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11. New-Orleans

Zu meiner Fahrt stromab hatte ich mir übrigens, wie es schien, das erbärmlichste Dampfboot ausgesucht, das den Fluß befuhr. Der Kasten hatte noch außerdem ein Kielboot im Schlepptau – und ein anderes unterwegs verloren, und kroch beinahe hinter der Strömung her. Dabei war kaum etwas zu essen und gar nichts zu trinken an Bord, und ein Schmutz, wie ich ihn noch nie auf einem Mississippidampfer gesehen.

Ich war recht froh, als wir New-Orleans endlich – wenn auch an einem Sonntag morgen – erreichten, denn ein amerikanischer Sonntag ist schon an und für sich langweilig, und außerdem findet man kein Geschäft offen und weiß gewöhnlich nicht, wo die Privatwohnung der Leute ist, die man gern aufsuchen möchte.

Wenn ich aber auch früher oft und zu verschiedenen Zeiten in New-Orleans gewesen war, so kannte ich doch die Stadt jetzt gar nicht wieder und konnte mich nicht auf ein einziges der vollständig neuen Häuser an der Landung besinnen – etwas sehr Natürliches, wie ich später ausfand, denn nicht allein die Häuser an der jetzigen Landung, sondern auch noch zwei Straßen dahinter waren völlig neu und standen auf einem Grund und Boden, auf dem zu meiner Zeit noch Dampfer angelegt hatten.

Die Stadt New-Orleans ist im Wachstum wenig hinter ihren nördlichen Schwestern zurückgeblieben und hat sich, wenigstens bis zum Ausbruch des Krieges, außerordentlich vergrößert, wenn auch jetzt natürlich ein Stillstand darin eingetreten ist. Aber nicht allein Menschenkraft und Unternehmungsgeist waren dabei tätig, sondern die Natur und der nie rastende Mississippi halfen mit. Der »Vater der Wasser« wechselt nämlich seine Ufer unaufhörlich, indem er sie an der einen Seite unterwäscht und fortreißt und an der anderen dafür eine breite Sandbank anschwemmt. Das letztere war nun auch in New-Orleans der Fall. Von dem gegenüberliegenden Algier wurde das Land fortgeschwemmt und hier herüber an die Levée geworfen – ein glücklicher Umstand, den die Stadt natürlich gleich benutzte und sich alles, was sie von dem Strom geschenkt bekam, durch Palisaden und einen festen Damm der zugleich ein bequemes Werft bildet, sicherte. Man hat nämlich Beispiele genug, daß der alte wankelmütige Strom derartige Geschenke manchmal ganz einfach wieder zurückfordert, und es war deshalb sehr ratsam, solcher Laune einen Riegel vorzuschieben.

Dadurch aber wurde Raum am Flusse für mehrere vollkommen neue Straßen. Zu gleicher Zeit wurde im Rücken der Stadt der Sumpf gelichtet, und was dort noch an Urwald stand, ausgerodet, der Grund aufgeworfen und Straße nach Straße errichtet. Ja, man nahm sogar noch kurz vor dem Krieg einen Anlauf, große, prachtvolle Häuser aufzubauen, wie sie in solcher Anzahl in New-York stehen. Der Krieg aber unterbrach alle diese Arbeiten, und jetzt fehlt es natürlich an Kapital und Mut, anderes als das Allernotwendigste auszuführen. Das bleibt für eine ruhigere Zeit vorbehalten.

Trotzalledem hat sich New-Orleans sehr verschönert. Früher bestand es fast ausschließlich aus niederen Häusern, und wenn man auf der Levée oder dem Damm stand, der das Land und die Stadt vor den Überschwemmungen des Stromes schützte, so konnte man das damalige St. Charles-Hotel über alle anderen Gebäude hervorragen sehen. Das St. Charles brannte später nieder und wurde wieder, wohl ebenso hoch, aufgebaut, verschwindet aber nun gänzlich in den benachbarten Bauten und bildet keinen hervorragenden Punkt mehr.

Die Vegetation von New-Orleans ist eine schon fast tropische. Reizende Gärten umgeben fast alle Häuser, die nicht in dem unmittelbaren Kern der Stadt und deren Geschäftsteilen liegen, denn das Geschäft verträgt sich nun einmal nicht mit dem Vergnügen. Überall aber, selbst nahe an der Kanalstraße, wo die schönsten Häuser stehen, sieht man die breiten Blätter der Bananen über die Gartenmauern hervorragen, oder das dunkle, herrliche Laub der Magnolien die Häuser beschatten. Ja, hier und da ragt auch wohl der gefiederte Wipfel einer ziemlich hochstämmigen Dattelpalme über die Dächer empor, und kommt man nur an die Grenze der Vorstädte, so entzückten das Auge ganze Gruppen fruchtbedeckter Orangebäume, die mit den Magnolien und Bananen, wie mit den von dem langen schwebenden grauen Moos bedeckten Laubholzbäumen ein wahrhaft entzückendes Bild geben.

So warm und lang ist dabei der Sommer, daß an geschützten Stellen selbst die Bananen reifen, ohne aber eine besondere Frucht zu geben, denn gerade diese verlangt einen südlichen Breitengrad und kann nur zu voller Reife innerhalb der Tropen gedeihen.

Daß schöne und reiche Läden die Hauptstraßen füllen, versteht sich von selbst, und sogenannte Streetcars oder Straßeneisenbahnen durchlaufen die sehr weitläufige Stadt nach vollen Richtungen zu dem außerordentlich mäßigen Preise von 5 Cents à Person.

Auch verschiedene Theater hat New-Orleans in der Wintersaison – ein englisches, eine französische Oper und ein – deutsches. Das letztere, unter der Leitung des Direktors Ostermann, besuchte ich häufig. Das Innere desselben ist so freundlich wie selbst elegant ausgestattet und auch praktisch gebaut. Für Amerika konnte es sich auch recht tüchtiger Kräfte rühmen, und ich sah im Lustspiel wie in der Oper einige sehr gelungene Vorstellungen – manchmal, besonders den Freischütz, bei überfülltem Hause.

Überhaupt fehlt es in New-Orleans nicht an Vergnügungen, denn außer den Theatern finden sich noch japanische Akrobaten, Zirkus, Menagerieen und verschiedene andere Sehenswürdigkeiten. Man ist dabei hier über den albernen Sonntagswahnsinn erhaben, der in den nördlicheren Städten unter den Muckern spukt und nur in New-England mit Gewalt aufrecht erhalten werden kann. Den dortigen Sonntagsgesetzen nach darf an einem Sonn- oder Feiertag keine andere als »fromme« Musik gemacht werden, und wie umgeht man das? In St. Louis zum Beispiel wird jeden Tag gespielt, und an den beiden Sonntagen, an denen ich dort war, wurde an einem der »Freischütz«, an dem zweiten die ziemlich fade Berliner Posse »Ein armer Teufel« gegeben. Beide Male aber stand mit lateinischen Buchstaben über dem sonst deutsch gedruckten Zettel: »Sacred music«, und das genügte vollkommen, um alle möglichen Bedenklichkeiten zu befriedigen. An »geistliche Musik« dachte aber kein Mensch, es wäre auch nicht gut angegangen, eine Berliner Posse mit einem Choral zu beginnen.

Die Neger spielen jetzt in New-Orleans eine ziemlich hervorragende Rolle, und besonders die coloured ladies kann man an Sonntagsabenden im höchsten Putz und Staat einhersteigen sehen. Welchen enormen Absatz müssen überhaupt die Krinolinfabriken durch die Befreiung der Schwarzen gewonnen haben, denn welche von den Arbeiterinnen auf einer Plantage würde früher daran gedacht haben, eine Krinoline zu tragen – und welche trägt sie jetzt nicht!

Auch die Neger selber fangen an sich modern zu kleiden – aber es paßt ihnen doch nicht; die schwarzen Röcke sitzen ihnen nur oben auf den Schultern und hängen ihnen wie über einen Kleiderstock herunter. Die Hosen sind regelmäßig zu lang – was vielleicht es erlaubende Mittel anzeigen soll, und die weißen Hemdkragen und Krawatten können sich nicht miteinander vertragen. Die aber, die sich um ein Amt bewerben, müssen sich auch der Tracht der Weißen anschließen, und natürlich sehen sie jetzt genau so aus, als ob man bei uns einen Bauer in Balltoilette gesteckt hätte. Tausende von solchen schwarzen Müßiggängern treiben sich aber in der Stadt herum und können sich nur dadurch erhalten, daß sie den Wohltätigkeitssinn ihrer reichen Stammesgenossen ausbeuten. Der Neger ist in der Tat gegen Leute seiner Farbe mildtätig und wird nicht leicht einen Hilfsbedürftigen im Stiche lassen.

Handwerker findet man sehr häufig unter den Schwarzen, besonders Schmiede und Schreiner, obgleich sie sich sonst eigentlich mehr dem Kellner und Barbierberuf zuneigen. Sonderbarerweise aber habe ich wenigstens noch nie einen schwarzen Kaufmann oder Krämer gefunden. Der Handel scheint noch ihre schwache Seite zu sein, in die sie sich vielleicht erst später einmal hineinarbeiten.

Deutsche gibt es in Masse in New-Orleans, mehr als ich selber geglaubt. Die angesehensten Firmen der Stadt gehören den Deutschen an: die Schilder von deutschen Handwerkern und Kleiderläden sieht man aller Orten und Enden, und deutsche Bierhäuser finden sich in jeder Straße. Wenn sie aber sonst auch vielleicht deutsch geblieben sind, so haben sich die deutschen Handwerker doch ganz vortrefflich in die amerikanischen Preise hineingefunden. Man hatte mir auf dem Dampfer, mit dem ich nach New-Orleans kam, meine Kugeltasche aus meiner Koje gestohlen, und ich mußte die Sachen hier wieder ersetzen. Ein biederer deutscher Schlosser rechnete mir dabei für eine alte Kugelform, die er nur ein wenig ausbohrte, 1½ Dollars, für einen Schraubenzieher 2½, für einen Krätzer 1½, für eine Blende, ein gebogenes Stückchen Eisenblech, 20 Gr., und für das Reinmachen und Ausschmirgeln der beiden Läufe 2½ Dollars.

