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21.
Warnung

Es war Spiller, der mir diese so überraschende Nachricht überbrachte. Er kam Nach Schloß Renardsmere einige Stunden, nachdem der Hausmeister von Park Lane gegangen war, und ich merkte sofort, daß er mir Hochwichtiges mitzuteilen hatte.

Peyton war grade bei mir, als er ankam, aber da Spiller mich offensichtlich unter vier Augen sprechen wollte, ging ich gleich mit ihm in ein andres Zimmer.

»Was ist los, Spiller?« fragte ich, als ich die Tür schloß. »Irgend etwas Neues passiert?«

Er sah mich vielsagend an und klopfte mir auf die Schulter.

»Macfarlane«, sagte er, »Macfarlane, Mr. Cranage. Darum bin ich hier.«

Unter diesem Namen war der Anführer der drei, die nun in Untersuchungshaft saßen, bekannt. Ob das sein wirklicher Name war oder nicht, weiß ich nicht. Jedenfalls führte er ihn während seiner unrühmlichen Laufbahn als Assistenzarzt in Portsmouth, und dieser Name stand auch in den Polizeiakten.

»Was ist mit Macfarlane los?« sagte ich. »Er ist doch nicht etwa ausgebrochen?«

»Ausgebrochen?« lachte er. »Kein Gedanke daran, Mr. Cranage! Keiner von den dreien hat die geringste Chance, zu entfliehen. Nein – er will Sie sprechen.«

»Was? Mich!« rief ich aus. »Warum nur?«

»Das hat er keinem verraten«, antwortete er. »Er hat dem Gefängnisdirektor während der letzten Tage deswegen in den Ohren gelegen. Er behauptet, er hätte Ihnen etwas von großer Wichtigkeit mitzuteilen, und ich kam hierher, um es Sie wissen zu lassen.«

»Irgend etwas Persönliches?« fragte ich.

»Weiß ich nicht. Hab' keine Ahnung, was es sein könnte«, antwortete Spiller. »Ganz allein werden Sie ihn aber nicht sprechen können. Es werden ein oder mehrere Wärter dabei sein, aber das wird ihn nicht stören. Die Frage ist, wollen Sie hingehen?«

»Ich müßte es wohl«, sagte ich. »Was würden Sie an meiner Stelle tun?«

»Ich würde hingehen«, antwortete er. »Sie können vielleicht allerhand erfahren. Er hat niemand, nicht einmal einen Rechtsanwalt, sprechen wollen, seitdem er und die beiden andern ins Untersuchungsgefängnis eingeliefert wurden. Aber jetzt ist er mehr als scharf darauf, Sie zu sehen. Das ist ein todsicherer Beweis dafür, daß er Ihnen irgend etwas Wichtiges zu sagen hat.«

»Nun, wann denn?« fragte ich.

»Treffen Sie mich morgen um zwölf Uhr vor dem Haupteingang des Gefängnisses«, sagte er. »Ich werde alles für Sie arrangieren. Sie können doch mit dem Wagen hinfahren, Mr. Cranage?«

»Ja«, antwortete ich. »Ich werde Punkt zwölf Uhr da sein.«

Er verabschiedete sich bald darauf, und ich suchte Peyton auf und erzählte ihm, daß Macfarlane mich durchaus sprechen wollte.

»Er wird mir doch nicht ein Geständnis ablegen wollen«, sagte ich. »Das wäre doch …«

»Kein Geständnis«, unterbrach Peyton. »Ich glaube ganz bestimmt, daß der Mann bis zum bitteren Ende durchhalten und nicht ein Wort über die ganze Geschichte verlieren wird. Er spielte um einen hohen Einsatz und verlor, und er wird seine Niederlage schweigend hinnehmen. Es wird schon etwas Ungewöhnliches sein.«

Wir machten miteinander aus, daß Peyton mich hinbegleiten und im Auto auf mich warten sollte. Walker fuhr uns nach Portsmouth, und um zwölf Uhr hielten wir vor dem Haupteingang des Gefängnisses, wo Spiller schon auf mich wartete.

Zehn Minuten später stand ich in einem schmutzfarbenen, zellenähnlichen Raum, der durch ein doppeltes Eisengitter geteilt war. Gleich darauf wurden Schlüssel umgedreht und Riegel zurückgeschoben, und Macfarlane kam, von zwei Wärtern begleitet, herein. Ich sah ihn neugierig an. Er war wenig verändert, etwas an ihm erinnerte an ein gefangenes Tier. Er ignorierte die Lage, in der er sich befand, und nickte mir zu, als ob wir unter ganz normalen Umständen zusammenträfen.

