Friedrich Gerstäcker
Die Blauen und Gelben
Friedrich Gerstäcker

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Der Sturm auf Caracas.

Draußen in der Straße wütete der Kampf, und die Kugeln flogen herüber und hinüber. Dicht vor Tadeos Haus versuchten die Gelben noch einmal standzuhalten, aber die wilden Lanzenträger warfen sie mit gellendem Jauchzen zurück, denn jetzt waren sie ihnen sogar in der Waffe überlegen, da die Gewehre der Regierungstruppen im Regen nicht mehr losgingen. Rechts und links vor Chacao aber drückten die Generale Alvarado und Napo nach und suchten noch vor Bruzual die Hauptstadt zu erreichen, um die Gelben vielleicht ganz von Caracas abzuschneiden und hier zu vernichten.

Tadeo stand am Fenster, die Gitterstäbe mit beiden Händen gefaßt, die Augen stier und unverwandt auf die Stelle geheftet, wo die beiden Soldaten zusammengebrochen waren und jetzt von den über ihnen Kämpfenden, von Freund und Feind, unter die Füße getreten wurde. Er sah weder den Kampf, der unmittelbar vor ihm tobte, noch die Gefahr, der er selber dabei ausgesetzt war – er hörte nicht das Knallen der Gewehre, noch das Pfeifen der Kugeln, nicht das Jubelgeschrei der Sieger und das Wehegeheul der Verwundeten – Gift! – Gift! – war der einzige Gedanke, der ihn erfaßt hatte. Gift, das sie ihm für ihn gegeben hatte, um ihn zum Mörder zu machen.

Seine Frau ergriff ihn endlich und zog ihn vom Fenster fort.

»Perdido!« schrie sie ihm ins Ohr. »Er ist außer sich! Er tobt und wütet – um Gottes willen! Was machen wir mit ihm?«

Tadeo starrte umher; es war, als ob er aus einem Traum erwache, und jetzt erst hörte er, daß der sonst so stille, alte Mann ein wahres Jubelgeheul ausstieß und sich wie rasend gebärdete.

»Da sind sie!« schrie er, »da kommen die Rächer – nieder mit dem Präsidenten. Hurra, hurra, Paez hoch – Paez! Paez!«

Die Soldaten draußen hörten ihn. – »Jawohl, Kamerad – jetzt wird Friede!« riefen sie ihm zu, das Wort mißdeutend.Paez, ein früherer berühmter General Venezuelas, der gegen Monacas kämpfte; – paz, der Friede. »Her zu uns, wir jagen die Schurken aus dem Land hinaus.«

Perdido hörte die Aufforderung, und ohne sich lange zu besinnen, wollte er, gerade als Tadeo gegen die Tür sprang, sein Zimmer verlassen und wahrscheinlich hinaus auf die Straße eilen, um sich den Soldaten anzuschließen. Tadeo behielt noch eben Zeit, die Tür zu seinem Zimmer zuzuwerfen und den Riegel vorzuschieben. Wenn er aber geglaubt, den alten Mann dadurch unschädlich zu machen, so hatte er sich geirrt, denn Perdido, durch das Jubelgeschrei der Sieger da draußen zur Raserei entflammt, fühlte sich kaum seiner Freiheit beraubt, als er zuerst an der Tür rüttelte und sie aufzureißen suchte, dann aber, als er fand, daß er das nicht vermochte, zum Fenster sprang und hinausschrie:

»Kameraden! Zu Hilfe – Der Präsident hält mich gefangen, er hat meine Tochter, meine Manuela gemordet. – Es lebe die Freiheit! Nieder mit dem Präsidenten! Zu Hilfe!«

»Caracho!« schrieen ein paar von den Soldaten, die sich gerade in der Nähe befanden – »da sitzt ein politischer Gefangener. Heraus mit ihm – Hurra!« Und durch die noch offene Haustür stürmend, riefen sie nach dem vermeintlichen Opfer der Tyrannei.

»Sennores,« sagte Tadeo in Todesangst – »der Mann ist wahnsinnig!«

»Zu Hilfe! Zu Hilfe!« schrie Perdido in seinem Zimmer – »der Präsident hält mich gefangen.«

Tadeo, der an die Tür sprang, wurde beiseitegeworfen, der Riegel zurückgerissen, und Perdido, seine weißen Haare wild um die Stirn flatternd, stürzte hinaus auf die Straße, griff dort eine der umherliegenden Lanzen auf und warf sich jauchzend mitten hinein in die Schar der Verfolger.

Tadeo wollte ihm nach, aber die nächsten Soldaten, die wirklich glaubten, daß er der Kerkermeister des alten Mannes wäre, stießen ihn zurück – ja, einer von ihnen hieb sogar im Zorn mit der Lanzenspitze nach ihm, traf aber glücklicherweise nur den oberen Türbalken, und der arme Tadeo prallte scheu zurück. Die zunächst Kommenden wußten schon gar nicht, was vorgefallen war und achteten nicht auf ihn.

