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19. Kapitel.

In einer etwas düsteren Seitenstraße Roms, in der man kaum Gelegenheit fand, viel von der Ewigen Stadt zu sehen, in der schmalen und anspruchslosen Calle dei Bacchi, befand sich ein dreistöckiges Haus, das von den alten Schwestern Severe schon vor einer langen Reihe von Jahren als Boarding-House, dieser von England importierten Unterkunft für Reisende aller Nationen, eingerichtet worden war. Anfangs hatten sich die damals noch jüngeren beiden Damen damit begnügt, ein Stockwerk zu mieten, in dem sie Fremden Unterkunft und Kost boten, dann, als sie sahen, daß das Geschäft im Aufblühen begriffen sei, wurde ein zweites Stockwerk dazu gemietet, bis dann schließlich das ganze große Gebäude dem gleichen Zwecke zugeführt wurde und an der vorderen Fassade des Hauses man in großen Goldlettern die Bezeichnung »Pension Severe« prangen sehen konnte.

Die Reichen und Reichsten waren es freilich nicht, die da Obdach und Nahrung fanden, und zu den erstklassigen Etablissements durfte sich die Pension Severe gewiß nicht rechnen; aber für Menschen, die mit bescheidenen Mitteln zu wirtschaften hatten, war sie immerhin eine preiswerte und gute Unterkunft zu nennen, die demnach zumeist vollkommen besetzt war.

Im Laufe des Winters war nun ein junger, schöner Mann dort aufgetaucht, der sich Cavaliere Ubaldo Boschetti nannte und gleich am Tage seiner Ankunft erklärt hatte, daß er leidend sei und zur Erholung seiner gänzlich zerrütteten Nerven längere Zeit in Rom zu verweilen gedenke. Zwar neigten die Schwestern Severe zu der Ansicht, daß Rom als klimatischer Luftkurort für ein zerrüttetes Nervensystem nicht gerade das richtige Heilmittel sei, da aber der Cavaliere gut bezahlte und nicht übermäßig viel Bedienung in Anspruch nahm, waren sie mit seiner Anwesenheit ganz zufrieden. Eine Zeitlang ging alles glatt, man kümmerte sich wechselseitig nicht viel umeinander, sah sich eigentlich nur bei den Mahlzeiten und legte sich nichts in den Weg. So vergingen einige Monate. Wovon der Cavaliere lebe und was er treibe, wußten die Schwestern nicht und kümmerten sich im Grunde genommen auch wenig darum, da sie zu jenen seltenen Ausnahmen des weiblichen Geschlechtes gehörten, die nicht von der Neugierde, von der Sucht, alles ergründen zu wollen, was sie gar nichts angeht, geplagt waren. Dann aber trat plötzlich notgedrungen eine Wandlung in ihrer Empfindung ein. Der Cavaliere, der anfangs regelmäßig wie ein Uhrwerk gelebt hatte, fing an, zu den Mittagsmahlzeiten sehr unregelmäßig zu erscheinen, blieb abends wohl auch ganz aus, und was den Damen das Ärgerlichste war, es kam vor, daß er nachts nicht zurückkehrte und sich des Morgens in einem ganz entschieden angeheiterten Zustand einfand. Die Damen aber befürchteten, daß, wenn einer oder der andere der übrigen Pensionäre zufällig dieses Umstandes gewahr werden würde, das dem Ansehen des Hauses ernstlichen Schaden bringen könne. Trotz ausgeprägtem Geschäftssinn hatten die Schwestern Severe doch etwas so altjüngferlich Schüchternes, daß sie sich nicht dazu aufraffen konnten, mit dem Cavaliere ein ernstes Wort zu reden und sich seinen offenbar etwas lockeren Lebenswandel zu verbitten.