»Guten Tag, Mr. Cranage«, sagte er und trat ganz nah ans Gitter. »Ich danke Ihnen für Ihren Besuch.«

»Sie haben mir etwas mitzuteilen?« fragte ich.

»Ja«, sagte er. Dann hielt er inne und sah mich fest an. »Zuerst eine Frage; wissen Sie, wo Lady Renardsmere sich augenblicklich aufhält?«

»Nein«, antwortete ich. »Das weiß ich nicht.«

»Ich weiß, daß nächsten Mittwoch das Derbyrennen stattfindet«, fuhr er mit einem finsteren Lächeln fort. »Werden Sie Lady Renardsmere vor dem Mittwoch sehen?«

»Ich weiß es nicht genau, ich hoffe es aber«, antwortete ich.

»Aber auf jeden Fall können Sie doch Miß Manson jederzeit sprechen? Heute noch, in ein oder zwei Stunden, nicht wahr«, sagte er eifrig.

»Ja«, gab ich zu. »Wenn nötig, heute nachmittag noch.«

Diese Antwort schien ihn zu erfreuen, und er preßte sich noch näher an das Gitter.

»Ich bin hier eingesperrt«, sagte er mit sarkastischem Lächeln. »Mein Abenteuer hört hier auf – jedenfalls für die nächste Zeit. Spiel verloren. Aber ich bin immer Sportsmann gewesen und werde es bis zuletzt bleiben. Wenn Sie nicht sofort mit Lady Renardsmere in Verbindung treten können, so können Sie wenigstens mit Miß Manson sprechen. Das wollte ich Ihnen sagen – die Stute ist in Gefahr!«

Ich trat vor lauter Überraschung vom Gitter zurück; ich glaube auch, daß die Wärter, die, abgestumpft wie sie waren, uninteressiert daneben gestanden hatten, zusammenfuhren – auf jeden Fall weiß ich genau, daß wir Macfarlane anstarrten, als ob er uns Unfaßliches erzählt hätte.

»Was?« rief ich aus. »Rippling Ruby?«

»Rippling Ruby«, antwortete er mit einem Kopfnicken. »Ich sage Ihnen, die Stute ist in Gefahr.«

»In was für einer Gefahr?« fragte ich. »Was sollte denn eintreten?«

»Es wird etwas eintreten, das es ihr unmöglich macht, das Rennen zu gewinnen«, sagte er ruhig. »Ich bin hier eingesperrt, das Abenteuer ist für mich vorbei, aber ich bin ein Sportsmann, und die Stute ist das edelste Pferd, das ich je gesehen habe – und verflucht nochmal, ich sage es Ihnen ja«, rief er ganz aufgebracht, »gehen Sie zu Miß Manson und sagen Sie ihr, sie soll um alles in der Welt willen die Stute, bis sie zum Rennen gesattelt wird, Tag und Nacht selbst bewachen!«

Hierauf konnte ich überhaupt nichts antworten, ich stand nur da und starrte ihn an.

»Es ist wahr, was ich Ihnen sage, Cranage«, wiederholte er. »Es stimmt!«

»Aber«, stotterte ich endlich, »die Stute wird ja seit Wochen Tag und Nacht bewacht. Eine ganze Schar von Privatdetektiven …«

»Ach was, diese Privatdetektive«, unterbrach er irritiert. »Ich weiß schon, was ich sage. Fahren Sie sofort zu Miß Manson und sagen Sie ihr alles. Sie, und auch Sie und der Amerikaner sollten abwechselnd Rippling Ruby bewachen, buchstäblich bis das Startzeichen gegeben wird!« Er stockte plötzlich, und seine finsteren Augen sahen mich merkwürdig an. Und ebenso plötzlich lachte er auf, und als er wieder sprach, klang seine Stimme zynisch.

»Kann mich nicht daran erinnern, jemals irgend jemand was Gutes angetan zu haben, Cranage«, sagte er. »Bin seit meiner Jugend selber zuviel herumgestoßen worden. Wer irgendwie tut es mir gut, daß ich einem Pferde was Gutes erweise. So, das wäre alles, Cranage, nun gehen Sie.«

Er drehte sich um und ging schnell aus dem Raum. Ich beeilte mich, aus dem düsteren Gefängnis herauszukommen, um wieder zu Spiller und zu Peyton zu kommen, die auf mich im Wagen draußen warteten.