Tadeo stand in der Tür seines Hauses, wie in einem Traum. Der eigenen Gefahr gar nicht achtend, ja, sie kaum begreifend, starrte er die Straße hinab, in den flutenden Regen hinaus, in dem sich jetzt der Kampf nach Caracas wälzte. Mehr und mehr Soldaten drängten nach, die breite Straße war voll von ihnen. Trompeten schmetterten dazwischen ihre Signale – Offiziere suchten sich mit ihren Pferden durch die Massen zu pressen, und jeder schien eifrig nur nach vorn drängen zu wollen, um teil an der entscheidenden Schlacht zu nehmen.

Jetzt endlich war die größte Menge vorüber und Tadeo noch immer unentschlossen, ob er dem armen Verlorenen nicht folgen und ihn wieder aufsuchen solle. – Aber wo ihn jetzt in dem Gedränge und Wirrwarr finden? – Wohin war er geschoben, und lag er nicht vielleicht schon unter den Toten oder Verwundeten am Boden? Die gelben Truppen waren nämlich noch keineswegs besiegt. Sie wichen wohl, aber sie machten auch jeden Fußbreit streitig, und ihre Kugeln fielen noch immer auf Chacao und töteten noch manchen von den Blauen.

Hinterher kamen die Nachzügler: Verwundete, und leichter Verwundete, die sie führten und unter Dach und Fach zu bringen suchten. Zwei Mann trugen einen armen Teufel, dem eine Kugel das Bein zerschmetterte oder wenigstens zum Gebrauch untauglich gemacht hatte. Fast alle Häuser waren verschlossen, und die Bewohner antworteten auch auf kein Klopfen. Als die Soldaten Tadeo in der Tür stehen sahen, wandten sie sich gegen ihn.

»Paysano,« (Landsmann), sagte der erste, der den Verwundeten so trug, daß er das kranke Bein soviel als möglich stützte – »könnt Ihr einem Unglücklichen ein Obdach in Eurem Hause geben?«

Tadeo wandte sich langsam und sah den Sprecher starr an.

»Tadeo?« rief dieser mit dem größten Erstaunen, durfte aber seine Last nicht loslassen.

Der Indianer starrte ihn an, als ob er einen Geist erblickte; was er in der letzten Stunde erlebt hatte, war zu viel selbst für die zähe Konstitution eines Indianers. Er hob den einen Arm und öffnete die Lippen, dann brach er, wo er stand, bewußtlos, ohnmächtig zusammen.

Als er wieder zu sich kam, lag er in seiner Stube in der Hängematte, in die sie ihn hineingelegt hatten, der Raum aber ringsumher war mit Verwundeten angefüllt, die man hier in das einzige offene Haus hineingeschafft hatte, um sie nur aus dem Regen unter Dach zu bringen. An der Hängematte aber stand der Soldat und legte ihm kalte Tücher um mit kaltem Wasser, das ihm die Frau herbeibrachte. Endlich schlug er die Augen auf, schloß sie aber wieder, als er die vielen Gestalten um sich her sah.

»Tadeo,« sagte da eine von ihm lange nicht gehörte und doch so bekannte Stimme, und rasch und erschreckt sah der so Gerufene auf und in ein über ihn gebeugtes, bronzefarbenes Antlitz. – Wieder schloß er die Augen.

»Es ist nicht möglich,« murmelte er leise vor sich hin »Tote stehen nicht aus dem Grabe auf –«

»Aber ich bin ja nicht tot, Tadeo,« sagte die Stimme wieder, »und nie tot gewesen. Der Stich, den du mir damals gegeben hast, hatte mir nur die Rippe gestreift und war nichts als ein Hautriß gewesen, der lange geheilt ist und kaum geblutet hat.

»Pablo,« stöhnte Tadeo und streckte die Hand aus, die der Soldat ergriff und herzlich drückte.

»Mein Bruder! Mein lieber, guter Bruder!« rief er – »hast du dich denn um mich gequält?«

»Um dich gequält?« fragte Tadeo, indem er sich in der Hängematte emporrichtete – »ist nicht mein ganzes Leben deshalb eine Hölle gewesen, und kann ein Mensch für eine schlechte Handlung mehr gestraft werden, als ich gestraft bin? – Aber du lebst – o, Gott der Allmächtige sei dafür gepriesen, denn kein Bruderblut klebt an meinen Händen. Ich bin nicht Kain, den der Herr verflucht und in die Welt hinausgestoßen hat.«

»Aber Bruder – was für Gedanken hast du dir gemacht?« rief Pablo, während die Frau mit gefalteten Händen daneben stand, und ihr die großen hellen Tränen an den Wangen herabliefen. – »Wer hat dir das alles in den Kopf gesetzt.«

»Und woher kommst du jetzt?«

»Von Barcelona mit Monagas.«

»Und wo warst du die ewig lange Zeit? Ich mußte dich ja tot glauben. Wohin flohst du an jenem unglückseligen Abend, wo ich in blinder Leidenschaft, von Wein berauscht, mit dem Messer nach dir stieß?«

»Die anderen schleppten dich damals fort,« erzählte Pablo, »und ich selber wollte nach Hause gehen und am nächsten Tag das Mißverständnis aufklären – aber die Wunde schmerzte mich. – Die Haut hattest du mir aufgerissen, und das Messer war auf der Rippe hingefahren, was recht weh tat, wenn es auch nicht gefährlich sein mochte. Sennora Castilia verband mich.«

»Castilia?« fragte Tadeo leise.

