrehen darf man sich freilich nicht, denn der Schmutz in den eigentlichen Straßen der Stadt fällt einem dann nur um so unangenehmer auf. Ja, selbst wenn man eine der kleinen, auf den Palmeninseln zerstreuten Ortschaften betritt, sieht man augenblicklich, daß man sich in südamerikanischem Unrat befindet. Die Poesie schwindet, und selbst die Palmen verlieren ihren Reiz und Zauber.

Von der Justiz des Landes bekamen wir, ehe wir die Stadt verließen, auch noch ein kleines Beispiel.

Am letzten Tag meines Aufenthaltes in Panama hatte ein Amerikaner seiner Mannschaft erlaubt, an Land zu gehen, und die Leute betranken sich denn auch rasch genug und fingen Streit untereinander an. In einer kleinen Seitenstraße begann der Kampf, aber man brachte die Matrosen doch bald gütlich wieder auseinander; – es war nichts als eine kleine Rauferei gewesen, bei der sich natürlich keine Polizei blicken ließ. Wo zehn oder zwölf amerikanische Matrosen zusammen sind, können sie tun, was sie wollen, die neugranadiensischen Polizeisoldaten hüten sich wohl, ihnen zu nahe zu kommen. Anders gestaltet sich das aber, wenn sie einen armen Teufel einzeln überfallen können, und das geschah noch an dem nämlichen Abend.

Einer der Mannschaft war in das dem Aspinwall gegenüber gelegene Kaffeehaus gegangen und hatte sich wollen etwas zu trinken geben lassen. Der Mann taumelte allerdings, betrug sich aber sonst ganz ruhig, als ihn plötzlich die Polizei witterte und doch wenigstens einen Matrosen einliefern wollte. Ob er sich vorher an der Prügelei beteiligt oder nicht, wußte niemand – kam auch gar nicht darauf an. Fünf von diesen Gesellen, mit etwa zwanzig ruppigen Ladengehilfen als Beistand, machten einen Angriff auf den einzelnen, der sich aber nicht im geringsten seiner eigenen Fäuste bediente, oder er hätte den ganzen Schwarm zusammengehauen, sondern jeden, der ihn anfassen wollte, nur rechts und links beiseite warf. Die ganze Bande fiel da zuletzt zu gleicher Zeit über ihn her, und die Polizeidiener zeigten besondere Lust, den schon Gefangenen und Festgehaltenen mit ihren Knüppeln niederzuschlagen. Das aber litten wir umstehenden Fremden nicht, wenn wir uns auch natürlich nicht speziell in das Polizeiverfahren mischen wollten.

Was wir übrigens tun konnten, taten wir, und vier von uns, die den ganzen Vorfall mit angesehen, gingen augenblicklich zum Präfekten, um ihm den Tatbestand zu erklären und zu konstatieren, daß der Mann unschuldig verhaftet sei. – Umsonst. Der Präfekt, ein kleiner, schmutziger Granadienser, der aber etwas Englisch radebrechte, war so grob als möglich, und wir vier, wütend über den unverschämten Burschen, der dabei seine ganze Mannschaft hatte aufmarschieren lassen, suchten nun den amerikanischen Konsul auf, um uns als Zeugen anzubieten.

Wir fanden den Herrn auch – aber unglücklicherweise gerade beim Billardspiel, in dem er sich natürlich nicht konnte stören lassen. Allerdings war ein amerikanischer Bürger ungerecht eingesperrt und mußte, wenn nicht Einsprache geschah, die ganze Nacht in einem feuchten, ungesunden Loch zubringen; aber – es war nur ein Matrose, und der Herr Konsul erklärte, er werde die Sache morgen untersuchen.

Pfaffen sieht man genug, und zwar in ihrer Ordenstracht, in den Straßen, an die Kirchen selber scheint aber wenig genug verwandt zu werden. Die Herren Geistlichen haben auch noch nicht wieder so recht festen Fuß im Lande gefaßt, aus dem sie vor noch nicht so langer Zeit der Präsident Mosquera sämtlich hinausjagte; aber – die Welt ist rund und muß sich drehen. Mosquera unterlag seinerseits und mußte das Land verlassen, und im Handumdrehen waren sie wieder da.

