Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

6. Der indianische Pau-Wau oder die Ratsversammlung

Am nächsten Morgen sollte also dieser langbesprochene Council zwischen den Weißen und Indianern stattfinden, um den Frieden wieder zwischen ihnen herzustellen. Wie war aber eigentlich der Krieg entstanden? Und ist es wahr, was viele Blätter zu verbreiten suchten, daß die »Rothäute« nur durch die Südstaaten, die den Norden da oben beschäftigen wollten, aufgehetzt, den Kampf in der verzweifelten Hoffnung wieder aufgenommen hatten, die Bleichgesichter von dem amerikanischen Kontinent zu fegen und aufs neue ein großes Volk zu werden?

Der Verlauf der Ratsversammlung selber, – die Forderungen, welche von den Indianern aufgestellt wurden, zeigten nur zu deutlich das Haltlose einer solchen Behauptung. Aber mehr noch als dadurch wurde ein Licht über die Vorgänge im indianischen Gebiet durch den Bericht eines Kommissars geworfen, den die Staaten selber früher abgesandt hatten, um die eigentliche Ursache der indianischen Unruhen zu erforschen und womöglich wieder freundliche Beziehungen herzustellen.

Der Krieg war der Regierung unbequem, aber auch natürlich nicht mehr. Hoffnung auf Erfolg hatten diese unglücklichen, zersplitterten und schon halb aufgeriebenen Stämme jedoch nie.

Zu diesem Kommissar war Colonel S. F. Tappan ernannt, und leider stellte sich jetzt bald heraus, daß nichts als ein gemeines Wahlmanöver den ganzen Grund zu dem Blutvergießen und dem Unglück vieler unschuldiger Familien – roter sowohl als weißer – gegeben hatte.

Colorado war noch Territorium, wünschte aber als Staat in die Union aufgenommen zu werden, um seinen Gouverneur in den Kongreß senden zu können, und bedurfte zum Abstimmen über diese Sache, da die Einwohnerzahl nicht ausreichte, wenigstens ein oder zwei Regimenter Soldaten. Man hatte dabei den richtige Zeitpunkt versäumt, als die beiden Colorado-Freiwilligen-Regimenter noch im Staate standen. Jetzt war das zweite Regiment nach Missouri verlegt, und das erste sollte ebenfalls aus dem Westen zurückbeordert werden, da nicht der geringste Grund vorlag, es in dem vollkommen friedlichen Land zu lassen. Damit wäre aber dem Territorium auch die letzte Hoffnung entzogen worden, und das mußte unter jeder Bedingung verhindert werden.

Aber wie? – Nur durch einen indianischen Krieg war das möglich. Brach dieser aus, so konnte man nicht allein keine Truppen aus der bedrohten Gegend ziehen, sondern mußte sogar noch mehr hineinwerfen, und da sich kein Krieg von selber einstellen wollte, wurde er tatsächlich und mit der grausamsten Vorberechnung gemacht. Was lag an den Indianern! Die westlichen Indianer betrachten sie ja doch nur wie Wölfe, die ihre Grenzen umschwärmen, und wenn es auch erklärlich ist, da die Indianer in der Tat schon manche entsetzliche Grausamkeit verübt haben, traurig bleibt es immer.

Der Krieg wurde also, wie gesagt, gemacht, und Colonel Tappan, der amerikanische Kommissar, sagt darüber folgendes:

»Ein kleiner Trupp Indianer lagerte unweit Denver, und ein Bursche namens Ripley fand sich, der erklärte, daß ihm diese Indianer Vieh gestohlen hätten. Das genügte. Leutnant Dunn wurde beordert, das gestohlene Vieh zurückzuholen und die Indianer zu entwaffnen und gefangen einzubringen. Leutnant Dunn hat das selber ausgesagt. ( Senate Executive Dokument 39. Kongreß Nr. 26.) Er fand kein gestohlenes Vieh bei den Indianern: wahrscheinlich aber mit dem Zweck seiner Sendung vertraut, führte er trotzdem die übrigen Befehle aus. Er befahl seinen Leuten, abzusteigen und die Indianer zu entwaffnen. Diese widersetzten sich aber, ein Kampf entstand, ein oder zwei Soldaten wurden getötet, ein Indianer tödlich verwundet, und das genügte vollkommen.

Sämtlichen Indianern wurde der Krieg erklärt und Truppen ausgesandt, um sie, wo und wann man sie antreffen könne, zu töten. Major Downing griff ein Indianerdorf in Cedar Canyon an. Ohne sie zu irgend etwas aufzufordern, eröffnete er sein Feuer auf Männer, Frauen und Kinder, marschierte dann wieder ab und machte seinen Rapport, daß der indianische Krieg in vollem Ernst begonnen habe, 127 Indianer getötet usw.

Leutnant Eyre mit einem Kommando ging dann nach Smoky Hill. Die einzigen Indianer, die er tötete, waren ein Vater mit seinem Sohn, Lean Bear, ein Häuptling der Cheyennes. Lean Bear, der Truppen durch das Land ziehen sah und keinen Grund dafür wußte, nahm seinen Sohn und ging ihnen mit einer weißen Fahne entgegen. Sie wurden beide wie Wölfe niedergeschossen, mit kaltem Blute und gegen alle Gesetze des Völkerrechts ermordet. Natürlich schraken die Indianer empor und konnten gar nicht anders glauben, als daß die Weißen es daraus abgesehen hätten, sie einfach zu vernichten. Schon ihrer Selbstverteidigung wegen mußten sie da den verzweifelten Kampf aufnehmen. Ihre Frauen und Kinder mußten sie schützen, und wo ist der Mann – ehrlos und verderbt genug, – der sie deshalb tadeln könnte? Seit der Zeit hat der furchtbare Konflikt gewährt, und nicht allein auf Kosten großer Summen und wertvolleren Lebens, nein, auch auf Kosten der Ehre der Vereinigten Staaten. –

Während des Sommer 1864 wütete der Kampf, in welchem die Weißen die Indianer in Bestialität zu übertreffen suchten. Sie schonten weder Männer, Frauen noch Kinder, während die Indianer dagegen einige gefangene Frauen und Kinder wieder in ihre Heimat sandten.

Indessen drängte der Gouverneur immer heftiger um die Rückkehr des zweiten Colorado-Regiments (da nur dieses in Colorado stimmen konnte) und um die Bildung eines dritten zur Unterstützung in dem indianischen Aufstand. Das geschah denn auch, und außerdem wurde ein neues Regiment geschaffen, das unter dem Befehl von Chivington am Sandcreek über einen kleinen, unter dem Schutz unserer Flagge stehenden Trupp Indianer herfiel und mit kaltem Blute 40 bis 50 Krieger und 120 Frauen und Kinder mordete und verstümmelte. – Der 20. November 1864, der Tag dieses Blutbades am Sandcreek, wird stets eine Schmach für die Unionstruppen bleiben.« –

So weit der Berichterstatter der Regierung selber, und das Herz dreht sich einem in der Brust um, wenn man nur zum Beispiel die Einzelheiten jenes niederträchtigen und durch nichts in der Welt gerechtfertigten Überfalls Chivingtons hört, der nicht etwa deshalb vor ein Kriegsgericht gestellt wurde, sondern jetzt einen einträglichen Posten weiter südlich bekleidet.