»Sie war so gut und freundlich mit mir, sie sagte mir aber, daß sie fürchte, du wärest zu böse auf mich und würdest mir wieder nach dem Leben trachten. Ich solle fortgehen, sie wolle mir Geld und Briefe nach Cumana geben, und wenn die Sache ausgeglichen wäre, solle ich wieder zurückkommen; sie wolle mir schreiben.«

»Sennora Corona?« rief Tadeo erschrocken.

»Nein, Castilia,« sagte Pablo.

»Ja, ganz recht – und dann?« fragte Tadeo, der der Erzählung jetzt mit der gespanntesten Erwartung folgte.

»Ich kam nach Cumana,« fuhr Pablo fort, »und wurde dort von dem Herrn, dem ich den Brief gegeben hatte, freundlich aufgenommen – aber schon in der nächsten Nacht holte man mich aus meiner Hütte und schleppte mich auf ein Kriegsschiff, wo ich jahrelang dienen mußte. Wie es mir endlich gelang zu entfliehen, hatte ich kein Geld und arbeitete noch etwa zwei Jahre in Barcelona, um mir etwas zu verdienen, und als ich dann an den Orinoco zurückkehrte, um euch alle aufzusuchen, waret ihr verschwunden – fortgegangen, und niemand konnte mir genau sagen wohin. »Nach dem Norden« war das einzige, was ich erfuhr, und nach dem Norden zog ich dann wieder, zuerst nach La Guayra, dann nach Puerto Cabello und zuletzt wieder zurück nach Barcelona, immer in der Hoffnung dich zu finden, bis ich dir heute endlich zufällig begegne.«

Tadeo saß auf seiner Hängematte – er hatte die Füße auf dem Boden, stützte die Ellbogen auf die Kniee und barg sein Gesicht in den beiden Händen. Dabei nickte er fortwährend mit dem Kopfe leise vor sich hin, als ob er alles begriffe – alles – und es eben zusammenfüge zu einem geordneten Ganzen. Seine Brust hob sich schwer, und wie erstaunt sah er endlich auf, als ihn da Wimmern der Verwundeten ringsumher zur Besinnung und zur Gegenwart zurückrief.

»Woher um Gottes willen kommen die Leute alle?«

»Es sind Verwundete – in dem Wetter draußen konnten wir sie nicht liegen lassen. Kannst du sie nicht im Hause behalten?«

»Gewiß, o, gewiß – wenn ich nur irgend welche Pflege für sie hätte – aber die Nachbarn werden schon helfen,« sagte Tadeo – »meine Frau wird für sie sorgen, so gut es eben geht, – aber jetzt,« fuhr er fort und sprang in die Höhe – »muß ich hinaus – hinaus.«

»Wohin, Tadeo?«

»In die Stadt.«

»Nach Caracas? Aber Mensch, hörst du nicht das Gewehrfeuer? Die ganze Straße ist mit Kämpfenden bedeckt, und wenn die Gelben die Stadt erreichen, werden sie jedes Haus zu einer Festung machen.«

»Ich muß zu ihr!« rief Tadeo, und seine Augen hatten einen wilden, unheimlichen Glanz angenommen.

»Zu ihr? – Zu wem?«

»Zu dieser Sennora, o du mein Gott!« rief er, indem er in die Höhe fuhr, und barg das Gesicht wieder in den Händen. »Wenn ich mir denke, daß ein Weib, ein böses, verbrecherisches Weib den Frieden eines ganzen Menschenlebens so untergraben, so zerstören konnte!« –

»Ich begreife dich nicht, Tadeo.«

»Komm mit mir,« antwortete dieser entschlossen, »ich erzähle dir alles unterwegs.«

»Und du willst fort von hier, Tadeo?« rief die Frau in Todesangst, »willst mich jetzt hier mit allen den Kranken und Verwundeten in dem Elend allein lassen!«

Tadeo sank in die Hängematte zurück. »Es geht nicht, Pablo,« stöhnte er leise vor sich hin, »und doch, der arme alte Mann ist allein draußen in Sturm und Wetter – wahnsinnig und verlassen.«

»Gott wird ihn beschützen,« tröstete die Frau, »wie er ihn hier vor dem Gift bewahrt hat. Er hält die von seiner Hand Geschlagenen unter seinem besonderen Schutz. Laß uns jetzt für die unglücklichen Menschen sorgen, denen wir noch helfen können.«