Spiller sah mich forschend an, er konnte seine Neugierde nicht verbergen. Ich wollte ihm aber nichts sagen; dies ging nur mich etwas an.

»Ich habe ihn gesehen und gesprochen, Spiller«, sagte ich und stieg ins Auto ein. »Ich kann Ihnen nichts sagen, es wurde mir im Vertrauen mitgeteilt. Guten Tag. Fahren Sie ab, Walker.«

Wir waren schon außerhalb der Stadt, bevor ich mit Peyton darüber sprach. Ich befahl Walker, an einem alten Gasthaus, das an der Straße lag, zu halten, ging mit Peyton hinein, und bei Butterbrot und Käse und einem Glas Bier erzählte ich ihm alles.

»Was halten Sie davon?« fragte ich.

»Daß höchstwahrscheinlich alles, was er Ihnen gesagt hat, wahr ist«, antwortete er.

»Aber wieso, warum?« rief ich aus. »Was hat die Stute mit diesen Morden zu tun? Wie kann sie mit hineingezogen werden?«

»Lady Renardsmere ist darin verwickelt«, sagte er. »Ihr gehört die Stute.«

Ich überlegte mir die ganzen Zusammenhänge.

»Sie meinen doch nicht, daß der Chinese sich rächen will?« fragte ich plötzlich.

»Vielleicht«, sagte er. »Jedenfalls wissen Sie nicht und auch sonst niemand, womit wir zu rechnen haben. Der Mann, den Sie eben gesprochen haben, weiß mehr, als er Ihnen gesagt hat. Merkwürdiger Zug in seinem Charakter, daß er Ihnen überhaupt soviel erzählt hat. Aber er hat es Ihnen gesagt, und nun handeln Sie danach.«

»Was soll ich denn tun?« fragte ich.

»Sofort zu Miß Manson gehen und ihr alles berichten«, antwortete er. »Er hat Ihnen doch vorgeschlagen, daß wir drei abwechselnd Tag und Nacht wachen sollten. Ich mache mit.«

»Ich denke, wir beide könnten das allein besorgen«, sagte ich. »Sie bei Tag und ich bei Nacht. Wenn dann die Stute nicht sicher sein sollte, mit all den Detektiven und Stallburschen um sie herum …«

»Lassen Sie uns nach Manson Lodge fahren«, sagte er. »Je eher sie es weiß, desto besser. Aber, Cranage …«

Er unterbrach sich, schüttelte den Kopf und spitzte die Lippen.

»Was?« fragte ich.

»Der Chinese steckt schon wieder dahinter«, sagte er. »Macfarlane hat ihn in diesem Punkt verraten. Ja, es ist schon der Chinese. Da geht irgend etwas vor – aber was ist es nur? Der Chinese und seine Helfershelfer sind immer einen Tag zu spät auf die Spur gekommen; so war es bei Holliment, Quartervayne, Neamore und Pennithwaite. Aber Macfarlane weiß, daß, obwohl er und die beiden andern sitzen, der Chinese noch frei umherläuft und etwas vorhat, das Erfolg verspricht. Was ist das? Es muß mit dieser Stute und Lady Renardsmere zusammenhängen. Kein Mensch weiß, wo Lady Renardsmere ist, aber wo die Stute ist, weiß jeder. Kommen Sie, wir wollen zu Miß Manson fahren.«

Wir trafen in Manson Lodge ein, grade als Miß Hepple und Peggy zu Tisch gingen. Sie baten uns, mitzuessen, aber wir waren beide zu aufgeregt, um irgendeinen Bissen zu uns nehmen zu können. Ich konnte es kaum abwarten, bis Peggy das Dienstmädchen hinausgeschickt hatte, und wir allein waren. Dann erzählte ich alles von Anfang bis zu Ende. Miß Hepple wurde ernster und ernster, aber Peggy wurde immer ungeduldiger und ärgerlicher.

