Friedrich Gerstäcker
Die Blauen und Gelben
Friedrich Gerstäcker

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Schlechte Behandlung.

Es war unbegreiflich, mit welcher Ruhe die Falconsche Regierung den langsam, aber sicher anwachsenden revolutionären Geist im Lande mehr und mehr um sich greifen sah, ohne irgend welche energische Maßregeln dagegen auch nur zu versuchen.

Nach Westen zu bis Victoria, auf dem Wege nach der Lagune von Valencia, waren allerdings die Hauptplätze von gelben Truppen besetzt, ebenso durch das Gebirge nach Süden die Städtchen Villa de Cura, Ortiz und San Juan. Auch nach Südosten hatte man, gegen Las Ajuntas zu, die kleinen Orte wie Chacao mit einer Besatzung bedacht, und besonders die Hafenstadt La Guayra im Norden besaß eine, für diese Kriege starke Garnison, aber das alles schien nur dazu bestimmt, um die Hauptstadt selber gegen einen Überfall zu schützen. Die ganze Aufstellung war allein ein Verteidigungssystem, und sah ganz so aus, als ob sich Falcon wenig darum bekümmere, was im Lande geschah, wenn er nur Präsident und sicher in seiner Hauptstadt blieb.

Die venezuelanische Republik besaß drei gut armierte Kriegsdampfer, die meist – wie das in allen südamerikanischen Republiken der Fall ist – mit fremden Matrosen und Offizieren bemannt waren. Einer dieser Kriegsdampfer lag stets vor La Guayra – angeblich, wie es hieß, um die Stadt zu verhindern, der Revolution Sympathien zu zeigen – wie man aber in Caracas behauptete: nur zu Falcons speziellem Dienst bereit, wenn dieser es nämlich einmal geraten finden sollte, sein Reich plötzlich zu verlassen und seine eigene Person in Sicherheit zu bringen.

Auch das ganze »Heer« – wenn man diese Soldaten wirklich ein Heer nennen konnte – schien allein demselben Zweck zu dienen. Wie dem würdigen Präsidenten der Dampfer gewissermaßen eine Brücke offen hielt, um darauf ein sicheres Ufer zu erreichen, so sollte die Armee die Notwendigkeit dazu solange als möglich abwenden, und dann – wenn das nicht mehr möglich war – ihm den Rücken decken, und nachher? – après moi le déluge. –

Auch die Mittel, um die Revolution nicht zu beseitigen, sondern nur niederzuhalten und einen Ausbruch aufzuschieben, zeigten, wie schon früher angedeutet, alle eine kleinliche und engherzige Natur. Wie man von dem Strauß erzählt, daß er den Kopf in einen Busch steckt, sobald er sieht, daß er seinen Verfolgern nicht mehr entgehen kann, so handelte hier die venezuelanische Regierung und schien zu glauben, daß sie, wenn sie nur Caracas ruhig halte, von den übrigen Teilen nicht viel zu befürchten habe. Sie wollte die Revolution nicht sehen, und sah deshalb auch nicht, daß fast jeder Bürger in Caracas ihr gehörte – ja, daß selbst die große Mehrzahl der Soldaten viel lieber ein blaues als ein gelbes Band um den Hut getragen hätte – wenn ihnen dabei nämlich eine Wahl gelassen wäre. Aber wer fragte diese Republikaner, für welche Sache sie kämpfen wollten. Sie wurden eingereiht, und damit war alles abgetan.

Um so mehr erstaunten die Bewohner von Caracas, als sich endlich auch in der Stadt das Gerücht verbreitete, General Colina sei nach Calabozo, der fernen Llanosstadt, marschiert, um diese – nicht etwa zu unterwerfen, denn sie hatte noch nicht rebelliert, sondern um sie nur zu besetzen. Welchen Zweck konnte ein so abenteuerlicher Zug haben, der einen Teil des Heeres vollkommen außer Verbindung mit der Hauptstadt brachte und dadurch nur die eigentliche Verteidigung schwächte, ohne der Regierung den geringsten Nutzen zu bringen. Niemand verstand einen solchen Kriegsplan – und es war auch gar kein Plan, sondern in der Tat nichts weiter als eine Laune Falcons gewesen, die aber gerade deshalb, weil niemand die Ursache begriff, das Volk beunruhigte. Jedenfalls tat sie Schaden, denn sie brachte dadurch über einen bis jetzt von den Kriegsunruhen nicht berührten Landstrich, der noch dazu außerhalb jeder Operationslinie lag, alle Schrecken eines solchen Zuges und sog auch dort den Boden aus, ohne irgend einer Partei nur den geringsten Nutzen zu bringen.