»Und wo finde ich dich wieder, Tadeo?« rief Pablo, der jetzt auch sein Gewehr aufgegriffen hatte. »Ich muß fort und dabei sein, wenn wir den Feind aus der Stadt hinausjagen. Kommst du nach Caracas?«

»Sobald ich hier in Chacao genügende Hilfe für meine Frau gefunden habe. Entweder du findest mich hier, oder ich suche dich in der Hauptstadt auf. Bei welchem Korps stehst du? Damit ich dich erfragen kann.«

»Bei Monagas' Schützen; den Pablo kennen sie alle – und Gott zum Gruß, Tadeo – auf baldiges – recht baldiges Wiedersehen.«


Weiter tobte der Kampf und artete fast in eine Flucht der Regierungstruppen aus, bis sich diese noch einmal bei dem kleinen Dorf Mariperez festsetzten. Aber es geschah das mehr, um ihren vollständigen Rückzug nach Caracas zu decken, als in der Hoffnung, den siegreichen und unaufhaltsam vordringenden Feind zurückzuwerfen. Nur Caracas wollten sie verteidigen, und Bruzual schien damals noch nicht daran zu denken, es aufzugeben, er würde sich sonst mit seinen Truppen, wie das in solchen Fällen stets geschieht, auf die Plaza zurückgezogen und sich darauf beschränkt haben, die dort befestigten Gebäude zu verteidigen, bis er über seinen Abzug kapitulieren konnte. Das tat er aber nicht, sondern dieses Mal das ungeschickteste, was er überhaupt tun konnte. Er besetzte nämlich, sobald das schon demoralisierte Heer Caracas erreichte, sämtliche Vorstädte, und bekam solcherart eine Verteidigungslinie, die er nicht einmal mit einer dreifach so starken Macht hätte behaupten können.

Sobald die »gelben« Truppen die Stadt erreicht hatten, sammelten Monagas' Signale wohl die Reconquistadoren außer Schußweite, aber nur um sie unmittelbar danach zu einem vereinten Ansturm zu ordnen. Den beschloß er aber von drei Seiten zugleich auszuführen, um den Feind, dessen Schwäche er genau genug durch Überläufer kannte, soweit wie möglich auseinanderzuhalten.

Die Regierungstruppen hatten besonders die Straßeneingänge besetzt, da sie glaubten, daß sich die ziemlich starken Gartenmauern, welche die Stadt rings einschlossen, schon selber verteidigen würden. Diese boten freilich den Stürmenden wie den Verteidigern gleiche Nachteile, da sie einesteils zu hoch und unbequem zum Überklettern waren und andererseits auch den im Innern Befindlichen keine Möglichkeit zeigten, einen Feind zu treffen, ja nur zu sehen, bis er sie wirklich erklommen hatte. Außerdem besaßen die Belagerten aber, wie gesagt, nicht einmal Mannschaft genug, um sich in einer solchen Linie aufzustellen, und nur einzelne Posten wurden weit zerstreut in dem Innern der Gärten gelassen, um den Alarm geben zu können, wenn der Feind versuchen sollte, an der einen oder anderen Stelle durchzubrechen.

General Alvarado hatte hier wieder, wie draußen in Chacao, den rechten Flügel bekommen und eigentlich die tüchtigsten Soldaten unter sich, wenn sie den übrigen auch, besonders den von Barcelona gekommenen, an der Zahl der Feuerwaffen nachstanden. In dem furchtbaren Regenguß aber, der jetzt schon stundenlang auf die übersättigte Erde niederströmte, waren viele Gewehre, bei den blauen wie gelben Truppen, zum Gebrauch untauglich geworden. Das Militär führte sämtlich jene schlechten, erbärmlichen Zündhütchen mit inwendig weißer, sichtbarer Masse, die dann beim geringsten Naßwerden, oft schon bei großer Feuchtigkeit der Luft, zu einem Brei wurde, sich in die Pistons hineinklebte und die Gewehre hartnäckig versagen machte. Die Behandlung eines Gewehrs verstehen die südamerikanischen Soldaten außerdem schlecht genug, und ehe sie sich deshalb lange mit ihren Pistons und Zündhütchen herumquälten und doch nichts zustande brachten, gebrauchten sie lieber das Bajonett oder auch den Kolben als Angriffswaffe.

Die kurze Ruhezeit benutzten die Reconquistadoren, um ihre Musketen wieder soviel wie möglich instand zu setzen, und dabei half den unter Alvarados Befehl Stehenden besonders Teja, der, mit einem guten Pistonzieher versehen, überall aushalf. Die Leute mußten dann den alten Schuß herausbrennen und wieder frisch laden, und da der Regen endlich am Nachmittag nachgelassen hatte, machte er die meisten von ihnen wieder schußfähig.