Aber das Unglück war geschehen – Colorado erreichte seinen Zweck, denn es schwärmte dort bald von Truppen, und jetzt sollten diese armen Rothäute nun wieder beruhigt werden. Dazu war eben diese Ratsversammlung eingeleitet und angeordnet, und wir wollen jetzt sehen, wie sie ausfiel.

Irrtümlicherweise war in der amerikanischen Presse das Gerücht verbreitet worden, daß die Indianer vorzugsweise nur den Vollmond zu ihren Ratsversammlungen wählen. Es scheint mir aber weit eher, daß dieser Zeitpunkt von den Weißen festgestellt wird, um den Rothäuten, die wenig von einem Datum wissen, einen festen und von allen gekannten Tag zu bestimmen.

So war auch diesmal die Versammlung auf den Vollmond anberaumt worden, aber eine volle Woche verging noch fast – vom 13. bis auf den 19., – ehe die verschiedenen Häuptlinge, von denen einige wohl kein recht reines Gewissen hatten, eingebracht werden konnten. Die Versammlung fand denn auch in der Tat nicht bei Vollmond, sondern mit dem letzten Viertel statt, und es war zu dem Zweck mitten in dem indianischen Lager ein Doppelzelt als sogenannte Council Lodge aufgeschlagen worden, in welchem sich Indianer und Weiße gegenübersitzen konnten.

Die Commission of peace (Friedens-Kommission) bestand aus: Generalleutnant W. Tecumseh Sherman, General W. S. Harney – den Indianern aus früheren Kriegen wohlbekannt und von ihnen »das lange Messer« genannt –, J. B. Henderson, Senator von Missouri, N. G. Taylor, Kommissar indianischer Angelegenheiten, Generalmajor Terry (Departement Dakotah), General I. B. Sanburn, Colonel S. F. Tappan und A. S. White, Sekretär.

Von indianischen Häuptlingen waren dagegen anwesend: Itschakaneschi, der stehende Elk, ein riesiger Sioux brulé, Sintegalischka, der gefleckte Schweif, ebenfalls Sioux brûlé, der sich bis jetzt den Weißen besonders freundlich gezeigt, Miwataneanska, der große Mandan-Sioux, Djola, der Pfeifer, Sioux-Ogellala, Matalusa, der schnelle Bär, ebenso; Papesto, die scharfe Nase, ebenso; Tokuiska wi, die Weiße Muschel, mit dem Beinamen Rotnase, ebenso; Itchonka, Großmaul, ebenfalls Sioux-Ogellala, Wagalikehu-huka, Truthahnbein, Cheyenne-Indianer, der kleine Wolf, ebenfalls Cheyenne, und dann noch einige hervorragende Krieger, die aber keinen Namen führten. Unter ihnen die hervorragendsten: Gehauene Nase, Cheyenne; der Pawnee-Töter, Sioux; der böse Hund, ebenso; der Mann, der unter dem Boden geht, ebenso; und Chunkaka Kuchela, das niedere Pferd, ebenso.

Von allen diesen erregte aber Wagalikehu-huka, der Cheyenne, von den Amerikanern turky leg genannt, die größte Aufmerksamkeit, denn er gerade war jener wilde Häuptling, der vor kaum vierzehn Tagen, nahe der kleinen Eisenbahnstation Plum-Creek, auf der Strecke zwischen North Platte und Omaha, den Güterzug nachts von den Schienen geworfen und verbrannt und alles an Mannschaften, was in seine Hände fiel, erschlagen und skalpiert hatte, und wahrlich, er sah aus, als ob er dazu fähig sei.

Es war eine grobknochige, derbe Gestalt mit einem langen Gesicht, großem Mund und kleinen, tückischen Augen, das Gesicht dabei völlig grüngelb angemalt. Nie verzogen sich auch diese Züge zu einem freundlichen Lächeln, wie es so oft bei allen anderen der Fall war. Ich bin fest überzeugt, der Mann lachte nur, wenn er den blutenden Körper eines Besiegten zu seinen Füßen sah, und ebensowenig Erbarmen war wohl von einem Hai zu erwarten, als von ihm. Still und brütend nur saß er da in seiner Ecke, und dazu mochte auch das wohl viel beitragen, daß er sich nur mit wenigen der übrigen Indianer verständigen konnte. Die Cheyennes und Sioux betrachten sich allerdings als ein Volk und heiraten sogar untereinander, sprechen aber eine ganz verschiedene Sprache und scheinen sie nur wenig gegenseitig zu lernen.

Die Friedenskommission hatte sich schon lange versammelt, bis die Häuptlinge alle herbeigebracht werden konnten: dann kauerten sich die letzten in einem Halbkreis in ihrem Zeltteil nieder, während Späterkommende die Mitte ausfüllten. Die Kommission nahm auf Stühlen Platz, die verschiedenen Reporter oder Berichterstatter suchten sich soviel wie möglich einen guten Stand zu verschaffen, und dann preßte sich, was sonst an neugierigem Volk herein konnte, in liebenswürdiger Unverschämtheit in den Kreis und konnte nur mit Mühe zurückgehalten werden, den Zwischenraum zwischen Kommission und Indianern vollständig auszufüllen.

Unter den Wilden zeichneten sich besonders einige Sioux aus, die nicht zur eigentlichen Versammlung gehörten, sondern schon in regelmäßigem Solde der Regierung standen. Sie trugen schwarze, an den Seiten aufgeschlagene Kalabreserhüte mit einer gelben Schnur darum und einem Messingschild, auf dem sich der amerikanische Adler befand, am Hut auch eine kleine schwarze Straußenfeder. Sonst schien keine besondere Mode bei den Indianern vorzuherrschen, die fast alle in verschiedenfarbige Decken eingehüllt saßen. Auch mit der Bemalung ihrer Gesichter waren sie nach eigenem Geschmack verfahren. Einige hatten sich, wie Truthahnbein, ganz grüngelb angestrichen, einer dazu mit blauen Punkten längs der Kinnbacken, ein anderer mit solchen auf den Backen, andere waren vollkommen rot gemalt, wieder andere gestreift, und diese Malerei wechselten sie mehrmals am Tage, je nach Laune oder Geschmack. Einer von ihnen hatte sogar einmal für ein paar Stunden einen braunen Schleier über sein hübsches Gesicht geschlagen, und außerdem trugen sie auch noch Ringe in den Ohren, große runde Silberverzierungen auf dem Rücken hinab, Perlen und Perlmutterschmuck und tausend andere Dinge.

Matalusa, der schnelle Bär, eröffnete die Versammlung durch eine kurze Anrede, nachdem vorher die Friedenspfeife im Kreise herumgegangen, und sagte darin nur, daß die Indianer froh des Friedens und hergekommen wären, um sich mit ihren weißen Brüdern darüber zu besprechen.