Und so ging es weiter. Die beiden alten Damen ärgerten sich, schüttelten bedenklich den Kopf, machten wohl auch untereinander die Bemerkung, daß es auffallend sei, daß der Cavaliere in Rom weder eine regelmäßige Beschäftigung noch nähere Bekannte oder Freunde haben müsse, denn er schlief zuweilen des Vormittags fast bis zur Speisestunde, rannte dafür ein andermal in aller Gottesfrühe auf und davon, empfing nie Besuche und gewöhnte sich nur immer mehr und mehr daran, die Nacht zum Tag und den Tag zur Nacht zu machen. Obzwar nun all diese Exzentrizitäten den alten Damen gar nicht behagten, schwiegen sie die längste Zeit, schwiegen so lange, bis endlich der Cavaliere auch anfing, in seinen finanziellen Obliegenheiten nachlässig zu werden, das Essen nicht wie sonst allwöchentlich bezahlte, sondern immer eine größere Summe anstehen ließ und auch mit der Wohnungsmiete im Rückstände blieb. Als Signora Elvira, die ältere der beiden Schwestern, sich dann endlich einmal ein Herz faßte und den Herrn Cavaliere bat, seinen Verpflichtungen nachzukommen, quittierte dieser ihre höflichen Vorstellungen mit unbändiger Grobheit, drohte, sofort ausziehen zu wollen und schüchterte die alte Dame dermaßen ein, daß man hätte meinen können, sie sei diejenige, die Zins und Kostgeld schuldig geblieben, und er der Mann, der sie darüber zur Rede stellte. Die unmittelbare Folge des Auftrittes, bei dessen Rückerinnerung Fräulein Elvira noch zitterte, gipfelte darin, daß der Cavaliere ihr zwar mit einer verächtlichen Gebärde eine größere Banknote hinwarf und ihr sagte, sie möge es in Zukunft besser lernen, wie man einen Cavaliere zu behandeln habe, aber in seinem Leben noch ungeregelter, noch zügelloser wurde denn bisher. Die beiden Damen zerbrachen sich über das Tun und Treiben ihres Mieters zwar unausgesetzt den Kopf, sie wurden aber nicht klüger dadurch, und es fiel ihnen auch auf, daß er nie weder Briefe noch Geldsendungen bekam. Wovon er eigentlich leben mochte, das wußte keine Menschenseele, weder die Schwestern Severe, noch die wenigen Mitbewohner der Pension, mit denen zu sprechen er sich überhaupt nicht herbeiließ.

Als der Cavaliere eines Tages zur Mittagstunde die Pension Severe verließ, hätte sich ihnen möglicherweise eine Aufklärung über das Leben ihres Mieters bieten können, aber das ahnten sie nicht und kamen somit auch gar nicht auf den Einfall, sich an seine Fersen zu heften. Cavaliere Ubaldo Boschetti hatte sorgfältiger, als es sonst in seiner Gepflogenheit lag, Toilette gemacht und sich dann mit raschen Schritten nach der Privatwohnung des Generalstab-Majors Conte Foschi begeben, und zwar aus dem Grunde, weil der Major, als er ihn in seiner Kanzlei aufgesucht, sich entschieden geweigert hatte, ihn zu empfangen, allerdings unter dem Vorwande, er sei dienstlich verhindert. Aber man kennt ja derlei Floskeln, und nun wollte sich der Cavaliere um jeden Preis eine Unterredung mit Foschi erzwingen, deren Folgen, so hoffte er wenigstens, für ihn nutzbringend sein müßten. An der Wohnung des Majors klingelte er, und als ein livrierter Diener öffnete, schob er diesen ohne Umstände beiseite und rief ihm in hochmütigem Selbstbewußtsein zu:

»Lassen Sie nur, ich melde mich bei Ihrem Herrn schon selbst an, er ist ja doch zu Hause?«

»Ja, aber –«

»Schon gut, schon gut, ich brauche kein erläuterndes Aber,« und bevor der verblüffte Diener ihm den Weg vertreten konnte, pochte er an der der Haustür gegenüberliegenden Glastür und trat ein, ehe ihn auch nur ein Hereinruf dazu aufgefordert hätte.

An einem großen, modernen Schreibtisch saß ein hochgewachsener Mann in der Uniform eines italienischen Generalstabsoffiziers, ein Mann mit kurz geschnittenem blondem Vollbart, der ihm weit eher das Aussehen eines Germanen als jenes eines Italieners verlieh. Er blickte bei Boschettis etwas formlosem Eintritt überrascht und unwillig auf und fragte lebhaft, noch bevor er seinen Besuch genauer ins Auge gefaßt hatte: »Was wünschen Sie, mein Herr, und was berechtigt Sie, mich in solcher Weise zu überfallen?«

»Die Not, Conte, zwingt mich dazu,« lautete die mit großer Bestimmtheit gegebene Erwiderung, und beim Klang dieser Stimme verriet sich in den Mienen des Offiziers ganz unverkennbarer Unwillen.