Dazu kommt noch, daß die Geldverhältnisse von New-Orleans die schlechtesten in den ganzen Vereinigten Staaten sind, denn der Magistrat hat sich veranlaßt gesehen, Banknoten der City of New-Orleans zu drucken, die nur noch in einzelnen, wie Zwei- und Drei-Dollar-Scheinen ihren vollen Wert haben, in Fünf- oder Zehn-Dollar-Noten aber schon gar nicht mehr oder doch nur mit einem enormen Prozentsatz angenommen werden, der sich, ehe ich fortging, bis zu 20 Prozent auf eine Zwanzig-Dollar-Note steigerte. Die Stadt bezahlt aber trotzdem alle von ihr Angestellten nur in diesen Noten, und eine freilich vom Militär überwachte Massenversammlung wurde neulich abgehalten, um den Magistrat zu zwingen, dieses Geld, das den Verkehr mehr stört als fördert, zurückzuziehen. Das wird aber sehr schwer durchzusetzen sein, denn die »Väter der Stadt« genießen durch diese Manipulation bedeutende Vorteile, und weshalb sollten sie nicht stehlen, wo es alle Welt tut!

Überhaupt sind die Preise in den Vereinigten Staaten für alles – die gewöhnlichen Lebensbedürfnisse, wie Fleisch, Mehl und Kartoffeln vielleicht ausgenommen, rasend gestiegen, und Luxusgegenstände kann man fast gar nicht mehr bezahlen. Die Eingangssteuern haben aber auch eine riesige Höhe erreicht, und denen entsprechend schlagen die Kaufleute ihre Preise auch auf sämtliche im Land selber gezogene Waren.

Besonders schwer sind übrigens Getränke und vor allem Zigarren besteuert, so daß eine nur einigermaßen rauchbare Zigarre wenigstens 140 Taler das Tausend kostet, während man die Flasche des nichtswürdigsten Whisky mit einem Dollar und einen ganz gewöhnlichen Pfälzer Wein mit zwei Dollars bezahlt. Nur der ganz ordinäre französische Wein ist ziemlich billig.

Rechtes Leben herrschte aber noch nicht in New-Orleans, denn das gelbe Fieber hatte gerade in diesem Jahre einen sehr bösartigen Charakter angenommen und schmerzlich in viele – nur zu viele Familien eingegriffen. Man war auch darauf gar nicht vorbereitet gewesen, da man seit dem Kriege wenig mehr davon gespürt. Möglich, daß die damals von General Buttler befohlene und gründlich ausgeführte Reinigung der Stadt wie die Anlage neuer Kanäle viel dazu beitrug, der Epidemie ihre größte Schärfe zu nehmen. Hatte sie sich aber seitdem so milde gezeigt, daß man sie kaum mehr fürchtete, so wies sie diesmal um so schärfer die Zähne und dauerte auch unverhältnismäßig lange, bis in den Monat November hinein. Dann nahm sie ab; vom 10. bis zum 20. November hörte man wenig von Kranken, und die Sterbefälle hatten ihre normale Zahl angenommen, bis plötzlich zu dieser Zeit – etwa am 22. – die Cholera auf dem Platz erschien und das gelbe Fieber ablöste. Sonderbarerweise hatten von dem letzteren die Farbigen wenig oder gar nicht gelitten, aber dafür sollten sie fetzt ihre Schuld bezahlen, und in der Tat räumte auch die böse Krankheit arg unter ihnen auf.

New-Orleans ist ein ungesundes und gefährliches Nest, und wenn es auch eine reizende Vegetation umgibt, so möchte ich dort doch wahrlich meinen Wohnsitz nicht haben, übrigens sind die verschiedenen Krankheiten in diesem Jahre überall viel heftiger als sonst aufgetreten, und man schreibt das wohl mit Recht der ganz außergewöhnlich trockenen und dürren Jahreszeit zu. Seit dem Jahre 1854 hat der Mississippi nicht so kleines Wasser gezeigt, als in diesem Herbst. Im Westen sind alle Bergbäche versiegt, an vielen Stellen geben selbst die Brunnen kein Wasser mehr, und wo man Zisternen angelegt, sind dieselben erschöpft. Das aber hat auch alle die Mississippi- wie anderen westlichen Sümpfe vollkommen austrocknen lassen; selbst die Alligatoren haben sich an vielen Orten in den »Vater der Wasser«, den Mississippi, zurückziehen müssen, um ihre gehörige Feuchtigkeit zu finden, und die Ausdünstungen dieser Millionen von Äckern, aus denen das darauf stehende Wasser nach und nach verdunstete, macht es erklärlich, daß selbst in den westlichen Wäldern das kalte Fieber mit ungewohnter Heftigkeit auftrat und fast keine einzige Hütte verschonte.

Übrigens scheint sich doch das gelbe Fieber mit jedem Jahre mehr auch selbst im inneren Lande festzusetzen; denn wer hätte zum Beispiel früher je daran gedacht, daß es selbst nur bis Vicksburg den Mississippi hinaufgehen könne, und dieses Jahr hat es nicht allein sogar Memphis in Tennessee erreicht, sondern ist auch in Louisiana in das innere Land hineingedrungen und an manchen Stellen wirklich bösartig aufgetreten.

Es wird immer hübscher auf der Welt. Wer hat früher etwas von gelbem Fieber oder Cholera, von Kartoffel- und Traubenkrankheit, von Trichinen und anderen Ungetümen gewußt, und es scheint ordentlich, als ob die Natur, erzürnt darüber, da der Mensch in so viele ihrer Geheimnisse eindringe, dem Geschlecht immer neue Schwierigkeiten entgegenwerfe, um seine Kraft daran zu versuchen. Wenn das übrigens so fortgeht, muß es in hundert Jahren kaum mehr zum Aushalten auf der Erde sein!

Während ich in New-Orleans war, lag die »Bavaria« unten am Werft; der erste deutsche Dampfer, der eine neue Verbindung zwischen Deutschland (Hamburg) und dieser südlichen Stadt der Union eröffnete. Selbst die Amerikaner freuten sich über das schöne Fahrzeug, das zugleich einen neuen, raschen Handelsweg zwischen Louisiana und Europa sichert, während es eine Vermittelung des Nordens unnötig macht. Kurz vor Abfahrt der »Bavaria«, von deren Kapitän wie Offizieren ich auf das freundlichste ausgenommen wurde, verbrachten wir noch einen vergnügten Abend an Bord derselben, zu dem auch die Vertreter der amerikanischen und deutschen Presse in New-Orleans wie viele Kaufleute der Stadt eingeladen waren.

Allerdings blieb die »Bavaria« beim Auslaufen einige Tage auf der Barre des Mississippi, einer häßlichen Stelle für den Seeverkehr, sitzen, denn sie hatte nur 18 Fuß im Fahrwasser, und die »Bavaria« zog am Stern etwas über 19. Aber sie kam doch wieder flott, und da man nun einmal in jeder Sache Lehrgeld zahlen muß, so werden die Reeder wohl jetzt finden, daß es später vorteilhafter sein wird, die Schiffe hier mit voller Fracht und nur den notwendigsten Kohlen zu versehen, um diese später in Westkey oder Havanna einzunehmen, wo ihnen der Tiefgang nicht mehr schaden kann.

Dampf! Es geht jetzt alles mit Dampf, und gerade der Mississippi zeigt das am deutlichsten. Wo sind jene eigentümlichen Kästen, die Flatboote, auch Archen genannt, geblieben, die sonst an der Landung von New-Orleans eine so beträchtliche Strecke einnahmen? Der Dampf auf Booten und Schienenwegen hat sie verdrängt; man sieht, besonders bei niedrigem Wasser, kein einziges mehr auf dem ganzen Strom. Und doch erinnere ich mich noch recht gut der Zeit, wo ich vom Bord eines Mississippidampfers aus zwanzig und mehr zugleich in Sicht gezählt habe, während an den Zwischenstädten wie Natchez, Vicksburg und besonders New-Orleans oft Hunderte in einer Reihe lagen.

Jetzt regiert der Dampf die Welt. Etwas mehr oder weniger Fracht macht keinen Unterschied mehr – nur rasch müssen die Güter befördert werden, und diesen Anforderungen konnten die Flatboote, die nur langsam mit der Strömung herabkamen und oft tagelang wegen widrigen Windes beilegen mußten, natürlich nicht genügen.

Ade denn, New-Orleans, mit deinen sonnigen, fruchtbedeckten Gärten, deinen Reihen stattlicher Schiffe und Dampfer, deinen prachtvollen Straßen und Läden und dem ganzen Streben und Leben der Bevölkerung! – Ade aber auch du, großes, herrliches und doch an manchen Stätten noch blutendes Land – ade, denn wohl kaum wird mein Fuß dich wieder betreten.

Und fast schmerzt es mich, daß ich von dir scheiden muß, denn ich habe dir immer meine volle Liebe im Herzen getragen und werde dich wahrlich nie vergessen.

Die Vereinigten Staaten sind in der Tat eins der schönsten Länder der Erde, und von der Natur wie dazu bestimmt, die Heimat eines großen und mächtigen Volkes zu werden. Eine lange im Herzen getragene Sehnsucht, die nicht allein den alten Freunden, sondern fast ebensoviel den herrlichen Wäldern und Strömen galt, zog mich auch nach langer, langer Trennung – dem Zeitraum eines Menschenalters – dahin zurück, und ich bereue wahrlich nicht, das schöne Land noch einmal besucht und gesehen zu haben.

Und hat es dem Bilde entsprochen, das ich mir daheim aus der Erinnerung zusammengestellt? – Ja und nein.

