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11. Kapitel.

Als Frau von Marfen dem Sohn allein gegenüberstand, hatte sie, von bangster Sorge dazu getrieben, pochenden Herzens die Frage an ihn gestellt, ob er denn gar keine Ahnung habe, wie das Verschwinden jener wichtigen Pläne möglich gewesen sei, und selbst seine barsche, kurze Ablehnung ließ sie nicht davor zurückschrecken, die Frage aufzuwerfen, ob denn während ihrer Abwesenheit in Neuhaus irgend eine andere Tageseinteilung getroffen worden sei, ob sein Arbeitszimmer oft leer gewesen oder ob Ola und der kleine Alfi sich häufig darin aufgehalten hatten? Ein scharfer Blick des Sohnes streifte sie, dann stieß er zornbebend hervor. »Wozu diese Frage? Es fehlt nur noch, daß du dich dazu herabwürdigst, Ola mit dem Verschwinden jener Pläne in Zusammenhang zu bringen! Dein Haß gegen das arme Weib, welches offenbar ein Martyrium in meinem Hause erduldet haben muß, geht denn doch zu weit und läßt dich jede Grenze vergessen!«

»Ein Martyrium in deinem Hause? Ich wüßte nicht inwiefern. Wenn ich nach der Art, wie Ola von dir gegangen, nicht gut auf sie zu sprechen bin, so mußt du das meiner Liebe für dich zugute schreiben, einen Verdacht, eine Anklage gegen Ola bezüglich des Verschwindens jener Pläne habe ich nicht aussprechen wollen. Ich meinte nur, daß, wenn das Zimmer viel benützt wurde und nicht so abgesperrt war wie in frühern Zeiten, sich immerhin jemand leichter hat einschleichen können und mithin der Diebstahl der Pläne sich auf natürlichem Wege erklären ließe. Siehst du, mein Kind, es tut mir so unermeßlich leid, daß du, der du mich einst so gut verstanden, dieses während deiner Ehe so vollständig verlernt hast, daß du bei der einfachsten, natürlichsten Frage böswillige Absicht siehst. Diese Wandlung deiner Denkungsart, die lege ich Ola zur Last, und das ist es, was ich ihr in erster Linie übelnehme, daß sie es zustandegebracht hat, mir den Sohn zu entfremden, und sich trennend zwischen mich und dich gestellt hat!«

»Natürlich, du mußt ja irgend etwas finden, um ihr eine Schuld beizumessen. Daß dieser Sohn sich aber möglicherweise gekränkt und verletzt von dir abgewandt hat, weil er sah, wie gehässig und lieblos du dich gegen die Frau benommen, die sein ganzes Lebensglück ausgemacht, das wirst du nicht gelten lassen. Doch es hat keinen Zweck, über Tatsachen zu reden, die sich nicht ändern lassen; nicht ich bin ein anderer geworden, sondern du, und zwar ist die Eifersucht die Triebfeder gewesen, welche diese Wandlung in dir vollzogen hat. Du wolltest, daß ich nur dir allein lebe, und hast vergessen, daß ich ja doch auch Ansprüche an das Leben zu machen habe, daß es widernatürlich wäre, wenn ich mein ganzes Dasein nur der Mutter weihe! Doch lassen wir das, es hat keinen Zweck, uns jetzt in Erörterungen einzulassen, wie alles war, ist oder sein könnte! Mein Glück liegt weit hinter mir, und du, du trägst die Hauptschuld daran, daß es mir verloren ist, ob wirklich für immer, das freilich wird erst die Zukunft lehren. Momentan aber sehe ich ein, daß ich mein ganzes Wollen und Können aufraffen muß, um der Gegenwart zu leben, um wenn möglich, das Unheil wieder gutzumachen, welches über mich hereingebrochen ist oder über mich hereinzubrechen droht. Ich bitte dabei nicht um deine Hilfe, denn ich habe mit der Frau, die mich verlassen, auch die Mutter verloren, deren kaltes, liebloses Benehmen ohne Zweifel die arme, verkannte Frau in die Ferne trieb, und ich will auch keinen Beistand mehr von der Mutter annehmen, die mir eine Fremde geworden.«

Frau von Marfen blickte ihren Sohn mit entsetzten Augen an. So weit also war es gekommen! Die Macht jener unseligen Frau war wirklich so groß, daß sie eine unüberbrückbare Kluft zwischen ihr und ihrem Sohne zustande gebracht hatte, eine Kluft, in der alles begraben zu liegen schien, was er einst an Kindesliebe für sie empfunden haben mochte!