Einer der Kommissare, N. G. Taylor, unter welchem die Leitung der indianischen Angelegenheiten stand, erhob sich jetzt, und mit dem Dolmetscher neben sich – die Verhandlung wurde in der Sprache der Sioux geführt – begann er folgendermaßen:

»Freunde, euer erhabener Großvater (Great grand-father, der Präsident der Vereinigten Staaten) hat gehört, daß Unfrieden in der Ebene und Blut vergossen ist. Sein Herz trauert darüber. Er hat den großen Häuptling gesandt, um zu sehen und zu hören, was böse sei. Ihr seht hier den großen Kriegshäuptling, General Harney (General Harney war eine große, ehrwürdige Gestalt mit schneeweißen Haaren), den großen Feldherrn der Ebene, General Sherman, einen großen Friedenshäuptling und andere, und zuletzt mich, den Kommissar und Superintendenten eurer Angelegenheiten. Wenn euer Vater im Osten euch nicht liebte, würde er nicht so viele große Häuptlinge senden. Wir sind gekommen, um alles zu untersuchen. Sprecht frei und wahr. Ist euch unrecht geschehen, so soll es abgeändert werden. Sprecht, und die großen Häuptlinge der Weißen werden es beachten, niederschreiben, überlegen und euch antworten. Wenn ihr unrecht getan, so werdet ihr es einsehen. Krieg ist böse, Frieden gut. Wählet immer das Gute. Laßt uns deshalb den Tomahawk begraben und die Friedenspfeife rauchen, damit wir wie Brüder leben. Sprecht jetzt eure Meinung.«

Ich muß hier erwähnen, daß die Rede nur in sehr kurzen Sätzen ausgesprochen, und diese dann jedesmal von dem Dolmetscher gleich übersetzt wurde, was das Niederschreiben derselben sehr erleichterte.

Nachdem der Friedenskommissar gesprochen, entstand eine Minuten lange Pause, und einige der Indianer flüsterten leise miteinander. Endlich erhob sich Sintegalischka, der gefleckte Schweif, eine edle Gestalt mit einem ausdrucksvollen, fast gutmütigen Gesicht, und sagte ruhig, indem er dicht an die Weißen trat:

»Wir wissen, daß ihr es gut meint, wir wollen euch alles sagen. Von Nord nach Süd sind wir hergekommen, aber überall beklagen sie sich über die eisernen Straßen, welche die Weißen durch unser Land bauen. Die Weißen ordnen diese Straßen durch unser Land an und vertreiben unser Wild. Wir haben bald nichts mehr zu leben. Ich bin ein Freund der Weißen. Ich wohne an diesem Flusse. Das ist der Grund des Krieges: diese beiden Straßen. Wir wollen sie nicht haben; sie gehen mitten durch unsere Jagdgründe. Hört auf unsere Worte! gebt nur diese beiden Straßen auf. Wir brauchen Wild zum Leben. Legt eure Straßen längs der Flüsse, aber setzt diese nicht fort. Das ist die einzige Art, um friedlich mit uns zu leben. Ja wir wollen arbeiten, aber erst, wenn wir kein Wild mehr haben. Wenn der Fall eintritt, werde ich es unseren großen Vater wissen lassen. Unser großer Vater soll befehlen, daß die beiden Straßen aufhören. Wild ist hier genug; der Boden gehört den Indianern. Wir wollen nichts wegen dieser Straße sagen. Es ist hier nötig, zu bemerken, daß die Amerikaner drei Eisenbahnen im Angriff haben. Die eine, an der wir uns befanden, geht von Chicago nach Omaha, und von da an in fast genau westlicher Richtung durch den ganzen Kontinent dem Stillen Meer entgegen. Das Land ist hier nicht wildreich, und die Indianer beanspruchten nicht das Aufhören derselben. Anders aber war es mit den beiden anderen, nördlich und südlich. Die eine von diesen führt nach den neu entdeckten Goldregionen am Powder-River, die andere, die sogenannte smokyhill road, durch Kansas und also ebenfalls durch die Ebene nach Kalifornien. Diese beiden durchschneiden aber in der Tat die wildreichsten Distrikte und Ebenen, und deshalb fürchten die Indianer mit Recht, daß ihnen durch sie ihr Lebensunterhalt abgeschnitten wird.Unser großer Vater wird uns für das Land entschädigen. Nun sprecht ihr, wir alle horchen. Die Häuptlinge warten, macht unsere Herzen froh. Wir freuen uns, Dolmetscher mit uns zu haben, wir wünschen auch die Händler zurück. Helft uns.«

Der »Mann, der unter dem Boden geht,« trat jetzt auf. Er trug einen echt indianischen, grün gefärbten Lederrock, mit ledernen Fransen, Glasperlen und Skalphaaren verziert.«

»Seht diesen Rock an,« sagte er ruhig. »Ihr tragt andere Art, unser ganzes Leben ist ein anderes. Ihr habt mir hier dies Papier gegeben, und wenn ihr mir heute gute Worte sagt, ihr Häuptlinge, so werde ich euch wieder lauschen. Aber dies Papier hat mich arm gemacht. Freundlich gesinnte Indianer erhalten von den Kommissaren häufig Pässe, worin gesagt wird, daß sie gut und freundlich sind, und man bittet, ihnen nichts in den Weg zu legen oder ihnen Grund zu einer Klage zu geben. Wir haben viel gelitten. Wir brauchen zu unserem Leben Fleisch, das sich auf der Prärie genährt hat. Meine Arme sind nicht lang, aber ich halte sie über mich und hoffe, daß ich dem lauschen kann, was ihr mir sagt. Jetzt sind eiserne Wege überall, hebt die Straßen auf. Unsere Hände sind lang, unsere Schultern breit, wir können fast dahin reichen, wo unser großer Vater wohnt. Lasset unser Wild in Frieden, und ihr werdet Leben behalten. Wir sind alle verwandt zusammen, Cheyenne und Sioux. Ich hoffe, ihr werdet uns etwas geben. Ich bin klein, aber verheiratet, unser Wild wird wenig, gebt uns Munition, daß wir Wild für unsere Kinder haben.« – Damit zeigte er seine Papiere vor und zog sich dann mit den Worten: »Ich habe euch die Wahrheit gesagt« zurück.

Jetzt trat der Pawnee-Töter auf.

»Weshalb hat euch unser großer Vater hierher gesandt? Um uns gut zu tun? Ist das wahr? Wir sind nicht unserer viele – was wir verübt haben, ging nicht von uns aus (wir tragen nicht allein die Schuld.) Die Ursachen des Krieges sind die beiden Straßen im Norden und Süden. Dort ist unser Wild. Brecht die Straßen ab, und ihr habt Frieden für immer. Zieht auch eure Soldaten fort, und Weiße sollen unbelästigt reisen, wohin sie wollen. Wollt ihr Frieden, so gebt uns Waffen und Munition.«

Jetzt trat der Cheyenne Truthahnbein auf, und als er sich erhob und vorkam, sagte General Sherman zu den neben ihm Sitzenden: »Das ist der Bursche, der den Zug aus dem Gleise geworfen hat.«

»Als freundliche Empfehlung,« bemerkte einer der Kommission.