Will ich aufrichtig sein, so muß ich gestehen, daß ich in Deutschland geglaubt, die Spuren des amerikanischen Bürgerkrieges würden sich unter diesem tatkräftigen Volke jetzt, nach vier Jahren, so vollständig verwischt haben, um auch kaum ein Zeichen der furchtbaren und gewaltsamen Umwälzung zurückzulassen. Solange ich im Norden reiste, fand ich diese Meinung auch nirgends widerlegt: ja überall verriet zunehmender Wohlstand und das rasende Wachstum der verschiedenen Städte den Reichtum und die enormen Hilfsmittel dieser mächtigen Republik. Prachtvolle Neubauten überraschten mich, wohin ich kam, riesige Unternehmungen, wie die Pacific-Eisenbahnen, der Tunnel des Michigansees bei Chicago, die Brücke von Cincinnati, zeugten von dem ungebrochenen Unternehmungsgeist des Volkes, und neue Pläne tauchten überall empor.

Anders – weit anders wurde das jedoch, als ich den Süden betrat, und zwar plötzlich und mit einem Schlage schieden sich die Verhältnisse so zuungunsten des letzteren, daß man es kaum mehr für ein einziges Land hätte halten sollen.

Missouri, früher auch ein Sklavenstaat, konnte kaum zum Süden gezählt werden, sein Klima drängte es auch schon früher meist dem Norden zu, und dadurch, daß es von den nördlichen Heeren gleich anfangs besetzt und von jeder Feindseligkeit abgehalten wurde, entging es dem traurigen Schicksal der Schwesterstaaten. Dagegen stellte sich schon der Unterschied in Tennessee und Arkansas auf das entschiedenste heraus. Die Neger wurden durch Freedmens-Bureaux gewaltsam beschützt, Soldatentrupps lagen überall; in Tennessee besonders traf ich an vielen Stellen aufgeschlagene Zeltlager, die Pferde daneben angebunden, als ob sie zu augenblicklichem Dienst bereit gehalten würden, und dazu einen aufrührerischen, trotzigen Geist in der Bevölkerung, der sich gar nicht so selten in höhnischen Spottliedern aus der Kriegszeit, und gegen die verhaßten »Yankees« gerichtet, Luft machte.

Und was tat die Regierung, um diesen Geist zu beschwichtigen und eine Versöhnung zwischen den beiden feindlichen Bruderländern herbeizuführen? Sie drückte besonders den Süden, der schon an der Konkurrenz anderer Weltteile fühlbar zu leiden hatte, mit der ungerechtesten aller Taxen – der auf ein Rohprodukt, die Baumwolle – und warf ihn außerdem durch das den Negern bewilligte und bedingungslose Stimmrecht unter die Majorität der verachtetsten aller Rassen hinab.

Ich selber würde nichts gegen das Stimmrecht der Neger einzuwenden haben, die, wenn sie einmal Bürger der Vereinigten Staaten werden sollen, auch in ihre Rechte eintreten müssen, aber vollkommen ungerecht ist es, dem in völliger Unwissenheit aufgezogenen Volke so ganz plötzlich mehr Rechte zuzugestehen, als sie selbst dem freien und gebildeten Einwanderer bewilligt werden. Von diesem verlangt man, daß er fünf Jahre im Lande sei, ehe er Bürger werden und sich an den Wahlen beteiligen kann, dem Plantagenneger, der bis jetzt wie ein Zugstier aufgewachsen, wirft man es in den Schoß und reizt dabei nicht allein die Südländer zum äußersten noch möglichen Widerstand, sondern beleidigt und verletzt damit auch den freien Einwanderer auf das gröblichste.

Den jetzigen Gesetzen nach sieht sich der Neger plötzlich weit höher und begünstigter gestellt, als alle Einwanderer, ja selbst hier im Lande erzogene, nur nicht geborene Fremde; denn er als Landeskind kann zum Präsidenten gewählt werden, was bei nicht hier geborenen Fremden, der Konstitution nach, unmöglich ist.

Das Stimmrecht mußte nun einmal in späterer Zeit dem Neger werden; aber konnte das nicht auf vernünftige und gemäßigte Weise geschehen, so daß die Schwarzen einem Zensus unterworfen wurden, der zugleich eine geistige Befähigung wie ein gewisses Vermögen zur unerläßlichen Bedingung des Stimmens machte? Man hätte dadurch einen doppelten Erfolg erzielt, und zwar erstens erreicht, daß nur Leute zur Wahlurne treten konnten, die wirklich begriffen, welches Recht, welche Pflicht sie damit ausübten, und dann auch den Neger auf eine verständige und kluge Weise gezwungen, nach einer unabhängigen oder doch sorgenfreien Stellung zu streben – also zu arbeiten.

Was ist jetzt der Erfolg dieser gewaltsamen Maßregel? Die Neger werden durch ehrgeizige oder noch mehr gewinnsüchtige Agenten und Stellenjäger zur Wahlurne getrieben und betrachten den Akt des Stimmens nicht etwa als ein ehrenvolles Zugeständnis ihrer Menschenrechte, nein, nur als eine trotzige Demonstration gegen die Weißen. Sie brauchten sich das aber nicht selber zu erwerben, sondern es wurde ihnen geschenkt; die Freedmens-Bureaux unterstützten dabei ihre alten Leute und Waisen, und jetzt bleibt ihnen völlig Raum, um in den Städten auf der faulen Haut und vor den Schenklokalen herumzuliegen und dem lieben Gott den Tag abzustehlen. Sorge um die Zukunft haben sie nie gelernt, ja wissen nicht einmal, was es ist, denn früher waren ihre Herren verpflichtet, die für sie zu übernehmen; sollen sie jetzt damit anfangen, wo ihnen nicht das geringste Ziel im Leben gesteckt ist, als eben nur das, ihren Magen zu füllen? Sie denken gar nicht daran, und die Folge davon ist, daß viele, wenn sie wirklich in Not geraten, den Diebstahl der Arbeit vorziehen und Vagabunden werden. Man kann ihnen das auch kaum übel nehmen, denn sie haben nie den Begriff von Eigentum gekannt; nicht einmal sie selber gehörten sich an, weder ihre Frauen noch Kinder, und während man einen Preis darauf setzen konnte, sie den Wert desselben schätzen zu lernen, versäumte man – absichtlich oder gedankenlos – diese Gelegenheit und nahm ihnen damit mehr, als man ihnen gab: jedes höhere Streben, wirkliche Menschen zu werden.

Und kann man es dem Neger verdenken, wenn er stiehlt? – So dumm ist er nicht, daß er nicht sehen sollte, was um ihn her vorgeht, und wo ihm die Weißen mit einem so guten Beispiel vorangehen, kann man es ihm kaum verargen, wenn er dem folgt.

So groß aber auch der Unterschied sein mag, der zwischen dem Norden und Süden herrscht, soweit es den Fortschritt in den letzten Jahren betrifft, so gleich sind sich beide Hälften in Hinsicht der jetzigen Geschäfte, die gleichviel im Norden wie im Süden daniederliegen. Die Läden in der Stadt stehen fast leer; die zahlreichen, an der ganzen Levée hin zerstreuten Baumwollenpressen arbeiten nicht, mit Ausnahme von einigen wenigen; selbst die Schleppdampfer klagen darüber, daß sie keine Beschäftigung haben, und nur die Bierhäuser und Schenkstände florieren, denn solche sind in den schlechtesten Zeiten auch am allerstärksten besucht.

Wer kann sagen, wie lange dieser Zustand dauern wird? Für jetzt scheint aber wenig Aussicht für eine Änderung vorhanden, und besonders sollten es sich junge Kaufleute, ehe sie hierher auswandern, zweimal überlegen, da es gegenwärtig besonders schwer für sie ist, eine Stellung zu erlangen. Aber die Neger florieren, und es ist wirklich komisch, die Würde zu betrachten, mit der besonders alte dicke Negerweiber in den Straßen umherrauschen und einander mit der größten Hochachtung behandeln. Man hört jetzt wirklich nur die gewähltesten Reden: »Gentlemen, Ladies, Miß Lucy, wie befinden Sie sich, wie geht es Ihnen, Mister Jefferson?« In die gesellschaftliche Gleichberechtigung sind sie ebenfalls aufgenommen oder haben sich doch hineingedrängt, wo es nicht gut vermieden werden konnte. Der zerlumpteste, widrigste Neger, mit einer Ausdünstung, die eine Nachbarschaft verpesten könnte, sitzt für seine 5 Cents in den Streetcars (oder Pferdeeisenbahnen der Stadt) neben der geputztesten und feinsten Dame, und selbst zu Zeitungsjungen, unter denen sie früher nie geduldet wurden, hat sich die Jugend aufgeschwungen. Im ganzen weicht man ihnen aber doch aus. Auf den Eisenbahnen kommen sie nach stillschweigendem Übereinkommen in den ersten Wagen; in den Kajüten der Dampfboote werden sie, trotz ihres Stimmrechts, nicht geduldet, und selbst die weißen Feuerleute und Deckhands an Bord der Mississippidampfer sichern sich zu Mittag ihren eigenen Baumwollenballen, an dem sie ihre Mahlzeit halten.

Im ganzen muß man übrigens den Negern nachsagen, daß sie sich den Weißen gegenüber noch in einer sehr bescheidenen Stellung halten. Es gibt allerdings Ausnahmen; so wollten sich auf einem Dampfboot ein paar Coloured Ladies den Zutritt in die Kajüte erzwingen und wurden, als sie der Kapitän zurückwies, klagbar, jedoch abgewiesen, da der Richter entschied, daß es einem jeden Bürger freistehe, einem anderen den Zutritt in sein Haus oder sein Boot zu verweigern. Das nämliche geschah in New-Orleans in einem Kaffeehause. Das sind aber doch nur einzelne Fälle, und die Neger haben fast überall ihre eigenen Lokale, die sie besuchen.