Aber selbst in Caracas ließ sich die Ruhe – wie sie der Regierung eben behagte – nicht vollständig aufrecht erhalten, denn die Deputierten der verschiedenen Provinzen waren wieder zusammengetreten und in einer bedeutenden Majorität in Opposition mit dem Ministerium, was sich schon bei den ersten beiden Sitzungen klar und unverkennbar herausstellte. Die Regierung, so schon von allen Seiten gedrängt, bekam dadurch auch nach dieser Richtung hin alle Hände voll zu tun, dachte aber gar nicht daran, wirkliche Zugeständnisse zu machen, sondern manipulierte hier im Kleinen genau so, wie sie es draußen im Großen tat – d. h. sie verhinderte, soweit es in ihrem Einfluß lag, die Vollständigkeit der Sitzungen, störte sie durch eingelassenes Gesindel und glaubte alles erreicht zu haben, wenn sie ein Resultat, das doch am Ende nicht ausbleiben konnte, nur um Monate – ja Wochen hinausschob.

Dadurch wuchs aber natürlich die Erbitterung nicht allein unter der gebildeten Klasse, nein, selbst unter dem Volk, dem es anfing an Arbeit zu fehlen. Mit Recht erwartete man fast jede Stunde einmal einen Ausbruch, und wer wollte da zu irgend einer Arbeit noch Leute beschäftigen und bezahlen, wo Geld und Zeit nur nutzlos hinausgeworfen wären.

Wer allein sich wohl befand, oder wenigstens ohne die geringste Sorge in die Zukunft blickte – ja, dem allem Anschein nach allein eine Zukunft in Venezuela geboten wurde, das war das Offizierkorps und vor allen Dingen diese Legion von Generalen, die Falcon geschaffen, und die er als eine feste Stütze seiner Stellung betrachtete. Und nicht nur in der Armee, nein, an dem Zollamt, in den Ministerien wie unter allen übrigen Beamten wimmelte es von Generalen. – Alte Männer und junge Burschen, mit oder ohne Uniform, liefen mit dem Generalsrang herum, und wo sie gar einen Degen an der Seite trugen, wußten sie ihres Übermuts keine Grenze mehr. Sie glaubten auch an keinen Sieg der Revolution, denn der kriegerische Lärm, der sie fortwährend umgab, übertäubte jedes Gerücht, was wohl einmal von da oder dort hätte zu ihnen dringen können. In jedem Zivilisten sahen sie außerdem einen Feind – sie hatten nicht so ganz unrecht darin – und verkehrten auch deshalb fast nur untereinander oder ausnahmsweise mit wenigen der Regierung eng befreundeten und von ihr abhängigen oder zu ihr gehörenden Kreisen.

Und aus was für einer bunten Mischlingsrasse bestanden sie. Wirklich weiße Haut fand man nur selten unter ihnen, sondern meist braune, gelbe und sogar sehr häufig völlig schwarze Gesichter, die sich dann nicht wenig in ihrer Würde brüsteten.

In Nordamerika mit seinen enormen Hilfsquellen und seiner betriebsamen Bevölkerung, wie auch einem gemäßigten und nicht entnervenden Klima, besteht unter den Mischlingsrassen ein ganz anderes Verhältnis. Die Auswanderer von ganz Europa zogen sich dorthin und überschwemmten das Land mit ihren Scharen, während der stolze und freie Sinn der nordamerikanischen Indianer nur in seltenen Fällen eine Vermischung mit der weißen Rasse der verhaßten Eroberer zuließ. Noch mehr aber verachten sie die Neger, und es würde keinem Indianermädchen je einfallen, einen solchen zu ihrem Gatten zu wählen. Deshalb sind auch in den Vereinigten Staaten die verschiedenen Rassen bis auf den heutigen Tag verhältnismäßig stark geschieden. Anders, ganz anders aber ist das in den Republiken Südamerikas, wo die Vermischung von der ersten Eroberung an bis zu jetziger Zeit ununterbrochen stattfand und die später eingeführten Neger von der schwächeren Indianerrasse fast als gleichberechtigt angenommen wurden. Eine Einwanderung von Weißen fand aber dorthin immer nur vereinzelt, aber nie in einem großen Maßstabe statt, und die natürliche Folge konnte nicht ausbleiben: daß nämlich die Mischlingsrasse und Mischlinge im vollsten Sinne des Worts die bei weitem überwiegende Klasse werden mußte.