»Ah, Sie sind es, Baldoni,« sprach er ärgerlich, »wie lange werden Sie sich denn erlauben, uns wegen der geringfügigen Dienste, welche Sie uns geleistet, zu behelligen?«

»Wenn Sie fortfahren, mir so spärliche Almosen hinzuwerfen, anstatt den ausbedungenen Kaufpreis für meine Mühe und Gefahr auf einmal zu bezahlen, zwingen Sie mich, Sie bis an mein seliges Ende zu molestieren; gern geschieht es ja nicht, aber in der Not frißt der Teufel Fliegen.«

»Sie sind und bleiben doch das unverschämteste Subjekt, welches Gottes Sonne je beschienen!« rief der Offizier in steigendem Unwillen, »nicht genug damit, daß Sie den ausbedungenen Kaufpreis für den Verrat, den Sie an Ihrem Vaterland verübt, längst ganz und voll erhalten haben, erlauben Sie sich noch in aller Unendlichkeit weitere Erpressungsversuche!«

»Natürlich! Jetzt, da Sie durch mich erreichten, was Sie erreichen wollten, da Sie im Besitze dessen sind, was Ihnen hochwichtig erschien, jetzt glauben Sie, mich für die Gefahr, der ich mich ausgesetzt, für die Opfer, die ich gebracht, mit schnödem Undank lohnen zu können, so aber haben wir nicht gewettet, Herr Major!«

»Sie unterstehen sich, auch noch präpotent mit mir zu reden. Sie erbärmlicher Vaterlandsverräter! So lassen Sie sich sagen, daß Sie von uns nichts, aber rein gar nichts mehr zu erwarten haben, daß man elende, erbärmliche Reptile, wie Sie eines sind, kauft, weil ja leider Gottes die Politik eines jeden Landes durch den Verrat gewinnt, zu dem die Untertanen andrer Länder sich herabwürdigen, daß man aber solche Jammergestalten, wenn man ihrer auch bedarf, doch aus das tiefste verachtet, daß man sie bezahlt, aber verabscheut, das steht fest, und jetzt sage ich Ihnen ein für allemal, Herr Baldoni, wenn Sie noch ein einziges Mal sich unterstehen, über meine Schwelle zu treten, werde ich dafür sorgen, daß man Sie Ihrer Heimatsbehörde ausliefere, damit Ihnen dort der Lohn zuteil werde, den ein Vaterlandsverräter verdient.«

Baldoni lachte schrill auf. »Wie,« rief er, »das also ist der Dank des Hauses Savoyen? Nun, Herr Major, mich auszuliefern, das dürfte Ihnen doch schwer fallen, denn der österreichische Leutnant Ettore Baldoni ist schon längst tot und begraben, und Sie können nicht gut nachweisen, daß der bescheidene Privatmann Ubaldo Boschetti, der hier in Rom still und zurückgezogen lebt, mit dem einstigen österreichischen Offizier identisch sei, der längst von der Bildfläche verschwunden ist.«

In nervöser Ungeduld spielte der Major mit dem Falzbein, das er in Händen hielt. Er warf dem Eindringling noch einen zornigen Blick zu, öffnete dann ein Schubfach seines Schreibtisches, aus dem er eine größere Banknote nahm und legte sie mit einer verächtlichen Gebärde auf den Tisch, neben dem Baldoni stand.

»Da, nehmen Sie dieses letzte Almosen, und scheren Sie sich zum Teufel. So wahr ich ein Edelmann vom alten Schlage bin, gebe ich Ihnen mein Wort zum Pfande, daß wenn Sie sich noch einmal unterstehen, in den Bannkreis meiner Augen zu treten, ich selbst Mittel und Wege finden werde, Sie für immer unschädlich zu machen! Und nun trachten Sie, zu verschwinden, so rasch Ihre Füße Sie tragen, Sie sind bezahlt und überzahlt, wir wollen weiter mit Ihnen nichts zu tun haben!«

Ein freches süffisantes Lächeln umspielte die Lippen Baldonis.