Die südlichen Staaten stehen jetzt noch unter militärischer Besatzung, die man sich aber nicht wie bei uns in Europa denken darf, wo das Land bei solchen Gelegenheiten mit Militär überschwemmt wird (was man Strafbayern nennt). Nur hier und da liegen kleine Trupps in den verschiedenen Stationen oder auch unter Zelten, und jede unnötige Demonstration ist dabei absichtlich vermieden. Wozu dient auch eine solche? Das Volk weiß doch, daß Onkel Sam die Macht hat und es ihm wenig helfen würde, sich seinen Befehlen zu widersetzen. An einen neuen Krieg denkt aber der Süden nicht, denn er fühlt gut genug seine Kraft vollständig gebrochen, seine Mittel erschöpft und das Hoffnungslose eines solchen Unternehmens. Er hofft allerdings, daß die Zeit der Rache kommen werde, denn er beugt seinen Nacken jetzt nur gezwungen der Gewalt, aber er glaubt selber den Zeitpunkt nicht so nahe.

Zum Schluß möchte ich übrigens noch eine Idee widerlegen, die ich oft und oft habe in Deutschland aussprechen hören, und die doch so irrig als nur irgend möglich ist.

Es gibt nämlich Leute, die da behaupten wollen, daß der ungeheuren Auswanderung von Deutschland zufolge, das deutsche Element in Amerika schon jetzt ein Übergewicht erlangt habe oder mit der Zeit vollständig erreichen müsse und werde. Das ist reine Phantasie.

Es ist wahr, der Deutsche in Amerika ist jetzt mehr geachtet, als es früher geschah, und verschiedene mächtige Faktoren haben gemeinschaftlich dahin gewirkt. Zuerst trieb das Jahr 1848 eine Menge von intelligenten Kräften nach Amerika hinüber, und was uns daheim entzogen wurde, kam diesem Land zugute; dann bewiesen die Deutschen ebenso im letzten amerikanischen Krieg, daß sie treu zur Union hielten, und deutsches Blut düngte, neben dem amerikanischen, den Boden. Dann aber auch hat die Bismarcksche Politik und die Tapferkeit der preußischen Truppen nicht wenig dazu beigetragen, die Achtung gegen die Deutschen zu erhöhen – nein, eigentlich erst zu schaffen. Es ist ja eine alte Geschichte, daß ein Volk nur dann auf Achtung Anspruch machen kann, wenn es nicht allein die Macht zeigt, die in ihm ruht, sondern sie auch zu gebrauchen weiß. Seit dieser Zeit beginnen die amerikanischen Zeitungen von Deutschland Notiz zu nehmen, und wo sie früher nur über den lächerlich gewordenen »Bund« spotteten, fangen sie an einzusehen, daß Deutschland eine Stimme, und zwar nicht die unbedeutendste, im europäischen Konzert besitzt, und dabei vollkommen aufgehört hat, nach der französischen Pfeife zu tanzen.

Das alles aber ist noch weit entfernt, den Deutschen zu einem Übergewicht in Amerika zu verhelfen, und ein Blick nur in das Land – wenn wir eben sehen wollen – belehrt uns rasch eines anderen.

Ja, in Südamerika, unter der entnervten spanischen und besonders portugiesischen Bevölkerung, könnte eine so massenhafte deutsche Einwanderung, wie sie sich nach Nordamerika gezogen hat, einen bemerkbaren Einfluß ausüben und sogar segensreich auf Deutschland zurückwirken, wenn nämlich deutsche Regierungen erst einmal von der kleinlichen Ansicht zurückkommen, daß sie jede Auswanderung als eine persönliche Beleidigung betrachten und sich von den Auswanderern vollständig lossagen, ja sie förmlich dazu zwingen, ihr altes Vaterland abzuschwören und Bürger des fremden Landes zu werden. Zwischen der romanischen Rasse bleibt der Deutsche deutsch, und in Brasilien hangen sogar die Enkel der eingewanderten Deutschen noch an ihrer Muttersprache. Selbst der deutsche Bauer fühlt sich dem dortigen Eingeborenen nicht allein an Arbeitskraft, nein, auch an Intelligenz überlegen, und von dorther braucht auch Deutschland selber auf Jahrhunderte hinaus keine Konkurrenz zu fürchten.

Anders, weit anders ist dies in Nordamerika.

Eigentlich sind es, so wunderlich dies klingen mag, und besonders in allen Städten die Straßenjungen, die das deutsche oder überhaupt jedes fremde Element gleich im Keim ersticken, denn sie dulden keine andere Sprache als die amerikanische. Mögen die Eltern mit ihren Kindern daheim so viel Deutsch reden, als sie wollen, sobald diese außer dem Hause in dieser Sprache miteinander verkehren wollen, werden sie verhöhnt und ausgelacht, und die natürliche Folge davon ist, daß sie sich des Deutschen enthalten und dabei alles mögliche versuchen, um als wirkliche Amerikaner zu erscheinen. Das gelingt den Kindern auch bald, und der dort geborene Knabe geht vollständig und ohne Rettung in dem amerikanischen Leben auf. Selbst viele, nur zu viele der Eltern versuchen ja das nämliche, allerdings nicht mit eben dem Erfolg, und wir können jetzt nur die Hoffnung hegen, daß sie mit den veränderten politischen Verhältnissen daheim auch aufhören werden, sich ihres alten Vaterlandes zu schämen, wie es früher nur zu häufig und leider nicht immer ganz ohne Grund der Fall war.

Das ist aber auch das Äußerste, was wir erwarten dürfen. Von ihrem eigenen Vaterland werden sie als Fremde, Ausgetretene betrachtet, und man kann deshalb kaum von ihnen verlangen, daß sie noch eine besondere Anhänglichkeit an die dortigen Regierungen sich bewahrt haben sollten. Wenn sie sich noch als Deutsche betrachten, so ist das nur in einer Erinnerung an das Heimatland – nicht an die dortigen Verhältnisse. Im politischen Sinne habe sie aufgehört Deutsche zu sein, und die Kräfte, die ein Segen und Nutzen für daheim geworden wären, wenn man sie in vielen Fällen nicht fast mit Gewalt hinausgejagt hätte, verwenden sie jetzt darauf, um ihr neues Vaterland heben und groß machen zu helfen. Sie denken aber dabei nicht einmal an eine Suprematie, die auch nur in der Tat in den Köpfen einiger Phantasten besteht.

Wir sollten deshalb auch diese riesige Auswanderung nach Nordamerika nicht etwa mit gleichgültigen Blicken in Deutschland ansehen, denn davon ganz abgesehen, daß sie Deutschland die tüchtigsten Kräfte entzieht, machen gerade wir Deutschen nicht allein Amerika mit jedem Jahre mächtiger, sondern erschaffen uns auch für daheim mit den Jahren eine so bedeutende Konkurrenz.

Der Amerikaner selber wird, was seinen Unternehmungsgeist betrifft, von keinem Volk der Welt übertroffen, ja nur annähernd erreicht. Die Hilfsquellen des Landes und sein Reichtum sind unerschöpflich, und nur das einzige, was ihm in seinem unaufhörlichen Streben fehlte, war eben der stete, geduldige Fleiß, den der Deutsche in so hohem Grade besitzt. Eine bessere Bevölkerung für Ackerbau und Handwerk konnte er sich nicht wünschen: die Ausfüllung dieses Bedürfnisses ließ ihm zu allem übrigen freie Hand, und was er, mit geistiger deutscher Kraft außerdem vereint, zu leisten imstande ist, das hat er schon in tausendfacher Weise gezeigt und zeigt es noch bis auf den heutigen Tag. Die Folgen davon können aber nicht ausbleiben, und die Zeit wird kommen, wo die deutsche Industrie den amerikanischen Markt vollständig verliert, weil gerade deutscher Fleiß dort ein völlig freies und unbeschränktes Feld für seine Tätigkeit fand und seine Kräfte da entwickeln konnte. Eine wirkliche Suprematie wird der Deutsche aber in Amerika nun und nimmer erlangen und strebt auch, wie gesagt, gar nicht danach.

Doch meine Zeit ist um – da drunten im Strom liegt das kleine Fahrzeug, das mich hinüber nach dem, zu so trauriger Berühmtheit gelangten Mexiko bringen soll, und in wenigen Tagen schaukle ich draußen auf dem blauen, herrlichen Golf einer neuen, mir noch vollständig fremden Welt entgegen.

Anhang.

Ich glaube im Interesse des Lesers zu handeln, wenn ich ihm einen kurzen, der »New-Yorker Handelszeitung« entnommenen Bericht über das wichtigste und bedeutendste Unternehmen der Jetztzeit gebe: die amerikanische Eisenbahn, welche in kurzer Zeit den Atlantischen mit dem Stillen Ozean in einer Entfernung von über 3000 Meilen verbinden wird. Er gewinnt dabei einen Überblick über den ganzen riesigen Bau.

 

Eisenbahn-Verbindung mit dem Stillen Ozean.

Hergestellt durch die Zentral-Pacific-Eisenbahn.