Jetzt ertönten die Signale zum Angriff. Monagas, trotz seiner fünfundachtzig Jahre, war nicht der Mann, dem Feind auch nur eine Stunde Ruhe zu gönnen, und was Mig. Ant. Rojas in seiner tatenlosen Unentschlossenheit versäumt, holte er jetzt reichlich mit raschem und entschiedenem Handeln nach. Hier freilich half ihm seine Tüchtigkeit als General nichts mehr, denn er konnte dem Heer keine bestimmten Bahnen anweisen. Es war keine regelrechte Belagerung, die begonnen werden sollte, kein Sturm auf eine bestimmte Bresche, mit einer Pionierkompagnie zur Hilfe und einer Reserve zur Deckung, sondern er mußte sich allein auf die Geschicklichkeit und den Mut seiner Leute verlassen.

»Nehmt die Stadt, Sennores,« hatte er einfach den Generalen gesagt, die er noch kurz zuvor um sich versammelt hatte – »und ich will sehen, wer zuerst hineinkommt. Vorwärts! Meine Herren, die Zeit ist kostbar, und diese Nacht müssen wir in Caracas schlafen.«

Die zuversichtlich ausgesprochene Hoffnung des Schlafens in Caracas war wohl ein wenig optimistisch, aber sie wirkte jedenfalls ermutigend und anfeuernd auf die Offiziere. Sobald nur die Signale ertönten, kam Leben in die ganze ausgedehnte Linie der Angreifer, die sich jetzt im Sturmschritt gegen die Stadt warfen, wo der Feind kaum seine Plätze zur Verteidigung eingenommen und wohl geglaubt hatte, es würde ihm wenigstens an dem Abend noch Ruhe gegönnt werden. Die Armee der Gelben sollte aber keine Ruhe noch Rast mehr bekommen, denn ein Mann hatte die Sache des Vaterlandes in die Hand genommen, der – wie auch seine Vergangenheit sein mochte – jetzt nicht mehr zu bestechen oder durch Versprechungen von Ehrenstellen und hohem Rang hinzuhalten war. Monagas hatte gesagt, er habe das Schwert noch einmal ergriffen, um sein Vaterland zu befreien und einen guten Namen zurückzulassen, wenn ihn der Tod abriefe, und selbst seine Feinde müssen ihm zugestehen, daß er Wort gehalten.

Vorwärts stürmten die Scharen. Jedem einzelnen General war es überlassen worden, sich den besten Angriffspunkt zu wählen und seinem eigenen Urteil im Bestimmen der Führer zu folgen, und rasch genug waren die Truppen verteilt, und der erste Sturm begann bald an allen Punkten zu gleicher Zeit.

Teja und Castilia hatten sich wieder zusammengehalten, und kurz vorher, ehe die Trompeten ertönten, musterte der erstere noch einmal flüchtig seine Leute und war erstaunt, mitten zwischen ihnen einen alten Mann mit schneeweißen Haaren und bloßem Kopf zu sehen, der, eine Lanze in der Hand, vom Regen bis auf die Haut durchnäßt, mit in Reih' und Glied stand.

»Caramba, alter Freund,« sagte er, indem er sich zu ihm wandte – »das hier ist kein Platz für Euch – das überlaßt jüngeren Leuten. Ihr seht noch dazu krank und elend aus – woher kommt Ihr?«

Der Alte gab keine Antwort, sah auch den Redenden gar nicht an, sondern immer nur nach den Häusern der Stadt hinüber, als ob er die Zeit des Angriffs nicht erwarten könne.

»Er spricht nicht, Sennor,« antwortete einer der Soldaten – »die einzige Antwort, die er uns bis jetzt noch gegeben hat, war auf die Frage, wie er hieße. Er nennt sich Perdido.«

»Ein ominöser Name,« sagte Teja nachdenklich, »Aber woher kommt er? Ich habe ihn doch heute morgen noch nicht gesehen!«

»Die Gelben hatten ihn in Chacao gefangen – wir brachen in das Haus und machten ihn frei, und seit der Zeit hat er sich wacker zu uns gehalten und war immer der erste, wenn es auf den Feind losging. Er ist noch rüstig genug auf den Füßen.«

In diesem Augenblick erklangen die Trompeten. Es war keine Zeit zum Fragen, und der Befehl zum Sturm lief durch die Reihen.

»Vorwärts, Kameraden!«

Ein einziger Jubelschrei, der bald in ein richtiges indianisches Schlachtgeheul ausartete, antwortete ihm, und jetzt war an kein Halten mehr zu denken. – Wild und ungeordnet stürmten die Scharen gegen die Häuser, und größere Trupps hielten sich nur zusammen, wo sie sich der Mündung einer Straße näherten, weil sie wußten, daß da einzelne doch nichts ausrichten konnten.