»Ah, ich verstehe,« erwiderte er spöttisch, »der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen! Der Herr Major vergessen aber, daß man auch sein Selbstgefühl hat, und zum Lohne für die Dienste, die man geleistet, nicht wie ein Hund behandelt sein will.«

»Hüten Sie sich davor, das treueste der Tiere in einem Atem mit einem Manne zu nennen, der nicht weiß und nicht ahnt, was Treue heißt, und nun nehmen Sie Ihren Sündenlohn und gehen Sie, wenn Sie nicht wollen, daß auf meinen Befehl hin meine Leute Sie auf die Straße werfen, wo Sie nicht auf die zarteste Weise mit dem Pflaster in Kontakt kommen würden!«

Mit einem bösen, haßerfüllten Blick steckte Baldoni die Banknote in die Brusttasche und verließ ohne Gruß das Gemach, denn er wußte und fühlte nur zu gut, daß er hier vor einem Manne gestanden, von dem er nichts mehr erreichen und der sein Wort halten würde um jeden Preis. Er fühlte, daß Foschi ihn zwar benützt hatte, weil der Vorteil des Vaterlandes es erheischte, daß es aber widerwillig geschehen und daß er weder Achtung noch Duldung beanspruchen durfte von dem Manne, der ihn für den Vaterlandsverrat bezahlt.

Plötzlich murmelte er leise vor sich hin: »Ja – spielen, hasardieren, das wäre noch das einzige, und wenn man dabei dem Glück ein wenig nachhilft, corriger la fortune, wie der Franzose sagt, so ist das weiter ja auch kein Unglück! Wenn man sich nur nicht dabei erwischen läßt, das ist die Hauptsache. Vielleicht gelingt es mir auf solche Art, mir zu verschaffen, was ich nun einmal zum Leben brauche, denn zum Lasttier, das sich plagt und schindet, bin ich nicht geboren, und in den Lebenslauf eines solchen würde ich mich nie hineinfinden. Ich habe ja einige Bekannte unter der Jeunesse dorée Roms, es heißt nur, diese mehr zu frequentieren, die jungen Leute mehr an sich zu ziehen, sich ihnen unentbehrlich zu machen, dann können sie mir leicht zur Geldquelle werden, die mir alle jene Mittel verschafft, deren ich bedarf, um mich des Lebens zu freuen.«

Von jenem Tage an suchte und fand der falsche Boschetti, rekte Baldoni, denn auch die Zerstreuung, nach der er begehrte, und sein Leben wurde immer wüster. Des Nachts pflegte er jetzt fast niemals zu Hause zu sein, dafür schlief er fast den ganzen Tag, und die Schwestern Severe fragten sich bangen Herzens, wie denn das so weitergehen solle, ob sich ihr Mieter denn nicht physisch und moralisch zugrunde richten und das einzige ihnen daraus erwachsende Resultat ein großes Defizit sein werde. Sie wußten aber nicht, wie sie es anstellen sollten, die bestehenden Tatsachen zu ändern, und es gebrach ihnen auch an der erforderlichen Energie, dem Mann die Tür zu weisen, der anfing, ihnen immer unheimlicher zu werden.

So standen die Dinge seit Monaten, als plötzlich ein Ereignis eintrat, das allem eine andere Wendung gab. Im Morgengrauen eines kalten Wintertages rasselte ein Wagen vor die Pension Severe, und laut und unheimlich schlug der Klopfer gegen das schwere Haustor, welcher, wie dies in Italien häufig die Sitte ist, die Glocke ersetzte. Ein paar Augenblicke vergingen, dann erschienen verschiedene Köpfe an den Fenstern, und sowohl Frauen- wie Männerstimmen verlangten unwirsch Aufklärung für diesen ungewohnten Lärm.

»Aufmachen, aufmachen!« erscholl es ungeduldig von unten empor. »Wir bringen einen Kranken, einen Verwundeten, und es ist Gefahr in Verzug!«

»Ich habe kein Krankenhaus,« rief das ältere Fräulein Severe in strengem Ton, »fahren Sie ins Hospital und stören Sie unsere nächtliche Ruhe nicht.«

»Aber, per bacco, der Herr wohnt ja hier und begehrte, bevor er die Besinnung verlor, hieher gebracht zu werden. Wir mußten seinen Wunsch erfüllen, um so mehr, als wir es eilig hatten, der Polizei nicht in den Weg zu laufen.«

»Hier wohnt er, sagen Sie? Um wen handelt es sich denn? So sprechen Sie doch!« rief Fräulein Severe in wachsender Ungeduld.