Monagas selber, der frühere Präsident der Republik, dessen Name lange Jahre hindurch nur mit einem Fluch genannt wurde, und der jetzt trotzdem wieder Miene machte, sich an die Spitze der Revolution zu stellen, hatte etwas indianisches Blut in den Adern, und im Heer der Blauen wie Gelben zeigten sich die Abkömmlinge von Indianern und Weißen, in ihren verschiedenen Schattierungen, als die zahlreichsten und gehörten sogar nicht selten zu den intelligentesten Offizieren. Aber in Falcons Heer herrschte außer diesen auch noch die Mischung mit äthiopischem Blut bis zum vollständigen Neger vor, und die Mehrzahl von diesen sah verwahrlost genug aus.

Allerdings gab es auch in Caracas eine kleine Zahl von Generalen unter den Kreolen, die oft den ersten Familien der Stadt angehörten, die auch dann keine Zuschüsse von der Regierung brauchten und erwarteten und wie Caballeros leben konnten. Diese aber zeichneten sich auch sehr vorteilhaft vor den übrigen aus. Sie gingen in goldgestickten Uniformen einher und hielten sich in größter Sauberkeit wie auch vornehm zurückgezogen von dem größten Teil ihrer Kameraden; aber diese fühlten sich nicht etwa dadurch beleidigt, sondern hielten es im Gegenteil für ganz in Ordnung – waren sie doch von jeher keine andere Behandlung gewohnt gewesen.

Ein Teil dieser letzteren Gesellschaft nun hatte sich in der großen Eckstube eines Hauses an der Plaza de San Francisco, das zu einer Art Kaserne benutzt wurde, versammelt, und es schien ziemlich lebhaft da herzugehen. Man debattierte gerade über eine Eingabe an den Präsidenten, die den Verbrecher betraf, der nicht allein einen ihrer Kameraden auf »feige Weise,« wie sie sagten, erschossen, sondern dem Feinde auch als Spion gedient hatte und deshalb, wie man heute erfahren, von Falcon zum Tode verurteilt war – aber zum Tod durch Erschießen, und das empörte das Ehrgefühl dieser Herren.

Die Kugel – ein Soldatentod, war zu gut für ihn, und einer von diesen Herren hatte eine Petition aufgesetzt, wonach Falcon gebeten wurde, oder das Offizierkorps verlangte es vielmehr – daß der Verbrecher durch den Strang hingerichtet würde. Der Streit oder Unwille unter den Anwesenden rührte nun hauptsächlich daher, daß sich die ersten Generale, wie Bruzual z. B. und einige andere, nicht an der Adresse beteiligen, d. h. sie nicht unterschreiben wollten, und doch hatte man oben den Raum für ihre Namen offen gelassen. – Eine große Anzahl der Herren war auch der Ansicht, daß man eine Deputation geradeswegs zu Bruzual schicken solle, um ihn »im Namen des ganzen Heeres« zu veranlassen, ihrem Beispiel zu folgen. Andere aber und besonders solche, die ebenfalls einen Generalsrang bekleideten, fühlten sich dadurch in ihrer Würde gekränkt.

»Caracho« rief der eine, »ich sehe überhaupt gar nicht ein, weshalb wir die Namen der Burschen da oben brauchen. Sind wir nicht ebensogut wie sie? Und wird Falcon weniger Gewicht auf unsere Unterschriften legen, weil die paar nicht darunter stehen? Wer fehlt noch? Da oben ist noch Platz für ein halbes Dutzend.«

»Ich weiß doch nicht,« sagte ein Oberst, Vollblutindianer, sich die Mütze dabei hinten auf den Kopf rückend, indem er sich, die Lehne nach vorn, quer über einen Stuhl setzte. – »Wenn wir nur wenigstens Bruzual dabei hätten – Falcon gibt viel auf ihn und – er gehört auch eigentlich oben hin. – Hallo! wen haben wir da? – Caracho!« lachte er laut auf, als eine abenteuerliche Gestalt in der Tür sichtbar wurde – »wo hat der Kerl die Epauletten her?«

Alles drehte sich nach der bezeichneten Stelle um oder suchte einen Blick darauf zu gewinnen. Es wurde schon Dämmerung im Zimmer, obgleich die Sonne kaum untergegangen war. – In der Tür aber stand niemand anderes, als unser alter Freund Samuel Brown von La Guayra, der zum Teil sein vom Kriegsminister erhaltenes Geld, zum Teil einen neu eröffneten Kredit dazu verwandt hatte, eine abgelegte Uniform und ein paar alte Epauletten zu kaufen. Aber er war nicht imstande gewesen, diese Verbesserung auch auf den unteren Teil seiner Kleidung auszudehnen. Und selbst die Uniform paßte ihm nicht, sondern zwängte seine beiden Arme dermaßen auseinander, daß an Zuknöpfen natürlich kein Gedanke war. Solche Schultern gab es wahrscheinlich gar nicht weiter im ganzen Lande, und mit dem schmutzigen Hemd darunter und der vollkommen verwahrlosten Gestalt, die jedoch ein breites, unechtes Goldband um die Soldatenmütze trug, bot der Bursche in der Tat einen mehr traurigen als komischen Anblick. Etwas angetrunken schien er außerdem, er hätte auch sonst wohl kaum diesen Raum so ohne weiteres betreten.