»Laß uns in diesen ernsten Zeiten nicht Streit suchen, Kind,« sprach sie mit erzwungener Ruhe. Unsere beiderseitige Pflicht ist es nun in erster Linie, Klein-Alfi die Mutter zu ersetzen, die von ihm gegangen, und so sehr du auch geneigt scheinst, ungünstig über mich zu urteilen, so wirst du mir doch wohl insofern Gerechtigkeit widerfahren lassen, überzeugt zu sein, daß ich nach besten Kräften für dein Kind sorgen werde.«

Höhnisch entgegnete er: »O gewiß, solange du ein hilfloses, kleines Geschöpf vor dir siehst, das automatenhaft alles tun wird, was du ihm befiehlest, bleibst du sicherlich die beste aller Großmütter. Aber wehe, wenn der Junge heranwächst, zur Erkenntnis eigener Menschenrechte kommt und selbstständig irgend etwas will, dann wird er ebenso tyrannisiert und geknechtet, wie ich es wurde, bis ich endlich zum Bewußtsein meiner eigenen Individualität gelangte und mich selbstständig machte. Das natürlich war ein Verbrechen, das du mir nie verziehen und welches meiner armen Ola heimgezahlt wurde.«

Frau von Warfen biß die Lippen aufeinander, sie grub die Fingernägel konvulsivisch in das Fleisch, um ruhig bleiben zu können und kein Wort der Entgegnung auf diese ungerechte Anschuldigung zu geben. Und es gelang ihr, sie schwieg, schwieg, weil sie es für ihre Pflicht hielt, den Unglücklichen, Verblendeten nicht zu reizen. »Du kannst überzeugt sein, Robert, daß, solange Alfi meiner Sorge anheimgegeben ist, ihm nichts, gar nichts fehlen soll. Später, wenn er heranwächst, wird es sich ja von selbst fügen, daß er, um sich für irgend einen Beruf vorzubereiten, von mir getrennt wird; somit hast du weder meinen Einfluß noch meinen von dir als nahezu despotisch hingestellten Willen zu befürchten. Momentan aber hat die völlige Herstellung deiner Gesundheit und die Ergründung jenes verhängnisvollen Geheimnisses deine erste Sorge zu sein, und damit du dich diesen ernsten Dingen ganz widmen kannst, werde ich mit dem Kinde für eine Weile über Land fahren. Die Ferienzeit läßt sich dazu benützen. Rufe uns zurück, wenn du unser bedarfst.« Noch einen Augenblick stand sie zögernd still, als er aber kein Wort der Entschuldigung für sein schroffes Wesen, kein Wort des Dankes dafür fand, daß sie unermüdlich bereit war, neue Pflichten auf sich zu nehmen, die für ihre vorgerückten Jahre doch manche Mühe im Gefolge hatten, verließ sie mit einer leichten Neigung des Hauptes wortlos das Gemach.