»Wir bringen den Cavaliere Boschetti, der uns noch selbst gesagt hat, er wohne in der Pension Severe, Via dei Bacchi. Öffnen Sie doch schnell, denn es ist Gefahr in Verzug.«

Erschrocken fuhr Fräulein Severe vom Fenster zurück, und wenige Augenblicke später knirschte das schwere Haustor in den Angeln, und der Verwundete wurde von zwei kräftigen Männern in das Haus getragen.

»Großer Gott, was ist denn geschehen?« riefen die beiden Fräulein Severe in einem Atem, und der große, ernste Mann, der von den beiden der Tonangebende zu sein schien, erwiderte: »Ich kann Ihnen nur das sagen, was ich selbst weiß, und das ist nicht viel. In einem Spielsaal der Via Tremolla, in der des nachts meist eine große Gesellschaft zusammenzukommen pflegt, die bei ihren Unterhaltungen gern das wachsame Auge der Polizei meidet, kam es zu Streitigkeiten zwischen mehreren der anwesenden Gäste. Als ich das Lokal betrat, herrschte schon wüster Lärm und waren die Meinungsverschiedenheiten im vollsten Gang. Soviel ich aus den verworrenen Reden entnehmen konnte, hatte ein häufiger Besucher des Lokals, der Marchese St. Agatha, eine Zeitlang dem Spiel zugesehen, dann plötzlich seine Hand auf die Schulter Boschettis gelegt und laut erklärt, der Mann sei ein Falschspieler. Natürlich war ein lebhafter Tumult die unmittelbare Folge dieser Erklärung, und St. Agatha war in der Lage, seiner Behauptung alsbald Geltung zu verschaffen, indem er der Hand Boschettis eine bezeichnete Karte entwand; nun steigerte sich der Tumult bis zur Unerträglichkeit, und ehe man es sich dessen versah, knallte ein Schuß, den ein durch Boschetti schwer geschädigter Mitspieler abgefeuert hatte, nachdem er einige Minuten mit Boschetti gerungen, um ihn zur Übergabe seiner Spielkarten zu zwingen. Der Angegriffene, der durch die Kugel seines Angreifers in die Brust getroffen worden war, sank mit einem Wehlaut zu Boden, und alle Anwesenden, mit einem Schlage ernüchtert, erkannten die Notwendigkeit, daß schleunige Flucht geboten sei, um der Möglichkeit zu entgehen, von der Polizei, die den Schuß gehört haben konnte, gefunden zu werden. Der Angreifer und die Mehrzahl der Anwesenden hatten in unglaublich kurzer Zeit das Weite gesucht, und nur die beiden Herren, die an dem ganzen Vorfall unbeteiligt gewesen und die Boschetti, der in den ersten Augenblicken noch bei Bewußtsein gewesen, gebeten hatte, ihn heimzugeleiten, waren geblieben und hatten sich nach besten Kräften des Verwundeten angenommen.«

All das erfuhren die Schwestern Severe und diejenigen der Pensionäre, die, von der Neugierde getrieben, ihrem Morgenschlaf entsagt hatten, nach und nach von den beiden Herren, die Boschetti heimgebracht; und der Wortführer von ihnen, der sich als Dr. Fabi vorstellte, erklärte schließlich, daß es dringend geboten sei, den Verwundeten vor allem zu Bett zu bringen und das angerichtete Unheil genau und fachgemäß zu untersuchen; er sei zwar selbst Arzt, wolle aber die Verantwortung nicht allein auf sich nehmen und bitte daher die Damen, ihren Hausarzt möglichst rasch herbeizurufen, damit im Verein und Einverständnis mit ihm alles geschehe, was der Fall erheische. Die Damen waren natürlich dankerfüllt mit diesem Vorschlag einverstanden, und der Begleiter Dr. Fabis erklärte sich sofort bereit, den Arzt herbeizuholen, wenn man ihm dessen Adresse angebe. Selbstverständlich beeilten sich die Schwestern Severe, dies zu tun, und so fügte es sich, daß, als das Tagesleben der Großstadt begann, der Cavaliere Boschetti bereits in seinem Bett lag und zwei Ärzte sich umsichtig mit ihm beschäftigten, um darüber ins klare zu kommen, welcher Art die Verwundung sei und was man für die Herstellung des Patienten zu tun habe.


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