Teja, der den Angriff wenigstens in etwas leiten mußte, war mit Castilia einige Schritte zurückgeblieben, um sich mit den Bodenverhältnissen genauer bekannt zu machen. Rechts lag die Einmündung in die Straße, wo sich ein Trupp Gelber versammelt hatte. Diese feuerten auch einige, aber keinen Schaden anrichtende Schüsse heraus, in der eitlen Hoffnung vielleicht, den siegesgewissen Feind damit abzuschrecken. Links davon dehnte sich eine lange gleichförmige Gartenmauer hin, die hier eine ganze Reihe von Häusern einschloß und, etwa zwölf Fuß hoch, nicht leicht zu überklettern war. An einzelnen Stellen aber entdeckte der junge Offizier Öffnungen, aus denen jetzt das noch von dem letzten Regen zurückgehaltene Wasser vorquoll. Sie zeigten sich vielleicht groß genug, um einen schmächtigen Mann hindurch zu lassen. Aber was dann, wenn er sich wirklich im Innern befand? Das ganze Korps konnte ihm auf diese langsame Art nicht folgen, und wurden sie dabei von dem Feind überrascht, so waren die Eingedrungenen, ohne daß man ihnen von außen irgend welche Hilfe leisten konnte, verloren.

Samuel Brown, der riesige Neger, der Castilias Bekanntschaft, als seines früheren Mitgefangenen, erneuert hatte, sprang jetzt ohne weiteres an die Mauer hinan, lehnte sein Gewehr an und zog aus seinem Gürtel das nämliche Brecheisen, das er mit aus dem Gefängnis genommen und seit der Zeit noch nicht wieder abgelegt hatte.

»Caracho!« rief er lachend, »ich habe mir doch immer gedacht, daß ich das Ding noch einmal brauchen könnte. – Wollen einmal sehen, ob es so gut zum Ein- wie zum Ausbrechen ist« – und mit seiner riesigen Kraft warf er sich gegen die Mauer und stieß in die Zwischenräume der schon verwitterten Ziegel, bis er gleich über dem Ausfluß den ersten Stein losgebrochen hatte und dann rasch an den zweiten ging.

Rechts davon wütete der Kampf – der größte Trupp der Abteilung hatte sich gegen die Straße geworfen und suchte den Eingang zu erzwingen, traf aber hier gerade auf einen hartnäckigen und unerwarteten Widerstand. Die Regierungstruppen hatten nämlich zufällig den Stall und die Remisen eines Karrenführers aufgefunden, holten nun die sämtlichen leeren Karren heraus, warfen sie um, und stellten dadurch mit anderem Gerät und Balken und was sie sonst fanden eine ziemlich feste Barrikade her. Hinter dieser hervor fügten sie den Angreifern nicht geringen Schaden zu und schlugen einen zweimaligen Ansturm erfolgreich zurück.

Samuel arbeitete mit einer wahren Wut an den Steinen, denn gelang es ihnen hier hineinzubrechen, so konnten sie leicht den Feinden, welche den Straßeneingang verbarrikadiert hatten, in den Rücken kommen, und dann waren sie die ersten in der Stadt. Einige Soldaten sprangen jetzt hinzu und halfen das Steinwerk aus dem Wege schaffen, und in kaum einer Viertelstunde hatten sie ein Loch geschaffen, durch das ein Mann mit Bequemlichkeit hindurchschlüpfen konnte. Da gerade mußte aber ein Posten von den Gelben in den Garten geschickt sein, um die Mauern hier zu überwachen, und wie er den Feind an der Arbeit fand, feuerte er sein Gewehr gerade in das Loch hinein und schrie dabei um Sukkurs. Die Kugel schlug auch dem Neger das Eisen aus der Hand, ohne glücklicherweise einen weiteren Schaden anzurichten, aber jetzt war Gefahr im Verzug, wenn sie nicht ihre ganze Arbeit wollten umsonst getan und die Zeit vergeudet haben. –

»Mir nach!« schrie Teja, und ohne sich einen Augenblick zu besinnen, welcher Gefahr er dort begegnen könne, schlüpfte er durch die Bresche in den inneren Raum. Dicht auf dem Fuß folgte ihm Castila, und wie sein Schatten glitt der alte Perdido hinter den beiden drein.

»Caracho!« brummte der Neger, als ihn der Alte beiseite schob und wie eine Schlange an ihm vorüber schoß. »Soll ich etwa hier allein zurückbleiben – wo zum Teufel ist das Eisen geblieben?« – Aber »vorwärts! vorwärts!« drängten die übrigen, denen er die Bahn versperrte, »hinein damit!«

Der Neger faßte nur noch mit der linken Hand sein Gewehr, und seinen breiten Körper durch die Höhlung pressend, stieß er zugleich einen wilden Fluch aus, denn aus der Hintertür eines Hauses, die sie mit dem Kolben eingestoßen hatten, sprangen mehrere Soldaten von den Gelben in den Garten und fielen gerade über die beiden Offiziere her. Möglich, daß ihre Gewehre schon abgeschossen oder bei früheren Versuchen nicht losgegangen waren, aber sie versuchten gar nicht jetzt damit zu schießen, sondern sprangen mit gefälltem Bajonett auf die beiden Offiziere ein. Noch befanden sich erst wenige Feinde daselbst, sie glaubten jedenfalls, daß sie gerade zur rechten Zeit gekommen wären, um erst die Eingedrungenen zu überwältigen und dann ein paar Mann an die Mauer zu stellen und jeden neuen Versuch des Durchbrechens zu vereiteln.