*

Hauptmann Robert von Warfen hatte Tage durchlitten, die begreiflicherweise niederschmetternd auf ihn wirken mußten, Oberstleutnant von König hatte keine Mühe und keine Auslage gescheut, um im Verein mit Warfen alles nur Denkbare zu tun, um dem Verschwinden jener verhängnisvollen Pläne auf die Spur zu kommen, aber jede Mühe hatte sich als vergeblich erwiesen, und nach langen, qualvollen Wochen war man nicht um ein Atom klüger geworden als in der Stunde, da der Verlust der Papiere entdeckt worden war. Mit schwerem Herzen mußte sich Oberstleutnant von König entschließen, den Vorfall dem Ministerium zur Kenntnis zu bringen, aber er beschloß, dieses persönlich zu tun, weil er dachte, auf diese Weise die Sachlage in richtigem Licht darstellen zu können und Marfen dadurch am meisten zu nützen, daß er mit der ganzen Macht seiner Persönlichkeit für ihn eintrat. Der Hauptmann war noch immer seiner langen Krankheit wegen vom Dienst dispensiert, und Oberstleutnant von König hatte es wirklich zustandegebracht, daß nicht einmal gerüchtweise bisher irgend etwas von dem unliebsamen Zwischenfall bekannt geworden war. Trotzdem wußte er genau, daß sich für die Dauer die Sache nicht werde verheimlichen lassen, daß auch die Konsequenzen nicht so ganz belanglos sein würden, und er beklagte dies ganz ungemein, fast mehr noch wegen der armen Frau von Marfen als wegen deren Sohn. Letzterer hatte sich in einer vielleicht durch seine Krankheit erklärten, aber doch immerhin etwas auffallender Weise von den Kameraden zurückgezogen. Er lebte als Sonderling, aber man fand dafür die Erklärung, daß der Skandal, den seine Frau ihm angetan, ihn derartig niederdrücke, daß er zum Misanthropen geworden, der den Umgang mit Menschen scheue.

Oberstleutnant von König war ungefähr eine Woche lang in Wien gewesen und kam in sehr gedrückter Stimmung nach Hause. Er ließ Marfen alsbald zu sich bescheiden, und was er ihm mitzuteilen hatte, wirkte begreiflicherweise niederschmetternd auf den Hauptmann. Obzwar Oberstleutnant von König persönlich für ihn eingestanden war, erklärte das Ministerium, von einer gerichtlichen Untersuchung des ganzen Vorfalles nicht absehen zu können und beauftragte Oberstleutnant von König, den Hauptmann von Marfen einstweilen in Haft zu nehmen und den Vorsitz bei der ganzen Untersuchung zu führen. Er mußte es noch als besondere Begünstigung, ja als ein Vertrauensvotum ansehen, daß man gerade ihn mit dieser Mission betraute, und er hoffte auch, Marfen mehr nützen zu können, als wenn ein anderer dazu auserlesen worden wäre, der Robert keinerlei persönliches Interesse entgegengebracht hätte.

»Ich brauche dir nicht erst die Versicherung zu geben,« bemerkte König zu Marfen, »daß ich den Auftrag, den man mir erteilt hat, nicht übernommen hätte, wenn ich nicht von deiner Unschuld vollkommen überzeugt wäre. Du magst auch überzeugt sein, daß ich das menschenmöglichste tun will, um diese ans Tageslicht zu bringen, aber ich erwarte auch von dir, daß du nicht den Kopf verlierst, daß du mir das Ehrenwort gibst, dir nicht etwa in einem momentanen Verzweiflungsanfall das Leben zu nehmen.«

Marfen hatte mit undurchdringlicher Miene den Auseinandersetzungen seines Vorgesetzten gelauscht, jetzt lachte er plötzlich laut und bitter auf.

»Mir das Leben nehmen? Nein, Herr Oberstleutnant, dessen magst du gewiß sein, so dumm bin ich nicht. Damit würde ich ja meinen Feinden in die Hand arbeiten und einen Beweis meiner Schuld erbringen. Ich aber will leben, will dem Feinde nachspüren, der ohne Zweifel mein Verderben im Schilde führte. Es mag ja sein, daß es sich um Spionage, um Hochverrat handelt, aber ein persönlicher Racheakt hat dabei auch mitzureden, dessen glaube ich ganz gewiß sein zu können. Ich begreife vollständig, daß gegen mich vorgegangen werden muß, so wie es geschieht, aber ich bin auch fest entschlossen, mir die Lebensaufgabe zu stellen, des anonymen Feindes habhaft zu werden, der meinen Untergang geplant hat.«