Nicht ganz fest, aber doch vollkommen zuversichtlich schritt er jetzt bis ziemlich zu der nächsten Gruppe seiner »Kameraden« vor, blieb hier stehen, grüßte mit einer unbeschreiblichen Nonchalance militärisch und sagte:

»Caballeros, ich habe das Vergnügen, Ihnen einen angenehmen Abend zu wünschen.«

Die Offiziere hatten ihn zuerst mit dem größten Erstaunen eintreten sehen und schienen im Anfang noch unentschlossen, ob sie ihn nicht gleich hinausbeordern sollten. Die Neugierde siegte aber doch, was der wunderlich aufgeputzte Neger von ihnen wolle, und die größte Stille herrschte, während er heranschritt. Jetzt aber brach der Sturm los, und ein lautes, schallendes Gelächter von allen Seiten begrüßte den verblüfft um sich sehenden General, das sich nur noch verstärkte, als alle bemerkten, wie beleidigt er sich fühle.

»Caballeros,« rief jetzt Samuel erstaunt, indem er sich hoch und drohend emporrichtete, an einer freien Bewegung aber sehr durch die Uniform gehindert wurde – »ich muß Sie ersuchen! – Ich weiß in der Tat nicht, was Sie hier zu lachen finden, und verbitte mir derartiges auf das entschiedenste.«

Er bezweckte nichts weiter, als daß sich das Gelächter noch verstärkte, und jetzt lief ihm die Galle über. Zurückgesetzt war er, solange er sich in Caracas befand, und eigentlich, seinem Rang gegenüber, auf das nichtswürdigste behandelt worden. Sollte er sich das jetzt von seinesgleichen gefallen lassen? Doch die Uniform schnürte ihm die Arme ein, und er machte daher ohne weiteres Miene, sich derselben zu entledigen, als der auf dem Stuhl sitzende Oberst ihn endlich anrief:

»Hallo, mein Bursche, wer bist du eigentlich, und was willst du hier? Und wer hat dir vor allen Dingen das Recht gegeben, Generalsepauletten zu tragen? Nimm sie einmal gleich herunter, oder ich lasse dich die Nacht ins Carcel stecken, wo du dir die Sache überlegen kannst.«

Samuel Brown sah den Obersten an, und ein eigenes Lächeln stahl sich über seine breiten Züge. – Ihn auf die Wache stecken, weil er Generalsepauletten trug? Aber er antwortete nicht gleich, sondern hob langsam seine Riesenfaust zu der Brusttasche der Uniform empor, in die er nach einigen vergeblichen Versuchen nur zwei Finger hineinbrachte. Es dauerte auch einige Zeit, bis es ihm gelang, dort ein Papier oder vielmehr die Stücken eines solchen herauszufischen, mit denen er dann, ohne weiter ein Wort zu sagen, bedächtig zu dem Tisch ging und sie dort vorsichtig auszubreiten suchte.

Das arme Generalspatent war aber in der letzten Woche, wahrscheinlich durch zu häufiges Entfalten, in einen sehr traurigen und sogar für seine Existenz gefährlichen Zustand geraten. Die Stellen, wo das Papier eingefaltet gewesen, hatten sich nicht allein getrennt, sondern fingen auch schon an auszufranzen. Die Schmutzflecken traten entschiedener auf, und es wurde schon schwer, die Schrift darunter zu entziffern. Samuel Brown ließ sich dadurch nicht stören; mit seiner breiten Hand glättete er das Dokument und legte die Stücken so, daß sie zusammenpaßten, und dann erst, mit einer graziösen Bewegung darauf deutend, indem er sich selber hoch emporrichtete, sagte er:

»Caballeros! Wenn Sie gefälligst urteilen wollen, ob ich ein Recht habe, diese Epauletten zu tragen. Bitte, treten Sie näher.«

Die Offiziere, denen der Bursche anfing, Spaß zu machen, hatten sich schon um den Tisch gedrängt, aber es war zu dunkel geworden, als daß sich noch die Schrift erkennen ließ, und der Oberst rief nach einem Licht, bei dessen Schein sie denn allerdings sahen, daß ein richtiges Generalspatent vor ihnen lag.