»Die ganze Sache ist ja einfach unerhört!« rief sie, als ich geendet hatte. »Es ist ganz unmöglich, daß man der Stute etwas antun könnte! Solcher Unsinn ist mir noch nie vorgekommen! Kein Pferd ist jemals so bewacht worden! Wie sollte jemand an sie 'rankommen? Erstens bin ich da, ich bin schon vollkommen abgemagert von diesem ewigen Aufpassen! Dann ist noch Bradgett da, der ist auch schon vor lauter Sorge abgezehrt. Der Stallbursche paßt noch auf, ich muß ihn buchstäblich aus dem Stall jagen, sonst ißt und schläft er nicht. Dann sind alle meine Angestellten immer in ihrer Nähe. Und dazu noch sechs Privatdetektive, die sich auf Lady Renardsmeres Kosten satt essen und auch noch Tag und Nacht Wache stehn! Die ganze Sache ist einfach lachhaft! Sie hat nie die Nase aus ihrem Stall stecken können, ohne daß nicht zwanzig Paar Augen aufpaßten, sie ist nie auf die Weide geführt worden, ohne nicht wie ein Pascha begleitet zu sein. Ich sage Ihnen, es war und es ist vollkommen unmöglich, in ihre Nähe zu kommen. Es ist Blödsinn!«

»Ich glaube nicht«, sagte Peyton ruhig. »Nein.«

Peggy legte Messer und Gabel hin und sah ihn an. Ihr Gesicht war noch hochrot vor Arger, aber, wie Peyton sie so ruhig ansah, bekam sie ihre natürliche Farbe wieder, und ich merkte, wie sie sich beruhigte.

»Ich glaube, Sie haben einen gesunden Menschenverstand, Mr. Peyton«, sagte sie mit fester Stimme. »Nun, warum denken Sie, es wäre kein Blödsinn? Ich bin davon überzeugt!«

»Weil ich es nicht von Ihrem Standpunkt aus betrachte«, gab er zurück. »Es ist nicht die schöne Stute in Ihrem Stall, die getroffen werden soll, sondern Lady Renardsmere soll durch sie getroffen werden. Dieser Mann, der im Hintergrunde lauert und alles daransetzt, um das, was er haben will, zu erlangen, hat sicherlich schon längst herausgefunden, daß Lady Renardsmere in die Angelegenheit verwickelt ist. Möglicherweise hat er schon versucht, durch Drohungen den Gegenstand, den er in ihrem Besitz vermutet, zu erhalten. Sie wissen doch gar nicht, was sich zwischen den beiden vielleicht schon abgespielt hat. Warum versteckt sie sich? und warum hat sie plötzlich die Zahl der Privatdetektive verdoppelt? Nein, es ist kein Blödsinn! Die Stute ist in Gefahr, es stimmt schon, was dieser Macfarlane sagte.«

»In was für einer Gefahr?« fragte Peggy.

»Wenn ich das beantworten könnte, gäbe es keine Gefahr«, antwortete er. »Ich weiß nicht, wo sie liegt. Aber ich an Ihrer Stelle würde die Vorsichtsmaßregeln verstärken. Schließlich sind es nur noch vier Tage.«

»Aber was kann man noch mehr tun?« rief Peggy aus und machte ein zorniges Gesicht. »Ich kann das Tier doch nicht in einen Safe einsperren, oder das Wohnzimmer als Stall einrichten! Keiner hat jemals ein Pferd so bewachen lassen wie ich. Mein Vater hat drei Derby- und fünf St.-Leger-Sieger trainiert, und er wäre vor Lachen geplatzt, wenn er gesehen hätte, wie diese Stute bewacht wird. Denn …«

»Die Umstände sind außergewöhnlich, liebes Kind«, unterbrach Miß Hepple.

»Komm mir doch nicht mit solchen abgedroschenen Redensarten, Tante Milly!« gab Peggy zurück. »Wir wissen alle, daß die Umstände außergewöhnlich sind. Aber hier dreht sich's doch darum, kann ich noch mehr tun, als ich schon tue? Eine große Schar von Männern und Burschen bewachen das Tier! Was soll ich denn noch mehr tun? Wenn die Menschen doch nur Vernunft annehmen würden –«

Sie blickte zu mir herüber und trommelte auf den Tisch; sie sah mich so flehend an, daß ich mir noch einmal alles durch den Kopf gehen ließ.