Sonst läßt sich von Panama wenig mehr sagen, als daß man in unglaublich kurzer Zeit sehr viel Geld ausgeben kann. Dafür findet man aber auch hier, an diesem Stapelplatz der Welt, wie man ihn fast nennen könnte, eine Menge interessanter Sachen aus anderen Ländern der Erde, z. B. prachtvoll geflochtene Hängematten aus Mittelamerika, viele chinesische Waren, goldene, in Panama selber verfertigte Ketten (und diese in der Tat sehr billig), Perlen, und als Eigentümlichkeit auch kleine goldene Zieraten, angeblich alle echt und in Neu-Granada und Ecuador ausgegraben oder gefunden. Mit dem Ankauf derselben muß man aber außerordentlich vorsichtig sein, denn erstlich wird sehr viel gefälscht, und dann sind nicht einmal alle wirklich gefundenen Sachen echt. Früher bekam man diese Gegenstände auch zu ziemlich billigen Preisen, jetzt hat sich aber ein echt amerikanisierter Deutscher – der leider sein Deutsch vollständig verlernt – des Verkaufs bemächtigt, und wer etwas von ihm erwerben will, muß auch tüchtig dafür bezahlen.

Gerade damals wurde ziemlich viel von einem Schwindler gesprochen, der unter dem alten guten Namen eines Grafen von Auersperg nicht allein die Bewohner Panamas, sondern auch die von Guayaquil, Lima, St. Thomas und Havanna arg gebrandschatzt und mit falschen Kreditbriefen das Unglaublichste geleistet haben soll. Besonders in Guayaquil, wo es ihm gelang, sehr viel Geld aufzunehmen, behauptet man, daß er mit den Unzen nur so um sich geworfen, und viele Leute angeführt habe. Zuletzt ist er in New-York gesehen worden, von wo aus er wahrscheinlich dem Westen einen Besuch abstattet. Man vermutet, daß er ein früherer Kammerdiener des wirklichen Grafen sei, der ihm abgeguckt, »wie er sich räuspert und wie er spuckt,« sich aber sonst durch manches verraten soll, was ihn, als nicht den höheren Ständen angehörig, bloßstellt. Das war aber hier an der Westküste Amerikas natürlich nicht so auffällig, und er konnte deshalb sein Spiel so lange und ungestraft treiben, noch dazu da er als Deutscher den guten Namen mißbrauchte, den besonders unsere Landsleute an der Westküste haben.

Da ich auf meinem Rückweg nach Panama die Absicht hatte, den Isthmus zu kreuzen und nach Venezuela zu gehen, so mußte ich mich hier für die in Aspinwall liegenden Dampfer einschreiben lassen. Leider fand ich kein direktes Fahrzeug, nicht einmal ein Segelschiff nach La Guayra, obgleich sich manchmal dazu die Gelegenheit finden soll; lange warten konnte und wollte ich aber nicht, und so sah ich mich denn genötigt, den Umweg über St. Thomas zu wählen, wohin die Passage von Aspinwall aus 12½ Pfund Sterling kostete.

Am nächsten Morgen sollte ein Extrazug von Panama abgehen. In der Nacht war der von San Francisco kommende Dampfer eingelaufen, der etwa 350 Passagiere mitgebracht hatte. Diese mußten augenblicklich weiter nach New-York befördert werden, und es ist ein merkwürdiger Anblick, zu sehen, wie das auch ohne den geringsten Aufenthalt geschieht.

Der kleine Dampfer, dichtgedrängt voll Menschen, mit einem anderen Boot noch im Schlepptau, legt an – die Passagiere strömen an Land und werden augenblicklich in die schon für sie bereitstehenden Personenwagen hineingewiesen, denn Frühstück bekamen sie noch bei Lampenlicht an Bord. Omnibus nach Omnibus kommt dabei aus der Stadt, der Zug wird immer länger und Wagen nach Wagen angeschoben. – Jetzt ertönt eine Trompete – die Sonne ist eben aufgegangen, und einige zwanzig Mann neugranadiensisches Militär – heute morgen aber und vielleicht noch von voriger Woche her ungewaschen, marschieren auf und besetzen, zum großen Erstaunen und Amüsement der Passagiere, die sich ihre humoristischen Bemerkungen laut lachend mitteilen, an beiden Seiten den Perron. Was sie da sollen, begreift niemand, denn bei einem ausbrechenden Tumult würden sie höchstens mit ihren eigenen Ladestöcken geprügelt werden. Jetzt geht der Ruf: »Alle an Bord!« Wer sich noch auf ebener Erde befindet, springt nach den Wagen und wirft die im Wege stehenden neugranadiensischen Krieger beiseite – die Lokomotive pfeift, und fort braust der lange Zug, um seine Bahn vom Stillen bis zum Atlantischen Meer in kaum drei Stunden zurückzulegen.


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