Die große nationale Pacific-Eisenbahn, mit Beihilfe und unter Aufsicht der Vereinigten Staaten-Regierung über die ganze Breite des Nordamerikanischen Kontinents gebaut, wird einen der wichtigsten Faktoren des Welthandels und Weltverkehrs bilden. Ihr westlicher Endpunkt in San Francisco, der geräumigste Hafen an den nördlichen Küsten des Stillen Ozeans, und ihre östlichen Zweige schließen sich in Chicago und St. Louis an das Eisenbahnnetz der Atlantischen Staaten an. Die gemäßigte Zone durchschneidend, verfolgt sie gleichen Weg mit dem Strom der Auswanderung nach dem Westen und muß den ungeheuren Verkehr, der zwischen dem Westen Europas und Asien stattfindet, vermitteln. Eine dichte und produktive Bevölkerung befindet sich an dem einen Endpunkt in dem Tal des Mississippi, eine wunderbar energische Küstenbevölkerung an dem anderen Endpunkt, und dazwischen liegen des Landes reiche Minendistrikte. Die Zahl der Ansiedler westlich vom Mississippi hat seit dem Jahre 1800, ohne die Beihilfe einer Eisenbahn, um jährlich 25 Prozent zugenommen, und es ist zu erwarten, daß von jetzt ab die Zunahme bei weitem größere Proportionen annehmen werde. Das westliche Missouri hat über eine halbe Million Quadratmeilen wertvoller Mineral- und Ackerländereien, bei einer Bevölkerung von weniger als einer Million. Kalifornien allein hat hunderttausend Quadratmeilen, vorzüglich geeignet für Ansiedelung, und kann bei höchst gesundem Klima und dem fruchtbarsten Boden mit Leichtigkeit eine zehn Millionen starke Bevölkerung ernähren. Zwei Drittel dieser Bevölkerung westlich von Missouri genießen jetzt die Segnungen dieser Eisenbahnlinie, und es ist wahrscheinlich, daß von Weltmeer zu Weltmeer eine Kette großer Städte entstehen wird.

Die Notwendigkeit einer Eisenbahnverbindung mit dem Stillen Meer hat sich fühlbar gemacht, sobald nur die Goldentdeckungen Scharen tätiger Männer nach dem Westen zogen. Die Ausbeute von Edelmetall hat von Jahr zu Jahr zugenommen; die besten Aussichten für noch weitere Ausdehnung derselben sind vorhanden, sobald Verkehrserleichterungen der Minenindustrie einen festeren Halt gewähren und dieselbe nutzbringender machen. Bis jetzt konnten nur die reichsten Adern mit Nutzen bearbeitet werden, da der Transport von Lebensmitteln und der Maschinen, die zur Ausscheidung der Erze notwendig, höchst kostspielig war. Von nun an aber werden viele Minen mit Nutzen bearbeitet werden können, während der Bedarf asiatischer Märkte für Edelmetall ein nicht zu sättigender ist.

Der Vereinigten Staatenkommissar für Minenstatistiken veröffentlicht folgende Schätzung über den in den westlichen Staaten und Territorien gewonnenen Ertrag von Edelmetallen:

1861 43 391 000 Dollars
1862 49 370 000 "
1863 52 500 000 "
1864 63 450 000 "
1865 70 000 000 "
1866 100 000 000 "

Während des vergangenen Jahres verteilte sich die Produktion annähernd wie folgt:

California 25 000 000 Dollars
Oregon 8 000 000 "
Montana 18 000 000 "
Idaho 17 000 000 "
Nevada 16 000 000 "
Colorado 17 000 000 "

 

Entwickelung des National-Reichtums und Ordnung der sozialen Zustände.

Edle Metalle sind aber nicht die einzigen Produkte des Westens; die ausgedehnten Felder zahlreicher Herden, Weinberge und Gärten Kalifoniens liefern reiche Erträge. Außer wertvollen Ladungen Wein, Wolle, Häute usw. wurden nach New-York und Großbritannien, als Überschuß letztjähriger Ernte, von San Francisco Brotstoffe verschifft und zwar: vom 1. Juli bis 27. April: 4 336 387 Pfund Weizen, 225 220 Pfund Weizenmehl im Wert von über 8 000 000 Dollars Gold; man nahm an, daß noch für weitere 2 000 000 Dollars zur Verschiffung bereit lag.

Diese schon jetzt sich herausstellenden befriedigenden Resultate, verbunden mit der Aussicht auf einen beträchtlichen Handelsverkehr zwischen San Francisco, China, Japan, dem Ostindischen Archipel, Britisch-Kolumbia, den Sandwichs-Inseln und den Häfen von Zentral- und Süd-Amerika, sowie des neu acquirierten Russisch-Amerika, haben den bereits bestehenden Wunsch nach einer sicheren, schnellen und kurzen Verkehrslinie nach dem Stillen Ozean noch verschärft. Die beste Route zwischen London und Hongkong wird dann über den Kontinent Amerikas gehen, wodurch die Gefahren des Roten Meeres oder die langwierige Reise über die südlichen Meere vermieden wird. Die amerikanische Nation ist offenbar nicht fähig, ihre Reisenden, Posten, Frachtgüter und Truppen über einen in der Tropenregion liegenden, unter fremder Autorität stehenden Isthmus oder auf einem Umweg von 15 000 Meilen um das Kap Hoorn herum ihren Weg nehmen zu lassen, wenn ein guter, kurzer und bequemer Weg durch ihr eigenes Land führt. Die große materielle Entwickelung, welche der Bau einer Bahn nach der Küste des Stillen Meeres hervorrufen muß, daher gar nicht in Betracht ziehend, forderte die Nation deren Bau, da durch denselben das Band der Union zwischen den weit voneinander entfernten Häfen noch mehr befestigt, das Einheitsgefühl der Nation gekräftigt und die Regierung in den Stand gesetzt wird, Ruhe und Frieden im ganzen Gebiet des Westens aufrecht zu erhalten. Die Beihilfe der Regierung wurde daher mit vollem Recht nachgesucht, um ein so gigantisches Unternehmen den zu diesem Zweck zu bildenden Privatkompagnien möglich zu machen.

Den ersten praktischen Schritt zum Bau einer Bahn quer über den Kontinent tat Oberst Benton, als er im Februar 1848 im Vereinigten Staaten-Senate einen Gesetzentwurf einbrachte, durch welchen Lage und Bau einer zentralen, nationalen Bahn vom Mississippistrom bis an den Stillen Ozean bestimmt – soweit als tunlich ein eiserner Schienenweg – und der größte Teil des Erlöses aus dem Verkauf öffentlicher Ländereien zur Bestreitung der Kosten angewiesen wurde. Damals gab es westlich vom Mississippi noch keine Eisenbahnen – keine hatte tatsächlich den Vater der Ströme von Osten her erreicht – und die Erie-Eisenbahn war noch nicht vollendet. Im Jahre 1850 bildete sich unter der Ägide des Staates Missouri eine Kompagnie, welche den Bau einer Bahn von St. Louis längs des westlichen Ufers des Missouri nach der westlichen Grenze des Staates beabsichtigte. Bei Ausbruch des Krieges (1860) hielt man mit dem begonnenen Bau bei Sedalia, etwa 65 Meilen von Kansas-Grenze, inne; inzwischen hatte eine unternehmendere Kompagnie östlicher Kapitalisten eine Bahn von Hannibal am Mississippi nach St. Joseph am Missouri beendet.

Nach Verlauf weniger Jahre unternahmen Bürger Chicagos, die Zukunft richtig beurteilend, in der Absicht, den großen Verkehr mit den westlichen Staaten und Territorien an sich zu ziehen, den Bau einer Bahn durch den Staat Iowa, die in Omaha ihren Endpunkt hatte. Diese Bahn wurde im Februar 1867 vollendet und bildete damals die längste ununterbrochene Bahnlinie nach dem Westen.

Infolge der Entdeckung reicher Gold- und Silberminen in der seitdem berühmt gewordenen Washoe-Region an dem östlichen Abhang der Sierra-Nevada-Gebirge, in den Jahren 1859 und 1860, infolge deren der Strom der Auswanderer und des Kapitals von Kalifornien seinen Weg dahin nahm, kamen einige unternehmende Kaufleute an der pacifischen Küste, welche voraussahen, daß ein ausgedehnter Handel zwischen San Francisco und dem Innern des Landes ins Leben gerufen werden würde, der sich eventuell über den ganzen Staat ausdehnen mußte, auf den Gedanken, sich darüber Gewißheit zu verschaffen, ob es möglich sei, über die starren, schneebedeckten Bergesriesen eine Eisenbahn zu bauen. Nach zweijähriger Erforschung und zahlreichen Vermessungen bezeichnete man den Donner-See-Paß als den geeignetsten Punkt im Umkreis von Hunderten von Meilen, und im Juli 1861 wurde die Zentral-Pacific-Eisenbahn-Kompagnie von Kalifornien unter den Gesetzen des Staats organisiert mit dem Privilegium, eine Bahn bis an dessen östliche Grenze zu bauen.

So lebhaft war der Wunsch nach einer ununterbrochenen Eisenbahnverbindung mit der Küste des Stillen Ozeans, und so groß war deren industrielle, kommerzielle und nationale Bedeutung, daß der Kongreß im Juli 1862 durch das Pacific-Eisenbahngesetz den Bau einer fortlaufenden Eisenbahn- und Telegraphenlinie vom Ufer des Missouri bis nach San Francisco sanktionierte und, um die Ausführung dieses gigantischen Unternehmens zu erleichtern, die Emission von Regierungsobligationen anordnete, und zwar in einem Betrage, welcher in Proportion zu der Länge der Bahn und der dem Bau sich entgegenstellenden Terrainschwierigkeiten zusammengenommen, beinahe der Hälfte der veranschlagten Baukosten gleichkam; außerdem machte der Kongreß eine Landbewilligung von jeder zweiten, an der Bahnlinie gelegenen Sektion Regierungsländereien.

Die Zentral-Pacific-Eisenbahn-Kompagnie wurde inkorporiert und ihr das Privilegium verliehen, den westlichen Teil der Hauptstammlinie zu bauen und dafür die Unterstützung von seiten der Regierung zu empfangen, während die Union-Pacific-Kompagnie zu dem Zwecke organisiert wurde, den Bau des östlichen Teiles der Bahn zu übernehmen. Zwei oder drei Zweigbahnen dieser östlichen Linie waren hierin inbegriffen, um verschiedene Plätze am Ufer des Missouri mit der Stammlinie in Verbindung zu bringen. Diese beiden Hauptkompagnieen wurden verpflichtet, den Bau ihrer Linien von entgegengesetzten Richtungen zu beginnen und so lange fortzuführen, bis sie zusammenträfen: dann aber sollten sie eine vollständige Verbindung herstellen.