Wagalikehu-huka sah finster wie immer aus. In seine dunkle Decke gehüllt, daß nur das gelbgrüne Gesicht unheimlich daraus vorleuchtete, kauerte er sich vor den Weißen nieder. Neben ihm nahm der schwarze Bär, als Dolmetscher in der Siouxsprache, und neben diesem der andere Dolmetscher Platz. Truthahnbein trug einen schwarzen Hut auf dem gelben Gesicht und sagte nach kleiner Pause in seiner Sprache, die aber lange nicht so melodisch klang, als die der Sioux:

»Ist es Wahrheit, daß euch der große Vater gesandt? Werden die Weißen, welche die Straße bauen, auch auf das hören, was ihr ihnen sagt? Seid ihr Häuptlinge, so sagt unserem großen Vater, daß er die Straßen aufhören macht. Wir werden nie Reisende stören, sondern in Frieden leben. Alle Stämme sind vereint. Ihr alten Leute sitzt hier und beratet Frieden, und vielleicht sind eure jungen Leute indessen draußen und verüben Böses. Ihr habt nach mir geschickt, ich bin gekommen und habe euch die Hand geschüttelt. Gebt uns Gewehre und Munition, daß unsere Herzen froh werden. Schickt uns auch die Händler zurück.«

Jetzt trat Großmaul auf und rechtfertigte seinen Namen. Er sprach sehr laut, rasch und pathetisch. Er schien der Spaßvogel der Versammlung.

»Freunde, Sioux! Horcht! Im Norden leben viele Ogellalas, im Süden die Brûlés, ich in der Mitte. Ich bin stark und wünsche stark zu sein und möchte gehört werden. Hat dich Großvater wirklich gesandt? Ich bin Häuptling, ihr auch!«

Dann wandte er sich plötzlich von den Weißen ab und gegen die Indianer, denen er anfing den Text zu lesen. Der Glanzpunkt seiner Rede war aber unstreitig der folgende Passus, in dem er ihnen klar zu machen suchte, daß es ihnen gar nichts helfen würde, wenn sie einzelne Weiße töteten.

»Die Weißen sind zahlreich,« sagte er, »sehr zahlreich, und werden euch von ihnen junge Leute getötet, so weint und klagt ihr um sie. Ihr dagegen tötet Weiße, aber was nützt das? – Niemand weint um sie.«

Dann schloß er gegen die Kommission mit derselben Forderung wie die übrigen. »Gebt die Straße auf. Nehmt die Leute mit den hellblauen Hosen fort!« (Soldaten, die ihn in North Platte besonders genieren mochten, da sie den Verkauf von Whisky an die Indianer verhinderten oder doch erschwerten) und beendete seine Rede mit der fast poetischen Wendung, daß ihnen der Bau der Straße ebensoviel Leid im Herzen mache, als ein Feuer in der Prärie.

Nach ihm sprach noch ein Indianer mit dem Beinamen: »Der Mann, der für seine Pferde fürchtet.«

»Was hat der große Vater gesagt? Die Fremden hören, was wir sagen, und stehen um uns herum, und wenn wir fertig sind, gehen sie fort und stecken die Prärie in Brand. Die jungen Leute tragen die Schuld, Weiße wie Indianer. Wenn ihr meint, was ihr sagt, so gebt uns Geschenke und macht unsere Herzen froh. Ich vergaß noch etwas. Ich lebte früher in Bear-Creek; wenn ich hier fort muß, möchte ich dorthin zurückgehen.«

Damit war dieser »Council« geschlossen. Die Kommissare dankten ihnen noch für die Offenheit und Wahrheit, mit der sie gesprochen, was durch ein grunzendes Hau! beantwortet wurde, und sagten ihnen, daß sie auf ihre Klagen morgen früh erwidern würden. Es seien wichtige Punkte und müßten reiflich überlegt werden.

Das war allerdings nur eine den Indianern selber abgelernte Höflichkeit, denn so gut General Sherman durch den Dolmetscher schon vorher die Wünsche der Indianer gekannt hatte, ebenso war die ihnen zu gebende Antwort entschieden bereit. Die wilden Krieger würden es aber als eine große Geringschätzung angesehen haben, wenn man ihnen so rasche Antwort gegeben hätte. Es wäre von seiten der Weißen ein Zeichen der Mißachtung gewesen, indem man ihre Worte gar nicht würdigte darüber nachzudenken.

Man ging also in dieser Art rücksichtsvoll mit den Indianern um – man beobachtete wenigstens die Form, und konnte eigentlich nicht gut weniger tun.

Am Morgen des zweiten Tages, an dem die Schlußberatung sein sollte, verbreitete sich plötzlich das Gerücht, die Indianer in ihrem Lager hätten von irgend wem Whisky bekommen, und rasten und tobten nun zwischen ihren Zelten herum. Natürlich könne die Schlußberatung heute unter keinen Umständen stattfinden, und es sei sogar lebensgefährlich, nur in die Nähe der Rasenden zu kommen, von denen man kaum wisse, ob sie nicht einen Überfall der Stadt beabsichtigen.

Das indianische Lager war draußen in der Ebene, vielleicht achthundert Schritt von der Stadt entfernt, und ich ging natürlich gleich hinaus, um mich selber zu überzeugen. Wie ich es aber gedacht, fand ich die Sache auf das fabelhafteste übertrieben, und bald stellte es sich heraus, daß die Indianer allerdings Whisky on the sly – d.h. auf heimlichen und verbotenen Wegen bekommen hatten, aber keiner von ihnen war betrunken – Bigmouth vielleicht ausgenommen, der ein wenig angeheitert sein mochte, was aber für die Versammlung selber keine Bedeutung hatte.

General Sherman, aufs äußerste darüber erzürnt, daß die Existenz der ganzen Versammlung durch irgend einen schurkischen Händler in Frage gestellt worden, beorderte von dem benachbarten Fort – über das ich später auch noch einige Worte sagen muß, augenblicklich einen Trupp Soldaten herüber und ließ vor jedes Trinkzelt, also eigentlich fast vor jedes Haus, zwei Posten stellen. Außerdem mußte aller Whisky für die Dauer der Versammlung ausgeliefert werden, und wer trotzdem noch etwas zurückbehalten hätte, wurde mit den schärfsten Strafen bedroht.

General Sherman setzte auch 500 Dollars Belohnung jedem aus, der ihm den nennen würde, durch den die Indianer jedenfalls Whisky bekommen hatten, und die Dolmetscher versuchten dabei ihr möglichstes, aber die Indianer schienen sich das auf eigene Hand besorgt zu haben, und verrieten den Verkäufer nicht.