»Schließlich«, sagte ich zu Peyton, »sehe ich wirklich nicht ein, was Miß Manson noch mehr tun sollte. Die Stute wird ununterbrochen Tag und Nacht bewacht.«

»Ich werde Ihnen alles genau aufzählen«, unterbrach Peggy. »Während des Tages wird sie oder ihre Stalltür immer von mindestens zwölf Paar Augen angestarrt. Nachts ist entweder Bradgett oder ihr eigener Stallbursche bei ihr, einer der Detektive sitzt immer in dem nebenanliegenden Zimmer, und zwei andere gehen draußen auf und ab. Was wollen Sie noch mehr?«

»Viel mehr kann man nicht machen«, gab ich zu. »Aber erlauben Sie Peyton und mir, wenigstens dies noch zu tun. Wir sind bereit, sie abwechselnd von nun an bis zu dem Augenblick, wo sie nach Epsom gebracht wird, zu bewachen. Der Vorschlag stammt übrigens von Peyton.«

»Es ist sehr liebenswürdig von Mr. Peyton, von Ihnen beiden«, antwortete Peggy. »Ich als Rippling Rubys Trainer sage Ihnen ganz offen, daß ich es für vollkommen unnötig halte, aber wenn es Sie beruhigen kann – ich bin nicht im geringsten beunruhigt – dann tun Sie es. Richten Sie sich ganz ein, wie Sie es wollen, und tun Sie, als ob Sie zu Hause wären. Und nun, hören Sie um Gottes willen mit diesem Blödsinn auf, und lassen Sie uns was trinken!«

Peyton und ich einigten uns, nachdem wir mit Bradgett und den Detektiven alles besprochen hatten. Eine Nacht würde er die Stallwache übernehmen, die andere Nacht ich; einen Tag würde er aufpassen, den folgenden ich. Wir führten dies durch, und nichts ereignete sich.

Auf jeden Fall nichts bis Sonntag kurz nach Mitternacht. Ich rauchte und unterhielt mich grade mit einem der Detektive in dem Zimmer neben Rippling Rubys Box.

Plötzlich kam einer der draußen patrouillierenden Detektive herein.

»Ein Mann steht draußen, ganz vermummt, er behauptet, Sie kennten ihn, Mr. Cranage«, sagte er. »Würden Sie herauskommen und ihn sich mal ansehen?«

Er nahm eine der stets bereitstehenden brennenden Laternen und ging mit mir auf den Hof.

Draußen stand, unter Bewachung eines anderen Detektivs, eine Gestalt in einem schweren Reisemantel und durch einen Schal vermummt. Es war gar nicht nötig, das Licht auf ihn zu halten, denn in dem Augenblicke, wo er mich sah, sprach er.

»Guten Abend«, sagte eine wohlbekannte Stimme. »Ich bin's, Joycey.«

»Joycey!« rief ich aus. »Was führt Sie denn um diese Nachtstunde noch hierher? Ist Lady Renardsmere …«

Er unterbrach mich mit einer Handbewegung und deutete auf die wenige Minuten entfernt liegende Landstraße, wo ich die starken Scheinwerfer eines Automobils sehen konnte.

»So bin ich hergekommen«, sagte er. »Und ich werde in ein paar Minuten, sobald ich meinen Auftrag erledigt habe, wieder abfahren. Die gnädige Frau hat mir befohlen, einen Blick, nur einen Blick auf die Stute zu werfen.«

»Was?« sagte ich. »Sie sollen nachsehen, ob sie noch lebt!«

»Mein Befehl ist, nachzusehen, ob sie noch da ist«, antwortete er. »Ich habe das diesen beiden schon gesagt, bevor Sie herausgeholt wurden.«

Ich wandte mich an die beiden Detektive.

»Dies ist Lady Renardsmeres Hausmeister«, sagte ich. »Sie haben gehört, was er tun soll. Es ist nicht nötig, Miß Manson zu holen, ich übernehme die Verantwortung.«

Wir nahmen zwei Laternen und gingen in den Stall und zu Rippling Rubys Stand. Der Stallbursche, der in der Box mit schlief, stand auf und blinzelte uns an. Rippling Ruby wandte den Kopf zu uns herum. Joycey warf nur einen Blick auf sie und trat zurück.

»Das genügt, meine Herren«, sagte er. »Das ist alles, was ich tun sollte. Ich danke Ihnen.«

Er wickelte sich wieder in feinen Schal und ging hinaus. Ich begleitete ihn ein Stück.

»Merkwürdiger Einfall, Joycey«, bemerkte ich.

»Viele Einfälle der gnädigen Frau sind sehr merkwürdig«, antwortete er höflich. »Es steht mir nicht zu, darüber nachzudenken oder sie zu erörtern. Es ist bereits Montag Morgen, Sie werden heute nachmittag in Marengo Lodge erwartet. Seien Sie nicht zu spät zum Abendessen da, ich kann Ihnen … etwas Gutes versprechen!«

Dann, ohne noch ein Wort zu sagen, ging er schnell auf das Auto zu und ließ mich verdutzter denn je zurück.


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