Ganz speziell aber wurde bestimmt, daß eine jede dieser Kompagnieen das Recht habe, so lange den Bau fortzusetzen, bis sie die andere träfe, so daß, falls eine der Kompagnieen im Rückstande blieb, die andere das Privilegium genösse, das Werk zu vollenden. Sektion 10 des Kongreßgesetzes vom 1. Juli 1862, durch welches die Union-Pacific-Eisenbahn-Kompagnie gleichfalls autorisiert wurde, ihre Bahn bis an den Stillen Ozean zu vollenden, falls sie die Bahn der Zentral-Pacific-Kompagnie nicht anträfe, lautet wie folgt:

»Genannte Bahnen sollen einander treffen und sich miteinander verbinden und die ganze Bahn- und Telegraphenlinie vollenden: die Zentral-Pacific-Eisenbahn-Kompagnie von Kalifornien ist, nachdem sie die Bahn durch besagten Staat vollendet, autorisiert, mit dem Bau besagter Bahn- und Telegraphenlinie fortzufahren durch die Territorien der Vereinigten Staaten hindurch bis an die Ufer des Missouri, einschließlich der in diesem Gesetz spezifizierten Zweigbahnen auf den angegebenen Routen unter den in diesem Gesetz bezüglich der Union-Pacific-Eisenbahn-Kompagnie getroffenen Bestimmungen, bis die Verbindung hergestellt und die ganze Bahnstrecke nebst Zweigbahnen, sowie die Telegraphenlinie vollendet ist.«

Später in einem Amendement vom 3. Juli 1866 wird bestimmt:

»Daß die Union-Pacific-Eisenbahn-Kompagnie mit Genehmigung des Ministers des Innern hierdurch autorisiert wurde, ihre Bahn von Omaha, im Territorium Nebraska, in westlicher Richtung weiterzubauen auf der besten und bequemsten Route und ohne auf den Anfangspunkt auf dem hundertsten Grade westlicher Länge, wie gegenwärtig gesetzlich bestimmt, Rücksicht zu nehmen, in ununterbrochener Linie, bis sie die Zentral-Pacific-Eisenbahn-Kompagnie von Kalifornien trifft und sich mit ihr verbindet; ferner empfängt die Zentral-Pacific-Eisenbahn-Kompagnie mit Genehmigung des Ministers des Innern Autorisation, ihre Bahn in östlicher Richtung so lange ununterbrochen weiterzubauen, bis sie die Union-Pacific-Eisenbahn-Kompagnie antrifft und sich mit ihr verbindet; bestimmt wird ferner: daß jede der obgenannten Kompagnieen das Recht habe, falls es die Natur der zu überwältigenden Terrainschwierigkeiten, wie tiefe Einschnitte und Tunnels, mit Bezug auf den raschen Bau der Pacific-Eisenbahn erfordert, eine Strecke von nicht über 300 Meilen ihrer fortlaufenden kompletten Linie im voraus zu vollenden.«

Nicht wenig Verwirrung herrscht in den Ansichten des Publikums betreffs der verschiedenen proponierten oder projektierten Eisenbahnlinien, welche den Stillen Ozean mit dem jetzt vorhandenen Eisenbahnnetz in Verbindung setzen sollen, welche alle mit größeren oder geringen Abänderungen »Pacific-Eisenbahnen« genannt werden. Diese Verwirrung wird durch die Tatsache, daß verschiedene lokale und Staatseisenbahnorganisationen ihrem Namen die Bezeichnung »Pacific« beigefügt haben, noch wesentlich vermehrt.

Die im Pacific-Eisenbahn-Gesetz inbegriffenen Kompagnieen, welche zur Teilnahme an der Regierungsunterstützung berechtigt, sind folgende:

Zentral-Pacific-Eisenbahn.

Von Sacramento nach dem westlichen Abhange der Sierra-Nevada-Gebirge,

Von dort 160 Meilen über den Kamm der Sierra-Nevada-Gebirge,

Von dort bis zur wahrscheinlichen Vereinigung mit der Union-Pacific-Eisenbahn oder bis zu einem Punkte 78, 295 1000 Meilen östlich von Salt Lake City, das einzige Verbindungsglied zwischen dem Innern und den schiffbaren Gewässern des Pacifischen Ozeans bildend 726 Meilen.

Union-Pacific-Eisenbahn.

Von Omaha an den östlichen Abhang der Rocky Mountains,

Von dort 150 Meilen über den Kamm der Rocky Mountains,

Von dort bis zur wahrscheinlichen Vereinigung mit der Zentral-Pacific-Eisenbahn oder einem Punkt 78, 295 1000 Meilen östlich von Salt Lake City geschätzt auf 966 Meilen.

Die östliche Division der Union-Pacific-Eisenbahn (Kansas-River-Zweigbahn der vorgenannten), welche sich von der westlichen Grenze des Staates Missouri bis an die Rocky Mountains, 60 Meilen über Denver hinaus, erstreckt; dieselbe empfängt Obligationen und Ländereien nur bis zum 100sten Längengrade, ungefähr 600 Meilen.

Atchison- und Pikes-Peak-Eisenbahn (unbedeutende Zweigbahn der vorgenannten),

100 Meilen an den Ufern des Missouri 100 Meilen. Sioux City- und Pacific-Eisenbahn, von Sioux City bis zum Anschluß an die Pacific-Eisenbahn in Fremont 100 Meilen.

Western-Pacific-Eisenbahn von San José nach Sacramento 100 Meilen.

Die zum Bau letztgenannter Bahn gebildete Gesellschaft wurde autorisiert, von Sacramento eine Bahn zum Anschluß an eine von San Francisco in südlicher Richtung gehende Bahn herzustellen: dieselbe geht somit im Bogen um die Bai von San Francisco. Durch spätere Staatsgesetze erhielt die Zentral-Pacific-Eisenbahn-Kompagnie das Recht, ihre eigene Linie auf einem weit kürzeren Wege bis San Francisco auszudehnen, welche Linie in Angriff genommen werden wird, sobald die völlige Verbindung mit dem Osten hergestellt ist. Sacramento liegt an einem Arm der Bai von San Francisco an dem Endpunkt von Meeres-Ebbe und Flut, wo gegenwärtig der Verkehr durch Dampfer erster Klasse vollkommen ausreichend vermittelt wird.

Mehrere Eisenbahn-Organisationen haben, sowohl in Kalifornien wie in den westlichen Staaten, seit dem Vorgehen des Kongresses unter verschiedenen Formen den Namen »Pacific«-Eisenbahn angenommen, ohne irgendwelchen Anspruch auf die vom Kongreß bewilligten Subventionen zu haben. Die große nationale Pacific-Eisenbahn, angenommen und unterstützt von der Regierung, wird von der Zentral-Pacific-Eisenbahn-Kompagnie und der Union-Pacific-Eisenbahn-Kompagnie gebaut; erstere hat den Bau des westlichen und letztere den des östlichen Teils der Haupt-Stamm-Linie auszuführen, wie solches durch die Kongreßgesetze vom 1. Juli 1862 und deren Amendements vom 2. Juli 1864 und 3. März 1866 vorgeschrieben. Die anderen sogenannten »Pacific«-Eisenbahnen stehen mit der Großen Nationalen Linie in keinerlei Verbindung und sollten mit derselben nicht verwechselt werden, da nur diese Linie unter Aufsicht und mit Beihilfe der Regierung gebaut wird und für diesen Zweck Subventionen in Obligationen und Ländereien empfängt.

Die Haupt-Stamm-Linie besteht aus zwei Teilen, deren Bau zwei verschiedene und voneinander unabhängige Kompagnieen übernommen. Die Union-Pacific-Eisenbahn, von Omaha am Ufer des Missouri beginnend, wird sich durch Kansas, Colorado und über die Rocky Mountains bis in die Nähe von Salt Lake City erstrecken, und die Zentral-Pacific-Eisenbahn, von Sacramento ausgehend, wird ihren Lauf durch Kalifornien, über die Sierra Nevada und von da durch Nevada und Utah nehmen bis zur Vereinigung mit der Union-Pacific-Bahn. Die Haupt-Linie hat eine Länge von ca. 1700 Meilen (mit der Zweigbahn bis San Francisco 1800 Meilen – von Omaha an gerechnet).

Der Vereinigungspunkt der beiden mächtigen Kompagnieen, welche die Haupt-Linie bauen – die Zentral-Pacific- und die Union-Pacific-Kompagnie – ist noch nicht offiziell festgestellt, obgleich sowohl die Regierung als auch die Beamten beider Kompagnieen dahin übereingekommen sind, daß sich derselbe in der Nähe von Salt Lake City befinden soll. Der Minister des Innern, von welchem die Bahnen endgültig loziert und angenommen werden, sagt in einem vom 14. Februar 1867 datierten Brief an den Finanzminister bezüglich des Betrags der an jede Kompagnie zu emittierenden Obligationen:

»Da die Lage der verschiedenen Bahnen ihrer ganzen Länge nach noch nicht definitiv festgestellt ist, so muß obige Schätzung so weit es gegenwärtig vorliegende Daten gestatten, als eine nur annähernde betrachtet werden.

Der Vereinigungspunkt der Union-Pacific- und Zentral-Pacific-Bahnen wird als 78, 295 Meilen östlich von Salt Lake City gelegen angenommen, so daß jede

der beiden Kompagnien auf einen gleichen Betrag von Obligationen Anspruch hat.«

Er schätzt die von der Union-Pacific-Kompagnie zu bauende Strecke auf 955 Meilen, die von der Zentral-Pacific-Kompagnie zu bauende auf 701 Meilen und den für jede Kompagnie zu emittierenden Betrag von Obligationen auf 24 726 560 Dollars. Seitdem vollendete und als vorteilhafteste Linie befundene Vermessungen ergeben, daß zwischen Sacramento und Salt Lake City eine Strecke von 726 Meilen zu bauen ist, für welche allein Obligationen im Betrage von 25 520 000 Dollars zu beanspruchen wären.