»Ich kann dich nur wegen der Entschlossenheit und Würde deines Auftretens beglückwünschen,« erwiderte Oberstleutnant von König, »laß uns hoffen, daß es rascher, als wir annehmen, gelingen werde, Klarheit in das Dunkel dieser Sache zu bringen. Unser privates Gespräch ist nun beendet, ich werde daher die Schritte einleiten, die ich als Vorgesetzter zu tun bemüßigt bin, du magst aber die Überzeugung mit dir nach Hause nehmen, daß auch der Vorgesetzte dir immer wohlwollend gesinnt bleibt und das möglichste tun wird, um dir in den enggezogenen Grenzen dessen, was meine dienstliche Mission mir gestattet, nützlich zu sein. Deine verehrte Frau Mutter, die sich, wie ich höre, in Portorose aufhält, werde ich noch heute nachmittag persönlich von dem verständigen, was sie erfahren muß, und ich hoffe auch ihr die Überzeugung beibringen zu können, daß deine Angelegenheit bei mir in den wohlwollendsten Händen ist.«

Marfen dankte dem Oberstleutnant sichtlich bewegt. Seit der Flucht seiner Frau, die ihn wie ein Keulenschlag getroffen und ihn gewissermaßen für alles abgestumpft zu haben schien, hatte er noch nie einen Augenblick gehabt, in dem er in seinem ganzen Wesen ein wärmendes Empfinden an den Tag gelegt haben würde, und seine Mutter war die erste gewesen, die furchtbar unter der starren Kälte gelitten, welche er zur Schau trug und die ganz besonders ihr gegenüber zuweilen zu brutaler Roheit ausartete.

Oberstleutnant von König suchte Frau von Marfen in Portorose auf und ließ sich bei ihr melden. Wenige Augenblicke später trat er bei ihr ein, und ein Blick in sein ernstes Antlitz genügte, um sie zu überzeugen, daß ihre schlimmsten Befürchtungen eingetroffen sein mußten. Ohne viel Umschweife, in knapper, klarer, wenn auch schonungsvoller Form orientierte er sie über alles, was sich während ihres Aufenthaltes in Portorose ereignet hatte, berichtete er, wie alle Nachforschungen nach den verschwundenen Plänen sich als vollkommen vergeblich erwiesen hätten und er somit gezwungen gewesen sei, dem Ministerium seinen Bericht zu erstatten, das ihm natürlich jene Weisungen erteilt hatte, deren man gewärtig sein mußte. Frau von Marfen war anscheinend vollkommen ruhig dagesessen und hatte den Auseinandersetzungen des Oberstleutnants gelauscht. Wer sie kannte, konnte freilich an der Art, wie sie ihre Hände ineinanderpreßte, und an einem nervösen Zucken um den Mund erraten, wie tiefbewegt sie sei. Anscheinend aber blieb sie für jeden, der kein besonders scharfer Beobachter war, vollkommen ruhig. Als Oberstleutnant von König sie endlich in kurzen Worten darauf vorbereitet hatte, welcher der Weg sei, der nun eingeschlagen werden mußte, und darauf hinwies, daß er gewiß das möglichste tun werde, um dem jüngeren Kameraden beizustehen, fragte sie leise und angstvoll: »Glauben Sie, daß Robert stark genug sein wird, diesen Schlag, der ihn wie ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen, zu ertragen?«

»Ob ich es glaube? Seit heute bin ich dessen gewiß. Ich gestehe Ihnen ehrlich, gnädige Frau, daß ich nicht frei gewesen bin von der Bangigkeit, die auch Sie bedrückt, daß ich Ihrem Sohne eine Kopflosigkeit zugetraut habe. Ich deutete diese meine Befürchtung ihm gegenüber klar an, die Art aber, wie er sie zurückwies, hat mich wesentlich beruhigt. Er sagte mir ganz unumwunden, daß er seinen Feinden nicht das Vergnügen antun werde, sich eine Kugel durch den Kopf zu jagen, weil er damit den Beweis einer Schuld erbrächte, die er nie auf sich geladen. Er hat, ich kann sagen, mit fast hohnvoller Sicherheit geredet, und wenn in meiner Seele überhaupt der leiseste Zweifel bezüglich seiner Unschuld bestanden haben würde, so wäre dieser Zweifel durch seine Art für immer zum Schweigen gebracht.«