»Und in welchem Kehrichthaufen hast du das Papier gefunden, mein Bursche?« fragte ihn der eine Offizier, ein kleiner Gesell von gelbbrauner Farbe, dicken, buschigen Augenbrauen, die nicht in einem Bogen, sondern mit einer scharfen Ecke über den Augen standen, einem kurzen, dicken, schwarzen Schnurrbart und einer etwas aufgestülpten Nase.

»Wo ich das Papier gefunden habe Sennor?« rief der Neger, indem er einen verächtlichen Blick auf den Sprecher warf; »das kann ich Ihnen genau sagen. In einem Kuvert, das vom Kriegsministerium an mich adressiert war. Befriedigt Sie das?«

»Und was wünschen Sie nun hier?« fragte der Oberst, der natürlich keine Silbe davon glaubte.

»Ich hatte gehört,« erwiderte Samuel jetzt mit einem gleichgültigen, fast vornehmen Ton, »daß das Offizierkorps sich hier versammelt habe, um eine Eingabe an den Präsidenten zu machen.«

»Von wem gehört, wenn ich fragen darf?«

»Von der Schildwache draußen.«

»Eine sehr passende Quelle für einen General!« rief lachend der Kleine, und Samuel schoß ihm wieder einen verächtlichen Blick zu, nahm aber weiter keine Notiz von ihm und fuhr fort:

»Und bin da nur eingetreten, um zuerst Ihre Bekanntschaft zu machen und meinen Namen, oder mein Zeichen vielmehr, ebenfalls darunter zu setzen.«

Jetzt brach der Sturm von neuem los, und der Kleine mit den spitzen Augenbrauen konnte sich vor Lachen gar nicht wieder beruhigen. Der Neger aber, mit gerade genug agua ardiente im Kopf, um seine sonstige Scheu vor den bisherigen Vorgesetzten zu vergessen, und wirklich empört über die Art und Weise seiner Behandlung, rief, sich zu seiner vollen Höhe emporrichtend und das Papier vom Tisch reißend:

»Ist das ein Betragen für Kavaliere? Lumpenvolk seid ihr, ganz gemeines Pack, das sich beträgt wie eine Anzahl ungezogener Jungen, und wenn ich nicht Rücksicht auf meinen Stand nähme –«

Er kam nicht weiter. Von den Soldaten, die überhaupt nicht viel von Disziplin wußten, hatte sich schon eine Anzahl in die Tür gedrängt, um zu sehen, was da drinnen mit dem großen Neger vorging, und weshalb die Offiziere so übermäßig lachten. Sie sprangen jetzt auf einen Wink der Offiziere herein und warfen sich von hinten auf den Neger, dessen Arme sie vor allen Dingen zu fassen suchten. Die ersten schüttelte er allerdings im Nu ab und schleuderte den einen mit solcher Gewalt gegen den Tisch, daß er rücklings gegen das Licht schlug und dieses auslöschte, aber es waren zu viele für ihn. Der kleine Bursche mit der gelben Gesichtsfarbe und den eckigen Augenbrauen schlug ihm dabei, während die Soldaten seine Arme hielten, mit dem Korb seines Säbels dermaßen gegen die Stirn, daß er zurücktaumelte. Der Moment genügte aber vollkommen, um ihn in die Hand seiner Feinde zu geben, die sich über ihn warfen und ihm mit großer Geschicklichkeit die Hände auf den Rücken banden.

Die anderen Offiziere hatten sich natürlich bei dem ganzen Spektakel nicht beteiligt und nur einen Kreis um den Knäuel gebildet, bis Samuel, der sich wie ein Verzweifelter gewehrt, endlich völlig übermannt da lag. Dann sagte der Oberst, der gerade die Wache hatte, mit der größten Ruhe:

»Bringt ihn hinüber ins Carcel; wir wollen morgen untersuchen, was es mit dem Burschen für eine Bewandtnis hat,« und dann, während der Neger hinausgeschleppt wurde, nahm die Gesellschaft ihre frühere Beratung wieder auf.

Sehr schlimm war in dem Kampf das Generalspatent, oder die Stücken desselben weggekommen, die der Neger gerade wieder aufnehmen wollte, als er überfallen wurde. Es lag in Fetzen auf dem schmutzigen Boden; niemand achtete natürlich darauf, und kaum eine Viertelstunde später wäre man auch schon nicht mehr imstande gewesen, nur noch einen der Schriftzüge darauf zu erkennen und zu entziffern.

Samuel Brown war General gewesen.



 << zurück weiter >>