Teja warf den Blick scheu zurück – der Neger verstopfte noch die Öffnung, und es war auf augenblickliche Hilfe kaum zu rechnen: aber die Gefahr verliert ihr Lähmendes, sobald sie wirklich über uns hereinbricht. So den gegen ihn geführten Stoß mit dem Bajonett des einen Burschen rasch mit dem Degen abwehrend, schoß er ihm mit der linken Hand, in der er den Revolver hielt, eine Kugel durch die Brust und sprang dann nach vorn, um Eloi beizustehen, der von drei anderen angegriffen war. Einen von diesen hatte Eloi ebenfalls kampfunfähig gemacht, aber die Mehrzahl war gegen ihn, und aus der Hintertür drängten noch mehr Gelbe heraus, so rasch es der enge Raum gestattete.

Einer stieß jetzt mit dem Bajonett nach Eloi – dieser parierte allerdings den Stoß, aber während er mit dem Säbel nachhieb, rannte ein zweiter mit der gefällten Waffe auf ihn ein, und um Castilia wäre es geschehen gewesen, wenn nicht der alte Perdido ihm geholfen hätte.

Bleich wie ein Geist, die weißen, nassen, langen Haare um die Stirn schlagend, die Füße bloß, der hagere Körper nur mit Hemd und Hose bekleidet, die Augen stier und geisterhaft in ihren Höhlen, flog er mit einem lauten Aufschrei in großen Sätzen über den Boden hin und rannte dem Soldaten, der Eloi bedrohte, seine Lanze so zwischen die Rippen hinein, daß dieser ohne einen Laut zu Boden stürzte.

Andere aber drängten herbei, Teja rang mit dem einen, Perdido hatte einen zweiten niedergestoßen und wieder sah sich Castilia von dreien zu gleicher Zeit angegriffen, als der riesige Neger endlich auf dem Kampfplatz erschien und gar nicht daran denkend, daß sein Gewehr geladen sei, es umdrehte und mit dem Kolben zwischen die Feinde hineinmähte. Der Kolben brach an der ersten Hirnschale, die er traf, morsch entzwei, wie der getroffene Schädel, aber der Lauf allein war noch Waffe genug, und Samuel wütete damit unter den Angreifern. Drei oder vier Wunden hatte er auch bekommen, aber während Eloi und Teja ihn wacker unterstützten, räumte er mit dem alten Perdido zusammen so unter den eindringenden Soldaten auf, daß diese wenigstens nicht die Überzahl bekommen konnten. Und jetzt sprangen auch die anderen von den Blauen herein – erst einer, jetzt noch einer und noch einer – mehr und mehr folgten. Es war schon kein Gedanke mehr, daß sie von den Gelben vertrieben werden konnten, sondern diese hatten sogar die Hoftür zu verteidigen, um nur die Blauen nicht auf die innere Straße zu lassen. Aber sobald nur mehrere der letzteren auf dem Kampfplatz erschienen, half ihnen auch das nichts mehr, denn andere Türen führten ebenfalls auf die Straße hinaus. Der Neger, indem er mit einem frisch aufgegriffenen Bajonettgewehr um sich stieß, preßte nach, einer der Soldaten hieb ihn mit dem Seitengewehr über den Kopf – er fühlte es kaum, – rechts und links faßte er die Feinde, und während er diese in das Haus zurückdrängte, schob er die Bahn frei, so daß ihm die anderen folgen und den Eingang erzwingen konnten.

Jetzt waren sie in dem Hause, während ein anderer Teil der Blauen sich schon in das Nebengebäude preßte – Jammern und Wehegeschrei ertönte im Innern des Gebäudes, aber wer kümmerte sich darum? Es sollte ja den Leuten hier auch kein Leid geschehen – nur hindurch wollten sie, ins Freie, und dorthin stürmten sie jetzt, aus zwei Türen zugleich hinaus auf die Straße.

Die Sonne ging unter – die Nacht brach an, aber kein »Schlaf in Caracas,« wie es Monagas versprochen hatte. Die auf die Straße dringenden Blauen räumten im Nu die Barrikaden, die bis dahin noch hartnäckigen Widerstand geleistet hatten, denn als die Gelben auch Feinde im Rücken sahen, konnten sie sich nicht länger halten. Ein Teil blieb zwar noch für kurze Zeit in der bisher behaupteten Stellung, bis sie, von den ihrigen abgeschnitten, sich von allen Seiten umzingelt sahen. Sie verteidigten sich aber nicht mehr, und wurden ohne weiteres entwaffnet und hinaus aus der Stadt geschickt. Man konnte sie hier nicht gebrauchen, denn die Reconquistadoren hatten Mannschaft genug, um den Rest der Regierungstruppen auch ohne die Überläufer zu werfen oder einzuschließen.