»Wenn Sie es für angezeigt halten, bin ich natürlich sofort bereit, mich zu meinem Sohne zu begeben, aber ob es von Nutzen sein wird, das … das weiß ich nicht. Mein Gott, verehrter Freund, Sie wissen ja, welch schweres Unglück meinen Sohn in seiner Familie getroffen. Sie wissen, daß ihm das ärgste widerfahren, was das angetraute Weib dem Manne anzutun vermag! Er aber in seiner blinden Liebe mißt mir die Schuld an diesem Unglück bei, glaubt, seine Frau sei von ihm gegangen, weil ich ihr das Leben schwer gemacht, und da sie seit Jahren schon systematisch gegen mich unterminiert hat, begegnet er mir jetzt mit einer, fast möchte ich sagen, brutalen Gehässigkeit, die ich einzig und allein jener unglückseligen Frau zu danken habe.«

»Gnädige Frau, gehen sie über seine Art hinweg, in der Liebe der Mutter liegt auch die Fähigkeit, alles zu verzeihen, wenn auch nicht vergessen zu können. Sagen Sie sich, Ihr Sohn sei krank, es sei ein hitziges Fieber über ihn gekommen, in dem er irre redet. Üben Sie Geduld und Nachsicht, und denken Sie nur an die Tatsache, daß jetzt Schweres auf ihm lastet, wodurch er als Mann und Offizier nicht wenig leidet. Bedenken Sie das und glauben Sie mir, es wird die Zeit kommen, in der er wieder abgeklärt und ruhig denken wird, in der er Ihnen sicherlich jedes harte Wort abbittet, das er jetzt zu Ihnen sprechen mag. Welche Mutter hat keine Leidenstage zu verzeichnen, und wer sollte im Leben verzeihen, wenn die Mutter es nicht tut. Lieben heißt leiden, und je heiliger, je reiner, je selbstloser man liebt, um so mehr leidet man. Daß aber von allen Arten der Liebe jene der Mutter die selbstloseste ist, das muß jeder zugeben, der es gelernt hat, mit klarem Blick im Leben Umschau zu halten.«

*

Frau von Marfen hatte dem Rate Königs Folge geleistet und war schon am nächsten Tage in das Heim ihres Sohnes zurückgekehrt. Die Wochen und Monate, welche vergingen, bis die peinliche schwebende Frage zum Abschluß kam, sollten für die ganze Dauer ihres ferneren Lebens zu den bittersten ihrer Erinnerung gehören, aber trotz allem ließ sie den Mut nicht sinken und wurde für Robert zur kraftvollen Stütze, ohne daß er sich dessen selbst so recht bewußt gewesen wäre. Oberstleutnant von König hatte zwar das möglichste getan, um Robert höheren Orts als vollkommen schuldlos hinzustellen, aber das Vertrauen, welches man ihm entgegengebracht, war nun einmal dahin, und wenn man ihm auch kein positives Vergehen zur Last zu legen vermochte, so fühlten sich die hohen Vorgesetzten doch bereit, eine Fahrlässigkeit bei ihm vorauszusetzen, welche es unmöglich machte, ihm auch fernerhin jenes Vertrauen entgegenzubringen, das man ihm bis nun erwiesen hatte. König setzte sich zwar mit der ganzen Macht seiner Persönlichkeit für ihn ein, brachte es aber doch nicht zuwege, an maßgebender Stelle von seiner völligen Unschuld zu überzeugen. Er war es schließlich selbst, der Robert den Rat erteilte, er möge um seine Pensionierung einkommen und auf solche Art seine militärische Laufbahn zu vorzeitigem Abschluß bringen. Die Pläne waren und blieben verschwunden, und wenn er auch seine Unschuld beteuerte, so gebrach es ihm doch an den erforderlichen Mitteln, sie zu beweisen, und er mußte es noch als eine günstige Schicksalsfügung ansehen, daß man, weil man voraussichtlich zu keinem Resultat kam, die Untersuchung niederschlug und sein Gesuch um Pensionierung bewilligte. Durchhalten und auf eine Zukunft hoffen, die sie vielleicht doch noch entschädigen würde für die grausame, harte Gegenwart! Frau von Marfen sagte sich, daß dies das einzige sei, was sich tun ließ, denn lieben heißt leiden, und wenn auch ihr Sohn in der Liebe Schiffbruch erlitten, das Mutterherz würde treu zu ihm halten, jetzt und immerdar.


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