Die in den Kongreß-Bewilligungen inbegriffenen Kompagnieen erhalten als absolutes Geschenk 12 800 Acres Regierungs-Ländereien pro Meile Bahnlänge und haben durch Kongreßgesetze nach Vollendung fortlaufender Sektionen von 20 Meilen ihrer respektiven Bahnen Anspruch auf den Empfang von Regierungs-Obligationen, welche in folgendem Verhältnis emittiert werden: zwischen dem Missouri und dem östlichen Abhang der Rocky Mountains (500 Meilen) 16 000 Dollars pro Meile, über die Rocky Mountains (150 Meilen) 48 000 Dollars pro Meile, vom westlichen Abhang der Rocky-Mountains bis zum Fuß der Sierra Nevada (ca. 900 Meilen) 32 000 Dollars pro Meile, über die Sierra Nevada (150 Meilen) 48 000 Dollars pro Meile und westlich von der Sierra Nevada (127 Meilen) 16 000 Dollars pro Meile. Auf die Teile der Bahn, welche infolge von Terrain-Schwierigkeiten nicht fortlaufend beendigt werden können, bei denen jedoch die Arbeit größtenteils vollendet, werden getroffener Bestimmung zufolge zwei Dritteile obiger Beträge in voraus verabfolgt. Östlich von den Rocky Mountains teilt sich die Linie – der eine Zweig führt nach Omaha zum Anschluß nach Chicago, der andere führt über Denver nach St. Louis, und diese beiden Abweichungen stellen, wie oben angeführt, die Verbindung mit Leavenworth und Sioux City her.

Diese Bewilligung des National-Kredits für das große Unternehmen wurde in Form einer Anleihe gemacht; durch das ursprüngliche Kongreßgesetz zur Unterstützung des Baues der Pacific-Eisenbahn (Juli 1862) wurde diesen Vorschüssen das erste Pfandrecht auf die Bahn, deren Eigentum usw. eingeräumt; ferner wurde bestimmt, daß die in dem Gesetz inbegriffenen verschiedenen Kompagnieen die Vereinigte Staaten-Post, Botschaften, Truppen, Vorräte usw. zu ihren tarifmäßigen Raten zu transportieren hätten, die Hälfte derselben bar zu bezahlen und der Rest zur Abbezahlung der ihnen von der Regierung gemachten Vorschüsse zu verwenden sei; sobald aber die Linie ihrer ganzen Länge nach dem Betriebe übergeben, sollten fünf Prozent ihrer Netto-Einnahmen zu gleichem Zweck verwendet werden, bis zur vollständigen Tilgung der Schuld.

Bald jedoch leuchtete es ein, daß die möglichst rasche Vollendung dieses großen Unternehmens im Interesse des Landes sowohl als der Regierung liege; daher amendierte der Kongreß, um zur Förderung des Baues der Bahn die Anlage von Privat-Kapitalien zu ermuntern und dieselben heranzuziehen, im Juli 1864 das Grundgesetz dahin, daß die Regierung auf ihr Pfand-Vorrecht auf die Bahnen Verzicht leiste zugunsten solcher Ansprüche, welche Privat-Kapitalisten und Obligations-Inhaber geltend machen dürften. Oder um die Worte des Gesetzes selbst anzuführen, wurden die Kompagnieen, welche die National-Pacific-Eisenbahn bauen, ermächtigt, »ihre eigenen Obligationen erster Hypothek auf ihre respektiven Bahn- und Telegraphen-Linien zu emittieren, zu einem Betrage, der den der Obligationen der Vereinigten Staaten nicht übersteigt, welche zu gleichem Zweck ausgestellt wurden«; ferner wurde bestimmt, daß das Pfandrecht der Vereinigten Staaten-Regierung dem der Obligationen besagter Kompagnieen untergeordnet sein solle. (Siehe Sektion 10, Gesetz vom 2. Juli 1864.) Durch dieses Amendement leistete die Regierung auf ihr eigenes Pfand-Vorrecht Verzicht und substituierte an ihren Platz Inhaber von Obligationen erster Hypothek; sie begnügt sich in betreff der Rückzahlungen ihrer eigenen Vorschüsse hauptsächlich auf die ihr von der Bahn zu leistenden Dienste, ferner auf einen geringen Prozentsatz von den späteren Einnahmen auf eine lange Reihe von Jahren nach den durch das Original-Gesetz vorgeschriebenen Bedingungen angewiesen zu sein. Durch dieses Verzichtleisten auf das erste Pfandrecht auf eine wertvolle Bahn, in der sie so bedeutende Summen angelegt, schützt sie tatsächlich Inhaber erster Hypothek-Obligationen vor Verlust, ehe sie ihre eigenen Ansprüche geltend machen kann. Der Betrag solcher ersten Hypothek-Obligationen ist genau limitiert auf den gleichen Betrag, den die Regierung pro Meile emittiert, so daß Inhaber erster Hypothek-Obligationen mit der Vereinigten Staaten-Regierung zu gleichen Teilen an der Bahn beteiligt, Inhaber erster Hypothek-Obligationen aber die speziell bevorzugten Gläubiger sind.

Zur Unterstützung des Baues der Hauptlinie wurden im ganzen nahe an 25 000 000 Acres Regierungs-Ländereien bewilligt, die unter die beiden erstgenannten Kompagnieen verteilt sind; mit anderen Worten 12 800 Acres pro Meile Bahnlänge von jeder zweiten Sektion von 40 Sektionen, deren Minimalwert auf 1 Dollar 50 Cents pro Acre geschätzt wird, obwohl der westliche, reich mit Wald bestandene Teil sich bedeutend wertvoller erweisen wird.

Die Zentral-Pacific-Eisenbahn-Kompagnie verkauft jetzt Parzellen ihrer Landsektionen zur Minimal-Rate von 2 Dollars 50 Cents Gold pro Acre; wer aber durch Präemption schon Besitz von Ländereien, die der Kompagnie gehören, ergriffen, und es, um sofort einen vollgültigen Besitztitel zu erlangen vorzieht, von der Kompagnie dies Land zu kaufen, erhält ausnahmsweise den Acre zum Preise von 1 Dollar 25 Cents. Es liegt auf der Hand, daß dem Fortschritt der Bahn Ansiedelungen in großer Masse auf dem Fuße folgen werden, wodurch der Wert der unverkauften Ländereien erhöht und der Geschäftsverkehr und die Barmittel vergrößert werden müssen.

Sorgfältigste Vermessungen haben ergeben, daß das Terrain durchaus keine unüberwindlichen Schwierigkeiten bietet, und die Kompagnie hat ihr Werk kräftig in Angriff genommen. Im Jahre 1866 hatte die Zentral-Pacific-Bahn 94 Meilen im Betrieb, welche die schwierigste Bergpartie in sich schließen. Die einzigen Schwierigkeiten ernstlicher Art, die das Terrain bietet, sind die Gebirgszüge; die östlichen Mountains sind in einer Höhe von 8000 Fuß zu überkommen und die westliche Kette der Sierra Nevada in einer Höhe von 7000 Fuß. Verhältnismäßige Vorteile aber gewähren ebene Landstriche von großer Länge und dazwischenliegende Prärieen.

Die Zentral-Pacific-Eisenbahn stieß schon zu Anfang des Baues auf die Bergregion. Sieben Meilen östlich von Sacramento beginnt die Steigung und geht in einer Strecke von hundert Meilen ununterbrochen fort mit einer Steigung von nahe an 75 Fuß pro Meile. Die ganze Strecke aufwärts wird jetzt mit Lokomotiven befahren, und die Möglichkeit, diese Berge zu befahren, ist völlig dargetan. Die Union-Pacific-Kompagnie hat zirka 300 Meilen über die flachen Ebenen Nebraskas beendet, gegenwärtig steht sie am Fuß der Rocky Mountains, die sie zu kreuzen hat und woran schon die Vorarbeiten begonnen. Beide Kompagnieen hoffen, sich noch vor Monat Juli 1871, oder fünf Jahre vor dem von dem Kongreß angesetzten, letzten Termin, in der Nähe von Salt Lake City zu vereinigen.

Von seiten der Zentral-Pacific-Eisenbahn sind mit fester Beharrlichkeit alle Hindernisse überwunden, zweiundzwanzig Meilen wurden innerhalb zwölf Monaten vollendet, einundzwanzig Meilen in sechzehn Monaten, sechsundsechzig Meilen in drei Jahren. Im November 1866 schon waren vierundneunzig Meilen in Nutzen abwerfendem Betrieb bis zu einer Entfernung von elf Meilen vom Gipfel, nachdem eine Steigung von nahe an 6000 Fuß glücklich überkommen, und die nächstfolgenden fünfzig Meilen folgten dann rasch nach – alles Gebirgsbahn und mit 600 Meilen gewöhnlicher Bahn vergleichbar. – Für die ersten sieben Meilen empfängt die Zentral-Pacific-Kompagnie 16 000 Dollars pro Meile, für die nächsten 160 Meilen 48 000 Dollars pro Meile und für den Rest (nahe an 600 Meilen) 32 000 Dollars pro Meile. Kaliforniens Bevölkerung nimmt ein so reges Interesse an dem Erfolg der Bahn, daß Staats- und Munzipal-Korporationen zu den Fonds der Kompagnie Beiträge leisteten.

Auch der Übergang über die Sierra Nevada hat sich nicht als so schwierig herausgestellt, wie man anfangs wohl fürchtete.