Ein wütender, fast verzweifelter Kampf begann jetzt in den Straßen der Stadt selber, der in der Nacht nur wenig unterbrochen wurde. Nur als gegen Mitternacht wieder ein furchtbarer Regenschauer fiel, wurde auf kurze Zeit stillschweigend ein Waffenstillstand geschlossen, konnte man den Gegner doch nicht einmal mehr sehen. Die Natur selber setzte dem Brudermord eine Grenze.

Die armen Soldaten waren schlimm daran. Bis auf die Haut durchnäßt, kalt, hungrig, durstig, viele von ihnen verwundet, sanken sie in den Straßen nieder, um wenigstens durch eine Stunde Schlaf die zum Tod erschöpften Glieder zu stärken. Die armen Teufel hatten auch wirklich am Tage nicht einmal das Notwendigste gehabt, um ihre Kräfte aufrecht zu erhalten, und die Verzweiflung trieb sie endlich zu einem Akt äußerster Notwehr, indem sie die Läden aufbrachen, in denen sie Lebensmittel und Spirituosen – und am liebsten beides – wußten. Gegen wen sollten sie auch Rücksichten nehmen? Sie waren zum Militärdienst mit Gewalt gezwungen worden; sie hatten Löhnung versprochen, aber nie ausgezahlt erhalten, es war ihnen nicht einmal das gereicht worden, was sie zum Leben notwendig brauchten, und unter solchen Bedingungen sollten sie noch kämpfen, und naß, verwundet und hungrig in der kalten Straße liegen?

Es klingt schlimm, wenn es heißt: »Das rohe Soldatenvolk hat die Häuser friedlicher Bürger erbrochen, und geplündert, was sie an Lebensbedürfnissen finden konnten,« aber wer von uns allen, die wir in zivilisierter Weise auferzogen sind, hätte es nicht getan, wenn es sich um seine Selbsterhaltung handelte? Die Leute mußten irgend etwas zum Leben haben, die Regierung lieferte ihnen aber nichts und konnte ihnen nichts liefern, denn sie verfügte selbst nicht mehr über die geringsten Mittel. Die Bürger, bei denen geplündert wurde, kamen allerdings unverschuldet zu Schaden, aber waren sie nicht noch immer viel besser daran als die armen Teufel, von denen sie, wie sie es nannten, bestohlen wurden? Sie brauchten doch nicht ihre gesunden Glieder den feindlichen Kugeln und Bajonetten preiszugeben, und alles, was sie verloren, wog noch nicht den zehnten Teil von dem auf, was diese preisgaben und geben mußten.

Besser, weit besser hatten es in den äußeren Stadtteilen die Reconquistadoren, die von den Bewohnern mit vollem Recht als Befreier begrüßt wurden. Soweit sie den äußeren Teil der Stadt innehatten, wurden sie auch als Gäste der Einwohner betrachtet, und was diese an Lebensmitteln auftreiben konnten, und wenn es das letzte und einzige gewesen wäre, was sie im Hause hatten, wurde herbeigeschleppt und den draußen lagernden Leuten gebracht: ja, diese selbst holte man in die Häuser, um sie nur in etwas gegen das rauhe, stürmische Wetter zu schützen. Auch die Verwundeten fanden überall sorgliche Pflege, und Teja besonders hatte darauf bestanden, daß Castilia, der aus zwei Wunden blutete, den Schutz einer Familie suchte, um sich dort wenigstens verbinden zu lassen.

Dort hinein führte ihn Samuel Brown, der Neger, und half ihm sogar den Verband umlegen. Wie er aber noch damit beschäftigt war, schwamm es ihm selber vor den Augen. Er wollte sich auf einen Tisch setzen, doch er riß den Tisch mit um und brach mitten in der Stube bewußtlos zusammen.

Man trug ihn auf eine Matte, untersuchte ihn und fand, daß er einen Hieb über den Kopf, einen Schuß durch den Schenkel und zwei Bajonettstiche, den einen über die Rippen hin, den anderen durch das Bein erhalten hatte. Aber nur der Blutverlust mußte den baumstarken Neger geworfen haben, denn als er wieder zu sich kam, sich verbunden fand und eine halbe Flasche spanischen Wein auf einen Zug geleert hatte, lachte er zu der Zumutung, daß er sich jetzt hinlegen sollte, um sich pflegen zu lassen – und noch dazu nur wegen so ein paar Schrammen.

Vergebens aber sah sich Teja nach dem alten Mann mit den weissen Haaren um, der eigentlich Castilias Leben gerettet hatte. Der Alte war verschwunden, und keiner von den Leuten wollte ihn gesehen haben, nachdem sie das Innere der Stadt betreten hatten. Aber sie alle hatten auch zu viel mit sich selber zu tun, um nach einem einzelnen zu fragen. Vielleicht war er von irgend einer Kugel getroffen und in der Straße liegen geblieben, vielleicht hatte er ebenfalls in einem Hause Schutz und Ruhe gesucht nach der übermäßigen Anstrengung. Sie alle brauchten die, und warfen sich, wo sie standen, auf den Boden nieder, um die Glieder doch etwas nach dem schweren und blutigen Tage ausruhen zu lassen.



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