Als spotted tail gefragt wurde, ob er Whisky getrunken habe, und ob er glaube, daß die Versammlung stattfinden könne, sagte er ganz ruhig: »Ei gewiß – ich habe Whisky getrunken, aber ich kann so viel vertragen wie ein Weißer. Laßt uns zusammenkommen!«

Der Morgen war aber dabei vergangen, und es war halb zwölf Uhr geworden, ehe sich alles, wie gestern, zusammenfand. Hier ergriff jetzt General Sherman das Wort, aber in einer für die Indianer höchst verhängnisvollen Weise, denn er sagte ihnen mit kurzen, klaren Worten und auf das entschiedenste, daß – nicht wie Sintegalischka meine – noch Wild vorhanden sei, um die Indianer ihr altes Leben fortführen zu lassen, sondern daß die Zeit gekommen wäre, wo sie ein neues Leben beginnen müßten.

Es wird dem Leser vielleicht nicht uninteressant sein, wenn ich ihm hier eine ganz kurze Beschreibung des Generals einschalte, der sich in dem letzten amerikanischen Kriege einen so bedeutenden Namen erworben hatte und überall geachtet und geliebt ist. Von Statur nicht übermäßig groß, aber schlank gewachsen, hat er etwas Rasches, Geschmeidiges in allen seinen Bewegungen, und erscheint stets vollkommen ungezwungen und frei. Sein Haar ist braun, in das Rötliche spielend, sein Schnurrbart hellblond, der kurz geschorene Vollbart etwas dunkler. Seine Nase ist gebogen, seine Augen sind hellbraun und lebendig, nie lange auf einem Fleck rastend, aber dem, mit dem er spricht, fest begegnend. Seine Züge tragen dabei den Ausdruck entschiedener Gutmütigkeit, wenn auch kaum der Energie, die er damals auf seinem kecken Zug durch das feindliche Land und vor nichts zurückschreckend, bewiesen hat. Sein ganzes Wesen macht aber einen entschieden günstigen Eindruck, und er hat das allgemeine Zeugnis, nicht allein ein ausgezeichneter Soldat, sondern auch ein guter Mensch zu sein.

»Wir haben eure Reden gehört und wohl überdacht, und wollen sie jetzt beantworten,« begann er: »Ihr sagt uns, daß die beiden Straßen die Ursache des Krieges sind, unsere Regierung behauptet aber, daß Cheyennes und Rappahus den Bau zugestanden haben. Die Straße ist seitdem mit Fuhrwerk und Eisenbahnen befahren, militärische Posten und Stationen sind daran errichtet worden, und niemand hielt dies für einen Grund zum Kriege. Wir haben allerdings um eine andere Straße unterhandelt, aber die Regierung glaubte, daß euch eine eiserne nichts schaden würde. Für uns dagegen ist sie besser, ja unumgänglich nötig. Wir werden die Cheyennes im nächsten Monate am Arkansas treffen, sind sie geschädigt, werden wir es ihnen vergüten. –

Aber die Straße muß gebaut werden.

Der Powder-River-Weg mußte angelegt werden, um den Weißen in jener Gegend Lebensmittel zuzuführen. Die Ansiedelungen daran haben weder Büffel, noch Elk, noch Antilope gestört. Die Indianer jagen dort wie immer. Der große Vater glaubte, daß die Häuptlinge im letzten Frühjahr am Laremey ihre Zustimmung gegeben. Es scheint, daß einige das nicht getan, und sie gingen zum Kriege. Wir geben die Straße nicht auf, finden wir aber bei unserer nächsten Versammlung am Laremey, daß sie in ihrem Rechte sind, so wollen wir sie bezahlen: der Friede muß hergestellt werden. Hat jemand Ansprüche, so komme er dort zur Beratung.

Ihr wollt Geschenke, besonders Munition, um zu jagen. Wir geben euch Geschenke, denn ihr habt eure Jagd versäumt, um hierherzukommen, aber nicht viel, bis ein Verständnis zwischen uns erzielt ist. Aber ihr bekommt kein Pulver und Blei, denn ihr habt vor kurzem friedliche Leute damit getötet. Einige von euch griffen Eisenbahnen mit Übermacht an, die Lebensmittel führten, selbst mit für Indianer. Dem gefleckten Schweif, dem schnellen Bär und den Häuptlingen ihres Stammes werden wir fast alles geben, was sie wünschen, denn sie blieben friedlich: aber die übrigen mögen sich mit Bogen und Pfeilen behelfen, bis sie uns überzeugt haben, daß sie keine friedlichen Leute mehr töten.

Damit ist alles beantwortet was ihr verlangt. Wir kennen den Unterschied zwischen Rot und Weiß. Ihr jagt und nehmt dafür Kleider als Geschenke. Aber für alles, was die Weißen haben, müssen sie hart und schwer arbeiten. Sie haben aber dafür auch gute Kleider, viel zu essen und schöne Wohnungen. Das alles könnt ihr ebenfalls haben, und wir glauben, daß jetzt die Zeit gekommen sei, wo ihr damit beginnen müßt.

Mit unserer Hilfe könnt ihr in wenig Jahren Herden und alles haben, wie es die Creeks, Chocktaws, Cherokesen und viele andere Nationen besitzen.

Ihr seht, die Weißen dringen, trotz allem, was ihr dagegen tun könnt, von allen Seiten herbei. Noch ist gutes Land da, wenn ihr aber nicht bald euren künftigen Wohnort aussucht, so möchte es schon nächstes Jahr zu spät sein.

Die smokyhill road wurde gebaut. Ihr sollt Entschädigung dafür haben; unterbrecht ihr aber den Bau derselben, so werden unsere Soldaten auf euch losgelassen und ihr von der Erde gefegt. Deshalb schlage ich euch vor:

Laßt alle Sioux mit den Cheyennes ein Land am Missouri wählen, dessen Eigentum euch für immer gesichert sein soll. Wir versprechen, alle Weißen daraus fern zu halten, ausgenommen solche Händler, die ihr selber wählt. Dort baut das Land, errichtet Wohnungen und zieht, was ihr braucht. Wir werden euch in jeder Weise unterstützen und euch Leute senden, die euch und eure Kinder in allem unterrichten sollen, was sie brauchen. Auch die südlichen Indianer sollen eine ähnliche Heimat bekommen, südlich vom Arkansas.

Viele Indianer haben Verträge abgeschlossen, aber ich fürchte, sie glaubten nicht, daß die Weißen so rasch in das Land strömen würden. Viele sterben, andere kommen, und Versprechungen werden vergessen. Ihr seht selbst, langsame Ochsenwagen können die vielen Wanderer nicht mehr befördern; wir brauchen eiserne Straßen, und ihr könnt sie nicht aufhalten, ebensowenig wie die Sonne oder den Mond. Ihr müßt euch dem fügen und für euch selber das Zweckmäßigste wählen.

Wollt ihr nach Osten reisen? Kommt und seht, wir werden eure Reise bezahlen. Unsere Leute im Osten betrachten diesen Krieg als gar nichts Wichtiges – wenn sie aber erzürnt werden, schwärmen sie über die Prärie wie Büffel. Führt ihr den Krieg fort, so werdet ihr alle getötet werden.

Wählt jetzt noch eure eigene Heimat und lernt die Kunst von den Weißen, euer Leben zu erhalten. Wir helfen euch, wo wir können, und ihr sollt alle Rechte der weißen Männer haben. Tun wir doch für die Indianer mehr als für die Weißen, die zu uns kommen.