Die »New-Yorker Tribüne« sagt über diese Strecke, so weit sie bis März 1867 schon vollendet war, folgendes, und wie rasche und entschiedene Fortschritte hat die Bahn seitdem gemacht, die Sierra Nevada bezwungen und den Salzsee erreicht:

»Die Zentral-Pacific-Eisenbahn von Kalifornien, das westliche Glied der großen nationalen Route, von Sacramento (bis wohin Meeres-Flut und Ebbe reicht) im Jahre 1863 beginnend, stieß schon am Anfang ihres Baues auf durch Berge verursachte Terrainschwierigkeiten der schlimmsten Art; innerhalb der ersten hundert Meilen mußte der Übergang über die gefürchteten Sierras bewerkstelligt werden. Im November 1866 jedoch war das Gleis bis nahe an den Gipfel gelegt und bewies auf diese Weise die Durchführbarkeit des ganzen Bergübergangs, bei durchschnittlich geringeren Terrainschwierigkeiten, als der Übergang über die Alleghanies in den Weg gelegt, und zeigte auf diese Weise die Grundlosigkeit einer der beiden Hauptbesorgnisse. Während des eben beendeten ungewöhnlich strengen Winters hat sie die Bahn, so weit als dieselbe gebaut, mit Vorteil im Betrieb erhalten und würde dasselbe mit gleicher Leichtigkeit über den Kamm des Gebirges getan haben können. Sie hatte am Summit-Paß starke Arbeiterabteilungen und überzeugte auf diese Weise ihre Beamten, daß die andere Besorgnis vor unpassierbaren Schneetriften eben so grundlos sei. Nur drei Tage lang war durch Schneefall die regelmäßige Fahrt der Züge gehemmt, eine bedeutend geringere Verkehrsstörung, als viele der atlantischen Bahnen zu erleiden hatten. An beiden Abhängen des Gebirges wird mit dem Streckenbau vorgeschritten, die Gradierung ist beinahe vollendet und weist eine leicht fahrbare und günstige Linie auf, deren schwierigster Teil bereits im Betriebe ist. Von Sacramento nach Sisko-Station (dem damaligen Endpunkt der Bahn) beträgt die Entfernung 94 Meilen, innerhalb welcher 5911 Fuß von der Totalsteigung von 7042 Fuß bereits überkommen sind. Diese Strecke umfaßt den schwierigsten und kostspieligsten Teil des Übergangs. Die Steigung ist unaufhörlich, einmal gewonnen, wird dieselbe niemals aufgegeben; dieselbe beträgt im Durchschnitt 75 Fuß pro Meile; das Maximum derselben, welches bei nur 3&frac12; Meilen zur Anwendung kommt, beträgt 116 Fuß pro Meile. Die nächst schwierigste Gradierung war 105 Fuß pro Meile mit zahlreichen dazwischenliegenden Ebenen. Nur dreißig Prozent dieser ganzen Strecke sind durch Kurven in Anspruch genommen, deren Radius nirgends unter 573 Fuß oder 10 Grad beträgt. Die Strecke der Baltimore- und Ohio-Eisenbahn hat an zwei verschiedenen Punkten, zusammen auf 17 Meilen Bahnlänge, 116 Fuß Steigung mit Kurven von 400 Fuß Radius; die Virginia-Zentral-Eisenbahn überkam mit einfachen Lokomotiven jahrelang Steigungen von 296 Fuß pro Meile, und hatten deren Kurven durchschnittlich gar nur einen Radius von 300 Fuß. Dadurch, daß man von einem Gleis auf das andere, von einer Erhöhung auf die andere überging, kurze Tunnels stach und tiefe Einschnitte machte, wo solches notwendig, hat man es nun dahin gebracht, Passagierzügen eine Geschwindigkeit von 25 Meilen pro Stunde und Frachtzügen die Hälfte derselben zu sichern. Mit Aufenthalt beträgt die Dauer dieser ganzen Tour mit gewöhnlichen Lokomotiven und Trains sechs Stunden.

Von Cisko bis Summit liegt ein jetzt beendeter Tunnel von 1658 Fuß Länge. Es wurde daran Tag und Nacht gearbeitet und zirka 50 Fuß pro Woche vollendet.

Der Abfall der östlichen Seite des Gebirges ist bei weitem weniger schroff, da das innere Tal 4000 Fuß über der Meeresfläche liegt. Auf 14 Meilen kommt ein Fall von 1100 Fuß, hierauf jedoch folgen östlich bis zum Salzsee sanfte Abhänge, die nirgends einen Fall von mehr als 45 Fuß pro Meile haben. Auf der jetzt in Gradierung befindlichen Strecke sind, mit Einschluß des Summit-Tunnels, im ganzen 14 Tunnels, zusammen von 6000 Fuß Länge, vorhanden, von denen zwei Drittel bereits durchstochen sind. Bei den größeren Tunnels und tiefen Einschnitten hat man auf die Legung eines Doppelgleises Rücksicht genommen, welches sich bei dem zunehmenden Verkehr binnen kurzem als notwendig erweisen wird. Zehntausend Arbeiter, meistens Chinesen, sind beschäftigt, und der schwierigste Teil der Arbeiten ist der Vollendung nahe, so daß man sich der sicheren Hoffnung hingibt, im nächsten Januar Lokomotiven die Ebenen von Nevada durchbrausen zu sehen.

Nachfolgende Tabelle ergibt die Distanz der von Zeit zu Zeit vollendeten Teile der Bahn sowie deren Erhebung über den Meeresspiegel:

Meilen Fuß
1. Januar 1865 nach New-Castle 31 930
13. Mai 1865 nach Auburn 36
10. Juni 1865 nach Clipper Gap 42 1,600
4. September 1865 nach Colfax 56 2,443
8. Mai 1866 nach Secret Town 66 3,415
10. Juli 1866 nach Alta 73 3,625
29. November 1866 nach Ciso 94 5,911
Juli 1867 nach Summit 105 7,042
September 1867 nach Virgina-Station, geschätzt auf 150 5,800
Juli 1868 nach Humboldt, geschätzt auf 250 4,000
Dezember 1870 nach Salt Lake City, geschätzt auf 725 4,285

Das Gesetz schreibt vor, daß die Bahn dauerhaft, aus den besten amerikanischen Materialien und in solcher Weise gebaut werden soll, wie es ihr halb nationaler Charakter mit sich bringt.

Bis zum 1. Januar dieses Jahres verausgabte die Zentral-Pacific-Kompagnie für den Bau der im Betrieb befindlichen 94 Meilen und einschließlich eines Drittels der Kosten weiterer 25 Meilen, sowie für Anschaffung eines entsprechenden Betriebs-Inventars fast 15 000 000 Dollars (14 558 714 Dollars). Weitere fünfzig Meilen oder im ganzen zirka 150 Meilen werden im nächsten Oktober dem Betrieb übergeben werden können, und wird dann die Bahn auf verhältnismäßig flaches Land gelangt sein. Im ganzen werden die Konstruktionskosten der Gebirgssektion sich auf zirka 16 000 000 Dollars oder 100 000 Dollars pro Meile belaufen. Die übrige Distanz nach Salt Lake City (575 Meilen) kann für zirka 60 000 Dollars pro Meile gebaut werden. Weitere 5 000 000 Dollars werden bis Mitte des Sommers für Schienen und Ausrüstungsgegenstände zu verausgaben sein, welche sich größtenteils schon am Platze oder auf dem Wege dahin befinden. Das Ingenieur-Departement hat den schwersten Teil der Arbeit hinter sich, und es werden bereits Schienen östlich von der Spitze der Sierra Nevada gelegt, deren weiteres Fortschreiten nur auf die Eröffnung des Tunnels wartet.«

Das war im Frühjahr 1867 – und wie unerwartet rasch ist die Bahn seit der Zeit bis auf den heutigen Tag betrieben, so daß man jetzt fast die Gewißheit hat, die Vereinigung der Schiene – gewiß ein feierlicher Moment – wird noch vor dem Ablauf von zwei weiteren Jahren stattfinden.

Aber die Bahn wird sich nicht allein als ein riesiges Unternehmen, sondern auch als ein gutes Geschäft bewähren, denn der Verkehr wuchs schon so während des Baues, und so viel neue Städte bildeten sich an der Bahn selber, daß Personen- und Güterzüge fast wie auf einer alten Linie miteinander abwechselten und es wahrlich nicht so aussah, als ob das Ende der Schienen noch mitten in der öden und wüsten Prärie läge.

Ein ebensolcher Verkehr aber herrscht auch auf der anderen, südlich von dieser gelegenen Pacific-Eisenbahn, die sich durch den Staat Kansas den Felsengebirgen entgegenzieht und zur Unterscheidung von der nördlicheren gewöhnlich die smokyhill route genannt wird.

Diese – wenn auch lange noch nicht so weit vorgeschoben, hat, bei fast gleichem Verkehr jetzt, den Vorteil ganz vortrefflichen Landes zu beiden Seiten der Bahn und weit bis Kansas hinein, wo sich schon im vorigen Jahr Farm an Farm schloß, und beiden Bahnen kann man prophezeien, daß ihre Aktien von dem Moment an, wo sie den Anschluß erreichen, zu jetzt kaum geahnter Höhe steigen und vortreffliche Prozente tragen werden.

Allerdings ist dies gerade die Strecke, auf welcher die meisten Indianer-Unruhen stattfanden und die Cheyennes und Arapahus jetzt neuerdings wieder ausgebrochen sind, Ansiedelungen überfallen und viele Menschenleben zerstört haben; aber dem großen Ganzen können sie nicht schaden. Sie mögen den Bau der Bahn bedrohen, aber sie vermögen nicht einmal ihn aufzuhalten, viel weniger zu hemmen, denn die Arbeiter-Kolonnen bilden feste und dabei gut bewaffnete Massen, und wo sie die Strecke wirklich einmal schädigen sollten, wird sie rasch repariert.

Vom Osten aber rückten indessen schon die Truppen der Union gegen diese unglücklichen Schwärme an, und vom Jahr 1868 wird der Vernichtungskampf gegen die nordamerikanischen Indianer beginnen. Ihre Zeit ist vorbei, denn der Büffel wie Indianer verträgt sich nicht mit der Lokomotive und dem Telegraphen.


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