Diese Versammlung, müßt ihr wissen, besteht aber nicht allein aus Friedens-, sondern auch aus Kriegshäuptlingen. Unser großer Vater ist gütig, wenn die Indianer freundlich sind; wollen sie aber den Krieg, so hat er uns befohlen, die Straßen und die Weißen daran zu beschützen – und das bedenkt.

Wir werden im November hier sein – bis dahin könnt ihr jagen, aber in zwei Monaten müßt ihr euren Entschluß fassen. Wir werden euch und eure Tiere ernähren, bis das Gras im Frühjahr wächst, aber dann wählt euch euren Platz am Missourifluß, so nahe als möglich am Wasser, dort ist gutes Land, und was ihr braucht, könnt ihr leicht auf dem Fluß bekommen.

Überlegt euch jetzt, was ich euch gesagt habe, und gebt mir im November Antwort.« –

Das war General Shermans Rede, und man muß gestehen, daß sie Hand und Fuß hatte. Er hielt nicht hinter dem Berge und sagte den Indianern mit einfachen, nackten Worten, was sie zu hoffen und zu fürchten hatten. Daß sie in mancher Hinsicht einer Widerlegung fähig gewesen wäre, will ich nicht leugnen, denn wenn er z.B. sagt, daß die Amerikaner für die Indianer mehr tun als für weiße Einwanderer, so ist das wohl sehr natürlich, und nur die Frage, ob sie genug tun, denn den Einwanderern haben sie kein Land weggenommen, sondern diese sind freiwillig zu ihnen gekommen und wollen hier ihr Glück machen. Aber im ganzen sagte er doch den Indianern klar und einfach, was die Absicht der Weißen ist, um ihnen über ihre Zukunft keinen längeren Zweifel zu lassen. Er riet ihnen wohlmeinend, den jetzigen, vielleicht letzten Moment zu benutzen, um für sich noch gutes und brauchbares Land zu wählen, und das einzige, was ich an seiner Rede auszusetzen hatte, war, daß er etwas zu schnell sprach und den Dolmetscher drängte.

Lange nicht so scharf und entschieden, und weit mehr indianische Worte machend, war die Rede des Intendanten der indianischen Angelegenheiten, des Herrn Taylor, der zuerst noch einmal alles wiederholte, was die Eingeborenen verlangten, und den guten Willen des »erhabenen großen Vaters« aussprach, dann sich aber, mit dem Wunsche die Indianer zu überzeugen, so weit vergaß, diesen zu sagen: die Weißen wären mit den Straßen in ihrem vollen Rechte, und höchst komisch fast klang es dabei, daß er ihnen – den Wilden in der Steppe, einen Vortrag des bei den Weißen üblichen Expropriationsgesetzes hielt. Ganz abgesehen davon, daß ein Indianer nie begreifen wird, wie ein Häuptling das Recht haben kann, einem Indianer seinen Wigwam einzureißen, weil er erklärt, daß er nicht darum hin, sondern über die Stelle selber wegreiten will, so schien er auch ganz vergessen zu haben, daß die Vereinigten Staaten selber wohl erst um Erlaubnis fragen müßten, wenn sie den Boden eines fremden Volkes, z.B. Kanada oder Mexiko, zu ihren Bahnen benutzen wollten. Derartige Sachen verwirren aber die Köpfe solcher einfachen Naturmenschen nur noch immer mehr und können wahrlich nie dazu dienen, sie von dem Rechte ihrer Unterdrücker zu überzeugen.

Im ganzen wiederholte Herr Taylor viel, was General Sherman schon vor ihm gesagt hatte, und gestand endlich ganz naiv das folgende ein:

Daß General Sanburn im Jahre 1865 den Vertrag über den einen Weg mit den Indianern abgeschlossen und man geglaubt hätte, sie seien alle damit einverstanden. Nachher sei aber der Kurs der Bahn selber geändert und die Versammlung der Häuptlinge allerdings nicht dabei konsultiert worden. Glaubten sie indessen, daß ihnen dadurch Schaden geschehen sei, so sollte ihnen dieser (wie weit, wurde nicht gesagt) sicher vergütet werden. Dann erging sich der Redner in einer weiteren Auseinandersetzung, daß sie eben die Straßen aus den und den Gründen notwendig brauchten, und daß die Indianer den Bau derselben ebensowenig zurückhalten könnten, wie Sonne oder Regen oder den wilden Zug der Büffel. Die Weißen hätten viel Geld und ließen sich nicht zurückhalten. Sie könnten vielleicht einzelne töten, aber die Soldaten würden über ihre Steppe schwärmen, wie jetzt die Heuschrecken, und die eiserne Macht würde sie zerschmettern.

Dann versuchte der Redner noch, den Indianern die Macht und den Reichtum der Weißen in für sie leicht verständlichen Worten, sowie weiter zu schildern, wie ihr Wild sicherlich vollkommen und für immer zerstört oder vertrieben werden würde, wenn sich eine solche Anzahl von Soldaten über die Prärie ergösse, ja, daß die Massen der Weißen von Osten und Westen herbeirücken würden, um sie zu zermalmen, und schloß dann mit der Versicherung, daß es die Weißen jetzt noch wirklich gut mit ihnen meinten.

Wieder entstand eine lange Pause. Zuviel des Neuen, Unerwarteten war den Indianern hier mit einemmal geboten worden, und so viel mußten sie jedenfalls aus allem herausgefühlt und verstanden haben, denn es war ihnen außerdem mit kalten, trockenen Worten wiederholt gesagt, daß ihre Hauptforderung: das Aufhören der Eisenbahnen, nicht erfüllt werden könne und würde. Möglich ist es aber auch, daß die Häuptlinge das schon vorher gewußt und in schlauer Weise nur das Größte verlangt hatten, um wenigstens soviel wie irgend möglich zu erlangen. Keiner der späteren indianischen Redner berührte den Gegenstand wenigstens mehr auch nur mit einem Worte.

Der gefleckte Schweif stand zuerst auf. Er schien erregt und nur das in Gedanken zu haben, daß ihnen General Sherman gesagt hatte, sie sollten weder Pulver noch Blei bekommen, bis man sich von ihrer Friedensliebe überzeugt hätte.

»Wir dachten, wir würden Freunde sein« – sagte er, – »ihr habt jetzt zwei Tage hier gesprochen und keine bösen Worte sind gefallen. Ich bin ein Sioux – wir sind alle die nämlichen und sprechen gerade. Ich glaubte, wir würden freundlich scheiden. Ich habe immer mit den Weißen in Frieden gelebt. Ich spreche für andere da draußen. Ich kam her, um Friedensworte zu hören – ich verkündete ihnen allen die Worte – aber ich glaube, ich sprach eine Lüge. Ich glaubte, die Kommissare kämen hierher, um Frieden zu machen. Wir kamen ohne Waffen. Als ich zu dem Lager kam, sagte ich den Indianern, daß ich mit den Weißen in Frieden lebe und glücklich sei. Ich brachte sie hierher. Nachdem ich das getan, glaubte ich, ihr würdet Mitleiden mit uns haben und ihnen Pulver, Blei und Zündhütchen geben, um froh nach Hause zurückzukehren. Seid gute Freunde, gebt diesen Leuten Munition, – es wird euch keinen Schaden tun – sie brauchen nur wenig, um damit zu jagen. Ich bin ein Indianer, aber ich lausche den Worten der Weißen. Alles, was ich zu sagen habe: Gebt uns Munition.«

General Sherman äußerte sich hier gegen den Dolmetscher, daß er ja den freundlichen Sioux alles versprochen habe, die möchten es dann verteilen und die Verantwortlichkeit übernehmen. Der Dolmetscher aber meinte, daß das nicht anginge, da die Eifersucht der Cheyennes zu sehr dadurch erweckt würde.

Der Mann, der unter dem Boden geht Dieser Indianer hatte seinen Namen auf folgende Art erhalten. Er erschlug im Kampfe fünf Pawnees und mußte dann fliehen. Der ganze Stamm verfolgte ihn augenblicklich, konnte ihn aber nicht finden. Er war wie in den Boden hinein verschwunden. Er hatte sich in ein Loch unter eine Uferbank versteckt, wo er zwei volle Tage lag, bis er seine Flucht bewerkstelligen konnte., trat jetzt auf und sagte:

»Seht mich genau an. Ich bin klein und ein junger Mann – ein Ogellala, hier geboren – meine Väter lebten hier. Ich weiß mich der Zeit zu erinnern, wo wir in Frieden mit den Weißen lebten. Ich bin jung. Ich liebe die Weißen – es sind Freunde – wir teilten unser Wild mit ihnen. Jetzt werde ich ein Mann und habe Frau und Kinder. Ich möchte recht handeln an meiner Familie. Mein großer Vater hat euch gesandt. Sintegalischka hat uns hergerufen. Wir kamen und hofften, daß wir uns freundlich treffen würden. Ich bin ein roter Mann – arm in der Prärie – ihr seid reich. Wenn ihr zu uns kommt, teilen wir mit euch. Wovon lebt ihr? Ihr schreibt die ganze Zeit. Wir wissen heute nicht, wohin wir gehen werden. Ich bin ein Indianer; ich kann kein Pulver machen oder Kugeln oder Zündhütchen. Wohin sollen wir gehen? Gebt uns Munition.«

Nach ihm sprach Pawnee-Töter:

»Ich bin kein Häuptling, sondern nur ein Krieger. Unser großer Vater ist gut, aber ich auch. Ich stehe nicht allein unter diesem Volke. Ich habe viel Freunde im Norden und Süden. Als wir im großen Rate waren, schien alles gut. Daheim sagten sie, wir hätten nicht recht getan. Als wir aber hörten, daß ihr Frieden machen wolltet, kamen wir rasch. Ich bin mit wildem Fleisch erzogen. Wenn jemals zwei kämpfende Nationen zusammenkommen, um Frieden zu machen, so sollten sie sich nicht vor einander fürchten, sondern Munition austauschen.«

Jetzt kam Großmaul wieder, aber in seiner schwammigen Weise nur das Vorhergesagte wiederholend. Pawnee-Töters Rede, besonders der Schluß, schien aber auf die Generäle ihren Eindruck nicht verfehlt zu haben. Die Herren Henderson und Taylor trauten nicht, die Generäle Harney und Sherman aber waren ganz entschieden dafür, den Indianern Munition zu geben und ihnen dadurch volles Vertrauen zu zeigen. Nach kurzer Beratung trat dann noch einmal Herr Taylor zum Schlusse auf und sagte unter anderem:

»Tapfere Leute, wenn sie Frieden schließen, meinen es ernstlich – keine Rede mit gespaltener Zunge. Wir haben gehört, was ihr von Wild und dem nötigen Bedarf für eure Familien gesagt. Wir glauben und vertrauen euch. Wir haben keine Munition mitgebracht, aber was da ist, sollt ihr heute noch haben, und das übrige, was ihr braucht, kann bis morgen hier sein. Wir haben Frieden geschlossen. Die Bedingungen sollen aber erst endgültig im nächsten großen Rate am 3. November hier festgestellt und dann auch alles durch Schriftstücke beglaubigt werden. Aber wir fühlen daß der Friede schon jetzt abgeschlossen ist.«

Damit war die Versammlung beendet. Und wie lange wird dieser Frieden dauern? Bis die Indianer aufs neue zur Verzweiflung gebracht und dann rettungslos ausgerottet werden. Die Weißen haben wohl gut sagen: »Wir geben euch gutes Land, geht hin und bebaut es,« aber es ist das etwa dasselbe, als ob die Indianer uns Bogen und Pfeile geben und sagen wollten: »Kommt, wir wollen euch zeigen, wie man sie gebraucht, und nun verdient euch euren Lebensunterhalt damit.« Ein paar von uns lernten es vielleicht, der Rest würde rettungslos untergehen und verderben.

So ist auch der Untergang der Indianer unvermeidlich, denn die Zivilisation rückt weiter und weiter und läßt sich eben nicht zurückdämmen. Beschleunigt aber wird dieser Untergang noch durch die Weißen selber ohne Not, denn es ist ein öffentliches Geheimnis, daß betrügerische Agenten von jeher den roten Mann um das meiste betrogen haben, was ihm die Regierung zugestand und ehrlich in seine Hände zahlte. Selbst die Dolmetscher der Indianer sagen ganz offen: »Schickt uns nur ehrliche Agenten, und wir stehen euch dafür daß die Indianer den Frieden halten.« Aber es scheint fast schwerer, einen weißen Raben als einen ehrlichen indianischen Agenten zu finden, und alle, die es bis jetzt gewesen, haben sich, trotz unbedeutenden Gehalts, reich und vornehm in die Stille des Privatlebens zurückgezogen, während die Indianer, durch gebrochene Versprechungen gereizt, wieder und wieder ausbrachen und die Grenzen der Union mit dem Blut ihrer Opfer düngten. Ihnen mischte sich dann weißes Gesindel bei, verfehmte und dem Gesetz verfallene Gesellen, die nur noch außer der Union durch Raub und Plünderung ihr Leben fristen konnten, reizten sie zu Überfällen auf und zogen dann lachend mit ihrer Beute nach Neu-Mexiko, die armen, betörten Wilden der Rache der mächtigen Weißen überlassend.

Was die Versammlung selber betrifft, so kann ich nur sagen, daß sie in würdiger Weise von beiden Teilen geführt wurde. Nur eins – und ich weiß kaum, ob es nicht gerade eine Hauptsache ist – fiel mir dabei auf.

Es gibt nämlich dabei einen sehr großen Übelstand, und zwar den, daß man zu diesen Dolmetschern mit den Wilden stets rohe, ungebildete Menschen, meistens kanadische Franzosen, nehmen muß, die selten imstande sind, eine derartige Rede rasch zu fassen, und noch viel weniger so ohne weiteres in die viel umschreibendere Sprache der Eingeborenen zu übersetzen. Auch begreift der Indianer nicht so schnell. Wenn er einen Satz bekommt, hält er ihn und überlegt ihn; indessen aber springt der Dolmetscher fortwährend auf neue über, und jener verliert rettungslos den Faden.

Auch der unsere gehörte jener kaum halb zivilisierten Rasse an, die ihre ganze Jugendbildung in der Steppe genossen hat, und wo die Amerikaner nur eine nicht ganz allgewöhnliche Redewendung gebrauchten, mußte er jedesmal noch den Sinn erfragen. Und trotzdem übersetzte er das Gehörte gleich darauf in fast plapperartiger Schnelle den Indianern, die ihm mit der gespanntesten Aufmerksamkeit lauschten. Es ist dabei kaum möglich, daß er ihnen den vollen, für sie furchtbaren Sinn von Shermans Rede so treu wiedergegeben hat; ich kann mir sonst nicht denken, daß sie so ruhig dabei geblieben wären.

Oft wirft man den Indianern vor, daß sie früher Verträge gebrochen hätten, und kann das – wenn es wirklich von ihrer Seite zuerst geschehen – nicht recht gut die Folge eines zu leichtsinnigen Dolmetschers gewesen sein, der nur voraussetzt, ohne wirklich zu prüfen.

Aber was helfen alle diese Verträge, solange die Regierung der Vereinigten Staaten nicht ehrliche Menschen finden kann, um sie auszuführen, und außerdem von den Grenzbewohnern darin unterstützt wird. Gerade diese aber arbeiten einem möglichen Frieden mit den Indianern stets entgegen, denn sie hassen den roten Mann, und von leider sehr vielen, mit denen ich selber dort in Berührung kam, hörte ich unter häßlichen Flüchen die rohe Versicherung, daß sie »verdammt sein wollten, wenn sie nicht das erste »Rotfell« umlegen würden, das in ihren Bereich käme«. Aber selbst diese gaben in mancher Beziehung den Indianern recht. Ich würde mich scheuen, eine solche Anklage hier niederzuschreiben, aber es ist eine wunderliche Tatsache, daß selbst die wilden Gesellen, die offen sich dessen rühmten, so und so viel Indianer skalpiert zu haben, unumwunden erklärten, daß die »Rotfelle« vielleicht den Frieden gehalten hätten, wenn sie nicht so schauerlich von ihren Agenten bestohlen worden wären. Ebenso soll es eine Tatsache sein, daß sich sämtliche Agenten, bei nur mäßiger Besoldung, nach im Verhältnis kurzer Tätigkeit, mit einem bedeutenden Vermögen in die Stille des Privatlebens zurückziehen.

Die Regierung zahlt ehrlich, was sie versprochen hat, – ja vielleicht noch mehr, aber die Verderbtheit hat noch nie so in den Vereinigten Staaten überhandgenommen wie gerade jetzt, wo sich viele der ersten Beamten sogar nicht schämen, den Staat offen zu betrügen. Und selbst in dieser Verdorbenheit hat man das Sprichwort: Er stiehlt wie ein indianischer Agent.

Ist es denn nicht möglich, solche Leute strenger zu überwachen, die nicht allein Onkel Sams Vermögen in die Tasche stecken – das möchte noch angehen, denn das tun Tausende, – die aber zugleich durch ihre Betrügereien das Leben der Grenzbewohner auf das äußerste gefährden; denn diese gerade sind es, die darunter zu leiden haben, wenn die mehr und mehr gereizten Horden endlich einmal wieder ausbrechen. Die Herren Agenten wissen schon, wie sie sich am besten in Sicherheit bringen können.

Aber was hilft das alles! Selbst den Fall genommen, daß die Indianer jetzt die Vorschläge der Weißen annehmen und in die ihnen vorgehaltenen Territorien südlich vom Missouri und südlich vom Arkansas-Fluß ziehen, werden sie jene Strecken, trotz der Vereinigten Staaten, behaupten können? – Wahrlich nur so lange, bis einmal zufällig Gold, Öl, Quecksilber oder sonst ein reiches Metall im Überfluß auf jenem Boden gefunden wird, und wer will dann den Strom des goldgierigen Volkes hemmen, der sich über jene Grenzen im Nu ergießt? Ihre Zeit ist vorbei, und von jenem Council an leben sie nur noch geduldet auf der Erde.

Und ist es wirklich ein so furchtbar rohes, unmoralisches und wildes Volk? Ich erinnere mich, daß mir solche Gedanken aufstiegen, als ich eines Tages am Nordplatte zwischen der Stadt der Weißen und dem indianischen Lager stand. In dem Lager der Sioux herrschte stille Ruhe, die Männer waren auf der Jagd oder rauchten ihre Pfeifen, die Frauen saßen bei ihrer Arbeit – gerbten Felle oder stickten Mokassins – alles war still und friedlich, und die Kinder und jungen Mädchen spielten und lachten zwischen den Büffelzelten – und in der Stadt der zivilisierten Weißen, die so tief und verächtlich auf den Indianer hinabsahen – wie sah es dort aus? Dort stand, Haus an Haus, ein Schenklokal oder Whiskyshop, eine Spielhölle oder ein Bordell. – Es ist sonderbar, aber ich wußte zuletzt gar nicht, ob ich die Wilden zu meiner Linken oder Rechten hatte.

Noch muß ich zum Schluß etwas erwähnen, wegen dessen die bei dem Council vorsitzende Kommission von vielen Seiten und, wie ich glaube, mit Unrecht angegriffen wird, daß sie nämlich am Schluß den Indianern und besonders den wilden und blutdürstigen Cheyennes Munition als Geschenk bewilligte. Meiner Meinung nach konnte sie gar nicht anders handeln, denn Spotted tail besonders, und außer ihm Pawnee killer, wie noch manche andere legten so ruhig ihre Gründe dafür vor, daß es sich nicht vermeiden ließ, wenn man nicht jede Aussicht auf einen möglichen Frieden gleich von Anfang an zerstören wollte. Sie sagten, daß sie ihre Jagd versäumt hätten und hierher gekommen wären, um den Worten der Weißen zu lauschen, und daß diese außerdem noch von ihnen verlangten, an einen anderen Ort zu kommen. Da bleibe ihnen nur kurze Zeit für ihre Jagd, und sie müßten rasch für ihre Familien sorgen, was nur durch Pulver und Blei möglich wäre. Außerdem machte Pawnee killer die treffende Bemerkung: Wenn zwei feindliche Nationen zusammenkommen, um endlich Frieden zu schließen, so sollten sie sich nicht eine vor der anderen fürchten – also gebt uns Munition.

Mr. Taylor wie Henderson waren, wenn ich nicht irre, gegen ein so gefährliches Geschenk, General Sherman aber wie General Harney sprachen warm dafür. Man mußte ihnen jetzt etwas Vertrauen zeigen, wo man gerade von ihnen erwartete, daß sie ebenfalls Vertrauen zeigen sollten, und nur deshalb wurde ihnen zuletzt die Munition bewilligt, von der sie auch, wie ich fest überzeugt bin, keinen schlechten Gebrauch machen werden. Die Generäle konnten nicht anders handeln.


 << zurück weiter >>